Predigt zu Lk 14,15-24, 2. Sonntag nach Trinitatis, 14.06.2015 Die

Predigt zu Lk 14,15-24, 2. Sonntag nach Trinitatis, 14.06.2015
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen
Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
Sicher kennen viele von Ihnen das alte Lied – ein Spiritual aus den USA – „Oh when the Saints go
marching in“ „Oh when the saints go marching in, oh when the Saints go marching in – then Lord
let me be in that number, when the Saints go marching in.“ “Wenn die Heiligen in das Reich Gottes,
in den Himmel einziehen, dann, oh Herr, lass mich dabei sein. Lass mich dazu gehören.“ Liebe
Gemeinde, was, denken Sie, ist nötig, um dabei zu sein, wenn die Heiligen in den Himmel
einziehen? Wer bekommt einen Platz im Reich Gottes? Und wie viele wird Gott überhaupt
hineinlassen?
Die Zeugen Jehovas halten sich bekanntlich an die Zahl 144 000, die sich im Buch der
Offenbarung des Johannes ganz am Ende der Bibel findet (Offb 7,4; 14,1+3). Dort wird von 144
000 Menschen gesprochen, die das Siegel Gottes bzw. seinen Namen auf ihrer Stirn tragen. Von
ihnen heißt es: „Und sie sangen ein neues Lied vor dem Thron [Gottes] (…); und niemand konnte
das Lied lernen außer den hundertvierundvierzigtausend, die erkauft sind von der Erde. Diese
sind's, die sich mit Frauen nicht befleckt haben, denn sie sind jungfräulich; die folgen dem Lamm
[Gottes] nach, wohin es geht (…) und in ihrem Mund wurde kein Falsch gefunden; sie sind
untadelig.“ (Offb 14,3-5)
Liebe Gemeinde, was ist nötig, um dabei zu sein, wenn die Heiligen in den Himmel einziehen?
Muss man gelebt haben wie ein Mönch – asketisch, gehorsam und keusch? Sollte man auf’s
Reden lieber verzichten, um nichts Falsches zu sagen? Und wie schafft man das: untadelig zu
leben???
Die Zahl 144 000 ist wohl eher symbolisch gemeint – jeweils 12 000 aus den 12 Stämmen Israel:
ein Bild für das vollkommene Gottesvolk. Und trotzdem bleibt die Frage: Werde ich dabei sein?
Habe ich eine Eintrittskarte ins Reich Gottes, in den Himmel?
Liebe Gemeinde, Jesus ist bei einem der Oberen der Pharisäer eingeladen und sitzt damit
wahrscheinlich unter Menschen, die sich recht sicher sind, in Gottes Reich einen Platz zu
bekommen. Die Pharisäer achteten sehr genau darauf, die Gebote Gottes möglichst 100%ig zu
befolgen, und waren insofern wahrscheinlich ganz hoffnungsvoll, am Ende der Tage zu den
„Gerechten“ zu zählen, die in Gottes neue Welt aufgenommen werden. „Selig ist, der das Brot isst
im Reich Gottes!“ sagt einer von ihnen zu Jesus, und meint dabei möglicherweise sich selbst und
seine Gruppe. Jesus aber erzählt daraufhin ein Gleichnis vom Reich Gottes, das mit einer
deutlichen Warnung an seine Gastgeber verbunden ist und ihr Denken über das Reich Gottes
möglicherweise ziemlich auf den Kopf gestellt hat.
Wir haben das Gleichnis bereits als Evangeliumslesung gehört: Ein wohlhabender Mann möchte
ein großes Festmahl geben. Er lädt zahlreiche Personen ein und bereitet alles vor. Als der Tisch
bereits gedeckt und festlich geschmückt ist und alle Speisen zubereitet sind, will der Gastgeber wie
es Brauch war die Gäste durch seinen Diener rufen lassen: „Kommt, es ist alles bereit! Das Fest
kann beginnen!“ Doch einer nach dem anderen sagt ab, entschuldigt sich. Der eine hat ein Stück
Land erworben und möchte es sich ansehen, ein anderer hat ein Paar Ochsen gekauft, die er
besichtigen möchte; der dritte schließlich hat gerade geheiratet und kann deshalb nicht kommen.
Der Gastgeber ist brüskiert und verletzt. Er wird zornig und überlegt vielleicht einen Augenblick, die
ganze Sache abzublasen. Ein Fest ohne Gäste hat keinen Sinn. Dann aber hat er eine Idee. Er
schickt seinen Diener noch einmal los und lässt die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen
einladen. Als dann immer noch Platz ist, schickt er ihn ein drittes Mal hinaus, diesmal auf die
Landstraßen und an die Zäune, damit sein Haus wirklich voll wird.
