Medienmappe - Spekulationsstopp

Bündnis gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln
Medienmappe – Lancierung Abstimmungskampagne
12. Dezember 2015
Medienmitteilung des Bündnis gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln
Der Nahrungsmittelspekulation einen Riegel schieben
Am 28. Februar 2016 wird über die Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln
(Spekulationsstopp-Initiative)“ abgestimmt. Heute informierte an einer Medienkonferenz
das aus Hilfswerken, Bäuerinnen und Bauern, kirchlichen Organisationen und Parteien
bestehende „Bündnis gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln“ über die geplante Abstimmungskampagne und warb für ein deutliches Ja zur Initiative.
Nach wie vor leiden weltweit 1.8 Milliarden Menschen an Hunger und Mangelernährung. Jede Sekunde stirbt ein Mensch an den Folgen von Unterernährung. Die Uno spricht im Zusammenhang
mit dem Welthunger von der grössten lösbaren Krise unserer Zeit. „Seit ein bis zwei Jahrzehnten
kommt ein neues, sich zunehmend verschärfendes Problem hinzu. So wird der Welthunger heute zusätzlich verstärkt durch Entwicklungen am Finanzmarkt“, führte die Aargauer Ständerätin
Pascale Bruderer Wyss aus. „Diese Hebelwirkung will die Initiative ‚Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln‘ reduzieren, indem Finanzinstitute mit Sitz oder Niederlassung in der Schweiz nicht
länger mit Agrarderivaten spekulieren dürfen.“
Heute spekulieren ausländische Investment-Fonds und einige wenige Trader in der Schweiz auf
Grundnahrungsmittel, was zu extremen Preisschwankungen führt. Dieses schädliche Geschäft
verursacht Hunger und Elend auf der ganzen Welt. „Hungernde Menschen, die sich ihre Nahrung
nicht mehr leisten können, sind die direkte Folge der Machenschaften an den Nahrungsmittelbörsen“, erklärte JUSO-Vize-Präsidentin Hanna Bay.
Die Geschäftsleiterin von Swissaid, Caroline Morel, berichtete über die durch die Nahrungsmittelspekulation verursachten Probleme in ihren Projektländern: „Die unberechenbare Preisentwicklung für ihre Produkte ist für Kleinbauernfamilien in Ländern des Südens verheerend, denn sie
können nicht langfristig planen und scheuen sich, in ihren Betrieb zu investieren. In der Not kann
die unsichere Situation dazu führen, dass die Bauern Saatgut, Vieh oder Land verkaufen müssen.“
„Das eigentliche Problem der Spekulation auf Nahrungsmittel ist, dass der Preis so nicht mehr
von Angebot und Nachfrage bestimmt wird, sondern durch andere Faktoren verfälscht wird“,
führte der Berner EVP-Grossratspräsident und Geschäftsführer von Interaction Marc Jost aus.
Dies wirkt sich auch auf die Schweizer Landwirtschaft aus, die ebenfalls von Preisschwankungen
betroffen ist. 2010 verlor die Schweizer Landwirtschaft so 100 Millionen Franken. „Uns Bauern,
die wir jeden Morgen früh aufstehen und die wir unsere Arbeit lieben, stört besonders, dass sich
einige wenige auf Kosten der Produzenten und Konsumenten bereichern, ohne dass sie sich jemals die Hände schmutzig gemacht haben oder gar wissen, auf was sie spekulieren“, bekräftigte
Philippe Reichenbach, Bauer und Präsident von Uniterre Neuenburg.
