Für meinen Erasmus-Aufenthalt an der Roskilde University (RUC) in

Für meinen Erasmus-Aufenthalt an der Roskilde University (RUC) in Dänemark habe ich
mich von Anfang an bewusst entschieden, da ich vor dem Studium schon ein Jahr in
England gelebt habe. Somit dachte ich, es wäre eine gute Erfahrung, das halbe Jahr zum
Studieren in einem anderen Land zu verbringen. Da von Erasmus nicht so viele andere
Länder angeboten wurden, die für mich als Englisch-Studentin infrage kamen und da ich, seit
ich klein bin, jedes Jahr meinen Urlaub in Dänemark verbringe, war für mich klar, dass ich
dieses Land als erste Wahl auf meine Liste setze. Speziell für Roskilde habe ich mich dann
entschieden, da diese Universität sehr praxisbezogen orientiert ist und im Semester große
Projekte durchführt, auf die sich die Studierenden hauptsächlich konzentrieren müssen. Da
ich es als Herausforderung sah, in großen und internationalen Teams zu arbeiten und mich
außerdem meiner Angst vor Vorträgen und mündlichen Prüfungssituationen stellen wollte,
war ich von der Roskilde University überzeugt. Dass ausgerechnet der kleine EnglischStudiengang an der Uni der einzige ist, der keine Projekte durchführt, habe ich dann
natürlich erst erfahren, als ich schon vor Ort war.
Dass ich überhaupt,,vor Ort" ankam und ein Dach über dem Kopf hatte, habe ich eine
Woche vor Abreise nur schwer glauben können. Dänen sind eher gemächlich- ob es nun
Organisation, Bürokratie oder das Alltagsleben betrifft. Somit wusste ich erst eine knappe
Woche vor meiner Abreise, dass meine Bewerbung um ein Zimmer auf dem Campus
geklappt hat (in welches der Wohnheime ich kam, war allerdings dann vor Ort noch
rauszufinden). Wann ich es jedoch beziehen konnte, war unklar, sodass ich Glück hatte,
dass meine Eltern wieder einmal Urlaub in Dänemark machen wollten und mich und meinen
halben Hausrat mitgenommen haben. Natürlich kam ich an besagtem Tag nicht in mein
Zimmer herein, obwohl ich vorher noch Email-Kontakt mit dem Hausmeister, der generell
ziemlich oft überfordert war, hatte, der mir versicherte, meine Tür zum Zimmer sei
aufgeschlossen und der Schlüssel liege auf dem Schreibtisch. Dem war nicht so. Die
Putzfrau, die angeblich kurz vorher da gewesen sein soll (von der, als ich am nächsten Tag
das Zimmer betrat, allerdings jedes Beweismittelfehlte) hatte die Tür wieder verschlossen.
lch verbrachte also die erste Nacht im Ferienhaus meiner Eltern. Am nächsten Morgen
wurde mir dann mein Schlüssel überreicht und ich konnte schnell mein ca. 15 qm2 großes
Zimmer (was übrigens mit knapp 450€ das billigste auf dem Campus ist!) mit meinen Koffern
füllen. Direkt danach ging es mit meiner holländischen Mitbewohnerin zum Einführungskurs,
welcher 2 Wochen dauerte. Allen Organisationsproblemen der Dänen zum Trotz- diese 2
Wochen würde ich jedem empfehlen, der an die Uni Roskilde geht. Man lernt so viele nette
Menschen kennen, unternimmt und sieht sehr viel. Meistens sind wir abends so ins Bett
gefallen, da die ganzen neuen Eindrücke so sehr schlauchen. Aber das Nachtleben kam
natürlich trotzdem nicht zu kurz. Nach diesen 2 Wochen haben sich die Erasmus-Studenten,
obwohl wir nun ja in die verschiedenen Studiengänge aufgeteilt wurden, trotzdem weiterhin
getroffen und es sind echte Freundschaften entstanden.
