Predigtgedanken zum Hochfest Allerheiligen/Allerseelen Liebe Schwestern und Brüder, Jedes Jahr bin ich in der Regel einmal zu Hause in Deutschland und dann gibt es für mich in den knapp zwei Wochen, die ich im Rheinland verbringe, drei wichtige Pflichttermine: Den Besuch bei meinem Vorgesetzten, Msgr. Peter Lang, dem Leiter des katholischen Auslandssekretariates beim Sekretariat der Bischofskonferenz in Bonn, den Besuch bei meinem Erzischof in Köln, bisher war das ja immer Joachim Kardinal Meisner, und der Besuch des Troisdorfer Waldfriedhofes. Alles drei sind Pflichttermine, aber doch auch sehr angenehme Termine: Meinen Vorgesetzten kenne ich noch aus seiner Zeit als Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Sydney, und wir verstehen uns sehr gut. Kardinal Meisner ist zu mir manchmal streng, aber auch zugleich immer sehr herzlich gewesen, und der Friedhof ist zwar voller Toter aber er strahlt eine tiefe Würde und geheimnisvolle Schönheit aus. Liebe Schwestern und Brüder, für mich als Priester sind die Feste Allerheiligen und Allerseelen, die wir an diesem Wochenende feiern, ganz eng mit den Toten, mit den Verstorbenen, mit dem Friedhof verbunden. An meinen beiden Kaplansstellen in Deutschland bin ich am Allerheiligen Nachmittag oft stundenlang nur von einem Messdiener mit dem Weihwasserkessel begleitet, an den Gräbern der Friedhöfe vorbeigegangen, um das heilige Wasser zu versprengen. An manchen Gräbern warteten Angehörige, einige Gräber waren sehr schön hergerichtet, bei anderen Gräbern spürte man, dass schon lange niemand mehr an diesem Grab gewesen sein muss. Oft wurde es schon dunkel, und nur die Kerzen auf den Gräbern sorgten für etwas Licht. In diesen Momenten spürte ich ganz besonders die ewige Wahrheit der chrsitlichen Religion: Es gibt sie wirklich diese andere Welt, diese Welt, die über den Tod hinausreicht, diese Welt, die ein Glück verheisst, die uns das Leben auf Erden nicht schenken kann. Und daher habe ich als Jugendlicher und Theologiestudent immer auch sehr gerne Friedhöfe besucht. Besonders sind mir noch in Erinnerung, der deutsche Soldatenfriedhof Le Chambes und der amerikanische Soldatenfriedhof in Surville de Mer in der Normandie, einigen auch bekannt durch den Film „Der Soldat James Ryan“; den katholischen Friedhof in der berühmt berüchtigten Falls Road in Belfast, wo es auch ein Grab für Verstorbene der früheren terroristischen Untergrundorganisation IRA gibt, auf dessen Grabstein „fallen in action“ steht, oder den grossen römischen Friedhof Verano, zu dem ich als junger Priesteramstkandidat im Freisemester mit indischen Ordensschwestern gegangen bin um den Allerseelenablass zu ergattern. Der Tod, in unserer deutschsprachigen Heimat begegnen wir Ihm oft: Ein Angehöriger stirbt, der gütige Opa, die liebende Mutter. Hier in China begnen wir dem Tod in unserer unmittelbaren Umgebung in der Regel nur selten. Unsere community ist jung und meist gesund. Die Kinder klagen in der Schule manchmal über den Tod, doch meist handelt es sich um einen Goldhamster oder ein Meerschweinchen. Und doch gibt es auch bei uns Momente, wo wir dem Tod begegnen. Dass sind die „Gott sei Dank“ seltenen Todesfälle in unserer deutschsprachigen community, die dann aber leider oft besonders tragisch, ja grausam sind, und uns oft ganz ratlos und verzweifelt lassen. Und da sind zum anderen die Todesnachrichten aus der Heimat, die uns manchmal auch ganz betroffen machen, und uns sogar ein schlechtes Gewissen einjagen, weil wir uns etwas schuldig fühlen, weil wir an einem so existenziellen Moment