Auch der Pfarrer des Zürcher Neumünsters, Andreas Peter, sprach sich entsprechend der Parole
der Evangelische Landeskirche (SEK) für die Spekulationsstopp-Initiative aus: „Es ist mir als Bürger, Pfarrer und liberaler Geist auch schlicht unverständlich, warum sich die Finanzindustrie zum
X-ten Mal in einem ungeregelten Feld bewegen will, weniger geregelt als die liberalen Vereinigten
Staaten von Amerika oder die Europäische Union.“
Für weitere Auskünfte:
Pascale Bruderer Wyss, Ständerätin SP/AG, 076 527 17 56
Hanna Bay, Vize-Präsidentin JUSO Schweiz, 079 383 45 17
Caroline Morel, Geschäftsleiterin Swissaid, 079 208 75 17
Marc Jost, EVP, Grossratspräsident Kanton Bern, Geschäftsführer Interaction, 076 206 57 57
Philippe Reichenbach, Präsident Uniterre Neuenburg, 079 640 89 63
Andreas Peter, Pfarrer Neumünster Zürich, 044 383 33 51
Redebeitrag von Pascale Bruderer Wyss, Ständerätin SP/AG
„Mit dem Essen spielt man nicht!“
Es gilt das gesprochene Wort.
Nach wie vor leiden weltweit 800 Millionen Menschen an chronischem Hunger, eine weitere Milliarde ist
mangelernährt. Jede Sekunde stirbt ein Mensch an den Folgen von Unterernährung und in mehr als 40
Ländern der Welt haben über 15 Prozent der Bevölkerung keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung.
Diese Fakten führen uns vor Augen, wie gravierend das Hungerproblem für unsere Gesellschaft ist: Ein
Zustand, der nicht nur ethisch und moralisch untragbar ist, sondern darüber hinaus auch die Entwicklung
ganzer Volkswirtschaften verhindert und Hungerflüchtlinge verursacht.
Die Uno bezeichnet den Hunger als das grösste lösbare Problem der Welt. Ein Problem, das viele verschiedene Ursachen hat und darum auch auf unterschiedlichen Ebenen bekämpft werden muss: International, nicht zuletzt durch den Einsatz der Staatengemeinschaft für Ernährungssicherheit und gegen Armut.
Durch private Initiative, etwa mit Spenden für Hilfsprojekte in den Ländern des Südens. Aber auch durch
staatliche Massnahmen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit.
Seit ein bis zwei Jahrzehnten kommt ein neues, sich zunehmend verschärfendes Problem hinzu. So wird
der Welthunger heute zusätzlich verstärkt durch Entwicklungen am Finanzmarkt. Spekulative Börsengeschäfte mit Nahrungsmitteln führen zu Preisspitzen und extremen Preisschwankungen, welche gemäss der
Uno-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO mitverantwortlich sind dafür, dass Millionen von
Menschen in Hunger und Elend leben.
Diese Hebelwirkung will die Initiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“ reduzieren, indem Finanzinstitute mit Sitz oder Niederlassung in der Schweiz nicht länger mit Agrarderivaten spekulieren dürfen.
Explizit ausgenommen sind die preisliche und terminliche Absicherung; damit orientiert sich die Initiative
an bestehenden Regulierungen in den USA (Dodd-Frank Act) und der EU (MiFID II), die zwischen Hedging
(Absicherung) einerseits und Spekulation (Wetten auf die Preise) andererseits unterscheiden.
Weiter verpflichtet die Initiative den Bundesrat, sich international gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln einzusetzen. Damit will die Spekulationsstopp-Initiative den Aktivitäten von Hedge-Funds einen Riegel
schieben und den Nahrungsmittel-Handel wieder auf eine reale Basis stellen. Konsumentinnen, Händler
und Produzentinnen sind von den Regulierungen der Initiative nämlich nicht nur explizit ausgenommen, sie
profitieren auch aktiv von einer erhöhten Planungssicherheit dank stabileren Preisen. Die Notwendigkeit
einer solchen Korrektur zeigt sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass die spekulationsgetriebenen Preisspitzen der Schweizer Landwirtschaft alleine im Jahr 2010 Verluste von 100 Millionen Franken verursachten. Eine Problematik, die sich aufgrund der schwierigen Situation an den Finanzmärkten durchaus noch
verschärfen könnte.