Mein Zimmer in einer 4er-WG habe ich über die Uni selber erhalten. lch habe einfach das
Formular für die Bewerbung um ein Studentenwohnheim auf dem Campus (application for
dormitory) ausgefüllt, welches mir direkt mit der Zusage und Annahmeerklärung/ Letter of
Acceptance zugesandt wurde. Generell ein sehr einfacher Prozess, der jedoch mit sehr
langer Wartezeit verbunden war. Erst nach 2 Monaten und nur eine Woche vor meiner
Abreise habe ich die erlösende Bestätigung bekommen, dass ich ein Zimmer auf dem
Campus bekommen habe. Was passiert wäre, wenn ich dieses Zimmer nicht bekommen
hätte, weiß ich nicht. lch habe einfach gebetet und gehofft. Allerdings kann ich im Nachhinein
sagen, dass es wohl ziemlich unwahrscheinlich ist, keine Unterkunft zu bekommen, wenn
man sich denn rechtzeitig darum beworben hat. Bei allen, mit denen ich während
meines
Aufenthaltes etwas zu tun hatte, die auch auf dem Campus lebten, lief es
vorher genauso
ab. Letztendlich waren aber sogar noch einige Zimmer frei (alleine zum Beispiel
in meiner
4er-WG, die durch den verhältnismäßig geringen Preis sehr beliebt ist, stand
das ganze
Semester ein Zimmer leer). Diese Prokrastination und leichte Unzuverlässigkeit
scheint
einfach eine vollkommen natürliche Eigenschaft der Dänen zu sein, die wir nicht gewohnt
sind. Generell gehen die Dänen selber immer davon aus, dass es am Ende schon
alles
werden wird' Dadurch sind sie sehr gelassen und ausgeglichen. lch habe versucht,
mir diese
Eigenschaft etwas anzueignen und kann nur weitergeben, es selber auch zu
machen. Mit
Hektik und übertriebener Pünktlichkeit kommt man nicht allzu weit und ärgert
sich am Ende
womöglich nur selber.
Solange man sich für alles rechtzeitig bewirbt und eventuelle Nachfragen per Email
klärt
(hier kann man dann ruhig mal etwas hartnäckiger sein), kann an der
RUC wirklich nichts
schief gehen.
Um länger als 3 Monate in Dänemark wohnen zu dürfen, braucht man als EU-Mitglied
eine
sogenannte CPR-Nummer, mit der man sich im Notfall überall registrieren
kann, sowie die
Yellow Card, die dänische Gesundheitskarte. Der Vorgang hierfür ist sehr leicht,
wenn auch
wieder mit langer Wartezeit verbunden. Bei mir wurde damals im Einführungskurs
extra ein
Tag freigehalten, an dem sich Damen aus dem Bürgerservice Zeittür rn, glnormen
haben.
Wir mussten Passbild und Annahmeerklärung, sowie die Bestätigung, dass wir
eine
Unterkunft haben und diese auch halten können, mitbringen und abgeben.
Den Rest
erledigten dann die Mitarbeiter. Einige Wochen später (vorausgesagt wurde
uns 2letztendlich waren es dann wohl 6-8) erhielten wir einen Brief, wir können
unsere CpRNummer im Rathaus abholen. Auch dies war logischerweise mit Wartezeit
verbunden, lief
jedoch alles problemlos. Das Rathaus (,,8ürgerservice") befindet
sich direkt im Zentrum
Roskildes, neben dem großen Parkplatz in der Stadtmitte mit dem Brunnen,
neben der
Einkaufsstraße. Nach ein paar weiteren Tagen bekamen wir dann die Gesundheitskarte
zugeschickt. Generell habe ich meine CPR-Nummer nie benötigt, doch es fühlte
sich gut an,
zu wissen, dass man in einem Notfall gut versorgt gewesen wäre.
