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Beeinflussung verschiedener Speichelparameter nach täglicher Verwendung von
Xylit-Kaugummi in der Schule
Ziel der Studie war der Wirkungsnachweis von xylit- oder sorbithaltigem Kaugummi auf verschiedene Speichelparameter
(Fließrate, Pufferkapazität, Streptokokkus mutans- und Laktobazillen-Zahlen). Gleichzeitig sollte die Machbarkeit eines Präventionsprogramms mittels Kaugummiverteilung in Schulen
getestet werden.
Handelsübliche Kaugummi-Zubereitungen wurden für drei
Monate von Schulkindern im Alter zwischen elf bis 13 Jahren
konsumiert. Der Xylit-Kaugummi war zu 100 % mit Xylit
gesüßt, der Kontroll-Kaugummi mit einer Mischung aus Sorbit,
Mannit und Süßstoffen. Unabhängig von der Süßungsart
bewirkte das regelmäßige Kaugummi-Kauen eine Erhöhung
der Speichelfließrate um durchschnittlich 13 % und des Pufferungsvermögens um 50 %. Ebenso war die Verringerung der
Laktobazillen im Speichel in beiden Gruppen mit 24 % (XylitGruppe) resp. 28 % (Kontrollgruppe) vergleichbar. Die Streptokokken-Kolonienbildung reduzierte sich nach drei Monaten mit
Xylit-Kaugummi um 44 %, wohingegen in der Kontrollgruppe
nur eine Reduktion um 8 % zu beobachten war. Diese Verminderung der Streptokokken-Zahlen in der Testgruppe erwies sich
gegenüber der Kontrollgruppe als signifikant (p < 0,005). Die
Akzeptanz des Programms mit schultäglich verteiltem Kaugummi war bei Lehrerschaft, Kindern und Eltern hoch. Die
beteiligten Lehrerinnen und Lehrer standen der praktischen
Durchführung des Programms offen, interessiert und engagiert
gegenüber. Dies berechtigt zu der Hoffnung, dass auch anderenorts bei entsprechender Motivation solche Programme
möglich sind. Die Sonderrolle von Xylit hinsichtlich der Verringerung von Streptokokkus mutans im Speichel wurde bestätigt.
Effect of xylitol-sweetened chewing gum on some
salivary risk factors of dental caries in schoolchildren
The aim of this study was to evaluate the effect of xylitol containing chewing gum on salivary S. mutans and lactobacilli levels
in schoolchildren over a period of three months. Also were examined some parameters of saliva such as flow rate, pH-value
and buffering capacity. A second aim was to explore the outcome of a school-based oral health program involving the use of
xylitol chewing gum. The schoolchildren in the test group (n =
35) chewed a commercial xylitol gum three times daily for a
minimum of five minutes each time for three months. The control group (n = 35) used a commercial sorbitol-mannitol gum.
The children were instructed to chew six pieces of a gum with
xylitol as single sweetener (total dose 6 g/day) or a control
gum every day for a three months period. After three months
of gum chewing increased flow rate and buffer capacity of stimulated whole saliva were found. The levels of salivary lactobacilli were comparably affected by both chewing gums. The shift
from higher S. mutans scores to lower was greater in the xylitol
group than in the control group (p < 0.005). Xylitol chewing
gum may provide a feasible caries prevention method for
schoolchildren and it can be promoted as a public-health preventive measure. The study supports the suggestion that chewing xylitol gum may reduce S. mutans levels.
Keywords: xylitol, chewing gum, streptococcus mutans, oral
health education
Schlüsselwörter: Xylit, Kaugummi, S. mutans,
Präventionsprogramm
1
2
Kinder- und Jugendzahnklinik St. Gallen
Schulzahnmedizinischer Dienst Stadt Bern
© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln
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1 Einleitung
Eine perfekte Mundhygiene und eine
zahnbewusste
Ernährungslenkung
könnten sicherstellen, dass Zahnkaries
zu einer sehr seltenen Erkrankung wird.
Zwischen Theorie und Praxis gibt es
aber erhebliche Unterschiede. Die hervorragenden Präventionserfolge der
vergangenen Jahrzehnte sind insbesondere dem Einsatz von Fluoriden zu verdanken. Um die zahnmedizinische Prävention zu optimieren und für die Menschen zu erleichtern, werden weitere
Methoden und Hilfsmittel mit großer
allgemeiner Akzeptanz und einfacher
Umsetzbarkeit gesucht.