nicht da , nicht vor Ort waren. Ich errinere mich noch gut, wie ich mein letztes Telefonat mit meinem Vater von Shanghai aus machte. Mit allerletzter Kraft konnte er noch sprechen, meine letzten Worte zu Ihm waren: „Lege nun alles in Gottes Hände“. Wenige Stunden später verstarb er. In diesem Moment verspürte ich schon, dass trotz Skype, Facebook, Internet und zahlreichen täglichen Flugverbindungen zwischen China und Deutschland, die Distanz von mehreren tausend Kilometern doch auch in modernen Zeiten sehr weit ist. Der Tod, er lässt uns also auch in Shanghai (Peking) nicht. Der Tod gehört zum Leben, und es ist sicher eine der grossen Fragen des Lebens, wie ich darauf eine Antwort finde. Der moderne Mensch klammert diese Frage weitgehend aus, er tabuisiert den Tod. Wenn es denn mal zu Ende geht, soll es möglichst ganz schnell und plötzlich gehen. Das ist eine bemerkenswerte Wende: für die Menschen vieler Jahrhunderte war es ganz wesentlich sich auf den Tod vorbereiten zu können, ein unerwarteter Tod war das Schlimmste was man sich vorstellen konnte. Die Feste Allerheiligen und Allerseelen haben über viele Jahrhunderte den Menschen helfen wollen bewusst zu machen, dass unser Leben um es einmal in der Diktion des deutschen Philosophen Martin Heidegger auszudrücken ein „Sein zum Tode“ darstellt. Geglücktes Leben kann es nicht ohne eine Antwort auf die Todesfrage geben. Und gerade der Tod stellt ja vieles in Frage, was wir Menschen gemeinhin für wichtig halten: Geld, Ruhm, Karriere, Ansehen, tolle Urlaube, Sexualität, all das ist mit dem Tod zu Ende und erfährt dadurch eine Relativierung. Wirklich wichtig und sinnvoll kann eigentlich nur jemand oder etwas sein, dass über dem Tod hinaus andauert. Ich fand sehr interessant letzte Woche bei dem Konzert in der MuEn Church den Hinweis, dass Johann Sebastian Bach erst viele Jahre nach seinem Tod durch die Verbreitung seiner Werke durch Felix Mendelsohn in breiteren Kreisen berühmt wurde. Die Botschaft der Bachschen Musik geht also über seinen Tod hinaus. Vielleicht wird Bach auch daher von einigen als der „fünfte Evangelist“ bezeichnet. Unser christliche Glaube geht noch einen Schritt weiter und verkündet: Der Tod ist nicht Ende, sondern Anfang und Beginn neuen Lebens. Das ist natürlich eine Behauptung, die sich mit Hilfe der heutigen wissenschaftlichen Methodologie nicht beweisen lässt. Ja, wahrscheinlich bleibt diese Aussage auch in seinem innersten Kern für immer ein Gehemnis des Glaubens. Und doch wenn ich im Sommer über den Troisdorfer Waldfriedhof gehe, oder an meine Gräbersegnungen am Allerheiligentag denke, spüre ich doch, dass es nicht stimmt, dass mit dem Tod alles aus ist. Für mich ist da irgendwie klar, dass es diese andere Welt ganz bestimmt gibt, diese Welt in der die Toten einen Ort finden, wo sie das Glück erfahren, was diese Welt nicht schenken kann, diese Welt, wo wir auch eines Tages unseren lieben Verstorbenen auf uns heute ganz unvorstellbare Art und Weise wieder begegnen werden. So sind für mich Friedhöfe so etwas wie Orte, wo Himmel und Erde sich berühren, und die Hochfeste Allerheiligen und Allerseelen, heilige Signale, unsere Verstorbenen nicht zu vergesen, vielmehr Ihnen ehrend zu gedenken und für sie zu beten, und nicht zu vergessen, dass es im Leben darauf ankommt einen Sinn zu finden, der auch den Tod noch überdauert. Eigentlich bin ich daher ganz froh, dass es Allerheiligen und Allerseelen gibt. Zwei spannende Feste, für mich manchmal sogar noch spannender als Halloween!
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