sport WM-Kampf 2005 gegen Gary Turner (GB): Azem Maksutaj (r.). «Harte Schale, weicher Kern» – Njomza Maksutaj über ihren Mann. Durchgeboxt Der 14-fache Thaibox-Weltmeister Azem Maksutaj kam 1990 in die Schweiz und musste lange unten durch. 20 Jahre später kämpft er fürs Image der Kosovaren. Text: Hanspeter Huber K lack, die Türen des BMWs gehen auf, eine zarte Frau steigt aus, dann ein 100-Kilo-Brocken. Die Maksutajs. Azem gibt seiner Njomza ein Küsschen und geht die Treppe hinab in den Keller, hinab in sein Reich, ins Wing Thai Gym in der Winterthurer Altstadt. Stahltüre auf – und rein. Auf Holz regalen sind Azem Maksutajs Pokale aufgestellt, in Glasvitrinen die Gürtel. Der 36-Jährige setzt sich auf einen Hocker. «Aaah!», stöhnt er. Dann muss er lachen. «Morgens fühle ich mich wie ein alter 2010 kam die Doku «Being Azem» von zwei jungen Schweizer Filmern ins Kino. 20 Mann – Zeit aufzuhören.» Noch zwei, drei Mal will er in den Ring steigen. Es werden die Abschiedsfights der Thaiboxlegende, des 14-fachen Weltmeisters mit dem Kampf namen «The Warrior», der Krieger. «The War rior? So nen Seich!» Das sei bloss Promotion. Seine Frau sage immer: harte Schale, weicher Kern. Maksutaj holt Luft, beginnt zu erzählen. Wie er in einem Bergdorf im Kosovo aufwuchs. Wie er 1990 in die Schweiz flüchtete. Wie er gehänselt wurde, weil er einen selbstgestrickten Pulli anziehen musste. Wie er im Wing Thai Gym trainierte, um Energie rauszulassen und Kummer und Einsamkeit zu vergessen. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich durch boxte, der es vom Teller wäscher zum Millionär geschafft hat. Millionär? Maksutaj lacht. Nein, richtig reich geworden sei er nicht, «und heu- te bringt meine Frau das Geld heim». Sie ist Privatbankerin, während er sich um Haus und Sohn kümmert. Maksutaj erhebt sich vom Hocker und geht in die Trainingshalle. Boxsäcke hängen von der De- cke, ein Boxring steht in der Ecke. An eine Mauer sind die Gesichter dreier Thaiboxer gesprayt: eines Holländers, eines Albaners und das von Andy Hug, seinem früheren Trainingspartner, Konkurrenten, Vorbild und Freund. Gegen 30 Jugendliche kommen hier runter, wenn «der Azem» zum Training bittet. Unter ihnen sind auch besonders aggressive Teenager, die das Sportamt schickt. Azem Maksutaj Geboren: 8. Juli 1975 in Decan (Kosovo); 1990 kam er in die Schweiz und wurde 2005 eingebürgert. Familie: seit 2007 verheiratet mit Njomza (25); gemeinsamer Sohn Leandro (4). Masse: 182 cm gross, 106 kg schwer Kampfstil: Thaiboxen (Muay Thai), K-1 Karriere: 76 Siege (57 durch K. o.), 22 Niederlagen, 2 Unentschieden. 14-facher Thaibox-Weltmeister. Zum Kosovo-Schweizer, der sein Geld damit verdient, andere zu verprügeln. Maksutaj: «Bei mir lernen sie Respekt, Durchhaltevermögen, Disziplin.» Und: Sie lassen ihre Aggression beim Sport raus, nicht auf der Strasse. Nach 90 Minuten Training habe keiner mehr Energie, sich zu prügeln, schiebt er schmunzelnd nach. Dann wird er ernst: «In der Schweiz wird viel Geld in Gewaltprävention gesteckt – aber meist in Fachstellen, nicht in den Sport.» auch persönlich? «Nein, wieso sollte ich? Ich kenne die ja nicht mal …» Er zögert, überlegt, schwenkt unschlüssig den Kopf hin und her. Dann bricht es aus ihm heraus: «Doch, es ist eine Schande, denn wir Kosovaren müssen wieder alle darunter leiden. Es heisst zwar immer, man solle nicht alle in denselben Topf werfen – getan wird es trotzdem.» Wen er damit meint, sagt er nicht. Maksutaj ist vorsichtig geworden. Er weiss, dass nicht nur seine Schläge Gewicht haben (eine halbe In die Politik? Nein, das wäre Tonne!), sondern auch seine nichts für ihn, er sei nicht der Worte. Zu gut ist ihm in grosse Redner. Maksutaj geht Erinnerung, wie er vor ein zurück in den Eingangsbe«Andy war für paar Jahren beim Einbürgereich, setzt sich in einen Ledersessel. Er sieht sich indes als mich Trainings- rungstest versagte und wiepartner, Kon derholen musste. Die me Aushängeschild für die «guten Kosovaren», für alle, die es ge- kurrent, Vorbild dialen Prügel, die folgten, schafft haben. Maksutaj will in und Freund.» taten weh. Das passte nicht zum «guten Kosovaren». den Medien für diese Leute Azem Maksutaj über Heute kann Azem einstehen – genau wie Nati- Andy Hug (1964–2000, Bild) Maksutaj über diese Episode Fussballer Xherdan Shaqiri, lachen, er habe halt nicht alle Winterthuden er gut kennt. «Meist wird ja nur über rer Museen gekannt. Zudem, fügt er die schlechten Kosovaren berichtet.» lakonisch an, habe er schon Jahre zuvor Maksutaj spricht auf die zwei Landsunter Schweizer Flagge geboxt. «Und auf leute an, die im August mit ihren Taten meiner Kampfhose prangten immer der für Aufregung in der Bevölkerung und albanische Adler und das Schweizer den Medien sorgten. Er war tief betrofKreuz nebeneinander.» fen, grübelte lange nach. Nahm er es n 21 Fotos: keystone (2), rdb, pd, zvg Thaiboxen Kampfserie live aus Stuttgart samstag 17. September 21.00 euro «Natürlich habe ich Angst – und zwar vor jedem Kampf.»
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