Das aktuelle Pfeil-Magazin, Nr. 3, Dezember 2015 - djo

Das Infomagazin
der djo-Deutsche Jugend in Europa
Foto © Joerg Farys
Nr. 3
Dezember 2015
Erinnerungskultur
Gedenken und Erinnern in der djo-Deutsche Jugend in Europa
Inhalt
Inhalt
3
Vorwort
Bundesverband
4
Politik und Jugend im Dialog — zur Situation junger Geflüchteter in Deutschland
7
TaLeiCa — Eine djo-Tanzfortbildung
8
Deutsch-Türkische Partnerbörse für den Jugendaustausch
10
Zukunftswerkstatt Integration 2015
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
12
Anforderungen an Erinnerungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft
13
djo-Bildergalerie
14
70 Jahre Vertreibung und Erinnerungen an die neue „Heimat“
16
Zeitreise mit der Sudetendeutschen Jugend
18
Auf den Spuren der Wolgadeutschen
20
Dikh angle! – Nach vorne schauen!
20
1915—2015
BAMF-Integrationsprojekte
21
Reise durch Realität und Fiktion: Mara im Wunderland
22
Meinung selber machen — Schon seit einem Jahr
Mitgliedsorganisationen
24
Kinderspaß in der „Kreativ-Akademie 2015“
25
Mit KOMCIWAN-Kids in Aktion
26
Junges Engagement b(r)au(ch)t Brücken —
Interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit in Sachsen
28
„JEBB!!! — Junges Engagement Baut Brücken“ ist fast am Ziel!
29
Jeder ist seines Glückes Schmied!?
30
Projekt „Perspektive Kulturvielfalt“ in Duderstadt
31
Grand Prix der Folklore — 26. Internationales Folkloretanzfest
für das Land Mecklenburg-Vorpommern
32
Konflikte weltweit verstehen — ein Workshop von RODNIK e.V.
33
Nachruf: Barbara Schoch
Meldungen
Anzeigen
Jahresplanung / Impressum
Inhalt
Liebe Freundinnen
und Freunde,
„Herzlich willkommen! Was
Unsere Herausforderung als Jugendverband ist es, gemeinsame
können wir als DJO tun?“
und individuelle Erinnerungsbedürfnisse aufzugreifen und Mög-
heißt es in einer Überschrift
lichkeiten zu schaffen, sich mit Geschichte, auch mit der eigenen
im PFEIL aus dem Jahr 1988
Familienbiografie, kritisch auseinanderzusetzen. Unsere Aufgabe
(Sonderausgabe Aussiedler)
ist es, zuzuhören, gemeinsam zu diskutieren und zu verstehen,
und „Freunde — rückt zu-
dass wir aus Geschichte lernen können und welche Rolle wir selbst
sammen“.
in der Zivilgesellschaft spielen.
Im Jahr 2015, in dem so viele
Am Ende diesen Jahres erschüttern uns Verbrechen, die sich in un-
geflüchtete Menschen allei-
sere eigene und kollektive Erinnerung einbrennen werden: Die ter-
ne oder mit ihren Familien
roristischen Anschläge des „IS“ in Paris richten sich gegen Werte,
aus Krisen- und Kriegsgebieten nach Deutschland kommen, bli-
für die wir uns täglich in unserer Arbeit einsetzen. Gegen Vielfalt
cken wir zum Jahresende wieder auf die Anfänge der djo-Deutsche
und ein friedliches Zusammenleben. Es ist nun unsere Aufgabe,
Jugend in Europa, der damaligen Deutschen Jugend des Ostens.
gemeinsam gegen Misstrauen und Angst vorzugehen, zuzuhören
Als Verband junger Heimatvertriebener und Geflüchteter gegrün-
aber auch Stellung zu beziehen.
det, gehörte die Auseinandersetzung mit den Themen Flucht, Vertreibung und Heimat, schon immer zu den großen Themen. Das
Während viele Menschen in dieser Zeit angstvoll in die Zukunft
gemeinsame Erinnern, Erhalten von Traditionen, Bräuchen und
blicken, besinnen wir uns auf die eine wichtige Frage, die uns die
Geschichten ist in der djo-Deutsche Jugend in Europa seit fast 65
letzten 65 Jahre der djo-Verbandsgeschichte begleitete: Was kön-
Jahren stark verankert. Nach der interkulturellen Öffnung im Jahr
nen wir tun? Viele Projekte und Aktionen sind in 2015 aus dieser
2001 und der Aufnahme von Migrantenjugendselbstorganisatio-
Frage entwachsen und ich freue mich mit Euch auf die Weiterar-
nen (MJSO) kamen neue Narrative, Geschichten und Traditionen
beit im neuen Jahr!
dazu, die unseren Verband bereichert und noch vielfältiger gemacht haben.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen Frohe Weihnachten und
ein guten Rutsch in das neue Jahr.
Aber nicht nur die steigenden Zahlen Asylsuchender in diesem
Jahr lassen uns auf unsere eigene Geschichte zurückblicken. Im
Jahr 2015 begingen wir gemeinsam den 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers in Oświęcim
(Auschwitz) und gedenken einem der grausamsten Kapitel der
Menschheitsgeschichte. Und auch der Genozid an den Armenier_innen, Aramäer_innen, Assyrer_innen, Chaldäer_innen und Pontos-Griech_innen in Kleinasien und Mesopotamien jährt sich zum
100. Mal und wir kämpfen gemeinsam für eine Aufarbeitung und
Anerkennung dieses Verbrechens.
Vorwort
Hetav Tek
Nr. 3 Dezember 2015
Bundesverband
Politik und Jugend im Dialog –
zur Situation junger Geflüchteter
in Deutschland
Wir schaffen was! Am 30. September fand in der Landesvertretung NRW in Berlin das djo-DialogForum zur Situation
junger Geflüchteter in Deutschland statt.
4
Während Politiker_innen im Bundestag über die Einordnung so-
NRW präsentiert eine Dokumentation über Straßentheateraktionen
genannter sicherer Drittstaaten auf dem Balkan verhandeln, sind
zum Thema Flucht im öffentlichen Raum anlässlich der Ruhrgames.
die Mitglieder der Band „Roma Büro Freiburg“ bereits beim Sound-
Die Gruppe „grenzenlos“ aus Lindau hat eine lange Anfahrt hinter
check. Die mitreißende Probe zieht die Aufmerksamkeit diverser
sich. Verglichen mit den Strapazen ihrer Flucht nach Deutschland,
Besuchergruppen auf sich. Özlem Etdöger von KOMCIWAN Bremen
verspricht die erste Berlinreise ein positives Erlebnis für die jungen
ist mit der Fotoauswahl ihres Projektes für die Ausstellung beschäf-
Geflüchteten zu werden. Im Gepäck haben sie eine Fotoausstellung
tigt. Ihr Verein ermöglicht geflüchteten Kindern regelmäßige Aus-
über ihr Leben in Deutschland. Die letzten Erläuterungen zu den
zeiten vom Heimalltag bei Sport und Spiel. Der djo-Landesverband
eindrücklichen Bildern werden noch handschriftlich ergänzt, dann
Nr. 3 Dezember 2015
Bundesverband
bleibt etwas Zeit für Sightseeing. Ein Filmteam überprüft derweil
Kamera und Tontechnik. Die jugendliche Crew wird einen Beitrag
für den lokalen Fernsehsender BerlinImpuls drehen und schwankt
zwischen Routine und Aufregung. Medienpädagoge Volker Hoffmann bleibt hingegen ruhig — er weiß um die Kompetenzen seines
Teams. Als Teilnehmende des Medienprojektes meinungsmacher.in
des Jugendbund djo-Deutscher Regenbogen, Landesverband Berlin e.V., haben sie bereits erste Dreherfahrungen gesammelt, deren
Ergebnisse auch Teil der Ausstellung sind.
„Man konnte mit diesen Politikern ganz
normal reden. Das hätte ich nicht gedacht. Aber ob ich hierbleiben darf und
eine Ausbildung machen — darauf konnte mir niemand eine Antwort geben“.
Junger Geflüchteter aus Berlin
Ausschnitt aus dem Padlet der Diskussionstische
Das Moderationsteam trifft ein. Zehn junge Leute aus djo-Mitglied-
Hetav Tek, Bundesvorsitzende der djo-Deutsche Jugend in Euro-
sorganisationen und anderen ehrenamtlichen Zusammenhängen
pa, findet in ihrer Begrüßung klare Worte in der aktuellen Debat-
haben sich intensiv auf die Dialogveranstaltung vorbereitet. Die
te: Schutzsuchende aus Ländern in denen Krieg, Verfolgung und
meisten lernten sich bei einem zweitägigen Moderationsworkshop
Diskriminierung herrschen, haben das Recht auf Sicherheit und
des djo-Bundesverbands im September kennen. Fragetechniken,
Versorgung. Es sei unverantwortlich, über „falsche“ und „richtige“
Dialog-Gestaltung, Präsentationsübungen und Konfliktmanagement
Geflüchtete zu diskutieren. Volker Meier, Leiter der Vertretung des
standen ebenso auf dem Programm wie Methoden zur Seminarge-
Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund, bekräftigt in seinem Gruß-
staltung und Veranstaltungskonzeption. Trainer Robert Behrendt
wort die Wichtigkeit des Kinder- und Jugendschutzes für junge Ge-
versammelt noch einmal alle für ein konzentriertes Briefing. Höchs-
flüchtete. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg in Deutschland ist,
te Priorität: Während der Gesprächsrunden eine konstruktive und
wird im anschließenden Impulsreferat von Volker Maria Hügel von
faire Atmosphäre gestalten.
Die Landesvertretung füllt sich. Bundesweit sind Mitglieder aus
vielen unterschiedlichen djo-Gruppen angereist. Ein großes Hallo,
Wiedersehen und Kennenlernen. Wer noch nicht so viel deutsch
versteht, erhält Unterstützung durch Sprachmittler_innen. In der
Ausstellung finden erste Begegnungen zwischen Menschen aus der
djo-Deutsche Jugend in Europa, aus NGO´s und der Politik statt. Musiker Leonard Moise (Roma Büro Freiburg) sorgt für atmosphärische
Klangerlebnisse.
Eine kleine Aufregung verursacht ein plötzlicher Stau im Berliner Tiergartentunnel. Viele Gäste der Veranstaltung, darunter auch Teile des
djo-Vorstands, stecken für eine Weile fest. Im Foyer der Landesvertretung ertönen derweil HipHop-Beats. Kinder und Jugendliche des Magdeburger djo-Projekts „BreakChance“, begleitet von Alexander Wassilenko, zeigen ihr tänzerisches Talent und reißen das Publikum nicht nur
„Das Thema schien für alle Teilnehmenden äußerst wichtig zu sein, seien es
Politiker_innen, Vertreter_in der Jugendorganisationen oder die Geflüchtete
selbst. Mich hat bewegt, wie freundlich
und angenehm die Stimmung bei so
einem komplexen Thema war und wie
viel Verständnis die Beteiligten gezeigt
haben“.
Moderatorin eines Dialogtisches
rhythmisch mit. Heute noch bejubelt, morgen vielleicht abgeschoben
— bittere Realität für einige Mitglieder der hochmotivierten Gruppe.
5
Nr. 3 Dezember 2015
Bundesverband
der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchen-
* Filme Roma Büro Freiburg unter www.roma-buero-freiburg.eu
der e.V. deutlich. Er schafft es, einen umfassenden und zugleich
• Roma Invasion 4: Ein Heimatfilm nach den Motiven der Fabel:
verständlichen Einblick in die rechtliche Situation minderjähriger,
„Die Grille und die Ameise und die Politik: Schuld und Schulden“
unbegleiteter Geflüchteter zu geben. Viel Diskussionsstoff für die
• „Zwei Probleme — eine Lösung“ als Impuls für Alternativen in der
folgenden Dialogrunden. Kathrin Moosdorf, Landesgeschäftsfüh-
Flüchtlings- und Sozialpolitik. Überall in Europa verbreitern sich
rerin des Deutschen Kinderschutzbundes Bremen, führt durch den
Entleerungsräume. Flüchtlinge, Roma und die Jugend des Südens
Abend und leitet die mit Spannung erwarteten Dialogrunden ein.
könnten sich hier eine selbstbestimmtere Zukunft und Heimat
An zehn Thementischen kommen die 150 Gäste der Veranstaltung
schaffen und diese Räume revitalisieren.
in wechselnden Konstellationen schnell ins Gespräch, debattieren
Problemlagen, formulieren Lösungsvorschläge und Forderungen
** Mehr Informationen, Fotos, Filme und Forderungen
an die Politik. Nach einer Stunde intensiven Austausches werden
unter www.djo.de
die zentralen Statements aus den Dialogen vom Moderationsteam
präsentiert und visualisiert. Genug Anknüpfungspunkte für weitere
intensive Gespräche am Buffet.
Ein Konzert und Filmprogramm zum Abschluss der Veranstaltung
zeigen das vielseitige kreative Potential junger Menschen, die als
Geflüchtete gekommen sind und ihre Perspektiven und Talente
selbstbestimmt sichtbar machen. Während die Band des Roma
Büro Freiburg mit Eigenkompositionen, Rap und Balkan-Beats
begeistert, laufen im Filmprogramm gleich zwei Kurzfilme der
Gruppe*. Die Mitwirkenden des afghanisch-libanesisch-deutschen
Filmprojekts „heim.suchungen“ vom djo-Bundesverband sind mit
einem Trailer des Films „Der Teufelsweg“** vertreten. In einem
Filminterview von Antonia Goldhammer berichtet ein junger Iraker
der Gruppe AJM Bayern von seinen ersten Erfahrungen in Deutschland und seinem ehrenamtlichen Engagement. Ein facettenreicher
Abend geht zu Ende.
Katrin Gödeke
Referentin für Kulturelle Jugendbildung
djo-Deutsche Jugend in Europa, Bundesverband e.V.
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Nr. 3 Dezember 2015
Bundesverband
TaLeiCa –
Eine djo-Tanzfortbildung
Eine Tanzfortbildung für engagierte djo-Mitglieder, die genauso vielfältig ist wie der Verband selbst — das war der
Plan, der gemeinsam beim KulturForum 2015 gefasst wurde. Und im September war es soweit: In Kooperation mit
dem djo-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern fand der erste Teil der TaLeiCa zum Thema „Volkstanz zwischen
Tradition und Moderne“ statt.
Am letzten Tag gab es neue kreative Herausforderungen: In Kleingruppen wurden
zu einem musikalischen Thema eigene Choreographien erarbeitet. Die vielseitige tänzerische Prägung der Darsteller_innen führte zu einem sehenswerten folkloristischen
Stilmix.
Angefüllt mit Ideen und neuem Bewegungsmaterial hieß es schließlich Abschied nehmen — doch ein Wiedersehen steht für einige bereits fest: Mitte November folgt die
nächste TaLeiCa-Fortbildung:
Tanztheater
mit der Tänzerin und Choreographin Be van
Vark steht auf dem Programm.