Die uni selber liegt eher abgelegen, in einem lndustriegebiet der stadt Roskilde. Jedoch gibt
es hier alles, was man benötigt. Direkt auf dem Campus befinden sich ein großer lmbissLaden und ein kleiner Lebensmittelladen. Kurs vor der Uni, zwischen der Trekroner
Bahnstation und dem Übergang zur Uni, gibt es 2 Supermärkte, einer eher günstig
mit nicht
ganz so viel Auswahl (,,Fakta"), der andere sehr groß, dafür aber teurer (was
in Dänemark ja
sowieso relativ ist... man muss wirklich sehr auf sein Geld achtenl). ln die Stadt Roskilde
kommt man mit dem Zug auch innerhalb 3 Minuten (hier wird nach dem Zonen-prinzip
abgerechnet. Für eine Fahrkarte nach Roskilde benötigt man ein Ticket mit 2 Zonen. Am
besten kauft man sich am Schalter oder im Supermarkt (zB. Super Brugsen) eine 1ger-ClipKarte für 145Kronen. Nach Kopenhagen wiederum benötigt man eine T-Zonen-Karte.
Auch
hier gibt es eine 10er-Clip-Karte für 4OOKronen. Abstempeln tut man die Karten dann
direkt
auf dem Bahnsteig). Roskilde selbst ist eine hübsche kleine Stadt (für dänische Verhältnisse
groß!), die es sich auf jeden Fall lohnt, einmal richtig gründlich zu besichtigen.
Sehr
beeindruckend ist die große Kathedrale, in der frühere Könige Dänemarks begraben sind
(Roskilde war vor vielen Jahren einmal die Hauptstadt Dänemarks). Mit dem
Einführungskurs haben wir eine Führung mitgemacht, für die wir nichts bezahlen mussten,
ansonsten kostet der Eintritt mit Besichtigung der Gräber ca. 10€.
Das Ausgehen in Roskilde ist gut möglich, allerdings nicht sehr vielfältig. Meistens sind
wir in
kleinere Pubs oder rustikale Diskotheken gegangen.
lch selber war nur 2 oder3 Mal in
Kopenhagen aus, was mir nicht besonders gut glt"tt"n
hat. Aber wahrscheinlich hätten wir
uns da vorher auch etwas besser informieren müssen.
An der uni selber gibt es dann auch einige Sportangebote
und ein Fitnessstudio. zudem
wurden von dem lnternational club an der uni und
von manchen Erasmus-studenten
zusammen Ausfrüge innerharb ganz skandinaviens geprant.
was mir beim studieren an der uni aufgefallen ist, ist, dass
die dänischen studienanfänger
vieljünger sind, als bei uns, vom stoff her scheinen sie
allerdings
etwas hinter unserem
standard zu liegen' Denn die meisten von uns internationalen
studenten, die im Heimafland
noch im Bachelor waren, nahmen in Roskilde an
Kursen teil, die dort schon Master-Niveau
waren' Die Kurse waren generell sehr interessant,
allerdings nicht so intensiv, wie ich es mir
vorher vorgestellt hatte. Die seminare waren meist
sehr locker gehalten und somit habe ich
die mündlichen Prüfungen am Ende des semesters fast
unterschätzt. Hierfür mussten wir
dann alles lernen und nachholen, was im unterricht
zwar hätte dran kommen sollen, aber
eben doch nicht behandelt wurde. obwohl ich sehr große
Angst vor den prüfungen hatte und
die Prüfer auch relativ kritisch waren, waren sie trotzdem
fair und das Bestehen war
letztendlich wirklich nur eine sache des Lernens.
Auch gut fand ich, dass die prüfer
zwischen den dänischen und internationalen studenten
keine unterschiede gemacht haben
oder die Erasmus-studenten wie kleine Kinder behandelt
haben. wir waren alle auf dem
gleichen Stand, hatten alle das gleiche Wissen
und Niveau und so wurde auch mit uns
umgegangen.