Kaugummi ist als Genussmittel seit
Langem etabliert. In neuerer Zeit wird
Kaugummi verstärkt als Zahnpflegeprodukt beworben. Die zuckerfreien, meist
mit verschiedenen Zuckeralkoholen gesüßten Kaugummi-Zubereitungen haben durch die erhöhte Speichelstimulation einen wichtigen präventiven Nutzen. Insbesondere erhöht Kaugummikauen Speichelfließrate, pH-Wert, Pufferkapazität und Bicarbonat-Konzentration [2]. Dem natürlich vorkommenden, fünfwertigen Zuckeralkohol Xylit
werden darüber hinaus karies-kontrollierende bis hin zu anti-kariogenen Eigenschaften zugesprochen [9]. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Beeinflussung von Streptokokkus mutans
und dessen Stoffwechselprodukten in
Speichel und Zahnbelägen.
Die vorliegende In-vivo-Untersuchung hatte zwei Ziele. Einerseits sollte
die Wirksamkeit von Xylit-Kaugummi
auf Speichelfaktoren getestet werden.
Darüber hinaus stellte sich die Frage
nach der Machbarkeit eines Präventionsprogramms an Schulen unter Verwendung von zuckerfreiem Kaugummi.
2 Methodik
Studienaufbau
An dem Programm nahmen insgesamt
70 Schulkinder im Alter zwischen zehn
und 13 Jahren teil. Das durchschnittliche Alter betrug 11,1 Jahre und 53 %
der Teilnehmenden waren weiblich. Ei-
102
Gruppe
Alter in Jahren
Xylit Kaugummi
(n = 35)
Geschlecht
DMFT
männlich (%)
weiblich (%)
10,5
54,5
45,9
0,54
Kontrolle Kaugummi
(n = 35)
11,7
45,5
54,1
1,60
Mittel
(n = 70)
11,1
47,1
52,9
1,07
Tabelle 1 Verteilung der Schulkinder hinsichtlich Alter, Geschlecht und Karies.
Table 1 Distribution of schoolchildren at baseline in respect of age, sex and clinical caries
prevalence.
ne schultägliche Verteilung von Kaugummi durch Lehrpersonen war als unabdingbare Voraussetzung vorgängig
definiert worden. Deshalb erfolgte die
Zuweisung der Schulkinder zur Kontroll- oder Xylit-Gruppe klassenweise
und ohne Kenntnis der Basisdaten hinsichtlich Karies, Speichelfaktoren und
Streptokokkus mutans-Werten.
Die Lehrpersonen waren über Ziele
und Besonderheiten des Projektes informiert. Die Eltern wurden an einem
Elternabend informiert und um Zustimmung gebeten. Bis auf zwei Kinder
durften sämtliche Kinder der vier
Schulklassen teilnehmen. Die Kinder
standen in regelmäßiger zahnärztlicher
Kontrolle durch die lokale Schulzahnklinik in St. Gallen, putzten Zähne mit
einer fluoridhaltigen Zahnpaste und erhielten Unterricht in Mundhygiene
durch ihre Lehrpersonen. Die teilnehmenden Schulkinder hatten während
des Programms keine unversorgten Kavitäten. Es war darauf geachtet worden,
dass nur die Daten jener Kinder in die
Auswertung kamen, die weder zu Beginn noch während des Programms
Antibiotika einnahmen. Keiner der
Teilnehmenden hatte zuvor ausschließlich oder regelmäßig xylit-gesüßten
Kaugummi konsumiert. Zahnschonende, gemischt sorbit- und xylithaltige
Süßwaren wurden dagegen in unterschiedlicher Frequenz und Form eingenommen.
Zur Anwendung kamen zwei im Handel erhältliche Kaugummi-Zubereitungen. In der Xylit-Gruppe wurde das Produkt XyliX100 (Top Caredent, Zürich,
Schweiz) verwendet. Es ist zu 100 % mit
Xylit gesüßt und enthält bei einer Masse
von durchschnittlich 1,4 g pro Stück 1 g
Xylit.
Der Kontroll-Kaugummi („Chewing
Gum – Prix Garantie“, Basel, Schweiz)
enthielt kein Xylit, sondern war mit einer
Mischung aus Sorbit und Mannit sowie
den Süßstoffen Aspartam und Acesulfam
gesüßt. Der Anteil der Zuckeralkohole betrug 60,2 % Sorbit und 3,6 % Mannit.
Der Kaugummi lag in Form von Pellets vor. Beide Sorten waren in Form
und Farbe identisch. Den zahnärztlich
Untersuchenden war von der Befundaufnahme bis zur Auswertung der Ergebnisse die Zugehörigkeit der Schulklasse zur Test- oder Kontrollgruppe
nicht bekannt. Die Kinder waren angehalten, für mindestens fünf Minuten
den Kaugummi zu kauen.