Katrin Gödeke
Referentin für Kulturelle Jugendbildung
Draußen wehte eine frische Ostseebrise —
Joachim Lauenroth durchgeführt, der
im großzügigen Tanzsaal der Jugendherber-
jede Übungsreihe praktisch und theore-
ge Ribnitz-Dammgarten wurde geschwitzt.
tisch erfahrbar machte und neuen Input
Tanzbegeisterte zwischen 14 und 74 Jahren
zum Themenfeld „Achtsames Leiten“ gab.
gingen immer wieder an ihre Grenzen und
Ob Bauchtanzgruppe, Folkloreensemble
darüber hinaus — jede spürte spätestens am
oder kreativer Kindertanz – alle lernten
zweiten Tag neue Muskelgruppen im eige-
hier etwas Neues über die Arbeit mit ih-
nen Körper.
rer Zielgruppe. Wie bereite ich Kinder auf
djo-Deutsche Jugend in Europa,
Bundesverband e.V.
Folklore-Tanzschritte vor? Wo im Raum
Die Teilnehmerinnen der ersten TaLeiCa
beginne ich wirkungsvoll eine Choreogra-
kamen aus verschiedenen Tanzrichtungen,
phie? Was für ein Training macht fit, flink
von traditionell zu modern,
und flexibel? Der Kopf raucht, die Beine
und leiten
ehren- oder hauptamtlich Kinder- und Ju-
dampfen.
gendtanzgruppen in ganz Deutschland. Ziel
war es, das eigene Bewegungsrepertoire zu
Am Abend begann ein spontanes Tanz-
erweitern, neue Tanzstile kennenzulernen,
crossover. Hamburgerinnen animierten
Kenntnisse zur Anleitung von Tanzgruppen
zum Matrosenpolka, alle wagten erste
zu vertiefen und sich mit anderen Tanzbe-
Flamencoschritte, reihten sich in eine
geisterten auszutauschen.
pommersche Quadrille ein oder probier-
Unterstützt von Aktion Mensch
ten den russischen Kasatschok. Wer die
und dem Tanzverband Mecklenburg-
Die Fortbildung wurde von dem erfahre-
Bewegung im Freien suchte, konnte einen
Vorpommern
nen Tanzpädagogen und Choreographen
Spaziergange zum Bodden genießen.
7
Bundesverband
Nr. 3 Dezember 2015
Deutsch-Türkische Partnerbörse
für den Jugendaustausch
Die Deutsch-Türkische Partnerbörse für den Jugendaustausch fand auf Beschluss des Deutsch-Türkischen Fachausschusses im Jahr 2015 bereits zum zweiten Mal statt. Ziel war es, einen Rahmen zur Weiterentwicklung der bilateralen internationalen Jugendarbeit zwischen Deutschland und der Türkei zu bieten.
Gemeinsames Reflektieren und Diskutieren zu und über Themen der
für Europäische und Internationale Jugendpolitik des Bundesminis-
Jugendarbeit, konkrete Planung in den Projektschmieden, Spracha-
teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Şükran
nimationen und das gemeinsame Entdecken Berlin-Kreuzbergs: Auf
Yalcın vom Ministerium für Jugend und Sport der Republik Türkei
viele unterschiedliche Wege konnten sich die Teilnehmer_innen der
und Robert Werner, Geschäftsführer der djo-Deutsche Jugend in Eu-
diesjährigen Deutsch-Türkischen Partnerbörse für den Jugendaus-
ropa, Bundesverband e.V.
tausch kennenlernen und mehr über Organisationstrukturen und die
Arbeit ihrer potentiellen Partnerorganisationen erfahren.
Das inhaltliche Programm begann am Samstag mit drei Impulsreferaten zu (ehrenamtlichen) Jugendverbandsstrukturen in Deutsch-
8
Die intensiven gemeinsamen vier Tage starteten am Freitag den
land und der Türkei. Jochen Rummenhöller, Referent für Internatio-
11.09.2015: Nach einer historischen Schiffahrt auf der Spree fan-
nale Aufgaben des Deutschen Bundesjugendrings gab Einblicke in
den sich die Teilnehmer_innen in der Alten Feuerwache in Berlin-
die Organisationsebenen der Jugendverbandsstrukturen und Struk-
Kreuzberg zur offiziellen Begrüßung ein. Hetav Tek eröffnete in ihrer
turen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Meltem Kultu
Funktion als stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Deutschen
vom Ministerium für Jugend und Sport der Republik Türkei berich-
Bundesjugendrings die Deutsch-Türkische Partnerbörse für den Ju-
tete über die Arbeitsweise und Strukturen in der Türkei, dem 2011
gendaustausch und begrüßte die Teilnehmer_innen aus Deutsch-
gegründeten Ministerium für Sport und Jugend und den entstan-
land und der Türkei. Ihr folgten Frau Nicola Sommer, Referatsleiterin
denen Jugendzentren. Es wurde deutlich, dass sich die Strukturen
Bundesverband
Nr. 3 Dezember 2015
Darunter unter anderem: Job Shadowing im Bereich der Politischen
Jugendbildung, Projekte im Bereich der Kulturellen Jugendbildung
wie „Say welcome to refugees! Think global — act local!“ und „Große
Welt — kleine Welten“ sowie Jugendbegegnungen im Mädchenfußball und Basketball. Trotz den teilweise unterschiedlichen Ansätzen
und Arbeitsstrukturen wurde deutlich sichtbar, dass die Teilnehmer_
innen der Partnerbörse eine Ebene gefunden haben, auf der sie mit
viel Engagement und Begeisterung zusammen arbeiten und zukünftige Projekte planen können. Wir freuen uns auf die ersten Berichte
der neuen Partnerschaften!
Die Ausschreibung und das Programm wurden gemeinsam von der
djo-Deutsche Jugend in Europa, Bundesverband e.V. und dem Ministerium für Jugend und Sport der Republik Türkei gestaltet, um
zielgerichtet und gleichberechtigt gemeinsame Interessengebiete
und Bedürfnisse der Teilnehmenden beider Länder abzudecken. Die
Deutsch-Türkische Partnerbörse für den Jugendaustausch fand in
Kooperation mit den Deutschen Bundesjugendring (DBJR) und der
Deutschen Sportjugend (dsj) statt. Sie wurde vom Bundesminsterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.
in Deutschland und der Türkei stark unterscheiden. Frau Christiane
Sarah Gräf
Rheinholz-Assoli von der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit
Projektleiterin
der Bundesrepublik Deutschland e.V. (IJAB e.V.) machte diese Unter-
djo-Deutsche Jugend in Europa, Bundesverband e.V.
schiede in einer Kontrastrierung noch einmal deutlich und gab zusätzliche Hintergrundinformationen zu Entwicklung und Ansätzen
der Jugendarbeit in diesen beiden Ländern.
In den Arbeitsgruppen Politische Bildung, Soziale Gerechtigkeit, Kulturelle Jugendarbeit und Sport konnten die Teilnehmer_innen dann
selbst das Wort ergreifen, die eigene Organisation vorstellen und
über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den jeweiligen Bereichen der Jugendarbeit diskutieren. Der Sonntag war dann den Projektschmieden gewidmet. Mit der Unterstützung erfahrener Seminarleiter_innen konnten erste Projektskizzen entworfen und bereits
konkrete Projektideen bearbeitet werden.
Wie man spielerisch und fast wie von selbst Vokabeln einer fremden
Sprache erlernt, trotz Sprachbarrieren miteinander in Kontakt kommt
und eventuelle erste Berührungsängste überwindet, zeigte die türkischsprachige Trainerin Diba Tuncer gemeinsam mit der Sprachmittlerin Sarah Kössler. Die Teilnehmer_innen lernten so durch eigene
Erfahrung eine Methode kennen, die sie selbst in Projekten und Maßnahmen im Internationalen Jugendaustausch anwenden können.
Am Montag, dem letzten gemeinsamen Tag, trafen die Teilnehmer_
innen noch einmal in ihren Arbeitsgruppen zusammen, um die Präsentation ihrer Ideen zu planen. Es wurden Stellwände und Plakate
beklebt, Kurzvorträge durchgesprochen und sogar ein Deutsch-Türkisches Pantomime-Stück zum Thema „Internationaler Jugendaus-
Mehr Informationen zur Deutsch-Türkischen Partnerbörse für
tausch im Sport“ eingeübt. In Paaren oder Kleingruppen präsen-
den Jugendaustausch und den Projektschmieden gibt es in der
tierten die Teilnehmer_innen sich dann gegenseitig die Ergebnisse
Veranstaltungsdokumentation unter www.djo.de
aus ihren Arbeitsgruppen sowie die ersten konkreten Projektideen.
9
Bundesverband
Nr. 3 Dezember 2015
Zukunftswerkstatt
Integration 2015
Vom 03.09.15 bis 06.09.15 kamen 26 Multiplikator_innen der Integrationsarbeit aus djo-Landesverbänden und
Migrantenjugendselbstorganisationen zur Zukunftswerkstatt Integration im djo-Jugenddorf Ahlbeck zusammen und
entwickelten gemeinsam Konzepte für neue Integrationsprojekte.
Sprachanimation in der Zeltstadt, herkunfts-
und
hauptamtlichen
sprachliche Peer-Beratung für neuzugewan-
aus
djo-Mitgliedsorganisationen
zurzeit
kommenden Wochen beim Bundesamt für
derte Jugendliche oder Qualifizierung von
verstärkt vor der Herausforderung, die Parti-
Migration und Flüchtlinge und der Stiftung
jungen Ehrenamtlichen zu Bildungspat_in-
zipation neu zugewanderter Jugendlicher zu
Aktion Mensch beantragt.
nen — im Mittelpunkt stand die Frage, wie
unterstützen.
Multiplikator_innen
die Jugendverbandsarbeit neuzugewander-
Die Zukunftswerkstatt Integration wurde
te Jugendliche — insbesondere diejenigen,
Die Multiplikator_innen haben auch die
vom Bundesamt für Migration und Flüchtlin-
die von Flucht und Vertreibung betroffen
verschiedenen Fördermöglichkeiten der Ju-
ge mit den Mitteln des Bundesministeriums
sind — dabei unterstützen kann, in Deutsch-
gend- und Integrationsarbeit unter die Lupe
des Innern gefördert und vom djo-Bundes-
land Fuß zu fassen und eine neue Heimat
genommen:
BAMF-Integrationsförderung,
verband gemeinsam mit dem Jugendbund
zu finden.
Förderprogramm Kinder- und Jugendhilfe
djo-Deutscher Regenbogen, Landesverband
der Stiftung Aktion Mensch und Asyl-, Migra-
Berlin e.V. durchgeführt. Die Stiftung Aktion
Die Frage, wie die Erstorientierung von
tions- und Integrations-Fonds (AMIF). Denn
Mensch unterstützte uns durch ein Gastre-
jungen Neuzuwander_innen und die Will-
erfolgreiche Jugendverbandsarbeit an der
ferat und Projektberatung. Dafür herzlichen
kommenskultur mit Mitteln der Jugend-
Schnittstelle zur Integrations- und Flücht-
Dank!
verbandsarbeit verbessert werden können,
lingsarbeit benötig neben einem hohen En-
war ein immer wiederkehrendes Thema der
gagement auch finanzielle Ressourcen.
Tagung. Denn angesichts der aktuell stei-
10
dorf Ahlbeck entwickelt und werden in den
Johanna Bontzol
Bundesintegrationsreferentin
genden Zuwandererzahlen aus Syrien, dem
Das Ergebnis der Antragswerkstatt kann
djo-Deutsche Jugend in Europa,
Irak, der Russischen Föderation, Serbien,
sich sehen lassen! Insgesamt zwölf Projek-
Bundesverband e.V.
Mazedonien u.a. stehen die ehrenamtlichen
tideen wurden in den vier Tagen im Jugend-
Bundesverband
Nr. 3 Dezember 2015
Das Netzwerktreffen Integration &
Kultur — die nächste bundesweite gemeinsame Fachtagung für Multiplikator_innen aus den Bereichen Integration und Kultur — findet vom 03.03.16
bis 05.03.16 statt. Hierzu möchten wir
alle Multiplikator_innen aus Bundesgruppen und Landesverbänden der
djo-Deutsche Jugend in Europa herzlich einladen.
Weitere Informationen:
www.djo.de,
[email protected]
Während der Zukunftswerkstatt fand die djo-Galerie der Integrationsprojekte statt. Dabei wurden auch Projekte präsentiert, die sich die
Verbesserung der Partizipation von jungen Geflüchteten zum Ziel gesetzt haben.
Break Grenzen!
B’shayno. Willkommen.
Zeitraum: 01.09.2014 – 30.04.2015
Zeitraum: 01.11.2015 – 31.10.2018
Ort: Magdeburg
Ort: Gütersloh und Umgebung, später landesweit
Förderer: Stiftung Aktion Mensch
Förderer: Stiftung Aktion Mensch
(Förderaktion „Miteinander gestalten“)
(Kinder- und Jugendhilfe)
Im Projekt „Break Grenzen“ wurde eine Nachwuchstanzgrup-
B’SHAYNO ist ein Patenschaftsprojekt bei dem vorwiegend Ju-
pe für Kinder und Jugendliche mit und ohne Fluchtgeschichte
gendliche mit eigenem Migrationshintergrund Patenschaften
aufgebaut, die sich mit der „Break Grenzen Crew“ in Magdeburg
für geflüchtete Jugendliche aus dem Irak und Syrien überneh-
und weit darüber hinaus einen Namen gemacht haben. Ziel des
men. Die Jugendlichen begleiten junge Geflüchtete zu frei-
Projekts war es, mit der Methode des Breakings Werte wie Anti-
zeitpädagogischen Angeboten, zu Gemeinden und Kirchen,
rassismus, Gewaltfreiheit und Pluralismus zu vermitteln und den
unterstützen in der Schule und geben Ihnen so die Möglich-
Hip-Hop-Grundsatz Peace, Love, Unity and Having Fun zu verin-
keit am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teilzuneh-
nerlichen. Die Break-Grenzen-Crew trainiert auch über das Pro-
men. Im Projekt werden auch kultur- und medienpädagogische
jektende hinaus mehrmals in der Woche. Zukünftig ist geplant,
Kleinprojekte angeboten, bei denen Jugendliche mit und ohne
die Teilnehmer_innen zu Multiplikator_innen auszubilden, damit
Fluchterfahrung gemeinsam Theaterstücke, Filme, Fotoalben
sie selbst in Schulen Breaking-Workshops anbieten. Das Projekt
oder ähnliches entwickeln. Die künstlerisch-kreativen Metho-
„Break Grenzen“ verlief sehr erfolgreich und wurde beim freistil-
den erleichtern durch die nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten
Jugendengagementwettbewerb Sachsen-Anhalt ausgezeichnet.
den interkulturellen Austausch über Sprachgrenzen hinweg.
Projektträger:
Projektträger:
djo-Deutsche Jugend in Europa, Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.
djo-Deutsche Jugend in Europa,
Projektwebsite: www.breakgrenzen.jimdo.com
Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.
Assyrischer Jugendverband Mitteleuropa (AJM) e.V.