Liebe Gemeinde, die Gründe, mit denen sich die zuerst Eingeladenen entschuldigen lassen, sind
verständlich und nachvollziehbar. Wer wäre nicht auch schon in der Situation gewesen, bei einer
Einladung kurzfristig absagen zu müssen. Eine unglückliche Terminüberschneidung. Ein
unvorhergesehenes Meeting, bei dem ich nicht fehlen kann. Ein großer Auftrag, bei dem
Überstunden nicht zu vermeiden sind. Manchmal geht die Arbeit einfach vor. Und wie ist es mit
dem, der gerade geheiratet hat? Einerseits handelt er vielleicht unklug, indem er sich mit seiner
Braut zurückzieht und abkapselt. Es wäre vielleicht besser gewesen, mit ihr zusammen das Fest zu
besuchen und sie seinem Freundeskreis vorzustellen. Andererseits steht außer Frage, dass es
äußerst wichtig ist, sich im alltäglichen Termindschungel Zeit für die Partnerschaft und Familie zu
reservieren. Man muss Prioritäten setzen, man kann eben nicht alles, und so muss man bei
mancher Party eben absagen.
Liebe Gemeinde, ich glaube nicht, dass Jesus mit seinem Gleichnis sagen wollte, dass wir die
Arbeit oder die Partnerschaft bzw. die Familie vernachlässigen sollten, um stattdessen ständig
feiern zu gehen. Ihm geht es nicht um irgendein Fest. Ihm geht es um das Reich Gottes. Der
Gastgeber ist Gott. Er lädt uns ein zu seinem Fest. Er möchte mit uns feiern, möchte uns in seinem
Haus willkommen heißen. Er möchte uns begegnen, unsere Geschichten hören, auf unsere Sorgen
eingehen und mit uns lachen. Er möchte uns satt machen mit seiner Liebe. Folgen wir der
Einladung? Oder finden wir immer wieder Ausreden?
Jesus gibt mit seinem Gleichnis eine spannende Antwort auf die Frage: „Hast du eine Eintrittskarte
für den Himmel?“ bzw. auf die sehnsüchtige Bitte: „When the saints go marching in – oh Lord, let
me be in that number”. In Gottes Haus, an seinem Tisch ist Platz – unendlich viel Platz. Da passen
nicht nur 144 000 hinein! Gott lädt uns alle ein! Alle!!!! Er schließt niemanden von seinem Fest aus.
Aber es kann passieren, dass wir uns selbst ausschließen! Es kann passieren, dass wir zu
beschäftigt sind, um auf Gottes Angebot, auf seine Einladung einzugehen. Zu beschäftigt mit
unserer Arbeit, unserem Besitz, unserer Partnerschaft oder Familie. Ja, es ist wichtig, Prioritäten zu
setzen, und dazu gehört es, bei manchen Einladungen oder Angeboten auch mal abzusagen. Aber
Gottes Einladung sollte die oberste Priorität in unserem Leben haben.
Liebe Gemeinde, es ist leicht, über die Pharisäer zu lästern, und ihnen Selbstgerechtigkeit oder
Scheinheiligkeit vorzuwerfen. Die Frage ist aber: Wo stehen wir? Wer sind wir in diesem Gleichnis?
Gott hält uns einen Spiegel vor und fragt: Wer bist du in diesem Gleichnis? – und wer möchtest du
sein? Gehörst du zu den Erstgeladenen, die aus verschiedenen Gründen absagen? Oder gehörst
du zu den Armen und Kranken bzw. zu den Heiden, den Außenseitern, denen die zweite bzw. dritte
Einladung des Gastgebers gilt?
Ich denke, die Gefahr ist, dass wir die Rolle der Erstgeladenen übernehmen. Für diese zuerst
geladenen Gäste ist die Einladung des Gastgebers nichts besonders. Sie sind wohlhabend wie er,
haben in ihren eigenen Häusern wahrscheinlich schon ähnliche Feste veranstaltet. Sie messen der
Einladung keinen besonderen Wert zu, und so fällt es ihnen leicht, aufgrund ihrer anderen
Verpflichtungen abzusagen. Wie anders werden sich die Armen, Kranken und Behinderten fühlen,
die der Gastgeber anschließend einlädt? Sie sind zu einem solchen Fest vielleicht noch nie
gebeten worden. Sie stehen am Rande der Gesellschaft, gelten als unrein, niemand will sonst
etwas mit ihnen zu tun haben. Diese Gäste werden mit Staunen und Überraschung reagieren und
die Einladung, vielleicht leicht ungläubig – meint der wirklich mich?? - selbstverständlich
annehmen und kommen.