Während der Versuchszeit von drei
Monaten verteilten die Lehrkräfte an jedem Schultag dreimal zwei Kaugummis.
Übers Wochenende und während der
Schulferien wurden die Kaugummis abgezählt mit nach Hause gegeben.
Klinische Untersuchungen
Zu Beginn des Projektes wurde ein Kariesstatus (DMFT) erhoben sowie das
Mundhygieneverhalten mittels standardisierter Fragen klassifiziert.
Zur Bestimmung der Speichelfließrate kauten die Probanden fünf Minuten auf einem Paraffinstück (1 g) und
sammelten kontinuierlich den sezernierten Speichel. Ausgewertet wurde die
Speichelfließrate in ml/min.
Dieser Speichel wurde dann unmittelbar danach im Labor für die Testungen zum Puffervermögen (CRT buffer) und für die Bestimmung der Strep-
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Speichel-Fließrate
Pufferkapazität
Abbildung 1 Speichelfließrate vor und nach drei Monaten Kaugummi,
Abbildung 2 Pufferkapazität vor und nach drei Monaten Kaugummi,
gesüßt mit Xylit (Test) oder Sorbit-Mannit (Kontrolle).
gesüßt mit Xylit (Test) oder Sorbit-Mannit (Kontrolle).
Figure 1 Saliva flowrate at baseline and after three months use of either
Figure 2 Buffering capacity at baseline and after three months use of
xylitol- (test) or sorbitol-mannitol-containing gum (control).
either xylitol- (test) or sorbitol-mannitol-containing gum (control).
tokokken- und Laktobazillen-Kolonien
(CRT bacteria, Ivoclar Vivadent,
Schaan, Liechtenstein) verwendet. Resultate wurden nach 48-stündiger Inkubation bei 37º C. abgelesen. Die Auswertung basierte auf der semiquantitativen
Erfassung nach Keimzahlklassen.
Statistik
Sämtliche Daten wurden mit einem Statistikprogramm (SPSS Computer Software, Version 14.0, SPSS Inc., Chicago, IL,
USA) verarbeitet. Hinsichtlich ihrer Varianz wurden die Daten nach dem t-Test
für Mittelwertvergleiche ausgewertet. Statistische Signifikanz wurde bei einem pWert kleiner als 0,005 angenommen.
3 Ergebnisse
Insgesamt nahmen 70 Schulkinder an
dem dreimonatigen Programm teil. Der
Kariesindex (DMFT) für alle Kinder betrug im Mittel 1,1, wobei 59 % kariesfrei
waren. Die Ausgangsbefunde zur Altersund Geschlechtsverteilung sowie zum
Kariesbefall sind in der Tabelle 1 zusammengestellt.
Zu Beginn des Programms unterschieden sich die Messwerte für Speichelfließrate (Abb. 1), Pufferkapazität
(Abb. 2), Laktobazillen (Abb. 3) und
Streptokokken (Abb. 4) in statistisch
nicht signifikantem Ausmaß. Hinsichtlich der Streptokokken-Kolonienbil-
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dung gingen jedoch die Kinder der Xylit-Gruppe mit einem niedrigeren Wert
(1,39) als die Kontroll-Gruppe (1,66) an
den Start.
Drei Monate später sind dann bei allen Faktoren deutliche Veränderungen
zu erkennen. So reduzierten sich die
Werte für Streptokokkus mutans in der
Xylit-Gruppe um 44 % (p < 0,001), in
der Kontrollgruppe um 8 % (n. s.). Unabhängig von der Kaugummisorte verminderte sich das Vorkommen von Laktobazillen (Reduktion um durchschnittlich 26 %). Die Faktoren Fließrate und
Pufferkapazität verbesserten sich ebenfalls in beiden Anwendergruppen
(Fließrate um 13 % in beiden Gruppen
und Pufferkapazität um 53 % in der Xylit- und 48 % in der Kontrollgruppe).
Im Vergleich zwischen den beiden
Anwendergruppen verminderten sich die
Streptokokkus-Zahlen in der Xylit-Gruppe gegenüber der Kontrollgruppe in signifikantem Ausmaß (p < 0,005). Dagegen
konnten hinsichtlich der weiteren erfassten Faktoren (Laktobazillen, Fließrate
und Pufferkapazität) keine statistisch relevanten Unterschiede zwischen Testund Kontrollgruppe festgestellt werden.
4 Diskussion
Die Wirkung von Xylit auf die mikrobielle Flora war Gegenstand vieler In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen. Dabei
hat sich gezeigt, dass Xylit kein günstiges
Nährsubstrat für kariesrelevante Mundhöhlenkeime in Speichel und Plaque ist
[3, 4, 15, 16, 17].