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Nr. 3 Dezember 2015
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
Anforderungen
an Erinnerungsarbeit in der
Einwanderungsgesellschaft
In 2015 fand in einem längeren Prozess im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) eine Auseinandersetzung und Positionierung zu Erinnerungsarbeit, -kultur und -politik in der Einwanderungsgesellschaft statt. Ein Kommentar von
Robert Werner, der die djo-Deutsche Jugend von Europa in der Arbeitsgruppe des DBJR vertreten hat:
Das Jahr 2015 ist für unsere in der djo-Deutsche Jugend in Europa
heitsdeutsche Erinnerungskultur einbetten, wenn diese an familiäre bzw.
zusammengeschlossenen Bundesgruppen und Landesverbände ein
kollektive Erinnerung anknüpft. Daraus ergeben sich zwei zentrale For-
Jahr des Gedenkens und Erinnerns. Für unsere landsmannschaftlich
derungen an die Erinnerungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft:
geprägten Gruppen jährte sich zum 70. Mal die Erinnerung an Flucht
und Vertreibung aus Osteuropa. Wir gedachten mit Amaro Drom den 70.
Erinnerungsarbeit muss sich öffnen für die Erzählungen der Einwanderer
Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, ein Lager in dem auch 20.000
und ihre eigenen Narrative überdenken. Dazu gehören die Erzählungen
Roma und Romnija ermordet wurden. Auf unserem Bundesjungendtag
vom Zuzug nach Deutschland (oftmals verbunden mit wirtschaftlicher
würdigten wir gemeinsam den 100. Jahrestag des Völkermords an den
Not oder Flucht) und der nach dem Ankommen stattfindenden Integrati-
Armenier_innen, Assyrer_innen, Chaldäer_innen, Pontos-Griech_innen
onsleistung. Eine Erinnerungsarbeit mit migrantischer Perspektive muss
und Jesid_innen und im kommenden Jahr wird sich die Deportation der
sich aber auch räumlich erweitern und geschichtliche Ereignisse in den
Russlanddeutschen unter Stalin zum 75. Mal jähren. Es sind auch diese
Blick nehmen, die außerhalb der bundesrepublikanischen Agenda für
leidvollen Erfahrungen der Verfolgung und erzwungenen Migration, die
zugezogene Menschen von Bedeutung sind.
uns als Verband verbinden und die zu der im Verband gelebten Solidarität sicherlich ein gutes Stück beitragen.
Erinnerungsarbeit muss ihre Methodik ändern. Insbesondere in der Auseinandersetzung mit dem NS-Regime und seiner Folgen wird klar, dass
Daneben eint unseren Verband aber auch die Erfahrung, eigene Ge-
Erinnerung nicht mehr nur über den familiären Bezug gewährleistet
schichten zu erzählen und Erinnerungen zu bewahren, mit denen nur
werden kann. Vielmehr ist die Bundesrepublik Deutschland als Nachfol-
wenige Menschen in Deutschland etwas anfangen können. Es war im-
gestaat des Deutschen Reichs verantwortlich dafür, die Auseinanderset-
mer schwierig, Anerkennung zu erhalten für das Leiden, das mit diesen
zung und das Gedenken an den Holocaust aktiv zu betreiben und darin
Jahrestagen verbunden ist. Die Erinnerung an individuelles Leid verbun-
alle (!) ihre Bürger_innen mit einzubeziehen.
den mit der schmerzhaften Vertreibung Deutscher nach dem zweiten
Weltkrieg macht sich leicht der Relativierung deutscher Schuld anderen
In einer Einwanderungsgesellschaft ist die migrantische Perspektive ein
Gruppen gegenüber angreifbar. Roma und Romnija mussten Jahrzehnte
natürlicher Teil der Gesamterzählung. Erinnerungsarbeit kann nicht da-
für die Anerkennung als gleichberechtigte Opfergruppe im Holocaust
von ausgehen, dass ihre Zielgruppen bereits seit hunderten Jahren in
kämpfen und die Assyrer_innen oftmals ihr Erinnerungsbedürfnis au-
Deutschland verwurzelt sind und muss sich dementsprechend anpassen.
ßenpolitischen Interessen gegenüber Ankara unterordnen. Hier offenbaren sich Defizite der deutschen Erinnerungskultur, der es schwer fällt
Letztendlich muss man feststellen, dass der Wandel in der Erinnerungs-
vermeintlich fremde Erinnerungsbedürfnisse aufzunehmen und sich da-
arbeit auch einen großen Einfluss darauf haben wird, wie wir unser
mit den Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft zu stellen.
Land, unsere Bürger und unsere Gemeinschaft wahrnehmen und von ihr
erzählen. Wichtig ist, dass die Erfahrungen und die sehr heterogenen
Dabei ist die Bundesrepublik spätestens seit dem Zuzug der damaligen
Perspektiven der Zugezogenen als echter Teil der Erinnerungskultur in
Gastarbeiter_innen in den 60er Jahren — möglicherweise aber auch
Deutschland wahrgenommen und nicht als eine parallel laufende Bin-
schon viel länger — ein Einwanderungsland. Die Perspektiven der zu-
destrichperspektive der Migrant_innen abgetan werden. Damit verbun-
gezogenen Menschen werden aber noch immer nur selten mitgedacht.
den ist also auch die Arbeit an dem Selbstverständnis Deutschlands. Nur
Zugewanderte stellen das gesellschaftliche Erinnern in der Bundesre-
so wird es möglich sein eine Repräsentation aller Teile unserer Gesell-
publik in zwei Punkten vor Herausforderungen: Zum einen haben sie
schaft zu erreichen und neue Gruppen anzusprechen.
aufgrund ihrer Herkunft und aufgrund der Erfahrung der Migration an-
12
dere Schwerpunkte in ihrer kollektiven Erinnerung als die Mehrheits-
Robert Werner / Bundesgeschäftsführer
gesellschaft. Zum anderen lassen sie sich nicht einfach so in die mehr-
djo-Deutsche Jugen in Europa, Bundesverband e.V.
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
Nr. 3 Dezember 2015
4.
1.
5.
3.
1. Pfeil 02/1962 Wegweiser in Berlin
2. Pfeil 06/1958: „Vor des Zeltes Dreieckstür
hocken Holde (Stücker vier),
um der Nachbarin, der lieben,
6.
die’s beim Sport zu toll getrieben,
und nun krank liegt auf der Matten,
Stippvisite abzustatten.“
3. Pfeil 04/1962: „Malerische Trachten aus den Siebenbürger Land: Unser Bild zeigt ein Kind und ein junges Mädchen in Trachten aus Jaad bei Bistritz.“
4. Pfeil 06/1958: „Völlig verworrene Lage“
5. Pfeil 05/1966: Titelbild
6.–7. Pfeil 07/1970: Bundesjugendspiele in Berlin
8. Pfeil 10/1962: „Gesang und Musik im schönen Verein,
erhalten dem Leben den Jugendschein. (Schiller)“
9. Pfeil 06/1970: „Jugend engagiert sich in der DJO“
9.
8.
7.
2.
7.
13
Nr. 3 Dezember 2015
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
70 Jahre Vertreibung
und Erinnerungen an die
neue „Heimat“
Fügen wir es zusammen: 70 Jahre nach der Vertreibung, 70 Jahre nach Ende eines brutalen Krieges mit Hunderttausenden von Opfern, 70 Jahre nach dem Zusammenbruch von 12 Jahren totalitärer Naziherrschaft, 70 Jahre nach
einer nie dagewesenen Zerstörung von Deutschland und Europa — diese Dinge gehören zusammen, wenn man über
70 Jahre Flucht und Vertreibung redet.
Ich bin 1944 geboren und habe weder Krieg
noch Vertreibung wahrnehmen können. Aber
ich habe als Vierjähriger die Flucht über das
Flüsschen Ilse von der russisch besetzen
Zone in den Westen mitgemacht, habe das
Schicksal meines bei der Vertreibung aus
dem Sudetenland seiner Prothesen beraubten Großvaters erlebt, der sich mit selbstgeschnittenen Lederstücken auf den Knien bewegte, und habe das Leben in einem
Flüchtlingslager mitbekommen, umgeben
von amerikanischen Besatzungskräften, die
mit ihren Kettenfahrzeugen einerseits zum
Leidwesen der Bauern die Felder niederwalzten, anderseits durch ihre Freundlichkeit und Entgegenkommen die Kinder und
auch junge Frauen beglückten.
Mit sechs Jahren durfte ich bei den Ausflügen der Egerländer Gmoi dabei sein, mit 10
Jahren nahm ich an den Fahrten der Sudetendeutschen Jugend teil, mit 14 Jahren war
ich Jugendleiter einer Jungengruppe der
Deutschen Jugend des Ostens und fuhr zu
ersten Mal zu einer Woche auf den Heiligenhof, wo ich die damaligen Bundesvorsitzenden der DJO, Ossi Böse, und der Sudetendeutschen Jugend, Erich Kukuk kennen und
schätzen lernte. Diese Hochachtung sollte
nicht mehr abbrechen.
Aus den Erzählungen der Alten und der Arbeit in der Jugendgruppe formten sich bei
mir in immer klareren Konturen die Bilder
14
Pfeil 01/1965: „Bis auf den heutigen Tag treffen sie in der Bundesrepublik ein, Umsiedler
jener Schicksalsjahre meiner Familie und
aus den deutschen Ostprovinzen. Sie lebten bis jetzt unter dem sowjetpolnischen
meiner Verwandten und Bekannten aus mei-
Regime. So wie diese Familie hier sind sie glücklich, wenn sie endlich bei uns ankommen.“
ner Heimat, für die 1945 eine Welt zusam-
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
Nr. 3 Dezember 2015
men gebrochen war, die wohl niemals wieder
ment die Namenserweiterung für die Deutsche
so werden würde wie damals, wobei die Hoff-
Jugend des Ostens in DJO-Deutsche Jugend in
nung auf Rückkehr bei allen noch lebendig war.
Europa. Wer hätte damals geglaubt, dass es dieses Europa einmal geben würde!
Ich war in eine neue „Heimat“ gekommen, jemand, der dazu gekommen war, ein Vertriebe-
Unsere Flucht und Vertreibung wurden „auf-
ner und Flüchtling, der sich nun einrichten und
gerechnet“ mit der Judenverfolgung und dem
seinen Weg suchen musste. Wer weiß, ob ich in
Krieg, den die Naziregierung in Europa und der
meiner alten Heimat jemals ein Gymnasium
Welt entfesselt hatte. Erst jetzt wird den Men-
und die Universität hätte besuchen können.
schen in Deutschland bewusst, dass es weder
Diese Frage habe ich mir oft gestellt und da-
eine „Kollektivschuld“ noch eine „Sühneleis-
mit meiner Entwurzelung auch etwas Positives
tung“ durch eine Gruppe der Menschen für die
abgerungen.
deutschen Untaten geben kann. 70 Jahre nach
der Vertreibung werden die Berichte der letz-
Die Tätigkeit im Jugendverband bestätigte mir,
ten Zeitzeugen, die als Kinder oder Jugendliche
dass ich mit meiner Situation nicht allein war
die Jahre 1945 und 1946 erlebt haben, wahr-
und dass viele junge Menschen nun diesen Weg
genommen und immer mehr junge Menschen
gehen mussten. Wir waren eine „Schicksals“-
interessieren sich für die Geschichte ihrer
Gemeinschaft, die die Ausgrenzung und immer
Großeltern. Das ist gut so, denn das Verbrechen
wieder erlebte Diskriminierung in Schule und
der Vertreibung verjährt nicht, wie der Genozid
Gesellschaft durch Stolz und Selbstbewusst-
an den Armeniern von 1915, der Holocaust an
sein ersetzte. Der Jugendverband bestärkte
den Juden 1938 bis 45 und das Massaker von
uns darin, dass wir dazu aufgerufen waren, die
Srebrenica von 1985 nicht verjähren. Sie sind
Leistung und Kultur unserer Eltern aus ihrer
Teil der kollektiven Erinnerung und ständige
Heimat im Osten zu erhalten und der einhei-
Mahnung für die nächsten Generationen, dass
mischen deutschen Bevölkerung bekannt zu
Rassismus und Völkermord keine Mittel der Po-
machen. Es war nicht weit her mit dem Wissen
litik werden dürfen.
Pfeil 01/1980:
„NRW. Internationale Woche“
unserer einheimischen Freunde und Bekannten, ja selbst unserer Lehrer, über Ostpreußen,
In diesem Sinne ist es für mich eine Genugtu-
Schlesien, Pommern und dem Sudetenland.
ung, dass Bayern und nun auch die Bundesre-
Unsere Erzählungen öffneten ihnen die Augen
publik Deutschland einen Gedenktag an Flucht
Pfeil 03/1979:
und wir gewannen Anerkennung und wuchsen
und Vertreibung eingerichtet haben, der jähr-
„Bundeszentrale Fachtagung „Arbeit mit
hinein in die neue „Heimat“.
lich das Schicksal der deutschen Vertriebenen
Kindern für Kinder““
und der Flüchtlinge weltweit aufgreift: ErinneIn diesen Jahren war es für die meisten Ver-
rung und Mahnung.
triebenen und Flüchtlinge klar, dass sie einmal
zurückkehren würden. Wohl wusste keiner, wie
Ich hatte das Glück, siebzig Jahre in Frieden
das unter den gegebenen politischen Verhält-
und Freiheit zu leben. Ich wünsche mir dies
nissen gehen sollte, aber die Hoffnung ist be-
auch für meine Kinder, Enkel und Urenkel! Und
kanntlich eine starke Quelle des Glaubens. Als
es macht mich traurig und wütend, wenn heute
dann die bundesdeutsche Politik sich mit den
Menschen in Deutschland und Europa andere
bestehenden politischen Verhältnissen arran-
Menschen ausgrenzen, sich einem neuen Na-
gierte, war dies für viele Vertriebene ein Dolch-
tionalismus hingeben und nicht sehen wollen,
stoß ins Herz.
dass sie Erben einer Jahrzehnte währenden
Friedenspolitik sind, die bei allen sozialen und
Mir wurde bald klar, dass es eine Möglichkeit
wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten die Grund-
zur „Rückkehr“ für Einzelne nur unter einer Be-
lage für eine europäische Zusammenarbeit ge-
dingung geben konnte: durch die Schaffung
schaffen haben, die es so noch nie gegeben hat.
eines geeinten Europas, in dem die Grenzen
keine Rolle mehr spielten und das Grundrecht
Dr. Dieter Hüttner
der Freizügigkeit verwirklicht wird. Deswegen
Bundesvorsitzender der DJO-Deutsche
betrieb ich seinerzeit (1974), inzwischen als
Jugend in Europa 1975 bis 1984
Landesvorsitzender der DJO in Bayern, vehe-
Pfeil 07/1988:
„Viel Spaß beim Zeltlager in Gaisthal.“
15
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
Nr. 3 Dezember 2015
Zeitreise mit der
Sudetendeutschen Jugend
In den letzten zehn Jahren habe ich einen Großteil meiner Freizeit mit der Sudetendeutschen Jugend oder der djoDeutsche Jugend in Europa verbracht. Das war fantastisch. Oft habe ich an Wochenenden Menschen aus aller Welt
und mit allen möglichen Hintergründen kennenlernen dürfen. Aber ehrlich gesagt musste ich Freunden, Bekannten
und Arbeitskollegen recht oft erklären warum ich das mache.
