Regelungstechnik I (HS 2015) Musterlösung

Dr. G. Ochsner
151-0591-00
Regelungstechnik I
Übung 10
Nyquist-Kriterium, Einschränkungen des Regelsystems, Sensitivität
(HS 2015)
Musterlösung
[email protected], 23. November 2015
Aufgabe 1 (Nyquist-Kriterium)
Ein System ist gemäss Nyquist-Kriterium asymptotisch stabil wenn gilt:
nc = n+ +
n0
2
wobei nc die Anzahl Umdrehungen1 der Nyquistkurve des offenen Regelkreises um den Punkt
(−1, 0), n+ die Anzahl Pole von L(s) in der offenen rechten Halbebene und n0 die Anzahl Pole
von L(s), welche auf der imaginären Achse liegen, ist.
i)
nc = 0, n+ = 0, n0 = 0. Das geschlossene Regelsystem ist somit asymptotisch stabil.
ii)
nc = −2, n+ = 0, n0 = 0. Das geschlossene Regelsystem ist somit instabil.
iii)
nc = 0.5, n+ = 0, n0 = 1. Das geschlossene Regelsystem ist somit asymptotisch stabil.
iv)
nc = −1, n+ = 0, n0 = 2. Das geschlossene Regelsystem ist somit instabil.
v)
nc = 0, n+ = 0, n0 = 0. Das geschlossene Regelsystem ist somit asymptotisch stabil.
vi)
nc = −0.5, n+ = 1, n0 = 1. Das geschlossene Regelsystem ist somit instabil.
Aufgabe 2 (Einschränkungen des Regelsystems)
Die Störungen im genannten Frequenzbereich müssen durch das Regelsystem um den Faktor 10
reduziert werden. Für die Durchtrittsfrequenz ωc muss dann gelten: ωc > 10 · ωd = 1 rad/s .
Das Rauschen ist sehr hochfrequent (wn = 6000 rad/s). Die Separation von Störungen und Rauschen ist möglich. Es liegen mehr als 2 Dekaden dazwischen. Für die Durchtrittsfrequenz muss
gelten: ωc < 0.1 · ωn = 600 rad/s.
Um die Regelstrecke im Frequenzbereich analysieren zu können, muss zuerst die Übertragungsfunktion
des Systems P (s) berechnet werden. Dabei wird zuerst angenommen, dass das Eingangssignal
u(t−0.01) totzeitfrei ist, also u(t). Da sich die Totzeit direkt am Eingang befindet, kann sich nach
der Berechnung der totzeitfreien Übertragungsfunktion als serielles Element hinzumultipliziert
werden.
Es gibt mehrere Möglichkeiten P (s) zu bestimmen:
1. Laplace-Transformation aller Gleichungen (mit Annahme xi,0 = 0), Auflösen des linearen
Gleichnugssystems
2. Bestimmen der Zustandsraumdarstellung des Systems, Berechnen von P (s) = c[sI −
A]−1 b + d
1
Wenn ω von −∞ zu ∞ geht, werden Umdrehungen im Gegenuhrzeigersinn dabei positiv und jene im Uhrzeigersinn negativ gezählt
1
Exemplarisch wird die 2. Vorgehensweise aufgezeigt.
−1 0
s
−1
·
u → y : Pu (s) = −4 1 ·
=
1
−1 s + 1.5
s−4
s−4
=
= 2
s + 1.5s − 1
(s + 2)(s − 0.5)
Mit der Totzeit wird die Übertragungsfunktion
P (s) = Pu (s) · e−0.01s =
s−4
· e−0.01s .
(s + 2)(s − 0.5)
Einschränkungen durch instabile Pole
Die betrachtete Strecke hat einen instabilen Pol bei
π + = 0.5.
Damit der Regler die Strecke stabilisieren kann, muss gelten: ωc > 2 · ωπ = 1 rad/s.2
Einschränkungen durch nicht-minimalphasige Nullstellen
Die betrachtete Regelstrecke hat eine nicht-minimalphasige Nullstelle bei
ζ + = 4.