Was ich meinen Kindern am Mittagstisch sage, gilt ganz genauso für Spekulanten an der Börse: „Mit dem
Essen spielt man nicht!“ Ich unterstütze die Spekulationsstopp-Initiative deshalb aus Überzeugung. Ein
starkes Ja am 28. Februar 2016 ist nicht nur ein Beitrag im Kampf gegen den Welthunger, sondern auch
ein Engagement für stabile und faire Preise, was den Produzenten, dem verarbeitenden Gewerbe sowie
den Konsumentinnen in der Schweiz gleichermassen zugutekommt.
Redebeitrag von Hanna Bay, Vize-Präsidentin JUSO Schweiz
Finanzspekulation mit Nahrungsmitteln – Das Geschäft mit dem
Hunger
Es gilt das gesprochene Wort.
Der Hunger, welchen Pascale Bruderer eben geschildert hat, ist eine Schande für das 21. Jahrhundert.
Es ist kein Naturgesetz, dass Menschen auf dieser Welt hungern müssen, sondern eine von Menschen
gemachte Tragödie. Seit den Deregulierungen um die Jahrtausendwende verwandelten sich die Agrarrohstoffbörsen von Orten der Preisabsicherung zwischen Produzenten und Abnehmern zu einem Hort
für Spekulanten. Als 2007 die Immobilienblase in den USA platzte und damit die Finanzkrise auslöste,
suchten die Finanzkonzerne nach einem ‚sicheren Hafen’ für ihr Geld und begannen auf die Preise von
Rohstoffen zu spekulieren, da insbesondere Nahrungsmittelpreise wegen der hohen Nachfrage stiegen.
Die Spekulation hat sich in dieser Zeit vervielfacht und die Nahrungsmittelpreise verkamen endgültig zum
Spielball der Finanzmärkte. Der Nahrungsmittelpreisindex der FAO zeigt, dass 2007/2008 eine enorme
Preisblase entstand und enorme Preisschwankungen, wie man sie vorher nicht kannte, zum Alltag wurden.
Denn die Spekulation beruhigt nicht etwa den Markt, wie es uns neoliberale Ideologen hin und wieder
weismachen wollen. Die Spekulanten und ihre Preiswetten verursachen Preisblasen und – schwankungen,
deren Folgen katastrophal sind. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass es hier nicht um irgendeine Ware
geht, sondern um Nahrungsmittel. Und als sich in den Jahren 2007/2008 der Preis für Nahrungsmittel
innert weniger Monate beinahe verdoppelt hat, bedeutete dies für 115 Millionen Menschen zusätzlichen
Hunger und extreme Armut. Hungernde Menschen, die sich ihre Nahrung nicht mehr leisten können, sind
die direkte Folge der Machenschaften an den Nahrungsmittelbörsen.
Bei diesem dreckigen Geschäft spielt die Schweiz spielt auch Konzerne aus der Schweiz munter mit. Die
UBS bezeichnet die Investition in Agrarrohstoffe als „Farbtupfer im Portfolio“, obwohl es einige Banken
gibt, die mittlerweile ausgestiegen sind. So ist die Bank Sarasin komplett ausgestiegen und die CS und
die Zürcher Kantonalbank haben es zumindest teilweise vor. Doch leider reicht es einmal mehr nicht, auf
die Selbstregulierung der Wirtschaft zu warten. Denn neben den Banken und den Versicherungen mischen
auch Rohstoffkonzerne und Getreidehändler mit. Sie treiben das zynische Geschäft mit dem Hunger auf
die Spitze: Sie betreiben an den Börsen nicht nur Preisabsicherung sondern spekulieren selbst heftig mit.
Das ist doppelt problematisch, da sie ein zweifaches Interesse an steigenden Preisen haben: Sie profitieren oft sowohl an den Börsen wie auch im realen Handel. Die Initiative kann das stoppen, indem auch die
Rohstoffhändler nur noch preislich absichern dürfen für das was sie tatsächlich handeln.