Xylit reduziert die anaerobe Säureproduktion aus Glukose, wobei sich das
Säureprofil in Richtung Formiat und
Acetat verschiebt [14]. Dieser Effekt erwies sich als pH-abhängig mit einem
Optimum im pH-Bereich zwischen 5,5
bis 7,0 [12].
Insbesondere der Einsatz von Xylit
als alleiniges Süßungsmittel von Kaugummi hat aus kariespräventiver Sicht
besonderes Interesse gefunden. So zeigten Untersuchungen bei Kindergartenkindern nach sechs Monaten Xylit-Kaugummi signifikant niedrigere Streptokokkus mutans-Zahlen [10]. Ebenso konnte
die Ylivieska-Xylitol-Studie (1982 bis
1985) sowie deren Folgeuntersuchung
1988 nachweisen, dass bei gewohnheitsmässigen Xylit-Konsumenten der Streptokokkus mutans-Gehalt des Speichels
wesentlich geringer ist als ohne XylitEinnahme [7]. Darüber hinaus wurde die
enge Korrelation zwischen Streptokokken und Karies deutlich, da die XylitKonsumenten signifikant weniger Karies
entwickelten [8]. Auch bei Untersuchungen von Vorschulkindern zeigte sich,
dass nach Konsum von xylit-gesüßtem
Kaugummi das Streptokokkus mutansNiveau erheblich zurück ging [1].
Unsere hier vorgestellten Ergebnisse
bekräftigen die oben genannten Erkenntnisse und zeigen darüber hinaus
im Vergleich von Xylit mit Sorbit die
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Abbildung 3 Laktobazillenzahl vor und nach drei Monaten Kaugummi,
Abbildung 4 Streptokokkus mutans Zahlen vor und nach drei Monaten
gesüßt mit Xylit (Test) oder Sorbit-Mannit (Kontrolle).
Kaugummi, gesüßt mit Xylit (Test) oder Sorbit-Mannit (Kontrolle).
Figure 3 Lactobacilli scores at baseline and after three months use of
Figure 4 S. mutans scores at baseline and after three months use of either
either xylitol- (test) or sorbitol-mannitol-containing gum (control).
xylitol- (test) or sorbitol-mannitol-containing gum (control).
überlegene antimikrobielle Wirkung
von Xylit. Während Fließrate und Pufferkapazität keine signifikanten Vorteile
von Xylit erkennen lassen, ist die Beeinflussung des karies-assoziierten Keimes
Streptokokkus mutans deutlich und statistisch gesichert.
Die aufgenommene Xylit-Menge
hat sich als wichtiger, möglicherweise
entscheidender Faktor erwiesen. Auch
wenn bisher keine kritische minimale
Wirkungsdosis definiert wurde, hat sich
die in der vorliegenden Untersuchung
angewandte Menge von 6 g Xylit pro
Tag (in mehreren Portionen über den
Tag verteilt) auch in früheren Untersuchungen als wirksam bewährt. So fand
sich bei einer Kurzzeitstudie über zwei
Wochen ein Streptokokkus mutans reduzierender Effekt bei täglich 6 g Xylit,
welcher bei 2 g Xylit nicht nachweisbar
war [5]. In Untersuchungen mit verschieden hohen Xylit-Einnahmen zeigten täglich 3,4 g Xylit nach fünf Wochen und nach sechs Monaten keinen
Effekt. Dagegen reduzierten 6,4 g und
10,3 g Xylit pro Tag den StreptokokkenGehalt in Speichel und Plaque in signifikantem Ausmaß [11].
Das Versuchsdesign beinhaltet eine
Limitation hinsichtlich der Probanden.
Es wäre für die Lehrkräfte schwierig gewesen, die Schulkinder mit zwei unterschiedlichen Kaugummi-Sorten über einen längeren Zeitraum zu versorgen.
Deshalb war es aus pragmatischen Gründen angezeigt, sämtliche Kinder einer
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Schulklasse der gleichen Wirkstoffgruppe zuzuteilen. Damit wurde auch vorgesorgt, dass die Kinder die Sorten vergleichen und womöglich wegen individueller Geschmackspräferenzen untereinander austauschen konnten. Es ist jedoch
unbestritten, dass eine zufällige Aufteilung in Kontroll- und Xylit-Gruppe zu
bevorzugen ist.