Die nicht-minimalphasige Nullstelle begrenzt die Durchtrittsfrequenz von oben. Es muss gelten:
ωc < 0.5 · ωζ = 2 rad/s.3
Einschränkungen durch Totzeit
Die Totzeit beschränkt die Durchtrittsfrequenz ebenfalls von oben. Es muss gelten: ωc < 0.5 ·
ωdelay = 0.5 · T1 = 50 rad/s.4
Einschränkungen durch Modellunsicherheit
Aus der
√ Übertragungsfunktion W2 (s) ist ersichtlich, dass das Modell frühstens bei der Frequenz
ω2 = 99 ≈ 10 rad/s eine Unsicherheit von 100 % aufweist, d.h. |W2 (s)| = 1. Die Durchtrittsfrequenz von W2 (s) gibt ebenfalls eine obere Schranke für die Durchtrittsfrequenz: ωc < 0.5 · ω2 = 5
rad/s.
Die folgende Abbildung zeigt die besprochenen Frequenzverhältnisse.
Schlussfolgerung
Zusammengefasst ergeben die obigen Bedingungen die folgende Ungleichnung:
max{10 · ωd , 2 · ωπ } < ωc < min{0.5 · ω2 , 0.5 · ωdelay , 0.5 · ωζ , 0.1 · ωn }
1 rad/s < ωc < 2 rad/s.
Diese Ungleichung kann erfüllt werden. Somit kann ein Regler gefunden werden.
Das Frequenzband ist allerdings sehr eng. Für konservativere Auslegungen (z.B. Faktor 5 anstatt
2) kann kein Regler gefunden werden.
2
Für eine sinnvolle Regelung sollte die Durchtrittsfrequenz mindestens eine Oktave (Faktor 2) über dem instabilen Pol liegen.
3
Für eine sinnvolle Regelung sollte die Durchtrittsfrequenz mindestens eine Oktave (Faktor 2) tiefer liegen als
die nicht-minimalphasige Nullstelle.
4
Die Durchtrittsfrequenz sollte typischerweise mindestens eine Oktave unter dieser Frequenz liegen.
2
20
10
Magnitude [dB]
0
-10
-20
-30
P(jω)
W (jω)
-40
2
ωπ
ω
-50
ζ
ω delay
-60
10 -2
10 -1
10 0
10 1
10 2
Frequency [rad/s]
Abbildung 1: Frequenzverläufe
Aufgabe 3 (Sensitivität)
a)
Wie in der Aufgabenstellung beschrieben überprüfen wir die Gleichung T (s) + S(s) = 1
nur bei der Durchtrittsfrequenz ωc . Mit
T (jω) =
L(jω)
,
1 + L(jω)
S(jω) =
1
1 + L(jω)
kann man schreiben
L(jω) =
T (jω)
.
S(jω)
Bei der Durchtrittsfrequenz ωc gilt:
|L(jωc )| =
|T (jωc )|
= 1.
|S(jωc )|
Folglich ist bei der Durchtrittsfrequenz der Betrag der komplementären Sensitivität gleich
dem Betrag der Sensitivität: |T (jωc )| = |S(jωc )|.
Aus dem Bode Diagramm findet man die Durchtrittsfrequenz ωc = 1.77 rad/s.
Da der fundamentale Zusammenhang T (s) + S(s) = 1 für s ∈ C gilt, gilt er auch für
s = jωc . Man muss also einfach überprüfen, ob gilt:
|T (jωc )|·[cos (∠T (jωc ))+j ·sin (∠T (jωc ))]+|S(jωc )|·[cos (∠S(jωc ))+j ·sin (∠S(jωc ))] = 1
3
Für die Durchtrittsfrequenz findet man im Bode Diagramm:
|T (jωc )| ≈ 5.8dB ≈ 1.95, ∠T (jωc ) ≈ −75◦ , |S(jωc )| ≈ 5.8dB ≈ 1.95, ∠S(jωc ) ≈ 75◦
und somit
1.95 · 2 · cos(75◦ ) ≈ 1
b)
Im Bode Diagramm erhält man L(jω) indem man S(jω) von T (jω) “subtrahiert” wegen
Logarithmus. Die resultierenden Verläufe sind in Abb. 2 eingezeichnet.
Magnitude [dB]
Bode Diagram
10
T(jω)
S(jω)
L(jω)
0
-10
10 0
10 1
10 0
10 1
Phase [deg]
100
0
-100
Frequency [rad/s]
Abbildung 2: Frequenzverläufe
Alle Angaben ohne Gewähr.
4