Eine Genealogie der Bildungsideale in kritischer Hinsicht – Eugen

Was heißt und zu welchem Ende reformiert man Bildung? – Eugen Finks pädagogische
Anthropologie und die Aufgabe der Reflexion für die Bildungspraxis
Bildung und Erziehung sind nicht nur ein Aspekt in der Abfolge bestimmter Lebensabschnitte
oder in problematischen Situationen der Neuorientierung für uns, sondern sie sind Grundlage
der condition humaine. Pädagogische Anthropologie und eine Philosophie der Erziehung, die
anthropologische Fragen als Grundlage der ethischen Reflexion und der Auseinandersetzung
mit der Praxis der menschlichen Lebensführung betrachtet, sind eher Randerscheinungen in
den Bildungsdebatten, ohne eine wirklich kritisch-reflexive Funktion für eine an akuten
Problemen orientierte pragmatische Auseinandersetzung mit dem ‚Problem Bildung‘ zu
gewinnen.
Gerade in der Bildungsproblematik drückt sich die existenzielle Fragwürdigkeit des offenen
Wesens Mensch aus „Der Mensch hat sein Wesen nicht in sich, er hat es außer sich, er muß es
suchen, solange er lebt“: Von dieser anthropologischen Grundlage sucht Eugen Fink ein
Verständnis von der systematischen Pädagogik zu erlangen als einer grundlegenden
anthropologischen Frage für die Selbstverständigung des Menschen zu gewinnen.
Eugen Fink hat die Weltoffenheit des Menschen angesichts der Relativierung von Zielen des
Lebens mit dem wissenschaftlichen, philosophischen und technisch-ökonomischen
Nihilismus in seiner Anthropologie der ‚Grundphänomene des menschlichen Daseins’ (Fink
1979) zu einer Aufgabe für die Reflexion unserer Praxis gemacht: Er fragt nach
Erfahrungsdimensionen dieser Offenheit – Erziehung ist neben Endlichkeit, Arbeit und
Herrschaft, Eros und Spiels eine davon –, die als Erfahrung zugleich unser Handeln und damit
unsere Selbstfindung gestalten: so werden diese anthropologischen Fragestellungen auch zu
‚Grundfragen der systematischen Pädagogik’ (Fink 1978).
Die anthropologische Beschäftigung mit Bildung stellt methodische Ansprüche, insofern
dabei historisch und systematisch der implizite anthropologische Hintergrund geläufiger
Kategorien, ‚was es heißt und zu welchem Ende man erziehen soll’, aufgezeigt werden muss;
zum anderen lässt sich aus den unterschiedlichen Problemstellungen der Pädagogik Aufgaben
für die philosophische Reflexion gewinnen, was jedoch eines Austausches mit
lebensweltlicher Praxis und interdisziplinären Erfahrungsfeldern bedarf.
Solche thematischen und methodischen Fragen einer in der Philosophie verankerten
pädagogischen Anthropologie und wie sie die Reflexionsanstöße in der Praxis des Erziehens
verankern könnte, sollen hier im Ausgang von Fink als Anstöße für das gemeinsame
Nachdenken und Streiten über Bildung skizziert werden.
Dr. Annette Hilt: Wiss. Mitarbeiterin Eugen-Fink-Forschungsstelle für phänomenologische
Anthropologie und Sozialphilosophie, Universität Mainz (http://www.philosophie.unimainz.de/hilt); Promotion Universität Freiburg (2004); Mitglied des Wissenschaftlichen
Beirats der Eugen-Fink-Gesamtausgabe (Alber, Freiburg); Forschungsschwerpunkte:
Phänomenologie und Hermeneutik des Selbst; Philosophische Anthropologie mit ihren
Schnittstellen zur Medizin und Psychotherapie, zur Pädagogik und Kunst; Biographie und
Erinnerung; Veröffentlichungen u.a.: Ousia - Psyche - Nous. Aristoteles' Philosophie der
Lebendigkeit. Freiburg/München 2005; Bildung im technischen Zeitalter. Sein, Mensch und
Welt nach Eugen Fink. Hrsg. mit C. Nielsen. Freiburg/München 2005; Das Elementale - An
der Schwelle zur Phänomenalität. Hrsg. mit A. Böhmer. Würzburg 2008; Endlichkeit und
Unsterblichkeit in der Medizin. Hrsg. mit I. Jordan und A. Frewer (erscheint 2009)