Warum setzt man sich für viele Stunden in den Zug um in irgendei-
nicht willkommen, die Einheimischen mussten ihren kleinen Besitz
nen Teil Deutschlands zu fahren, um in Gremien zu sitzen und mit
mit den Flüchtlingen teilen. Manche haben Mitleid, andere glauben,
Leuten zu diskutieren die man vorher noch nie gesehen hat? War-
die Vertriebenen wären selbst schuld. In der Schule ist das Kind ein
um habe ich so viel Zeit vor dem Laptop verbracht, um Berichte zu
Außenseiter, hängt im Stoff hinterher, spricht einen anderen Dialekt.
schreiben, Poster zu gestalten, Abrechnungen zu machen? In der Zeit
Daheim ist es eng, zu viele in einer winzigen Wohnung oder einer
hätte ich sicher auch schneller fertig studieren können. Und nie hat-
Baracke im Lager. Und wenn man ein Stück Heimat findet, fragen die
te ich das Gefühl auf etwas zu verzichten, im Gegenteil. Kaum etwas
Eltern: „Wozu? Wir gehen wieder zurück nach Hause!“. Aber irgend-
hat mir je so viel zurückgegeben wie die Arbeit in den Verbänden.
wann kennt man dieses Zuhause nur noch aus den Erzählungen und
will nicht mehr daran glauben. Und da ist es einfach wunderbar, an-
Das 60-Jährige Jubiläum des djo-Landesverbands Bayern 2011 gab
dere zu kennen, denen es genauso geht. In den Gruppenstunden ist
mir eine schöne Gelegenheit das zu erklären. Denn wann immer sich
man nicht mehr Außenseiter, in der Trachtengruppe sieht man mal
der Landesverband trifft, bietet sich ein buntes Bild: Karpatendeut-
genauso schick aus wie die anderen, im Zeltlager erlebt man Aben-
sche sitzen neben Kurden, Sudetendeutsche plaudern mit Spätaus-
teuer. Zusammen geht fast alles leichter. Man kann sich gar nicht
siedlern, Georgier singen, Schlesier tanzen, Russen spielen Theater
mehr vorstellen ohne seine Freunde zu sein, die Freunde aus der
und alle verstehen sich blendend, und das ganze (mittlerweile) seit
djo. Aus den geflüchteten Kindern werden Erwachsene, sie verdie-
fast 65 Jahren. Aber was verbindet die SDJ damals mit der djo-Deut-
nen Geld, gründen Familien, sie gehören dazu. Aber die Geschichte
sche Jugend in Europa heute? Um das herauszufinden machen wir
ist noch lange nicht vorbei.
eine kleine Zeitreise:
1981: So ein Kind von Spätaussiedlern in Bayern hat es schwer. Al-
16
1951: Ein sudetendeutsches Flüchtlingskind in Bayern hat es
les ist fremd. In der Schule ist das Kind ein Außenseiter und spricht
schwer. Es hat entsetzliche Dinge erlebt. Alles ist fremd. Man ist
eine andere Sprache. Daheim ist es eng, die ganze Familie in einem
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
Nr. 3 Dezember 2015
Zimmer im Übergangswohnheim. Und dann soll man plötzlich ein
hineingeboren zu werden, in Frieden leben, zur Schule und auf die
Deutscher werden, wo man doch Deutschland nur aus den Nach-
Universität gehen zu dürfen. Meine Großeltern haben es aufgebaut,
richten kannte. Und da ist es einfach wunderbar, andere zu kennen,
die Generation meiner Eltern weitergeführt. Aus dem Privileg die-
denen es genauso geht. Das Kind bekommt Nachhilfe, lernt Deutsch,
ses Leben führen zu dürfen erwächst Verantwortung. Und ich bin
kommt mal aus dem Wohnheim raus. Man kann sich gar nicht mehr
froh und stolz zu sehen, wie viel Hilfe geleistet wird, wie viele als
vorstellen ohne seine Freunde zu sein, die Freunde aus der djo. In
Ehrenamtliche Helfer in die Erstaufnahmelager und Unterkünfte
der Schule läuft es jetzt auch besser, viele studieren oder lernen
gehen und mit den Kindern basteln. Wie Wintermützen gestrickt
einen Beruf. Aus den Aussiedlern werden Mitglieder der Gesellschaft,
werden und Kleider gesammelt, Deutschstunden gegeben und In-
sie gehören dazu. Aber die Geschichte ist noch lange nicht vorbei.
itiativen gestartet werden. Und ich sehe Leute aus der SdJ und der
djo-Deutsche Jugend in Europa mittendrin.
2001: Ein Kind, das wegen seiner Religion oder seiner Volkszugehörigkeit fliehen musste, hat es schwer. Es hat entsetzliche Dinge
Katharina Ortlepp
erlebt. Alles ist fremd. In der Schule ist es ein Außenseiter, hängt im
SdJ — Jugend für Mitteleuropa
Stoff hinterher, versteht die Sprache nicht. Das Kind fragt sich, was
es in diesem Bayern soll. Und da ist es einfach wunderbar, andere
zu kennen, denen es genauso geht. Auch andere, die hier in Bayern
leben, wurden vertrieben, sie wissen wie das ist, man muss es nicht
Wir, die Sudetendeutsche Jugend, sind nicht Opfer der Ver-
erklären. Sie wissen, wie schwierig es ist, hier anzukommen, aber sie
treibung — vielmehr sind wir die Erben einer faszinierenden
können dem Kind auch dabei helfen, sie wissen wie es geht. In den
und leidvollen Vergangenheit, die die Bürger der Böhmi-
Gruppenstunden ist man nicht mehr Außenseiter. Man kann sich gar
schen Länder trennt und vereint. Die Schuld an diesem Leid
nicht mehr vorstellen ohne seine Freunde zu sein, die Freunde aus
ist nicht einseitig und nicht kollektiv. Der unsägliche Natio-
der djo. Sie trauen sich anzukommen, sie gehören dazu.
nalismus des 19. Jahrhunderts und dessen schreckliche Pervertierung im 20. Jahrhundert entzweite die Bewohner eines
2011: So eine Landesvorsitzende der Sudetendeutschen Jugend in
einzigartigen Kulturraumes entlang willkürlicher Trennlini-
Bayern hat es gut. Sie kann sich von der Oma mit schlesischen Rou-
en, die anhand kultureller und schließlich sogar vermeint-
laden bekochen lassen und einfach mal so nach Tschechien fahren,
lich genetischer Unterschiede gezogen wurden. Gegenseiti-
sie hat nie einen Krieg erlebt, sie hat Freunde aus allen Ecken der
ge Schuldzuweisungen oder Aufrechnen von Unrecht helfen
Welt und kann sagen: hier bin ich daheim. Aber die Geschichte ist
hier nicht weiter.
noch lange nicht vorbei.
Die SdJ von heute ist weder Erlebnis- noch Bekenntnisgene2015: Ich habe es immer noch gut. Und nie ist es mir so sehr be-
ration. Wir sind die Erbengeneration, der es obliegt, das mit-
wusst geworden wie jetzt. Menschen stehen an unseren Grenzen,
teleuropäische Erbe nicht zu bewahren und zu verwalten,
kommen in unser Land, leben in alten Kasernen, Containern, Zelten.
sondern zu gestalten. Hierbei lernen wir insbesondere von
Sie haben einen weiten Weg hinter sich. Sie sind vor Dingen geflo-
der Erlebnisgeneration. Der 2013 verstorbene Résistance-
hen die so schrecklich sind, dass sie ich meiner Vorstellungskraft
Kämpfer und Mitautor der Internationalen Deklaration der
entziehen. Sie haben Leiden und Strapazen auf sich genommen, ihr
Menschenrechte, Stéphane Hessel, ruft die Jugend von heu-
Leben riskiert, um einen Platz in Sicherheit und Freiheit zu finden.
te dazu auf, sich zu empören — immer dann, wenn irgendwo
Einen Ort, an dem sie sich ein Leben und eine Zukunft aufbauen kön-
Menschenrechte verletzt werden. Menschenrechte — das ist
nen. Und selbst völlig losgelöst von unserer Geschichte in Deutsch-
ein Thema, mit dem wir uns als Erben beschäftigen müssen.
land, unabhängig von meiner Familiengeschichte weiß ich, dass ich
Als Erben wissen wir, zu welchem Irrsinn die Verletzung ele-
helfen muss. Sie sind hier, sie brauchen Hilfe, wir können sie geben,
mentarer Menschenrechte geführt hat – und wir müssen uns
ich kann sie geben. Ich als Mensch habe eine Verpflichtung dazu.
heute mehr denn je dafür einsetzen, wie von Hessel gefor-
Schon allein das sollte reichen.
dert — empören — dass heute diese Rechte gewahrt werden.
Immer und überall. Nur dann gestalten wir das Erbe, nur
Aber wenn ich mich erinnere, wenn ich mir bewusst mache was das
dann haben wir aus der Geschichte die richtigen Schlüsse
heutige Deutschland zu dem gemacht hat was es ist, fühle ich mich
gezogen.
doppelt und dreifach verpflichtet. Was trennt und unterscheidet
mich von den Flüchtlingen? Eigentlich fast gar nichts. Ich könnte sie
Aus der Erklärung der Sudetendeutsche Jugend –
sein. Die Generation meiner Großeltern waren sie. Meine Freunde
Jugend für Mitteleuropa 2013
waren sie. Was unsere Großeltern uns von Flucht und Vertreibung
erzählt haben wird plötzlich so real. Ich hatte nur das Glück auf der
„richtigen“ Seite und in die richtige Zeit geboren zu sein. Und es
war Glück. Ich habe es mir durch nichts verdient in ein reiches Land
17
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
Nr. 3 Dezember 2015
Auf den Spuren
der Wolgadeutschen
Russlanddeutsche leben unter uns — in Deutschland und in Russland. Den meisten begegnen wir jedoch ohne Wissen
über ihre Geschichte und Kultur. Dies wollten der Jugendbund djo-Deutscher Regenbogen, Landesverband Berlin e.V.
und der Jugendring der Russlanddeutschen ändern.
kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum.
arbeit aus Berlin und Balakowo erkundete
Im Landeskundemuseum in Engels veran-
im Rahmen des ersten Teils der deutsch-
schaulicht die Dauerausstellung „Deutsche
Das Zentrum der deutschen Kultur in Engels
russischen Fortbildung „Herkunft, Identität
Geschichte an der Wolga im 18.–20. Jahr-
wurde im Jahr 1989 gegründet. Es setzt sich
und Sprache“ die Wolgaregion auf der Suche
hundert“ historische und kulturelle Hinter-
für die Erhaltung der kulturellen Identität
nach Anregungen für Jugendprojekte zur Ge-
gründe der Wolgadeutschen. Für eine Ein-
und Gemeinschaft der Russlanddeutschen
schichte und Kultur der Russlanddeutschen.
führung empfiehlt es sich Prof. Dr. Arkadij
ein. Im Kulturzentrum gibt es eine große
Beim zweiten Teil der Fortbildung wurde
German von der Abteilung für Geschichte
Bandbreite an Aktivitäten der Kultur- und
die Spurensuche in Deutschland fortgesetzt.
der Russlanddeutschen der Universität Sa-
Spracharbeit für verschiedene Altersgrup-
Unser Fazit: Wer jungen Menschen die Ge-
ratow einzuladen.
pen. Ob Theater, Tanz, Musik oder Gesang
schichte und Kultur der Russlanddeutschen
an der Wolga vermitteln möchte, findet im
Wolgadeutsches Kulturerbe
deutsch-russischen Jugendaustausch geeignete Ansätze und Methoden.
1924 wurde die Stadt Pokrowsk zur Hauptstadt der autonomen Wolgarepublik und im
Ideen für die Erkundung der Geschichte und
Jahr 1931 in Engels umbenannt. Aufgrund
Kultur der Russlanddeutschen in Saratow
des Verdachts auf Kollaboration und Spiona-
und der Nachbarstadt Engels:
ge zu Gunsten des deutschen Kriegsgegners
250 Jahre deutsche Geschichte
und der daraus folgenden Deportation der
Wolgadeutschen hatte die Republik nur bis
1941 Bestand. Das Staatsarchiv der Wolga-
18
Tradition und Moderne in Engels
Eine Gruppe von Fachkräften der Jugend-
Außer einigen Bauernhäusern entlang ei-
deutschen in Engels eignet sich als idealer
ner staubigen Straße gab es für die ersten
Lernort für regionale Spurensucheprojekte.
deutschen Siedler nicht viel. Mit der Zeit
Denkbar sind Nachforschungen beispiels-
entwickelten die Wolgadeutschen Pokrowsk,
weise zu Alltagsbräuchen, zur Mundart oder
das heutige Engels, zu einem blühenden
zu Persönlichkeiten der damaligen Zeit.
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
Nr. 3 Dezember 2015
— die Arbeit der verschiedenen Kulturgruppen und deren Darbietungen zeigen die
traditionelle und heutige Kultur der Wolgadeutschen. Die im Zentrum Aktiven sind
an persönlicher Begegnung und fachlichem
Austausch sehr interessiert.
Das Plakat „Auf den Spuren der Wolgadeutschen“ trägt diese und weitere Ideen
für verschiedene Städte in der Wolgaregion zusammen. Wir möchten damit andere
Fachkräfte der Jugendarbeit motivieren,
deutsch-russische Spurensucheprojekte an
der Wolga durchzuführen.
Plakatbestellung: [email protected]
Der Geschichte der
Russlanddeutschen eine
Heimat geben
Experimentieren als handlungsorientierte
Methoden wecken Neugierde unterschiedlicher Besuchergruppen und regen zur Reflexion an. Dieser deutschlandweit einma-
Auch in Deutschland gibt es einen span-
lige Lernort bietet für deutsch-russische
nenden Ort, um das kulturelle Erbe der
Jugendprojekte vielfältige Möglichkeiten,
Russlanddeutschen zu entdecken. In der
zu denen nicht nur thematische Führungen,
Stadt Detmold in Nordrhein-Westfalen be-
sondern auch Begegnungen mit Zeitzeugen,
findet sich das aus einer privaten Initiative
Filmvorführungen und aktive Quellenarbeit
entstandene Museum für russlanddeutsche
gehören.
Kulturgeschichte. Dieses zeichnet in einer
Dauerausstellung den besonderen Weg der
Museum für russlanddeutsche
Russlanddeutschen nach und erklärt auf
Kulturgeschichte
spannende Art und Weise ihre Kultur und
Geschichte, die in dieser Form bisher nicht
Ansprechpartnerin:
in anderen Museen in Deutschland berück-
Frau Dr. Katharina Neufeld
sichtigt wird.
Georgstraße 24, 32756 Detmold
www.russlanddeutsche.de
Seit seiner Gründung im Jahre 1996 und
Die Fortbildung „Herkunft, Identität
insbesondere nach der Neueröffnung im
Johanna Bontzol
und Sprache“ wurde vom Jugend-
Jahre 2011 hat das Museum durch seine
Teilnehmerin der Fortbildung
bund
Regenbogen,
moderne und engagierte geschichtspädago-
Jugendbund djo-Deutscher Regenbogen,
Landesverband Berlin e.V. und dem
gische Arbeit einen besonderen Ruf erwor-
Landesverband Berlin e.V.
