Das Zwischenverfahren §§ 199 – 211 StPO Wiss. Mit. Ines Klein 1 Sinn und Zweck Bevor eine öffentliche Hauptverhandlung stattfindet, soll von einer unabhängigen Instanz in einem nichtöffentlichen Verfahren geprüft werden, ob wirklich hinreichende Verdachtsgründe vorliegen. Grund: nur wenn hinreichender Verdacht besteht, sind Beschuldigtem die schweren persönlichen Nachteile einer öffentlichen Verhandlung zumutbar. Zudem soll dem Angeklagten eine weitere Verteidigungsmöglichkeit gegeben werden. Er kann Einwendungen und Beweisanträge geltend machen. Teils wird eine personelle Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Gericht gefordert. Das Gericht könnte voreingenommen sein, da es den Angeklagten bei späterer Eröffnung des Hauptverfahrens für hinreichend tatverdächtig erklärt und somit den Tatvorwurf für berechtigt hält. Prof. Dr. Katharina Beckemper 2 Gang des Zwischenverfahrens 1. Einleitung Durch Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft = durch Einreichung einer Anklageschrift beim zuständigen Gericht § 170 I StPO Der Beschuldigte wird als Angeschuldigter bezeichnet, § 157 StPO Erhebt die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage aber als Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, findet kein Zwischenverfahren statt, §§ 407 ff StPO Bis die endgültige Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gefallen ist, kann die Staatsanwaltschaft die Anklage jederzeit zurücknehmen Umkehrschluss aus § 156 StPO Sog. Immutabilitätsprinzip Prof. Dr. Katharina Beckemper 3 Gang des Zwischenverfahrens 2. Anklageschrift Muss bestimmten inhaltlichen Anforderungen genügen, damit der Beschuldigte weiß, welche Tat ihm genau zur Last gelegt wird, §§ 199 II, 200 StPO Das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Anklageschrift ist Prozessvoraussetzung und daher vom Gericht von Amts wegen zu prüfen Hat Umgrenzungsfunktion und Informationsfunktion Fehlt in der Anklageschrift ein notwendiger Bestandteil (zB. Die Zeitangaben des Tatvorwurfs ist nicht ausreichend konkretisiert) und die StA kann/will den Fehler nicht beheben, kann kein Eröffnungsbeschluss erfolgen Fällt der Fehler erst in der Hauptverhandlung auf, kann er nach h.M. in der 1. Instanz geheilt werden. Ein späteres Verfahren muss nach § 260 III StPO eingestellt werden. Prof. Dr. Katharina Beckemper 4 Gang des Zwischenverfahrens 3. weitere Verfahrensschritte §§ 201, 202 StPO Der Vorsitzende muss dem Angeschuldigten die Anklageschrift mitteilen Der Angeschuldigte kann Beweiserhebungen beantragen oder Einwendungen vorbringen Bei einer notwendigen Verteidigung muss dem Angeschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt werden, § 141 StPO Prof. Dr. Katharina Beckemper 5 Die abschließende Entscheidung im Zwischenverfahren 1. Zuständigkeit Das Gericht entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung über die Eröffnung des Hauptverfahrens oder die Einstellung des Verfahrens Zuständig ist das Gericht, welches auch später für die Hauptverhandlung zuständig ist, § 199 I StPO Schöffen nehmen nicht an der Entscheidung teil, da es eine Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung ist, §§ 30 II, 76 I 2 StPO Prof. Dr. Katharina Beckemper 6 Die abschließende Entscheidung im Zwischenverfahren 2. Erlass des Eröffnungsbeschlusses §§ 203 ff StPO Voraussetzung der Eröffnung Der Angeschuldigte muss der Straftat hinreichend verdächtig erscheinen, § 203 StPO = das ist dann der Fall, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er eine strafbare Handlung begangen hat und verurteilt werden wird Das Gericht hat dabei nur einen Beurteilungsspielraum, aber keinen Ermessensspielraum Inhalt des Eröffnungsbeschlusses § 207 StPO Das Gericht lässt die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das für die Verhandlung zuständige Gericht Das Gericht beschließt auch über die Anordnung oder Fortdauer der UHaft, § 207 IV StPO Prof. Dr. Katharina Beckemper 7 Die abschließende Entscheidung im Zwischenverfahren Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses Der Angeklagte kann nach § 210 I StPO den