Die Bibliothek ist schÖn und groß, allerdings muss
man sich an das Arbeitsklima dort
gewöhnen' von der uns bekannten Stille in
einer Bibliothek scheinen die Dänen noch nicht
allzu viel gehört zu haben. Hier werden.lautstark
Gruppenarbeiten ausgeführt, obwohl es
extra still-Arbeitsräume gibt. Auch die Öffnungszeiten
gewöhnungsbedür,ftig, da
das Gebäude in der Vorlesungszeit schon um 1gh schließt
"ind "t "r,
und am samstag geschlossen
hat' ln der vorlesungsfreien Zeit sind die Öffnungszeiten
dann noch verkürzt. Die
Bibliothekskarte ist automatisch auch die studentenkarte,
die man sich am Anfang des
semesters im lnternational office der RUC abholt. Mit der
Karte geht man dann beim ersten
Mal zum Ernpfang der Bibliothek, wo sie aktiviert wird
und ein 4-stelliger plN überlegt wird,
der ab dem Zeitpunkt immer an den Ausreihmaschinen
eingegeben wird.
Die Mensa der uni ist, verglichen mit der Bremer Mensa,
sehr klein und gleicht eher einer
Kantine. Die Auswahl ist größtenteils jeden Tag die gleiche,
auch wenn es
abwechslungsreiche Fleischgerichte gibt. lm vergleich
zum resilichen Leben in Dänemark ist
das Essen hier sehr günstig, man kann sich alsoiehr gut
2 oder3 Tage die woche hier satt
essen' Eine Mensakarte gibt es hier, wie bei uns, nicht.
Man bezahlt entweder cash oder mit
EC-Karte.
wie bereits erwähnt, ist das Leben in Dänemark nicht gerade günstig.
Besonders die
Verkehrsmittel
haben es in sich, auch wenn die,,1Oer-Klip-Kort,,natürlich
besonders für
Kopenhagen sehr praktisch ist. Für die wege, die man in
Roskilde zurücklegen möchte
empfiehlt es sich meiner Meinung nach wirklich sehr, sich
ein Fahrrad zuzulägenl Auf der
Strecke zwischen der uni und dem Stadtcenter Roskildes
liegen zum Beispiel ein großes
Shoppingcenter und ein großer, günstiger Lidl (beides direkt
an der Hauptstraße
,,Kobenhavenvej", am McDonalds vorbei stadteinwärts). Natürlich sind
diese auch zu Fuß
innerhalb von 20-30 Minuten zu erreichen, doch mit dem
Rad ist dies einfach viel
praktischer.
Meine Miete habe ich immer monatlich direkt beim Post-office
bezahlt. Dies war billiger als
eine Überweisung. ob man sich nun ein dänisches Bankkonto
eröffnen möchte oder nicht,
muss wohljeder selber wissen, schließlich hängt dies
auch sehr stark mit der Bank
zusammen, die man in Deutschland hat. Für mich hat
es sich einfach nicht gelohnt, sodass
ich immer die größtmögliche Menge von meinem Konto
abgehoben rrabe uno eine geringe
Gebühr dafür bezahlt habe.
lm Großen und Ganzen habe ich den Aufenthalt an der
Roskilde university genossen und
bin sehr froh, dass ich am Erasmus-stipendium teilnehmen
dur.fte. Natürlich gab es ein paar
Kleinigkeiten, die hätten besser und organisierter verlaufen
können, doch man war immer
nett und freundlich zu mir und es wurde geholfen, wo es
nur ging. Meinem Englisch hat der
Aufenthalt allerdings wohl nicht so gut getan, schließlich
war ich nie mit MutteÄprachlern
zusammen, die einen im Detail hätten verbessern können.
Trotzdem bin ich froh, das
Auslandssemester gemacht zu haben und um eine Erlahrung
reicher zu sein.