Jugendring der Russlanddeutschen in
ben. Bildnerisches Gestalten und mediales
djo-Deutscher
den Jahren 2014 und 2015 durchgeführt und von der Stiftung DeutschRussischer Jugendaustausch — einer
Initiative des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
der Freien und Hansestadt Hamburg,
der Robert Bosch Stiftung und des
Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft gefördert. Dafür vielen Dank!
19
Schwerpunktthema: Erinnerungskultur
Nr. 3 Dezember 2015
Dikh angle! – Nach vorne schauen!
Junge Roma und Sinti reisten zum Gedenktag 2. August nach Berlin
Im Rahmen des Projektes „Dikhen amen! Seht
shops intensiv mit der Verfolgungsgeschich-
Roma zur Zwangsarbeit nach Deutschland
uns!“ reisten junge Roma und Sinti vom 31. Juli
te der Roma und Sinti und mit heutigen
deportiert wurden, wurden in der Nacht
bis zum 2. August 2015 aus ganz Deutschland
Diskriminierungserfahrungen auseinander-
vom 2. auf den 3. August 1944 fast 3000
nach Berlin, um sich mit der Verfolgung und
gesetzt. Die Jugendlichen reflektierten ihre
Sinti und Roma im Konzentrationslager
Ermordung von Sinti und Roma im National-
eigene Familiengeschichte und stellten
Auschwitz ermordet. Dies traf vor allem
sozialismus auseinanderzusetzen und um an
Verbindungen zu ihrer Lebenswirklichkeit
Kinder, alte Menschen, kranke Menschen
den verschiedenen Gedenkveranstaltungen
her. Damals wie heute bildet der Rassismus
und Frauen. Jedes Jahr finden deshalb viele
zum 2. August teilzunehmen. Dazu gehörte u.
gegen Roma und Sinti die Grundlage für
verschiedene Gedenkveranstaltungen an
A. ein Stadtrundgang zum Thema „Verfolgung
ihre Stigmatisierung, Marginalisierung und
diesem Tag statt.
und Ermordung von Sinti und Roma im Nati-
ihren sozialen Ausschluss in Deutschland
onalsozialismus“, der vom Rroma Informations
und fast allen europäischen Staaten. Die
Anita Burchardt
Centrum organisiert und von Jugendlichen
Auseinandersetzung mit der gemeinsamen
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
durchgeführt wurde. Am 2. August besuchten
Geschichte und das Gefühl der Verbunden-
Amaro Drom e.V.
die Jugendlichen die Ausstellung „Transmitting
heit mit Anderen soll die Jugendlichen stär-
Trauma“ in der Galerie Kai Dikhas und die Ge-
ken und ihnen dabei helfen nach vorne zu
denkveranstaltung „Phagedo Dschi — Zerrisse-
schauen.
nes Herz“ am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas.
Der 2. August ist der Gedenktag für den
Porrajmos — den Massenmord an den Roma
Neben den Veranstaltungsbesuchen haben
und Sinti im Nationalsozialismus. Nachdem
sich die Jugendlichen in mehreren Work-
alle als arbeitsfähig eingestuften Sinti und
1915–2015
Wie gedenkt man einem Völkermord, wenn dieser noch nicht anerkannt wurde — 100 Jahre später?
Ein Kommentar von Sanharib Simsek, Vorsitzender des Assyrischen Jugendverband Mitteleuropa (AJM) e.V.
Die meisten Assyrer werden früher oder später
In der Identitätsfindung eines jeden Assyrers
naher Zukunft in der angestammten Heimat
mit dem Völkermord von 1915 konfrontiert,
und vermutlich auch eines jeden Armeniers
gar nicht mehr präsent sein werden.
dem die Armenier und Pontus-Griechen eben-
und Pontus-Griechen, spielt die Auseinander-
falls zum Opfer fielen. Bis heute ist dieser vom
setzung mit dem Völkermord von 1915 eine
Als Assyrer gedenkt man weltweit des Völker-
türkischen Staat nicht anerkannt. Meist aus dem
zentrale Rolle. Doch die wesentliche Frage,
mords vor 100 Jahren auf verschiedenste Art
politischem Interesse, um den Nahost-Partner,
die man sich stellt, würde wohl lauten: „Würde
und Weise. Jedoch gibt es kaum eine Veran-
die Türkei, nicht zu verstimmen. Auch von einem
ich ohne den Völkermord heute in Deutsch-
staltung, die nicht die aktuelle Lage und den
Großteil der Weltgemeinschaft wird das Verbre-
land leben?“.
Völkermord der vom „IS“ verübt wird mit ein-
chen nicht anerkannt.
20
bezieht. Vermutlich waren die Überlebenden
Schon diese Frage lässt die Brücke von einem
aus dem Jahr 1915 von Verzweiflung geprägt.
Dieses ist auch die deutsche Realität. Zwar erkennt
Völkermord, der vor 100 Jahren stattfand, zu
Man wusste nicht weiter und fühlte sich allein.
man hier die Massaker an, die im Zuge des
den Gräueln der heutigen Zeit im Nahen Osten
Also lebte man in der Hoffnung, dass der Mor-
1. Weltkrieg verübt wurden, doch die Anerkennung
schlagen. Der „Islamische Staat (IS)“ verübt ein
gen besseres bringen wird. 100 Jahre später
des Völkermords blieb bis dato aus. Auch wenn der
Menschheitsverbrechen nach dem anderen,
ist dieses Gefühl nicht abgeklungen.
Bundespräsident sowie der Bundestagspräsident
vertreibt viele aus ihrer Heimat und begeht
und parteiübergreifende Redner am 24. April die-
einen Völkermord — gerichtet an die Minder-
sen Jahres im Bundestag ganz deutlich von einem
heiten der Region, die auch, hervorgehend aus
Völkermord sprachen, blieb bis heute die entspre-
der tragischen Historie, eine Minderheit der
chende Bundestagsresolution aus.
Region geworden sind und möglicherweise in
Im Gedenken an die Opfer
von Völkermord und Vertreibung.
BAMF-Integrationsprojekte
Nr. 3 Dezember 2015
Reise durch Realität und Fiktion:
Mara im Wunderland
Ein Kleinprojekt von Jugendlichen aus Kamenz und Bautzen im Rahmen von „Jugendverbandsarbeit für Alle“
Mit dem Projekt „Jugendverbandsarbeit für alle“ erhalten jugendli-
darunter Kasachstan, Deutschland, Schweden uvm. ergänzten das
che Migrant_innen im Landkreis Bautzen die Möglichkeit, ihre Ideen
Abendprogramm.
in Form von Kleinprojekten umzusetzen. Engagierte Jugendliche aus
Kamenz und Bautzen begaben sich also auf den Weg der Kleinpro-
Das erste Kleinprojekt von Jugendlichen hat gezeigt: Unsere jugend-
jektumsetzung und entwickelten den Film „Mara im Wunderland“.
lichen Migrant_innen sind aktiv, engagiert und einfallsreich! Der
djo-Landesverband Sachsen ist froh, die Jugendlichen weiterhin in
Am 2. Oktober 2015 führte der djo-Landesverband Sachsen zusam-
ihrem Engagement mit Hilfe des Integrationsprojektes „Jugendver-
men mit seinem Projektpartner Haus der Begegnung e.V. eine Prä-
bandsarbeit für alle“ unterstützen zu können und ist gespannt auf
sentation des Kurzfilms durch. An diesem Tag waren die Räumlich-
die kommenden Kleinprojekte 2016! Mehr Infos unter:
keiten im Haus der Begegnung e.V. in Kamenz für alle interessierten
www.djo-sachsen.de
Gäste offen und so haben an der Veranstaltung etwa 30 Kinder und
Olena Vasyuk / Projektkoordinatorin
Jugendliche sowie Erwachsene mit Begeisterung teilgenommen.
djo-Deutsche Jugend in Europa, Landesverband Sachsen e.V.
Das Kleinprojekt wurde von vier Jugendlichen aus Kamenz und
Bautzen initiiert und zusammen mit ihren Freunden im Rahmen von
„Jugendverbandsarbeit für alle“ realisiert. Die Filmidee entstand
im Laufe eines Projektentwicklungsseminars. In weiteren Treffen
ließ die Jugendgruppe ihrer Fantasie freien Lauf und aus dieser
Zusammenarbeit entstand ein fertiges Szenarium. Nun konnte die
Geschichte über ein Mädchen namens Mara gedreht werden. Die Jugendlichen verteilten die Aufgaben (Regie, Kamera, Schauspiel) und
gingen mit Kostümen und professioneller Technik ausgestattet motiviert und eifrig an die Arbeit. Innerhalb der drei Drehtage ließen sie
die Filmfiguren lebendig werden:
Hauptfigur Mara ist ein junges Mädchen, das in der Schule keine Freunde hat und von anderen Mitschülern gemobbt wird. Eines Tages, nach
dem Schulunterricht, flieht Mara von ihren „Verfolgern“ und stürzt. Sie
verliert das Bewusstsein und gerät in ihrem Traum in eine Wunderwelt.
Nach vielen Ereignissen, die sie dort erlebt – Begegnungen mit Kindern, ihren Mitschülern, die von einem bösen Wissenschaftler in Tiere
verwandelt wurden, dem Kampf mit diesem Wissenschaftler und dem
Sieg über ihn — kehrt Mara in die Realität zurück. Diese sieht aber
anders aus als zuvor: Das Mädchen kann nicht glauben, wie sich ihr
Leben auf einmal verändert hat…
Nachdem das gedrehte Material bearbeitet und der Film fertiggestellt war, präsentierten die Jugendlichen das Ergebnis ihren Eltern und Freunden. Der Kurzfilm bildete die Grundlage für diese
Veranstaltung, aber zusätzlich haben sich die Jugendlichen noch
weitere Programmpunkte ausgedacht: Ein Clown-Sketch, lustige
Das Projekt „Jugendverbandsarbeit
Spiele, selbst einstudierte Tänze, Musizieren am Akkordeon, aber
für alle“ wird gefördert von:
auch ein Kuchenbasar mit Kuchen aus verschiedensten Ländern,
21
BAMF-Integrationsprojekte
Nr. 3 Dezember 2015
Meinung selber machen –
Schon seit einem Jahr
Die Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren, die sich seit Oktober 2014 regelmäßig treffen und die kulturelle
Vielfalt in und um Berlin gemeinsam kennenlernen und mitgestalten, sind inzwischen ein richtiges Team geworden.
Sie alle sind Teil des medienpädagogischen Projektes meinungsmacher.in, welches zum Ziel hat, das öffentliche Bild
junger Migrant.innen in Berlin zu verbessern. Mindestens einmal monatlich finden Treffen statt, bei denen Aktionen
geplant und Kontakte geknüpft werden können. Träger ist der Jugendbund djo-Deutscher Regenbogen, Landesverband Berlin e.V.
Im vergangenen Jahr haben die meinungsmacher.innen schon eini-
„Mir gefällt besonders gut, dass wir
so gemischt sind. Es gibt viele Kulturen und auch Altersklassen. Außerdem habe ich bei meinungsmacher.in
neue Freund.innen gefunden“, sagt die
13-jährige Alicia Bastron aus Berlin
Prenzlauer Berg und fügt hinzu: „Wir
beschäftigen uns mit wichtigen Themen
und haben Spaß dabei. Lernen ist so
interessanter als in der Schule“.
ges erreicht: Bei einem dreitägigen Mediencamp in den Osterferien
2015 beschäftigten sich die Jugendlichen mit der Frage „Was ist
eigentlich Deutsch sein? Und was ist Deutsch an mir?“. Im verbandseigenen Freizeit- und Gästehaus am Wald im brandenburgischen
Neuendorf entdeckten sie in Theater- und Porträt-Workshops neue
Seiten an sich.
Die zweite große Reise der meinungsmacher.innen ging in das djoJugenddorf am Müggelsee. Bei dieser Akademie zum Thema „Was
ist Heimat“ wurden die Jugendlichen zu Reporter.innen. Gemeinsam
mit den Journalistinnen Eva und Theresa, die schon für flux.fm und
Radio Fritz gearbeitet haben, produzierten sie eigene Film- und Radiobeiträge zum Thema Heimat. Den thematischen Input lieferten
Expert.innen von KOMCIWAN Berlin und von Typisch Deutsch e.V.
Dem 13-jährigen Timur Tazov aus Kreuzberg haben die Fahrten mit
den meinungsmacher.innen bisher am meisten Spaß gemacht: „Da
waren wir im Sommer zum Beispiel zusammen baden“.
22
BAMF-Integrationsprojekte
Nr. 3 Dezember 2015
Auch das Dialogforum des djo-Bundesverbandes zum Thema Flücht-
Neben großen Projekten wie dem Camp oder der Akademie gibt es
lingspolitik in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfahlen war
bei den meinungsmacher.innen immer wieder kleinere Aktionen wie
ein voller Erfolg für die meinungsmacher.innen. Dort hatten sie die
Stände auf Sommerfesten oder Videoworkshops. Momentan planen
Chance, Gelerntes anzuwenden und so ihren eigenen Dokumenta-
die Jugendlichen ihre Weihnachtsfeier und freuen sich außerdem
tionsfilm zu erstellen. Darüber hinaus konnten sie an Diskussionen
auf das Camp in den Osterferien und die Sommerakademie 2016.
zum Thema teilnehmen und ihren Horizont erweitern.
Timur Tazov ist zufrieden mit meinungsmacher.in: „Ich würde nichts
ändern. Ich wünsche mir nur, dass noch mehr coole Leute dazu kommen“. Das wünschen sich Maria Degenstein, Torsten Fischer und Leon
„Ich finde gut, dass man bei meinungsmacher.in immer seine Meinung sagen
darf — auch, wenn sie von der Meinung
der Anderen abweicht.“
Timur Tazov, 13, aus Berlin Kreuzberg
Das jüngste Projekt der meinungsmacher.innen war die Heimat.tour.
Nachdem sie am Beispiel Moabit gelernt hatten, wie eine solche
Tour aussehen könnte, waren die Jugendlichen selbst an der Reihe.
Meinungsmacher.innen aus den Berliner Stadtteilen Prenzlauer Berg
und Karlshorst planten „Stadtrallyes“ für ihre jeweiligen Heimatbezirke und stellten den anderen meinungsmacher.innen spielerisch
ihre Lieblingsorte vor. Außerdem erzählte ihnen Maya Villadsen, die
für zwei Wochen auf der griechischen Insel Lesbos gemeinsam mit
anderen Aktivist.innen Geflüchteten bei ihrer Ankunft in Europa geholfen hatte, von ihren Erlebnissen.
Kesselhut vom meinungsmacher.in-Team auch. Neue meinungsmacher.innen sind immer herzlich willkommen.
Leon Kesselhut und Rebekka Eick
FSJler_innen
Jugendbund djo-Deutscher Regenbogen,
Landesverband Berlin e.V.
