Jungenpädagogik – Jungs lernen anders

Arbeitsgemeinschaft für Bildung
Rendsburg - Eckernförde
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Jungenpädagogik – Jungs lernen anders
Beim September-Treffen der Arbeitsgemeinschaft für Bildung RendsburgEckernförde referierte Martin Klimach-Dreger zum Thema Jungenpädagogik.
Zunächst erläuterte Martin Klimach-Dreger, wie eine sinnvolle Pädagogik für und mit
Jungen nicht gelingen kann: Einerseits wird von einem negativen Ansatz
ausgegangen. Das heißt, dass bei Jungen von Anfang an verhindert werden soll,
was den Erziehenden bei den heutigen und früheren Männern nicht gefällt. Andererseits beschäftigen sich Erziehende erst dann mit Jungenpädagogik, wenn ein
Problem vorhanden ist.
Der Ansatz von Martin Klimach-Dreger für eine gute Pädagogik lautet „Jungs sind
Jungs“. Dies bedeutet, dass auch Jungs unvoreingenommen so angenommen
werden müssen, wie sie sind und wir sie dort abholen, wo sie stehen. Natürlich
müssen, wie überall in der Erziehung, dann positive Verhaltensweisen gestärkt und
negative verändert werden. Dies gilt aber nicht nur für Jungs, sondern genauso für
Mädchen. Eine Gleichmacherei zu geschlechtsneutralen Wesen wird nicht von Erfolg
gekrönt werden und ist ein Irrweg. Vielmehr müssen auch geschlechts-spezifische
Verhaltensweisen angenommen und positiv genutzt werden.
Als Beispiel nannte Martin Klimach-Dreger, dass Jungs im Durchschnitt bestimmt
lauter und auch „rüpeliger“ sein können als Mädchen. Dies ist aber nicht generell als
negativ zu bewerten. Es kommt vielmehr auf das Verhalten in bestimmten
Situationen an. Mut und Voranstürmen kann beim Klettern auf dem Abenteuerspielplatz ein Gewinn für die Gruppe sein, da eine „gefährliche Aufgabe“ zielorientiert
angenommen wird. In anderen Situationen, z.B. in Lesephasen in der Schule, muss
man dem gleichen Jungen erklären, dass er sich nun so nicht verhalten darf.
Damit eine Pädagogik für Jungen funktionieren kann, bedarf es aber auch viel mehr
guter Beispiele und Vorbilder für die Jungs. In den Erziehungsberufen gibt es,
besonders in KiTas und Grundschulen, immer noch viel zu wenig männliche Erzieher
und Lehrer. Da heute wesentlich mehr Kinder von ihren Müttern allein erzogen
werden, fehlen männliche Bezugspersonen dann in der Kindheit zum Teil völlig. Eine
Änderung wäre hier möglich, indem die erzieherischen Berufe auch für Männer
attraktiver gestaltet werden. Eine angemessene Bezahlung für alle Erzieherinnen
und Erzieher sowie mehr Vollzeitstellen könnten die Lage deutlich verbessern.
Ein gutes Vorbild zu sein, bedeutet dann natürlich nicht einen Rückfall in das
konservative Familienbild mit der klassischen Rollenverteilung. Wenn Papa die
Wäsche wäscht, dann muss er das machen, weil es so die Absprache mit Mama ist
und nicht, weil er großzügigerweise ein „moderner Mann“ ist und eine Show abzieht.
Ebenso darf man für eine gelungene Erziehung nicht übersehen, dass sich Jungs
eher über Aktivitäten definieren. Es ist für sie ein besonderes Ereignis, wenn sie z.B.
einen Ball besonders gut geschossen haben. Entsprechend muss man ihnen diesen
Erfolg auch gönnen. An diesen Jungeninteressen muss auch angesetzt werden,
wenn man Jungs erziehen und unterrichten will. In der KiTa und der Schule haben
Jungs deutlich mehr Probleme mit dem Unterricht als Mädchen. Nach Untersuchungen der Universität Hamburg (Prof. Struck) ist die Erfolgschance auf einen
guten Bildungsabschluss für ein Mädchen signifikant höher als bei einem Jungen –
bei gleichem Intelligenzquotienten!