Lassen sie mich zum Schluss noch zu einem Player kommen, der uns alle noch konkreter betrifft als die
bisher genannten: Auch Pensionskassen sind dabei beim Spiel mit dem Essen. Das heisst mit dem Geld
von uns allen wird, ohne dass das vielen bewusst ist, mitspekuliert. Umso mehr freut uns, dass mit dem
PK-Netz, welches mit über 600‘000 Mitgliedern das grösste Netzwerk der Arbeitnehmer in der beruflichen
Vorsorge vertritt, eine bedeutende Institution in diesem Feld sich für unsere Initiative ausspricht. Laut dem
PK-Netz entspreche die Spekulation keineswegs dem Interesse einer nachhaltigen Sicherung langfristiger Renditen und einer global stabilen Konjunktur, mit der auch die Schweiz unter anderem mit ihren rund
2000 Vorsorgewerken vernetzt ist. Im Interesse der Versicherten und der Kassen, sollte auf solche Auswüchse der Spekulation ohne Mehrwert, aber mit erheblichem Risiko, verzichtet werden.
Relativ technisch bringt das PK-Netz daher auf den Punkt, was uns allen klar sein sollte: Mit Essen spielt
man nicht. Für die Spekulanten soll es am 28. Februar heissen: GAME OVER!
Redebeitrag von Caroline Morel, Geschäftsleiterin SWISSAID
Ja zur Spekulationsstopp-Initiative: Mit Essen spielt man nicht!
Es gilt das gesprochene Wort.
Die Nahrungsmittelkrise 2007/2008 schreckte die internationale Gemeinschaft auf. Die Zahl der Hungernden stieg rasch um 100 Millionen und erreichte die traurige Rekordmarke von 1 Milliarde Menschen. Die
Hauptgründe: Die Preise für Grundnahrungsmittel waren wegen Ernteausfällen nach Dürren und Überschwemmungen markant gestiegen. Hinzu kamen der politisch geförderte Anbau von Agrotreibstoffen
sowie die zunehmende Tierfutterproduktion wegen steigendem Fleischkonsum. Doch auch die Spekulation mit Agrarrohstoffen wie Weizen oder Reis trieb die Preise in die Höhe.
Hohe Nahrungsmittelpreise führen zu Hunger, Rückschritten in der Armutsbekämpfung und sozialen
Unruhen. In Entwicklungsländern geben arme Haushalte 60 bis 80 Prozent ihres Einkommens fürs Essen
aus – prozentual gesehen viel mehr als bei uns. Hohe Preise für Grundnahrungsmittel führen häufig zum
Verzicht auf höherwertige und gesunde Nahrung wie Obst, Gemüse oder Milch, zu Verschuldung oder zu
geringeren Ausgaben für Gesundheit und Bildung. Dies hat langfristige gesundheitliche und ökonomische
Konsequenzen für arme Menschen in Entwicklungsländern: Ganze Familien sind in ihrer Existenz bedroht.
Nahrungsmittelspekulation verstärkt die Preisschwankungen
Weltbank- und UNO-Studien gehen davon aus, dass Finanzspekulationen die Getreidepreise 2008 zusätzlich in die Höhe trieben. Dies ist jedoch wissenschaftlich umstritten. Einig sind sich die Gelehrten aber
darüber, dass die Spekulation mit Nahrungsmitteln die Preisschwankungen verstärkt: Seit Agrarrohstoffe
ins Visier der Investoren gerückt sind, hat die Preisvolatilität markant zugenommen.
Doch bei der rein auf Profit ausgerichteten Spekulation mit Nahrungsmitteln geht es um mehr als um einen
Streit unter Wissenschaftlern. Es wird geschätzt dass ein Preisanstieg von einem Prozent zu 16 Millionen
zusätzlichen Hungernden führt. Die mit der Spekulation verbundenen Risiken für Millionen Menschen sind
schlicht zu gross. Darum muss alles getan werden, um das Risiko von starken Preisschwankungen möglichst klein zu halten, ganz nach dem Prinzip: „Better save than sorry“!