Vorbilder gesucht!
Die meinungsmacher.innen sind auf der Suche nach Vorbildern. Sie freuen sich über Expert.innen für Identität, Migration und Gerechtigkeit, die Lust haben, ihre Erfahrungen
mit ihnen zu teilen. Vorschläge nimmt die Projektleiterin
Maria Degenstein unter [email protected] gerne
entgegen.
Weitere Informationen zu meinungsmacher.in gibt es auf
www.meinungsmacher.in und auf Facebook.
meinungsmacher.in ist ein Projekt des Jugendbund djoDeutscher Regenbogen, LV Berlin e.V.
und wird gefördert vom:
„Ich habe hier gelernt, was Heimat
wirklich bedeutet und habe jetzt mehr
Verständnis für Flüchtlinge“.
Enrico Molinski, 15, aus Berlin Buch
23
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
Kinderspaß in der
„Kreativ-Akademie 2015“
Für fünf Tage wurde das Gruppenhaus des Diözesanzentrums der DPSG Osnabrück zur Kulisse einer kreativen Werkstatt für Kinder aus Rheine, Wettringen und Hörstel. Vom 13.—17. Juli konnte man inmitten von Wald und Wiesen
laute Kinderstimmen und Gelächter hören sowie umfangreiches Rahmenprogramm mit Gruppenspielen und anderen
Aktivitäten erleben.
Das bereits im zweiten Jahr in Folge statt-
Fotograf, Musiker, Tänzer. Einblicke in diese
Auch wenn das kreative Sommerferienlager
gefundene Tagesferienlager „Kreativ-Aka-
Berufe bekamen die Kinder im Rahmen kre-
eine lehrreiche Freizeitgestaltung ermög-
demie“ wurde vom Rheinenser Kinder- und
ativer Workshops, bei denen sie ihre Fertig-
lichte, kam der Spaß bei den Kindern nicht
Jugendclub „Modellierton“ e.V. für Kinder
keiten erweitern und in aktiver Teamarbeit
zu kurz. Es gab genügend Zeit, das natur-
aus russischsprachigen Familien ins Le-
eigene Ideen umsetzen konnten. So ent-
belassene Gelände zu erkunden und sich
ben gerufen. Das Projekt wird durch den
standen in der Comic-Werkstatt spannende
auszutoben, zu malen und zu basteln sowie
Deutschen Bundesjugendring (DBJR) im
Interpretationen einiger Kindermärchen, die
aktiv neue Freundschaften zu knüpfen. Ge-
Rahmen der Initiative „Kultur macht stark
beim Abschluss des Feriencamps den stol-
richte aus der russischen Küche sorgten für
— Jugendgruppe erleben“ gefördert. Durch
zen Eltern präsentiert wurden.
die notwendige Energiezufuhr.
zusätzliche außerschulische Maßnahmen
Solche kleinen Erfolgserlebnisse wirken
Es werden bereits wieder die ersten Anmel-
kultureller Bildung finanziert werden, die
sich positiv auf das Selbstwertegefühl der
dungen für die „Kreativ-Akademie 2016“
von lokalen Bündnissen vor Ort geplant
Kinder aus und regen sie an, Neues auszu-
entgegen genommen. Viele Kids wollen
und durchgeführt werden. Die Zielgruppe
probieren. Nicht nur die Förderung der Krea-
auch im nächsten Jahr dabei sein — weil es
sind bildungsbenachteiligte Kinder und Ju-
tivität gehörte zu den Zielen der Maßnahme.
einfach so viel Spaß gemacht hat.
gendliche.
Auch sollte den Kindern auf spielerische Art
dieses Förderprogramm des BMBF sollen
und Weise ihre Herkunft und daraus resul-
24
Kontakt und Anmeldung:
Das diesjährige Feriencamp, an dem Kinder
tierende kulturelle Identität näher gebracht
von fünf bis elf Jahren teilgenommen ha-
werden. Dies erfolgte durch den Gebrauch
ben, stand unter dem Motto „Was will ich
der russischen Sprache, landestypischer
Frau Irina Gottfried / „Modellierton“ e.V.
werden?“. Schwerpunkt lag dabei auf krea-
Bräuche sowie Spiele, die ihre Eltern vor
0170 / 825 56 60
tiven Berufen wie Schauspieler, Regisseur,
vielen Jahren selbst gespielt haben.
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
Mit KOMCIWAN-Kids
in Aktion
Der kurdische Kinder- und Jugendverband KOMCIWAN e.V. hat sich im Herbst dieses Jahres besonders für geflüchtete
Kinder eingesetzt. Dazu gehörten nicht nur gemeinsame Aktionen, Erlebnisse und Feste, sondern auch eine kindgerechte Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht.
Am 28.09. fuhren Bremer und Hamburger
KOMCIWAN-Kids gemeinsam nach Osnabrück, um die dort lebenden geflüchteten
Kinder zu besuchen und gemeinsam mit ihnen den Tag zu verbringen. Mit verschiedenen Angeboten im Bereich der Erlebnispädagogik hatten die Kinder die Möglichkeit, auch
ohne dieselbe Sprache zu sprechen, miteinander zu kommunizieren. Anschließend wurde gemeinsam am Lagerfeuer gekocht. Diese
Aktion hat viele positive Eindrücke hinterlassen und soll auch für künftige Projekte mit
Kindern eine Motivation sein, die Inklusion
für geflüchtete Kinder zu fördern.
„Eigentlich ist es doch
egal, ob sie Flüchtlinge
sind. Sie sind doch nur
Menschen wie wir alle“
„Aber warum gibt es denn Krieg? Wenn es Frieden im
Land geben würde, müssten sie nicht weg gehen von
Zuhause“
Kinderfest für Geflüchtete
nen der Kindertagesstätte Evîn (dt. Liebe)
Osnabrück haben sich Bremer und Hambur-
Am 26.09.2015 veranstalteten KOMCIWAN-
wurde parallel Sozialberatung angeboten.
ger KOMCIWAN-Kids zum Thema „Flucht
Berlin e.V. und der KKH e.V. ein Kinderfest
Am Ende des Festes, nachdem gespielt und
und Flüchtlinge“ versammelt. Zu Anfang
für geflüchtete Familien und Kinder im Kur-
auch zu kurdischer Musik getanzt wurde,
schrieben sie ihre Assoziationen zum be-
distanhaus in Berlin-Neukölln. Besonders
bekamen die Kinder Geschenktüten. Auch
sagten Thema auf. Mit Kurzfilmen, in denen
an diesem Kinderfest war die Begegnung
für das kulinarische Wohl der Gäste war ge-
das Thema „Flüchtlingspolitik“ kindgerecht
von Familien, die wegen Krieg und Chaos
sorgt. Die enorme Spendenbereitschaft von
aufbereitet wurde, konnten die Kinder ei-
in ihrer Heimat nach Berlin geflohen sind,
Mitarbeiter_innen und Mitgliedern des KKH
nen Einblick in die Thematik erlangen. Ihre
mit Familien, die schon länger hier leben.
e.V. / KOMKAR Berlin, Kita Hêlîn und Kita
Fragen wurden aufgegriffen und es entstand
KOMCIWAN e.V. und der KKH e.V. hießen die
Evîn, unseren Komciwan Mitgliedern, Frida
eine lebendige Diskussion. Abgerundet wur-
hier angekommenen Menschen, die Famili-
Akın und der Einsatz ihrer Spendenboxen,
de der Tag durch bewegende Standbilder, die
en und Kinder, willkommen und boten ihnen
hat dieses schöne Kinderfest möglich ge-
die Kinder in Gruppen erarbeitet haben. Ins-
Unterstützung an. Ziel war es vor allem ei-
macht.
gesamt war es ein erfolgreicher Tag, an dem
nen Ort der Begegnung zu schaffen. Die Kin-
sich Kinder, wie auch Erwachsene mit dem
der spielten gemeinsam und nutzten voller
Kurdischer Kinder- und Jugendverband
Thema „Flucht und Flüchtlinge“ auseinan-
Freude das breite Angebot, dass die Jugend-
KOMCIWAN e.V.
dersetzen konnten.
lichen von KOMCIWAN und die Erzieher_in-
Eine Woche vor dem geplanten Ausflug nach
für sie vorbereitet hatten. Für Ihre Eltern
25
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
Junges Engagement b(r)au(ch)t
Brücken – Interkulturelle Öffnung
der Jugendverbandsarbeit
in Sachsen
Eine Tagung vom djo-Landesverband Sachsen
Die Partizipation jugendlicher Migrant_innen sowie die interkultu-
Herausforderungen nur gesamtgesellschaftlich lösbar seien. Viele
relle Öffnung der Jugendverbandsarbeit stehen in Sachsen noch am
Jugendverbände würden aktuell gern Geflüchtete unterstützen, sei-
Anfang. Daher veranstaltete der djo-Landesverband Sachsen in Ko-
en aber unsicher über das Wie. Julia Bohne aus dem Vorstand des
operation mit dem Kinder- und Jugendring Sachsen (KJRS) und Aus-
djo-Landesverbandes Sachsen stellte den Anwesenden zunächst
länderrat Dresden e.V. unter der Schirmherrschaft der Sächsischen
unsere Arbeit und die Entwicklung des noch jungen Verbandes vor.
Staatsministerin für Gleichstellung und Integration am 12. Oktober
Sie machte deutlich, dass der Bedarf an interkultureller Öffnung in
2015 in Dresden eine Tagung. Zahlreiche Teilnehmer_innen aus der
Sachsen noch sehr hoch ist. Trotz des Rassismus, der sich seit der
Jugendverbandsarbeit, Jugendarbeit und Entscheidungsträger_innen
Entstehung von Pegida Bahnen breche, seien aber zahlreiche Ini-
aus den Bereichen Migration und Integration kamen zusammen, um
tiativen entstanden, die zeigen, dass viele Menschen in Sachsen in
dringend notwendige Prozesse zu initiieren.
einer offenen Gesellschaft leben wollen.
Grußworte
Ansätze zur interkulturellen Öffnung
der Jugendverbandsarbeit
Die persönliche Referentin der Integrationsministerin Doreen Haym
26
betonte, wie hoch der Bedarf der interkulturellen Öffnung und Inte-
Den Eröffnungsvortrag hielt Ansgar Drücker, Geschäftsführer von
gration aktuell sei. Seit Anfang 2015 sind in Sachsen 27.000 neue
IDA e.V. Er plädierte einerseits für die interkulturelle Öffnung der
Geflüchtete angekommen, gerade für diese gelte es, Teilhabemög-
etablierten Jugendverbände, andererseits genauso für die Förde-
lichkeiten zu schaffen. Die Ministerin betonte die Bedeutung der
rung von MJSO als Organisationsmodell junger Migrant_innen in
Jugendverbände, wenn es darum geht, ein respektvolles Zusammen-
Deutschland. In Sachsen liegt die Zahl Zugewanderter bekannter-
leben Zugewanderter und Einheimischer zu gestalten. Auch Wencke
maßen unter dem Bundesdurchschnitt, trotzdem seien diese ihrer
Trumpold, Geschäftsführerin des KJRS, betonte, dass die aktuellen
Herkunft nach sehr heterogen. Gerade im Jugendbereich ist der Or-
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
ganisationsgrad gering. Oft sind es eher Migrantenselbstorganisa-
haltlich wichtige Momente aufgreift, sollten Migrant_innen nicht
tionen, die auch Jugendarbeit leisten. So gibt es in Sachsen bisher
auf eine „andere Kultur“ festgelegt, sondern die Vielfalt der Kulturen
kaum starke MJSO, dem djo-Landesverband Sachsen kommt hierbei
gesamtgesellschaftlich gesehen werden. Die Migrationspädagogik
eine Vorreiterrolle zu. Oftmals ist ein Konzept, wie Jugend(verbands)
problematisiert die Unterscheidung nach Kultur, Ethnie oder Nation,
arbeit in den Herkunftsländern nicht bekannt. Daher sei es an den
da die Gefahr bestehe, dass Menschen darauf festgelegt werden. Das
Jugendverbänden, sich zu öffnen. Dafür ist auch die Reflexion eige-
Ziel einer migrationspädagogischen Öffnung ist es, Gerechtigkeit
ner Selbstverständlichkeiten und der Wirkung auf Aussenstehende
und die Ermöglichung der Handlungsfähigkeit aller herzustellen.
wichtig, ohne dass das bedeutet, Eigenheiten abzulegen. Es sollte
gefragt werden, ob strukturelle Ausschlussmechanismen existieren
Im Anschluss an die Vorträge fanden verschiedene Workshops statt.
und wie die Bereitschaft zur Öffunung innerhalb jedes Verbandes
Themen waren:
aussieht.
Hemmnisse und Chancen für die Beteiligung
Jugendlicher mit Fluchterfahrung
• Schritte zur Öffnung der Verbandsarbeit unter den Bedingungen
der Migrationsgesellschaft (pokubi)
• Best Practice Beispiele — Selbstorganisation junger MigrantInnen
Im Input von Markus Degenkolb, Leiter der Kinder- und Jugendar-
(Jugendclub IUVENTUS Leipzig)
beit sowie Geschäftsführer des Ausländerrat Dresden e.V., wurde
klar, dass besonders geflüchtete Kinder und Jugendliche unter er-
• Best Practice Beispiele — Jugendverbände (CVJM Glauchau)
schwerten Umständen groß werden. Neben zum Teil traumatischen
Erfahrungen in den Herkunftsländern und auf der Flucht, erleben
Die Tagung bot Raum zur Reflexion, Wissenserweiterung und Vernet-
sie – auch angekommen in Deutschland – noch vielfache Einschrän-
zung von bereits bestehenden Angeboten und Fachkräften in Ver-
kungen, etwa in rechtlicher und finanzieller Hinsicht. Das Wissen um
bänden, die sich auf den Weg zur interkulturellen Öffnung begeben
diese speziellen Lebenslagen im Hinblick auf Unterbringung, Schule
wollen. Neue Ideen entstanden und Impulse konnten gesetzt wer-
und Ausbildungsmöglichkeiten oder gesundheitliche Versorgung ist
den. Viele Verbände in Sachsen sehen die interkulturelle Öffnung
für Fachkräfte, die mit jungen Geflüchteten arbeiten, unabdingbar.
noch als eine Herausforderung, teils sogar Überforderung. Natürlich
Wünschenswert sei es, wenn öfter mehrsprachige Multiplikator_in-
müssen hierfür Strukturen geschaffen und Ressourcen bereitgestellt
nen in die Arbeit einbezogen würden, um Jugendliche besser zu er-
werden. Denn interkulturelle Öffnung braucht Zeit und Räume für
reichen. Wichtig sei vor allem die Haltung in dieser Arbeit, die am
Information, Reflexion für Organisation. Auch wenn es in Sachsen
besten gedeiht, wenn wir eigene Vorurteile reflektieren und den
nicht immer den Anschein macht, war Deutschland schon immer
jungen Menschen wertschätzend und mit ehrlichem Interesse be-
eine Migrationsgesellschaft. Daher sollte das Thema Migration nicht
gegnen. Jugendverbänden empfahl er, niedrigschwellig mit kultu-
eines für Spezialist_innen oder bestimmte Gruppen sein, sondern
rellen oder sportlichen Angeboten für geflüchtete Kinder und Ju-
ein Querschnittsthema, das alle angeht. Zur interkulturellen Öffnung
gendliche anzufangen. Wichtig sei es bei der Öffentlichkeitsarbeit
gehören, so das Fazit der Tagung, weniger „Rezepte“ oder Methoden.
auf Mehrsprachigkeit zu achten, noch wichtiger aber, nicht auf die
Das wichtigste ist die Haltung der Ehren- und Hauptamtlichen in der
Jugendlichen zu warten, sondern sie selbst aufzusuchen und sie
Jugend(verbands)arbeit. Öffnung heißt neugierig und interessiert zu
einzuladen. Gerade in der „peer to peer“ Ebene, die Jugendverbände
sein, die eigenen Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und den
bieten, steckt ein großes Potential, welches dazu beitragen kann, als
Mut zu haben, sich auf Neues einzulassen.