Um die Defizite der Jungen im Bildungsbereich auszugleichen, muss man zum
Beispiel bei der Auswahl einer Lektüre im Deutschunterricht darauf achten, dass
auch die Interessen von Jungen angesprochen werden. Konkret bedeutet dies, dass
in der Geschichte „etwas los sein muss“ und sie „zur Sache kommt“. Eine seitenlange Vorstellung der Personen und Orte wirkt dagegen für sie eher abschreckend
und führt eher zu einer Verweigerungshaltung. Um die Jungen erst einmal für z.B.
das Fach Deutsch zu gewinnen, muss die Lehrkraft daher erfinderisch sein. Bei den
Jungs muss erst einmal das Interesse gewonnen werden und dann kann man sie zu
anderen Inhalten hinzuführen. Warum sollte eine Gruppe Jungen nicht einmal ein
Referat über ein Computerspiel oder die Welt der Yu-Gi-Oh-Karten halten?
Ebenso sollten die Jungs bei Themenauswahl in anderen Fächern berücksichtigt
werden. Eine zu enge Fassung eines Themas sollte, dort wo es möglich ist,
vermieden werden. Das Thema „Tiere auf dem Bauernhof“ könnte man gut durch
„Leben auf dem Bauernhof“ ersetzen und so den Jungs die Möglichkeit bieten, sich
dem Thema Bauernhof auch über Landtechnik und Trecker zu näher. Andersherum
gilt dies natürlich für Mädchen und ihre Themen.
Jungs sind auch mehr als Mädchen angewiesen auf Rituale. Sie müssen erkennen
und erfahren können, wie sie sich richtig bzw. falsch verhalten und benötigen eine
klare sowie direkte Rückmeldung. Innerhalb dieser Rituale können sich die Jungs
dann sammeln und öffnen. Sie sind dann oft viel mehr bereit über sich und ihr
Verhalten zu reflektieren und auch die Gefühlswelt zuzulassen.
In diesem Zusammenhang wies Martin Klimach-Dreger auf die in Eckernförde sehr
erfolgreich veranstalteten „Vater-Sohn-Tage“ hin. Hier können Väter und Söhne
einen Kontakt aufbauen bzw. vertiefen, der im täglichen Leben oft zu kurz kommt,
gerade in Patchwork-Familien, bei denen der „Vater“ nicht unbedingt der Erzeuger
ist. Im klaren und ritualisierten Verlauf können die Jungen hier erkennen, dass sie
nicht allein sind und es andere Jungs und Männer gibt, die in ähnlichen Situationen
leben und vergleichbare Probleme haben. Bei den Vater-Sohn-Tagen können die
Jungs auch ihren Vater einmal ganz anders beim Spielen oder Grillen erleben. Auch
ein Rollentausch bzw. die Übernahme einer anderen Rolle (z.B. der Mutter) ist sehr
gewünscht und komplettiert das Bild, das Jungs von einer positiven Männerrolle
bekommen.
Durch die neuen Gemeinschaftsschulen mit der Verpflichtung zu differenziertem und
individualisiertem Unterricht sind wir in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren
inhaltlich und organisatorisch einen gewaltigen Schritt vorangegangen. Nun gilt es
aber für LehrerInnen, Eltern und PolitikerInnen diesen neuen Unterricht durch
Engagement, Vertrauen und Förderung zum Erfolg zu führen. Konkret wünschten
sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dafür folgendes von der Politik und den
Verwaltungen:
-
Verstärkte Einstellung männlicher Erzieher, Sozialpädagogen und Lehrer
-
Aufstockung der Planstellen für alle KiTas und Schulen
-
Schaffung von (Gruppen-) Räumen zum differenzierten Arbeiten
-
Aufstockung der Mittel für Lehr- und Lernmittel
-
Schaffung von „Abenteuerangeboten“, z.B. auf dem Schulhof / Spielplatz
-
Gelassenheit und Vertrauen, dass Mittel vor Ort richtig eingesetzt
werden
Natürlich darf man nicht ausblenden, dass Frauen später im Beruf immer noch eher
benachteiligt sind und man sich auch hier für eine wirkliche Gleichberechtigung
einsetzen muss. Die Politik hat dies vielerorts schon erkannt. Die EU hat sich seit
den 1990er hierzu das Gender Mainstreaming auf die Fahnen geschrieben.
Die Förderung von Mädchen und Jungen sowie Frauen und Männern gehört in allen
Bereichen zusammen. Die jeweiligen Stärken sollen gefördert werden, damit eine
vielfältige, facettenreiche und damit eine erfolgreiche Gesellschaft entwickelt wird.