Starke Preisschwankungen verhindern nachhaltige Entwicklung
Die unberechenbare Preisentwicklung für ihre Produkte ist für Kleinbauernfamilien in Ländern des Südens
verheerend, denn sie können nicht langfristig planen und scheuen sich, in ihren Betrieb zu investieren.
In der Not kann die unsichere Situation dazu führen, dass die Bauern Saatgut, Vieh oder Land verkaufen
müssen. Die Gefahr wächst, dass die Menschen qualitativ und quantitativ schlechter mit Nahrungsmitteln
versorgt werden.
Angesichts der 800 Millionen Menschen, die heute unter Hunger leiden, ist die Spekulation mit Nahrungsmitteln ein Skandal. Es muss alles unternommen werden, um schädliche und exzessive Spekulation zu
unterbinden. Darum unterstützt SWISSAID die Spekulationsstopp-Initiative. Gerade in der Schweiz, einem
der wichtigsten globalen Handelsplätze für Agrarrohstoffe, braucht es einen mutigen politischen Schritt
zum Schutz des Rechts auf Nahrung für alle.
Redebeitrag von Marc Jost, EVP, Grossratspräsident Kanton Bern, Präsident Verband Interaction
Das internationale Problem der Nahrungsmittelspekulation
Es gilt das gesprochene Wort.
Das Problem der Nahrungsmittelspekulation wird nicht nur in der Schweiz diskutiert, ganz im Gegenteil.
Die USA und die EU sind der Schweiz in der Regulierung dieser Finanzgeschäfte voraus. Und selbstverständlich ist dies auch nicht ein Missstand, den die Schweiz alleine lösen kann. Wir sind jedoch besonders
gefordert, weil die Schweiz beim Handel mit Getreide, Ölsaaten, Zucker und anderen Nahrungsmitteln eine
globale Spitzenposition einnimmt und somit entsprechend Einfluss hat. Die physischen Rohstoffhändler
sind – wie der Bundesrat selber feststellt – «grundsätzlich keiner Marktaufsicht unterworfen». Sie breiten
sich aber über die ganze Nahrungsmittelkette aus und werden zusehends mächtiger. Man könnte sagen,
sie werden «too physical to fail». Der Boom auf den Agrarrohstoffmärkten ist vorerst abgeklungen. Hoffnungen auf den schnellen Gewinn sind geplatzt. Deshalb ist es ein guter Moment, die Spekulation mit
Nahrungsmitteln in Frage zu stellen.
Das eigentliche Problem der Spekulation auf Nahrungsmittel ist, dass der Preis so nicht mehr von Angebot
und Nachfrage bestimmt wird, sondern durch andere Faktoren verfälscht wird. In der Folge treiben deshalb Faktoren wie Zinshöhe, Risikobereitschaft oder fallende Aktienkurse die Preise für Nahrungsmittel,
völlig unabhängig davon, wie sich Angebot und Nachfrage für die physische Ware entwickeln.
Auf den 1. Jan. 2016 tritt das revidierte Finanzmarktinfrastrukturgesetz in der Schweiz in Kraft. Dieses Gesetz löst leider das eigentliche Problem nicht. Der Bundesrat erhält lediglich die Kompetenz, so genannte
„Positionslimiten“ einzuführen. Wo die Grenzen liegen, könnte der Bundesrat auf Verordnungsstufe festlegen. Spekulationen auf Nahrungsmittel werden damit aber so oder so weiter möglich bleiben.
Ob Positionsgrenzen allein die Spekulation ausreichend zurückdrängen, ist aber keineswegs sicher. Um
sie wirksam einzusetzen, müssten die Aufsichtsbehörden sicher unterscheiden können, welche Transaktionen nur für spekulative Zwecke gezeichnet werden und welche der Preissicherung für den Handel mit der
physischen Ware dienen. Diese Unterscheidung wird aber zusehends schwieriger, weil grosse Finanzkonzerne wie Morgan Stanley oder Goldman Sachs mittlerweile in den physischen Handel eingestiegen sind.