Gesellschaft zusammen zu wachsen.
Institutionelle und professionelle Lernherausforderungen in der Migrationsgesellschaft
Judith Schweiger
Jugendbildungsreferentin
djo-Deutsche Jugend in Europa, Landesverband Sachsen e.V.
In ihrem Vortrag stellte Anna Nikolenko von der Landesarbeitsgemeinschaft für politisch-kulturelle Bildung (pokubi) den Teilneh-
Gefördert durch:
menden die Sicht der Migrationspädagogik nach Paul Mecheril vor.
Diese politische Perspektive reflektiert die (pädagogische) Praxis
und fragt nach gesellschaftlichen Unterscheidungspraxen. Wodurch
werden Menschen „anders“ gemacht, welche Bilder über „die Migrant_innen“ werden erzeugt? Welche Interessen der Mehrheitsgesellschaft stecken dahinter? In unserer alltäglichen Praxis müssen
wir uns fragen, welche Bilder wir reproduzieren und ob wir so zu
Ausschlussmechanismen beitragen. Auch den „interkulturellen Blick“
hinterfragt die migrationspädagogische Perspektive. Obwohl er in-
Im Rahmen des Bundesprogramms:
27
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
„JEBB!!! – Junges Engagement
Baut Brücken“ ist fast am Ziel!
Nach zwei erfolgreichen Projektrunden nähert sich das Jugendprogramm seinem Ende.
eine Bildungsfahrt nach Sachsenhausen,
einen Medienworkshop, einen PC-Kurs bis
zum Fußballturnier mit Asylsuchenden. Das
Ziel, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen aktiv in die Gesellschaft einzubringen
und zu Multiplikator_innen auszubilden,
wurde erreicht. Einige Projekte laufen sogar
weiter. Vor allem das Projekt Singasylum,
das Einheimische aus dem Stadtteil Leuben
in Dresden mit Asylsuchenden bei den wöchentlichen Chorproben zusammenbringt,
wächst jeden Tag und das Projektteam
wurde als Jugendiniative im September als
neues Mitglied des Landesverbandes aufgenommen.
Des Weiteren konnten dank der Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern
die Bedarfe der Migrantenselbstorganisationen betrachtet und ein aktives Netzwerk
28
Der djo-Landesverband Sachsen organi-
ren. Jeder Programmzyklus startete im März
aufgebaut werden. Es wurden in zwei Jah-
sierte vom Dezember 2013 bis November
mit einem Starterseminar, wo sich die Teil-
ren drei Ehrenamtseminare zu den Themen
2015 das Jugendprogramm „JEBB!!!-Junges
nehmer_innen mit den Themen Öffentlich-
Öffentlichkeitsarbeit in der Jugendarbeit,
Engagement Baut Brücken“. Mit dem Pro-
keitsarbeit, Projektmanagement und Finan-
Teilnehmergewinnung
gramm, welches in Zusammenarbeit mit den
zen beschäftigten. Innerhalb eines halben
durchgeführt.
Vereinen Das Zusammenleben e.V. aus Frei-
Jahres realisierten die Jugendlichen dann
dienten dann als Impulse für die Diskussi-
tal, Haus der Begegnung e.V. aus Kamenz,
selbst ihre Projekte. In dieser Zeit wurden
on im Rahmen der Tagung „Interkulturelle
Leuchtturm-Majak e.V. aus Bautzen und Mit-
sie bei allen inhaltlichen und organisatori-
Öffnung in der Jugendverbandsarbeit“, die
einander e.V. aus Weißwasser durchgeführt
schen Fragen beraten und gecoacht. Im Ok-
der djo-Landesverband Sachsen im Oktober
wurde, hatten junge Leute die Möglichkeit,
tober fand jeweils das Auswertungsseminar
veranstaltete.
sich mit ihren Ideen aktiv in die Gesellschaft
statt, in dem die Projekte reflektiert wurden
einzubringen und so zu Brückenbauern zwi-
und die beteiligten Jugendlichen und junge
Vor zwei Jahren wurde in Sachsen ein Pro-
schen Kulturen zu werden. Die Jugendlichen
Erwachsene Ideen für ihr weiteres Enga-
zess gestartet, der noch einen langen Weg
konnten ihre Ideen mit Hilfe von Kleinpro-
gement sammeln konnten. Das Programm
vor sich hat — diesen Weg wollen wir auf
jekten realisieren und erhielten dafür die
sprach insbesondere junge Menschen mit
jeden Fall weitergehen. Unser Dank und Lob
nötige fachliche und finanzielle Unterstüt-
Zuwanderungs- und/oder Fluchterfahrung
geht an alle beteiligten jugendlichen Pro-
zung. Das Programm wurde von der Stiftung
an und unterstützte vor allem Projektideen
jektleiter_innen, die mit Begeisterung eine
Aktion Mensch gefördert.
mit einem interkulturellen Bezug.
unglaubliche Arbeit geleistet haben.
In zwei Projektzyklen konnten die Jugend-
Insgesamt wurden in zwei Projektrunden
Hana Vašátková
lichen mit und ohne Migrationshintergrund
14 erfolgreiche Kleinprojekte durchgeführt.
Projektleiterin
in Dresden und im Landkreis Ostsachsen
Das Projektspektrum war sehr breit und
djo-Deutsche Jugend in Europa,
ihre eigenen Projekte planen und realisie-
bunt: Vom internationalen Kochkurs über
Landesverband Sachsen e.V.
und
Kinderschutz
Gewonnene
Erfahrungen
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
Jeder ist seines
Glückes Schmied!?
oder mein Engagement für eine glückliche Gesellschaft
Infolge einer deutsch-ukrainischen „Glücksformelsuche“ in Irpin, bei Kiew, schlossen die Teilnehmer_innen des
deutsch-ukrainischen Theater- und Tanzworkshops einander ins Herz — und gleichzeitig auch die jeweiligen Länder
und Kulturen…
Vom 16. bis 26. September 2015 führte der
Jugendaustausches, die Gastfreundschaft
so anders; so wahnsinnig schön ist, hat mein
djo-Landesverband Sachsen einen deutsch-
der Ukraine und die Offenheit aller Teilneh-
Herz genommen und mir gezeigt, wie weit der
ukrainischen Jugendaustausch in der Ukra-
mer_innen gegenüber neuen, spannenden
Horizont ist“.
ine durch. Zehn erlebnisreiche Tage ver-
Erfahrungen.
brachten 27 junge Menschen beider Länder
Im Nachhinein sind sich alle einig: Der
in der Stadt Irpin, bei Kiew, und beschäftig-
Während der zahlreichen Gruppenarbei-
deutsch-ukrainische Theater- und Tanz-
ten sich mit den Fragen: Was heißt es für
ten, Erfahrungsaustausche zu den Themen
workshop, der im Rahmen des Programms
mich glücklich zu sein? Wovon hängt mein
„Soziales Engagement“ und „Freiwilligen-
„MEET UP! Deutsch-Ukrainische Jugendbe-
persönliches Glück ab? Wie kann ich selbst
arbeit“, kreativen Theater- und Tanzwork-
gegnungen“ durchgeführt und von der Stif-
aktiv werden, um mein persönliches Glück
shops, interessanten Erkundungen der
tung „Erinnerung, Verantwortung Zukunft“
zu erreichen und gleichzeitig etwas zum
Umgebung mit Besuchen von Non-Profitor-
sowie vom Land Sachsen gefördert wurde,
Gemeinwohl beizutragen? Die Ergebnisse
ganisationen, Exkursionen in Irpin und im
war ein voller Erfolg!
der aktiven Zusammenarbeit in den krea-
Herzen der Ukraine — der Hauptstadt Kiew
tiven Workshops stellte die internationale
— lernten die Jugendlichen sich und ihre
Olena Vasyuk
Jugendgruppe in einem kurzen Auftritts-
Kulturen besser kennen. Eine Teilnehmerin
Projektkoordinatorin
programm mit Tanz, Theater und Gesang
aus Dresden schrieb in ihr Reisetagebuch:
djo-Deutsche Jugend in Europa,
in einem Kinder- und Jugendzentrum der
„[...] ich weiß nicht, wer ich vorher war — je-
Landesverband Sachsen e.V.
Stadt Irpin vor.
doch werde ich als ein anderer Mensch aus
der Ukraine heimkehren. Ein Land, das eigent-
Der herzliche Empfang auf dem Flughafen
lich nur 1.300 km von uns entfernt und doch
in der Ukraine von der Partnerorganisation „Community Foundation of Irpin Region“ kündigte den Teilnehmer_innen aus
Deutschland einen schönen Aufenthalt in
Irpin an. Und sie irrten sich nicht – das intensive Programm der Jugendbegegnung
hinterließ bei allen viele schöne Erinnerungen. So sagte eine Studentin aus Dresden:
„Die Zeit in der Ukraine war sehr erlebnisreich und hat mir viel gegeben. Wir sind
von einer anfangs fremden Gruppe zu einer
vertrauten, festen Gemeinschaft zusammengerückt. Sinnbildlich gesprochen, sind wir
gemeinsam zu neuen, unbekannten Ufern
aufgebrochen und haben Brücken zwischen
der deutschen und der ukrainischen Kultur
geschlagen“. Man könnte fragen: Was hat
dazu beigetragen, dass der Aufenthalt in
der Ukraine ein solches Feedback hervorgerufen hat?! Eine Antwort auf diese Frage
ist das abwechslungsreiche Programm des
29
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
Projekt „Perspektive
Kulturvielfalt“ in Duderstadt
Die erste Woche ihrer Herbstferien verbrachten Jugendliche aus Laatzen (bei Hannover) im Jugendgästehaus der
djo-Deutsche Jugend in Europa in Duderstadt. Die Projektwoche, gefördert durch Mittel aus dem BMBF-Programm
„Kultur macht stark — Jugendgruppe erleben“, bot auch in diesem Jahr Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund die Gelegenheit, ihre Freizeit abwechslungsreich und spannend zu gestalten sowie neue Freizeitaktivitäten
kennen zu lernen und auszuprobieren.
So erhielten die Teilnehmer_innen neben vielen anderen Aktivitä-
In der nun folgenden Nachbearbeitung wird der Film geschnitten
ten ein erlebnispädagogisches Training durch erfahrene Fachkräf-
und die lustigsten Outtakes in den Abspann eingearbeitet. Die fer-
te. Viele Übungen und Aufgaben forderten dabei ein hohes Maß
tige Version des Films sehen die Teilnehmenden auf einem nach-
an Engagement und Teamarbeit. Der Slack-Line-Parcours und der
folgenden Aktionstag, der noch in diesem Jahr stattfinden wird.
Vehikelbau aktivierten die Jugendlichen zusätzlich körperlich, das
Bogenschießen verlangte hohe Konzentration.
Neben der anstrengenden Filmarbeit kam der Spaß während der
Projektwoche natürlich nicht zu kurz. Beim Ausflug ins nahe gele-
Ein besonderer Fokus lag in diesem Jahr auf der Erstellung eines
gene Spaßbad „VitaMar“ konnten alle abschalten und sich im Wel-
Kurzfilms, der der Jahreszeit entsprechend „halloweenig“-gruselig
lenbad und auf den Rutschen vergnügen. Insgesamt blicken wir
ausfallen sollte. Die Jugendlichen einigten sich auf eine Geschichte
auf eine sehr erfolgreiche Woche zurück und sowohl Team als auch
über einen Schüler, die für Gänsehaut sorgt. Nach der Auswahl der
Teilnehmer_innen dürfen sich bereits jetzt auf die Fortsetzung des
Geschichte wurden Rollen verteilt, ein Drehbuch verfasst und die
Projekts in 2016 und 2017 freuen.
benötigten Materialien besorgt, Requisiten angefertigt, Drehorte gefunden und innerhalb von wenigen Tagen auf hoch profes-
Antje Sablotny
sionellem Niveau alle vorgesehenen Szenen aufgenommen. Den
Projektleiterin
Teilnehmer_innen, die sich zu 80 % aus Migrant_innen und jungen
djo-Deutsche Jugend in Europa,
Geflüchteten zusammensetzten, gebührt ein riesiges Lob für die
Landesverband Niedersachsen e.V.
disziplinierte und engagierte Arbeit an dem gemeinsamen Produkt.
30
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
Grand Prix der Folklore –
26. Internationales Folkloretanzfest für das Land MecklenburgVorpommern
Tradition (er)leben — Lebensfreude pur
Dass Brauchtumspflege nicht altbacken sein muss, sondern zu ei-
Unter dem Dach der CIOFF, einer weltweiten Organisation, die sich
nem interkulturellen Erlebnis werden kann, zeigte der „Grand Prix
für die Förderung traditioneller Kunst und Folklore einsetzt, ist das
der Folklore“, denn hier trafen sich Tänzerinnen und Tänzer aus
Ribnitz-Damgartener Folkloretanzfest das einzige in Deutschland,
aller Welt. Zeitgleich wetteiferten die Musiker beim „Spiel um die
das tatsächlich nur für Kinderfolkloretanzgruppen stattfindet.
Teufelsgeige“. Auf dem Fest lassen seit 1990 in jedem Jahr Jung
und Alt Kulturtraditionen lebendig werden. Die Tanzgruppen und
Mit der Veranstaltung wird internationales Brauchtum erlebbar
Musiker kamen mit viel Gepäck, denn während ihrer Darbietungen
gemacht, Berührungsängste werden abgebaut und neue Freund-
trugen sie traditionelle Trachten und auch die Musikinstrumente
schaften geschlossen. Neben dem Wertungsprogramm und dem
beanspruchten viel Platz.
Tanzmarathon war in diesem Jahr das Straßentanzen wieder ein
besonderes Highlight. Kinder der Stadt und aus der Umgebung ha-
Gastgeber im Juli war die Kindertanzgruppe des Mecklenburg-
ben gemeinsam mit allen Folklorekindern Tänze aus den Heimaten
Pommeraner Folkloreensemble „Richard Wossidlo“ gemeinsam mit
der teilnehmenden Gruppen getanzt.
dem Landesverband der djo-Deutsche Jugend in Europa.