Eröffnungsbeschluss nicht anfechten Grund: es handelt sich nur um eine vorläufige Tatbewertung. Diese kann während der Hauptverhandlung und danach durch Rechtsmittel ausreichend überprüft werden. Die StA kann einen unwirksamen oder schwer mangelhaften Beschluss mit der Beschwere angreifen Bindungswirkung des Eröffnungsbeschlusses Der Beschluss kann nicht ohne Weiteres zurückgenommen werden, da der Angeklagte ein Recht darauf hat, sich in öff Verhandlung zum Tatvorwurf zu verteidigen und zu rehabilitieren Prof. Dr. Katharina Beckemper 8 Die abschließende Entscheidung im Zwischenverfahren Fehlerhafter Eröffnungsbeschluss Fehlt der Eröffnungsbeschluss, liegt ein Prozesshindernis vor Umstritten, ob er nachgeholt werden kann Rspr.: kann während der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nachgeholt werden a.A.: nein, Einstellungsurteil § 260 III StPO und Neuanklage Mangelhafter Eröffnungsbeschluss Bei schweren Mängeln: Beschluss wird unwirksam Bei weniger schweren Mängeln: führen nicht zur Unwirksamkeit. Sie können in der Hauptverhandlung geheilt werden und haben somit keine Konsequenzen. Abgrenzung: inwieweit ist auf Grundlage des Eröffnungsbeschlusses mit den gegebenen Informationen eine sachgerechte Verteidigung möglich? Umfangreiche Kasuistik Prof. Dr. Katharina Beckemper 9 Die abschließende Entscheidung im Zwischenverfahren 3. Die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens, § 204 StPO Gem. §§ 204 iVm 203 StPO kann das Gericht beschließen, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, wenn es der Auffassung ist, dass nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte der Straftat nicht hinreichend verdächtig erscheint Prozesshindernisse bestehen oder Prozessvoraussetzungen fehlen aus tatsächlichen Gründen eine Verurteilung nicht wahrscheinlich erscheint Inhalt des Ablehnungsbeschlusses: es muss hervorgehen, ob er auf rechtlichen oder tatsächlichen Gründen beruht, § 204 StPO Die StA kann nach § 210 II Alt. 1 StPO sofortige Beschwerde einlegen, wenn das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt. Prof. Dr. Katharina Beckemper 10 Die abschließende Entscheidung im Zwischenverfahren Entscheidet das Gericht überhaupt nicht, kann die StA nur dann Untätigkeitsklage erheben, wenn das weitere Hinausschieben einen endgültigen Verfahrensabschluss bewirken würde, zB Verjährung droht Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses § 211 StPO: ist der ablehnende Beschluss nicht mehr anfechtbar, kann die Klage nur noch auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden Eine neue Rechtsansicht zählt nicht dazu Abgesehen von § 211 StPO tritt Strafklageverbrauch ein Prof. Dr. Katharina Beckemper 11 Die abschließende Entscheidung im Zwischenverfahren 4. Vorläufige Einstellung des Verfahrens Nach § 205 StPO kann das Verfahren vorläufig eingestellt werden, wenn der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegensteht. zB: der Angeschuldigte wird für ungewisse Zeit verhandlungsunfähig Bei allen anderen nur vorübergehenden Prozesshindernissen wird nach § 205 analog das Verfahren vorläufig eingestellt zB: Strafantrag fehlt und muss noch nachgeholt werden § 205 StPO wird auch in anderen Verfahrensabschnitten analog angewendet, wenn Spezialregelungen fehlen Liegt eine vorübergehende Unmöglichkeit des Tatnachweises vor (zB: fehlt ein wichtiger Zeuge) kann § 205 nicht – auch nicht analogangewendet werden, da der Angeklagte ein Recht auf Durchführung und Beendigung des Hauptverfahrens hat Prof. Dr. Katharina Beckemper 12 Die abschließende Entscheidung im Zwischenverfahren 5. die Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen Auch während des Zwischenverfahrens kann das Verfahren aus Opportunitätsgründen eingestellt werden; StA und Angeschuldigte müssen zustimmen 6. Zusammenfassung Das Zwischenverfahren endet Mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses §§ 203, 207 StPO Ablehnung der Eröffnung § 204 StPO Vorläufige Einstellung § 205 StPO (analog) Einstellung aus Opportunitätsgründen Prof. Dr. Katharina Beckemper 13
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