Darum ist es notwendig, zusätzlich auch die Kapitalquellen für die Rohstoffspekulation trockenzulegen.
Die grössten Anlagen zeichnen Pensionsfonds, Versicherungen und die Verwalter von Stiftungsvermögen.
Bei einem globalen Problem stellt sich natürlich die Frage, was denn das kleine Land Schweiz zur Lösung
einer internationalen Frage schon beitragen könne. Ich bin überzeugt: Die Schweiz geniesst – nicht nur in
humanitären Fragen - besonderes Interesse, insbesondere wenn es wie hier um ethische Fragestellungen
im Finanzsektor geht. Einige Unternehmen haben denn auch ihre kritische Rolle im Rohstoffderivate-Markt
verstanden und zeigen Verantwortungsbewusstsein indem sie aus der Nahrungsmittelspekulation aussteigen. Darunter der AHV-Fonds und die Credit Suisse.
Gerne schliesse ich mit einem Zitat von Ruedi Strahm: „Die Initiative gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln gewährt den Entwicklungsländern, was wir unseren Bauern längst gesetzlich zugestehen. Die Initiative
verhindert den Welthandel mit Rohstoffen in keiner Weise, aber sie unterbindet Nahrungsmittelspekulation
durch dubiose Finanzmarktakteure.“
Redebeitrag von Philippe Reichenbach, Präsident Uniterre Neuenburg
Uniterre unterstützt die Initiative gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln
Es gilt das gesprochene Wort.
Uniterre unterstützt diese Initiative, da sie ein Anliegen aufnimmt, das uns am Herzen liegt. Als Bauer,
einem wichtigen Bindeglied für die menschliche Ernährung, und gemeinsam mit meinen Kollegen in der
Schweiz und im Ausland, erleben wir die Unmöglichkeit die Produktion von Nahrungsmitteln den Gesetzen
des Ultraliberalismus zu überlassen. Es ist eindeutig, dass die Spekulation die schlimmste dieser Formen
ist und das sie erst vor kurzem erschien. Leider hat sie bereits das volle Ausmass ihre Fähigkeiten zur
Plage gezeigt.
Die Bauern, ob sie in einem Industrieland ein riesiges Gebiet von mehreren hundert Hektar nutzen, oder ob
sie an einigen Aren in Entwicklungsländern beteiligt sind, wissen, dass ihre Produktionen von vielen klimatischen Faktoren abhängt. In diesen Tagen der grossen Entscheidungen für das Klima unseres Planeten,
klingt diese Diskussion noch besser in unseren Ohren.
Ich überlasse es den anderen Rednerinnen und Rednern über die technischen Aspekte und natürlich die
Vision der Konsumenten im Bezug auf diese Initiative zu sprechen. Uns Bauern, die wir jeden Morgen früh
aufstehen und die wir unsere Arbeit lieben, stört besonders, dass sich einige wenige auf Kosten der Produzenten und Konsumenten bereichern, ohne dass sie sich jemals die Hände schmutzig gemacht haben
oder gar wissen, auf was sie spekulieren. Als Menschen der Erde wird uns immer ein besonderer Respekt
mit der Nahrung gelehrt und dieser Slogan hat mich persönlich sehr berührt.
Die Umsetzung dieser Initiative wäre ein starkes Zeichen unseres Landes. Es ist klar, dass erhebliche Ressourcen eingesetzt werden, um ihr den Weg zu versperren. Selber habe ich schon die Kritik vom Verlust
der Arbeitsplätze gehört. Auch wenn ich glaube, dass diese Befürchtungen unberechtigt sind, möchte ich
darauf hinweisen, dass die Landwirtschaft in unserem Land 150‘000 Arbeitsplätze in den letzten 30 Jahren
verloren hat – von 300‘000 auf 150‘000 von 1985 bis heute. Das gilt selbstverständlich für die Mehrheit der
Regionen auf der Welt. Leider erkennt niemand dieses Problem, das nicht kleiner werden wird. Wir könnten also ohne Problem den Verlust von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft verhindern oder deren Anzahl
gar erhöhen, um die Verluste beim Trading zu kompensieren. Natürlich bin ich nicht sicher, ob die Trader
einverstanden damit wären, sich die Hände dreckig zu machen.