Hier sah man einmal mehr, dass man nicht die gleiche Sprache
Erwartet wurden sechs Folkloreensembles aus Tschechien, Litau-
sprechen muss um sich zu verstehen und dass es egal ist, ob je-
en, Ukraine, Polen und Jakutien. Letztere reiste leider nicht an. Die
mand aus einem anderen Land kommt und seine Kultur eine andere
Kindertanzgruppe „Lubelacy“ zeigte Bräuche aus dem südlichen
ist. Man hat gemeinsam Spaß und lernt voneinander.
Polen von Lublin über Krakau bis zum Karpatenvorland. Neben
dem „Kasatschock“ und dem anspruchsvollen Kosakentanz „Go-
Katja Zühlsdorff
pak“ brachten die Ukrainer die Bandura mit, eine Lautenzither mit
djo-Deutsche Jugend in Europa,
62 Saiten. Das Ensemble „Pynimelis“ präsentierte Bräuche und Tra-
Landesverband Mecklenburg Vorpommern
ditionen aus Oberlitauen. Die Tänze der tschechischen Teilnehmer_
innen waren vor allem aus der Region Mähren und der temporeiche
„Kolo“ war eine Spezialität der serbischen Gäste.
31
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
Konflikte weltweit verstehen –
ein Workshop von RODNIK e.V.
„Konflikte weltweit verstehen“ war der erste Workshop des Deutsch-russischen Kultur- und Bildungszentrums
RODNIK e.V., der innerhalb des entwicklungspolitischen Programms ENGAGEMENT GLOBAL des BMZ durchgeführt wurde.
RONIK e.V. wurde im Jahr 2000 mit
dem Ziel gegründet, das friedliche Zusammenleben verschiedener Nationalitäten und Generationen sowie die
Chancengleichheit insbesondere von
russischsprachigen
Mitbürger_innen
zu fördern. Die Gestaltung des interkulturellen Miteinanders in Fulda und
Umgebung, neben der Pflege der unterschiedlichen traditionellen Kulturen aus russischsprachigen Gebieten
18 Erwachsene aus drei Bundesländern,
Das zweite große Thema war, natürlich,
der ehemaligen Sowjetunion, bilden
die sich als Freiwillige in der Kinder- und
„Flüchtlingsstrom nach Europa: Was kön-
heute eine wichtige Aufgabe. Hierzu
Jugendarbeit engagieren, trafen sich
nen wir tun?“. Aufgrund der eigenen Er-
arbeiten wir mit Migrantenvereinen
Ende August im djo-Jugenddorf Ahlbeck
fahrungen und Biografien wurden unter-
aus anderen Kulturkreisen (kurdisch,
für den Workshop „Konflikte weltweit
schiedliche Konfliktsituationen in Form
jüdisch, türkisch, pakistanisch usw.)
verstehen“. Gemeinsam wurden aktuelle
von Rollenspielen und mit Methoden aus
sowie mit den Kommunen zusammen
Themen zu Kriegs- und Fluchtursachen
der Erlebnispädagogik dargestellt und ge-
und wirken auch bei gemeinsamen
diskutiert sowie die Einflüsse der Kriege
meinsam bewältigt.
Veranstaltungen mit. RODNIK e.V. ist
Mitglied im Verband für interkultu-
in Syrien, Irak, Ukraine und Afghanistan
auf das Leben in Deutschland aufgezeigt.
Das dritte Thema war „Friedensmacher_in-
relle Kinder- und Jugendarbeit KRUGI
nen. Was können wir tun?“. Die Seminarteil-
bei der djo-Deutsche Jugend in Eu-
Zehn Tage lang haben sich die Teillneh-
nehmer_innen präsentierten ihre eigenen
ropa, Bundesverband e.V. und in der
mer_ innen mit folgenden Themen aus-
Aktivitäten aus den Migrantenorganisatio-
djo-Deutsche Jugend in Europa, Lan-
einandergesetzt: „Was ist ein Konflikt?
nen und diskutierten zukünftige Bildungs-
desverband Hessen e.V. und somit der
Kann man friedliche Lösungen bei Welt-
maßnahmen im Bereich der Entwicklungs-
anerkannter Träger der freien Jugend-
Konflikten nennen?“. Historische Daten
politik.
hilfe.
und Jubiläen dieses Jahres (25 Jahre Wiedervereinigung Deutschlands, 70 Jahre
Im Rahmen des Projektes haben wir auch
der Beendigung des 2. Weltkrieges und
einige Tagesreisen und Exkursionen zum
Aufteilung Europas) brachten uns zum
ehemaligen Grenzgebiet Ahlbeck-Swine-
Nachdenken über die Ursachen der inter-
münde unternommen. Die Teilnehmer_in-
nationalen Konflikte und was die Men-
nen wurden durch die gemeinsamen Tage,
schen aus der Geschichte lernen können.
den Austausch und die intensiven Diskussi-
Wir haben einige Beispiele der friedli-
onen dazu ermutigt, sich durch ihre aktive
chen und gewaltsamen Lösungen der
Teilnahme am Vereinsleben entwicklungs-
Konflikte und die Rolle der europäischen
und friedenspolitisch zu engagieren.
Gremien besprochen (wie z.B. die friedliche Auflösung der Tschechoslowakei im
Larissa Timpel
Gegensatz zur Waffengewalt im ehema-
Verband für interkulturelle Kinder-
ligen Jugoslawien).
32
und Jugendarbeit — KRUGI e.V.
Gefördert durch:
Mitgliedsorganisationen
Nr. 3 Dezember 2015
Barbara Schoch
• Schülerwettbewerb des Landes NRW
„Begegnung mit Osteuropa“, Mitarbeit in
der pädagogischen Arbeitsgruppe und
bei der Bewertung von Schülerarbeiten
• EFCO — European Folk Culture
Organisation — Honory Member
Reisen war für Bärbel immer eine große Freude. Sie hat nicht nur mehr als 60
Auslandsfahrten und Begegnungen mit
der Klingenden Windrose organisiert,
sondern war auch privat in Ländern wie
Ägypten,
Vietnam
und
Kambodscha,
Thailand und Myanmar unterwegs. Immer interessierten sie die Situation der
Menschen vor Ort und die Kultur dieser
Länder.
Eine besondere Persönlichkeit ist von uns
Urplötzlich aus ihrem Wirkungskreis ge-
1966 gründete sie die „Klingende Wind-
rissen verstarb am 23.10.2015 nach kur-
rose“, eine Kulturgruppe, mit der sie viele
zer schwerer Krankheit „unsere Bärbel“.
Erfolge in der ganzen Welt feiern konnte,
Sie war ein besonderer Mensch, der mit
und die sie 2014 in jüngere Hände über-
seiner Freundlichkeit, Geduld und Be-
gab. Zu ihren richtungsweisenden Ideen
geisterungsfähigkeit für viele Menschen
gehörte sicherlich die Ausrichtung von
in der DJO und in der Schule zum Vorbild
bisher 21 „Internationalen Wochen der
wurde. Sie hat es verstanden, das innere
Begegnung“ und die Mitgründung der
Feuer weiterzugeben, um andere Men-
„European Folk Culture Organisation“
schen anzuspornen, das Beste aus sich
(EFCO). Für ihr Engagement auf vielen
herauszuholen.
Feldern der Kulturarbeit wurde Barbara
Schoch 1983 mit dem Bundesverdienst-
Barbara Schoch, am 07.10.34 in Breslau
kreuz geehrt.
geboren, kam durch Flucht und Vertreibung durch viele Regionen Deutschlands,
Weitere ehrenamtliche Tätigkeiten dürfen
bis es 1951 zur Familienzusammenfüh-
nicht vergessen werden:
gegangen. Mit ihr verlieren wir nicht nur
eine wertvolle Partnerin im europäischen
Konzert, sondern auch einen charakterlich starken Menschen. Wie sehr Bärbel
geschätzt, verehrt und geliebt wurde,
sahen wir, als sie 2014 ihren 80. Geburtstag mit der Familie und Freunden auf der
Burg Czocha in Schlesien sowie mit der
Spielschar „Klingende Windrose“ auf der
Freusburg feierte. In ihrem Geist werden
wir weiter arbeiten.
Wir verneigen uns vor einer großen Frau.
Ingrid Kinzel
rung in Hagen kam. Geprägt durch dieses
Schicksal wurde sie schnell aktiv in der
• Mitglied im Kuratorium der Stiftung
DJO, um seit 1953 Kinder- und Jugend-
Gerhart-Hauptmann-Haus, dort auch
gruppen die Kultur ihrer Heimat nahe-
Leitung eines Singekreises
zubringen. Später wurde dies erweitert
durch die gesamtdeutsche und europäische Kultur.
Von 1955—1991 war Bärbel Mitglied im
• Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlingsund Spätaussiedlerfragen (1965—2005)
• OKR — Ostdeutscher Kulturrat
DJO-Landesvorstand, wo sie Funktionen
mit den Schwerpunkten Kultur, Pädago-
• 1995 Vorsitzende des Kuratoriums
gik und internationale Arbeit innehatte.
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Meldungen
Nr. 3 Dezember 2015
Jugend 2014: Der Imagefilm
Innerhalb des Projekts Jugend 2014 wurden fünf bundesweite MJSO im Aufbau bundesweiter Verbandsstrukturen unterstützt. Mit dem Projekt wurde von 2012 – 2014 ein entscheidender Impuls im Bereich der Interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit gesetzt.
Es ist gelungen die Förderung des Projekts zu Verstetigen und eine Regelförderung über den
Kinder- und Jugendplan des Bundes für fünf am Projekt beteiligte Migrantenjugendselbstorganisationen (MJSO) zu erreichen. Dies ist ein wichtiges jugendpolitisches Signal für die
MJSO und eine Bestätigung ihres Engagements und ihrer wachsenden Bedeutung für die
Lösung wichtiger gesellschaftlicher Aufgaben. Als Ergebnis des Projekts entstand ein ImageFilm in dem die Arbeit der MJSO vorgestellt wird. Der Film ist unter www.djo.de und Youtube
(Jugend 2014: Ein Projekt der djo-Deutsche Jugend in Europa) zu sehen.
Ruhrgames 2015
Am 6. Juni diesen Jahres haben wir als djo-Landesverband NRW uns im Rahmen der
Ruhrgames mit dem Thema Flucht und Migration beschäftigt und durch verschiedene Aktionsformen unsere Sicht auf die Thematik präsentiert. Mit dabei waren folgende
Mitgliedsorganisationen und Kooperationspartner: AJM — Assyrischer Jugendverband Mitteleuropa e.V, Theater RIF Bergisch Gladbach und KSJD — Kurdistans Studenten und Jugend in Deutschland e.V. KSJD präsentierte in drei Etappen ein Theaterstück auf der Bühne,
welches sich mit der Flucht über das Mittelmeer, Angriffe auf Flüchtlingsunterkünften und
Rassismus beschäftigt. Anschließend gab es noch Folklore-Tanz und Gesang um die kulturelle Bereicherung durch Migration und Geflüchtete zu unterstreichen. Die Duisburger
Gruppe von AJM bereitete zeitgleich ein Mosaik mit einem „Refugees Welcome“-Schriftzug
auf einer großen Styroporfläche vor. Am Nebentisch konnten die Besucher die Fahnen
der Herkunftsländer von Geflüchteten ausmalen und anschließend als Teil des Mosaiks
anheften. Währenddessen präsentierten die Jugendlichen von Theater RIF ihre in einem
Straßentheater verarbeitete Sicht auf die Geschehnisse. Mit teilweise provokantem Schauspiel gingen sie unter die Besucher und machten so auf die Probleme und Strapazen einer
Flucht aufmerksam.
An unserem djo-Stand konnten die Besucher ihr Wissen testen und an einem Quiz über
Fakten und Zahlen zum Thema Flucht teilnehmen. Die Teilnehmer_innen erhielten alle
eine Postkarte, auf die sie eine Botschaft an Geflüchtete schreiben konnten. Anschließend
wurden alle Postkarten mit Hilfe von Helium-Luftballons in den Himmel befördert. Alles in
einem war der Aktionstag ein voller Erfolg und wir haben viele tolle Eindrücke gesammelt.
Mit noch mehr Motivation und Erfahrung wollen wir uns auch in Zukunft mit dem Thema
beschäftigen.
Ari Boyer Saeed
F.C. Hansa Fußballcamp „Fußball und Mee(h)r“
Die djo-Deutsche Jugend in Europa Landesverband Mecklenburg Vorpommern organisierte
in den Sommerferien 2015 wieder gemeinsam mit der F.C. Hansa Fußballschule ein bundesweites Fußballcamp. Kinder aus mehreren Bundesländern kamen zu einem Fußballcamp der besonderen Art an die Ostsee. Hier ging es nicht nur um das runde Leder und den
F.C. Hansa, sondern in erster Linie um das Miteinander. Besonders freuen wir uns, dass das
eigentliche Thema, die Integration, immer mehr Teilnehmer_innen mit den unterschiedlichsten Wurzeln begeistert. Eröffnet wurde das Camp von den F.C. Hansa Rostock Profis
Tommy Gruppe und Christian Bickel.
Katja Zühlsdorff
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Nr. 3 Dezember 2015
Termine / Impressum
Termine
1
1.
12.02.2016—13.02.2016
6
Arbeitskreis Positionen & Forderungen
11
in Berlin
5
9
2.
2
19.02.2016—21.02.2016
13
3
8
Bundesvorstandssitzung
12
10
in Berlin
3.
7
4
11
03.03.2016—05.03.2016
Netzwerktreffen Integration & Kultur
7.
in Berlin
08.04.2016—10.04.2016
Bundesjugendtag
4.
18.03.2016
in Neuendorf / Berlin
Geschäftsführertagung
8.
11.
in Schweinfurt
27.04.2016—01.05.2016
01.09.2016—04.09.2016
Bundesvorstandsklausur
Zukunftswerkstatt Integration
in Russland
in Ahlbeck
9.
12.
29.04.2016—01.05.2016
07.10.2016—09.10.2016
6.
Projektschmiede „Aktion Mensch“
Bundesvorstandssitzung
27.03.2016—03.04.2016
in Himmighausen
in Bahratal
10.
13.
07.08.2016—14.08.2016
09.12.2016—10.12.2016
Diversity Festival
Netzwerktreffen MJSO
in Russland
in Berlin
5.
19.03.2016
Bundesbeirat
in Schweinfurt
Interkulturelle Woche
Duderstadt
Der PFEIL sowie auch unsere nationale und internationale Jugendarbeit werden gefördert vom:
Impressum
Das djo-Infomagazin „PFEIL“ erscheint im 64. Jahrgang
Artikel, die mit Namen des Verfassers versehen oder gekennzeichnet sind, stellen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers dar. Für unverlangt eingesendete Manuskripte kann
keine Gewähr übernommen werden, eine Rücksendung ist nur bei ausreichendem Rückporto
möglich. Kürzungen aus redaktionellen Gründen sind vorbehalten.
Die nächste PFEIL-Ausgabe erscheint voraussichtlich im April 2016.
Nachdruck mit Quellenangaben und Zusendungen von Belegexemplaren gestattet.
Wir danken für die treue Leserschaft und für die journalistischen Beiträge.
-Deutsche Jugend in Europa
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