Diese Einschränkung der Probandenverteilung führte aber dann auch dazu, dass sich die Ausgangswerte der Xylit-Gruppe hinsichtlich Streptokokkus
mutans von der Kontroll-Gruppe unterscheiden. Da die Xylit-Gruppe trotz einer vergleichsweise niedrigen Ausgangsbasis die signifikant höheren Reduktionsraten aufwies, spricht dieses zusätzlich für die spezielle Hemmwirkung von
Xylit auf Streptokokkus mutans.
Die Ergebnisse sind auch mit Vorbehalt zu diskutieren, da ein Placebo-Kaugummi ohne jeden Zusatz von Zuckeralkoholen oder anderen Süßungsmitteln
fehlte. Vorab wurden zu diesem Zweck
entsprechende Testkaugummis hergestellt und auf ihre Akzeptanz getestet.
Da diese Produkte geschmacklich stark
von den getesteten Produkten abwichen, fanden sie bei den Schulkindern
keine Akzeptanz. So war der Fokus der
Studie auf die Unterschiede zwischen
Kaugummi, gesüßt zu 100 % mit Xylit,
gegenüber einer Mischung aus Sorbit,
Mannit und Süßstoffen gerichtet.
Kaugummi hat in den vergangenen
Jahren eine bemerkenswerte Entwick-
lung vom reinen Genussmittel zu einem Trägersystem für verschiedenste
prophylaktische und therapeutische
Wirkstoffe erfahren [6]. Von Vorteil ist,
dass Kaugummi zu jeder Zeit und an jedem Ort ohne Wasser konsumiert werden kann.
Aufgrund der kariespräventiven
Wirkung von xylithaltigem Kaugummi
war es folgerichtig, Programme zur kollektiven Anwendung zu entwickeln. Erfahrungen wurden zunächst mit Kindergartenprogrammen gewonnen, an
denen Kinder unterschiedlichen Alters
und mit verschiedenen Anwendungszeiten teilnahmen [1, 10, 16]. Ebenso
wurde der spezielle Effekt von XylitKaugummi bei Schulkindern untersucht. So zeigte ein Schulprogramm aus
neuerer Zeit mit 1342 Kindern in China
nach zwei Jahren mit zuckerfreiem,
polyolhaltigem Kaugummi 42 % weniger Karies bei den Kaugummi-Nutzern
[13].
Sowohl Kindergartenpersonal wie
auch Eltern erachteten ein Kaugummiprogramm als wichtige zusätzliche
Maßnahme für eine bessere orale Gesundheit [10]. Auch bei dem hier vorgestellten Programm bestand hohe Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem schultäglich verteilten Kaugummi bei Lehrerschaft, Kindern und Eltern. Die Zusammenarbeit war sehr konstruktiv und
– soweit von den Autoren feststellbar –
von hoher Zuverlässigkeit geprägt. Diese positiven Erfahrungen können je-
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doch nicht verallgemeinert werden. Eine parallel zum Programm in St. Gallen
geplante Untersuchung in einer Stadt
mit vergleichbarer Bevölkerungsstruktur scheiterte daran, dass die dortige
Schulleiter-Konferenz einen Grundsatzentscheid gegen Kaugummi in der
Schule zum Anlass nahm, ein entsprechendes Programm abzulehnen. Sicherlich kann die Entsorgung von aufgebrauchtem Kaugummi ein Problem darstellen. Inwieweit dieses eine pädagogische Herausforderung darstellt, ist an
anderer Stelle zu diskutieren.
5 Schlussfolgerungen
Motivation und Mitarbeit der Lehrerschaft waren ein entscheidendes Kriterium für die erfolgreiche Durchführung
des vorgestellten Präventionsprogramms. Die Studie bestätigt die
Sonderrolle von Kaugummi-Zubereitungen mit Xylit in präventiven Programmen. Diese ist begründet – neben
den vorteilhaften Auswirkungen des intensiven Kauens, wie vermehrter Speichelfluss und bessere Pufferkapazität –
vor allem in der mikrobiellen Beeinflussung der Mundhöhlenflora. Nach dreimonatiger Verwendung von xylithaltigem Kaugummi mit einer täglichen Dosis von 6 g Xylit konnte eine signifikante Reduktion der Streptokokkus mutans-Zahlen im Speichel festgestellt
werden.
Die vorliegenden Ergebnisse lassen
vermuten, dass kollektive Präventionsprogramme mit Zuckeraustauschstoffen und hier insbesondere die Kombination von Xylit mit Kaugummi, Erfolg
versprechend sind. Dieses betrifft vor
allem den Aspekt der Beeinflussung des
Karies-assoziierten Streptokokkus mutans.
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䡲 Korrespondenzadresse:
Dr. med. dent. Andreas Trummler
Kinder- und Jugendzahnklinik St. Gallen
Schreinerstrasse 1
CH 9001 St. Gallen