Liebe Gemeinde, ist Ihnen, ist Euch die Einladung Gottes noch etwas wert? Oder ist die Rede von
Gottes Erbarmen, von seiner Barmherzigkeit und Liebe für uns schon so selbstverständlich
geworden, dass es niemanden mehr überrascht oder erfreut? Gehen wir davon aus, dass wir als
getaufte und konfirmierte Kirchenmitglieder, als Kirchensteuerzahler oder als Bewohner des
sogenannten „christlichen Abendlandes“ mit all seinen christlichen Werten sowieso „dabei“ sein
werden, wenn sich die Türen zum Festmahl in Gottes Reich öffnen?
Jede Liebesbeziehung, jede Partnerschaft ist in dem Moment in großer Gefahr, in dem wir die
Liebe des Partners oder der Partnerin als selbstverständlich betrachten und nicht mehr
wertschätzen. Haben wir uns schon so an die Liebe Gottes, an seine Vergebung, an seine offenen
Arme gewöhnt, dass wir sie als selbstverständlich betrachten und sie uns egal wird? Das Gleichnis
mahnt uns, die Einladung Gottes nicht auf die leichte Schulter zu nehmen oder zu missachten,
nach dem Motto: „Ach so der! Ja, der schickt ständig Einladungen. Da kümmer ich mich später
drum, jetzt habe ich wichtigeres zu tun…“
Liebe Gemeinde, die Ermahnung bzw. Warnung ist der eine Teil des Gleichnisses. Noch viel
wichtiger aber ist die positive, Mut machende Botschaft, die das Gleichnis transportiert. Der Zorn
des Gastgebers über die Absagen ist nicht das Ende der Geschichte. Sein Fest soll nicht ausfallen.
Erneut lädt er Menschen zu sich ein, und diesmal schickt er seinen Diener ganz gezielt zu denen,
die mit einer Behinderung, mit Armut oder Krankheit durchs Leben gehen. D.h. Gott lädt uns ein zu
seinem Fest. Und wir dürfen kommen so wie wir sind – auch mit all unseren sichtbaren oder
unsichtbaren Gebrechen und Behinderungen. Mit unseren blinden Flecken, unserer verkrüppelten
Freude, unserer lahmen Hoffnung. Oft sind wir blind zu sehen, wer uns braucht oder was wir
getrost lassen können. Oft sind wir zu lahm, uns aufzumachen als Friedensstifter, Brückenbauer
oder Hoffnungsträger. Und dennoch, oder gerade deshalb gilt uns Gottes Einladung. Er lädt uns ein
zu sich, weil er weiß, wie sehr wir ihn brauchen.
Das zeigt auch die dritte Einladung des Gastgebers. Zuletzt schickt er seinen Knecht an die Zäune
und auf die Landstraßen. Die Zäune waren für die damaligen Zuhörer ein Synonym für die Grenzen
Israels. Der Gastgeber lädt nun also auch Menschen aus anderen Völkern, Heiden,
Andersgläubige ein, beim Fest dabei zu sein.
D.h. für uns heute: Gott lädt gerade die zu seinem Fest ein, die bislang gar nichts von ihm wissen
oder wissen wollen. Die ohne Religion aufgewachsen sind oder ihren Glauben durch ein tragisches
Ereignis verloren haben. Die sich voller Kritik von der Institution Kirche abgewandt haben oder die
voller Fragen und Zweifel sind. Das Fest ist nicht nur für die Insider, für die, die immer schon zur
Gemeinde dazugehören, sondern gerade auch für die „Neuen“, die Ängstlichen, die
Außenstehenden, die Kritiker… Gott lädt alle ein. Und es ist auch unsere Aufgabe, diese Einladung
an alle weiterzugeben. Nicht nur an die Menschen aus unserem Milieu, unserer
Gesellschaftsschicht, unserem Bildungsniveau. Die Kirche muss da noch viel offener und
durchlässiger werden, wenn sie ein Teil des Reiches Gottes sein will.
Die Frage: „Wer bist du in diesem Gleichnis? Und wer möchtest Du sein?“ muss ja nicht bei den
Gästen stehen bleiben. Vielleicht können wir uns auch mit der Rolle des Dieners identifizieren, der
die Einladungen weitergibt – oder auch mit dem Gastgeber selbst. Wenige Verse vor dem
Gleichnis sagt Jesus zu dem, der ihn eingeladen hatte: Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl
machst, so lade weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche
Nachbarn ein, damit sie dich nicht etwa wieder einladen und dir vergolten wird. Sondern wenn du
ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst du selig sein, denn
sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung
der Gerechten.“ Vielleicht bekommen Sie durch das Gleichnis bzw. die Worte Jesus ja auch eine
neue Idee für das nächste Fest, das sie selbst ausrichten. Wen werden Sie einladen?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in
Christus Jesus. Amen.
Pastorin Katharina Davis