Also: Spielen wir nicht mit dem Essen!
Redebeitrag von Pfarrer Res Peter, Neumünster, Zürich
Stopp der Spekulation – aus christlicher Sicht
Es gilt das gesprochene Wort.
Option für die Armen
Für 2, 6 Milliarden Kleinbauern ist die Stabilität der Rohstoffpreise von lebenswichtiger Bedeutung. In Indien haben sich über 250 000 Bauern wegen Überschuldung das Leben genommen. Selbstverständlich ist
die Spekulation mit Rohstoffen nicht primär Schuld daran. Es könnte aber sein, dass die ausser Rand und
Band geratene sogenannte „Finanziarisierung“ des Rohstoffhandels mitursächlich ist. Es könnte jedoch
sein, das Armut und Elend Kollateralschäden der Spekulation mit Rohstoffen sind. Man stelle sich das in
der Pharmazeutischen Industrie vor: Es entstehen neue „Vehikel“, Medikamente, und es könnte sein, das
es allenfalls 250‘000 Menschen in den Tod und 2,6 Milliarden Menschen direkt betreffen würde. Das ist unvorstellbar. Die Initiative „Stopp der Spekulation“ fördert die wissenschaftliche und ethische Diskussion um
die Spekulation und fragt danach, welche Folgen diese Spekulation hat, gerade und zuerst für die Armen.
Licht in die Blackbox
Wir feiern bald das „Fest des Lichtes“. Wenn man die Literatur zur Spekulation mit Rohstoffen überblickt,
so steht eines fest: Nicht einmal die Finanzprofis durschauen die Mechanismen und können eindeutig die
Folgen ihres Tuns benennen. Sie spielen und spekulieren fast wie in einer ungeregelten Blackbox oder
Darkroom, wo sachfremde Augen nichts zu suchen haben. Das ist eines demokratischen Staates unwürdig. Die Initiative fördert mit wissenschaftlichen und ethischen Diskussionen und Forschungen einen legitimen Rahmen, innerhalb dessen liberal und menschfreundlich gehandelt werden kann und darf. Erschreckend ist, wie wenig wissenschaftlich oft argumentiert wird. Liberaler Glaube und liberale Theologie hat
die Vernunft immer schon als aufklärendes Element im Dienste des Menschen gesehen. Die Dogmen der
Finanzindustrie, welche die wissenschaftlichen Berichte, milde ausgedrückt, „einseitig“ lesen, erinnern den
reformierten Theologen an die Notwendigkeit einer vernünftigen Aufklärung und Reformation, die weihnachtliches Licht ins Dunkle bringt.
Standortvorteil durch ethische Vorreiterrolle
Es ist mir als Bürger, Pfarrer und liberaler Geist auch schlicht unverständlich, warum sich die Finanzindustrie zum X-ten Mal in einem ungeregelten Feld bewegen will, weniger geregelt als die liberalen Vereinigten
Staaten von Amerika oder die Europäische Union. Es scheint mir wie mir der Weissgeldstrategie. Erst nach
dem Druck von aussen wird gehandelt. Mit Verve befürworte ich eine Vorwärtsstrategie, die den Standortvorteil der Schweiz durch Transparenz und internationalen anerkannten ethischen Regeln vorausgeht.
Wie sagt es Finanzprofessor Mark Chesney: „ Was Europa macht, sollte für die Schweiz das Minimum
sein“. Alles andere ist unanständig. Oh, übrigens, dass sich die Banken selbst regulieren, das halte ich, mit
Verlaub, für einen frommen Weihnachtswunsch. Und gälled Si, cela va de soi: Der christliche, bürgerliche,
liberale Anstand „spil nöd mit em Aesse“.