Die Besten an sich binden

HR-Strategie
Retention Management
Die Besten an sich binden
Was kann ein Unternehmen tun, damit fähige Mitarbeitende trotz grosser Veränderungen
im Betrieb bleiben? Ein wirkungsvolles Retention Management umfasst einen ganzen Massnahmenkatalog — es sind jedoch nicht alle Instrumente gleich wirksam.
Von Urs Klingler
D
ie Bindung von Leistungsträgern und
High-Potentials ist grundsätzlich ein
strategisches Topthema, denn diese bestimmen das Wachstum und die Marktbedeutung der Organisation. Das Thema interessiert nicht nur Personalabteilungen,
sondern auch das Topmanagement. Dass
die Mitarbeiterbindung eine betriebswirtschaftliche Dimension besitzt, zeigt eine
einfache Überlegung: Arbeitnehmer mit
einer schwach ausgeprägten emotionalen Bindung an das Unternehmen haben
weniger Spass und mehr Stress bei der
Arbeit. Ihre Arbeitsleistung ist deutlich
schlechter als die ihrer stärker an das Unternehmen gebundenen Kollegen, und
sie fehlen signifikant häufiger.
Die ökonomische Bedeutung von gebundenem und nicht gebundenem Personal
wird in den nächsten Jahren durch den
demografischen Wandel noch erheblich
steigen, da der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung in Zukunft abnimmt.
Dadurch verringert sich die Zahl der Fachkräfte im «besten Alter». Die Bindung der
in der Regel älteren Leistungsträger wird
daher immer wichtiger für die Überlebensfähigkeit von Unternehmen.
Veränderung als Zerreissprobe
Bei Firmenveränderungen (Verkauf, Kauf
oder Reorganisationen) wird die Beziehung der Mitarbeitenden zum Unternehmen häufig grundlegend infrage gestellt
und der «psychologische Vertrag», der die
Mitarbeitenden an das Unternehmen bindet, neu definiert. Anhand verschiedenster Projekte und Befragungen können wir
belegen, dass sich bei grossen Veränderungen in der Beziehung der Mitarbeitenden zum Unternehmen einiges verändert.
Die Gegenüberstellung auf S. 25 zeigt die
Veränderung von Themen im Laufe von
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Die Bindung stärken — Retention-Programme verhindern bei Change-Projekten eine hohe Fluktuation.
Unternehmenstransaktionen in absteigender Wichtigkeit. Die Gegenüberstellung zeigt, dass Veränderungen in der
Bedeutung der Themen entstehen und
sich die Standpunkte thematisch ändern.
Es gilt deshalb die Erwartungen und die
Unsicherheit, die ein Change-Projekt mit
sich bringt, bewusst zu steuern. Dies erfordert diverse Aktivitäten im Bereich des Retention Managements, um Kündigungen
zu verhindern. Es gibt als Erfahrungswert
vier vorrangige Gründe, warum Mitarbeitende nach einer Unternehmenstransaktion das Unternehmen verlassen:
Sonderausgabe «Changemanagement» September 2015
• Karrierechancen ausserhalb des Unternehmens
• Ausscheiden aufgrund von vorzeitiger
Pensionierungsmöglichkeit
• Herabstufung innerhalb der Unternehmenshierarchie
• Entlassungen (teilweise zeitverzögert)
Effektive Massnahmen definieren
Die Mitarbeiterbindung lässt sich bei
Change-Projekten durch Rentention
Management gezielt fördern, wobei verschiedenste Instrumente zur Auswahl
stehen:
HR-Strategie
Instrumente des
Retention Managements
• Anerkennung/Wertschätzung
der Mitarbeitenden und ihrer Arbeit
• Attraktiver Standort
• Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten
• Betriebsklima/Unternehmenskultur
fördern
• Flexible Arbeitsmodelle anbieten
• Work-Life-Balance ermöglichen
• Image der Firma fördern
• Interessante Aufgaben/Projekte bieten
• Anreize durch Lohn/finanzielle Benefits
• Mitarbeitenden genügend
Handlungsspielraum geben
• Mitarbeitende emotional
ans Unternehmen binden
• Motivation und Zufriedenheit
der Vorgesetzten
Die einzelnen Instrumente lassen sich zu
einem Retention-Programm verknüpfen,
einem Massnahmenbündel mit dem Ziel
der Bindung von Leistungsträgern und
High-Potentials an das Unternehmen.
Ein Retention-Programm ist eine wirtschaftliche Investition. Sie steht im Wettbewerb
um Budgets mit anderen Projekten und
sollte deshalb über eine messbare Rendite
verfügen. Diese Rendite zu bestimmen, ist
nicht einfach. Dabei steht folgende Frage
im Mittelpunkt: Welche Kosten stehen
dem möglichen Verlust gegenüber, der
im Falle des Eintretens des ungünstigsten
und wahrscheinlichsten Szenarios entstehen würde, wenn keine risikomindernden
Massnahmen in Form eines RetentionProgramms ergriffen werden?
Ausserdem sollte bedacht werden, dass
Geschäftsführer börsennotierter Gesellschaften teilweise durch länderspezifische
Regelungen verpflichtet sind, adäquate
Massnahmen zur Risikominimierung zu
ergreifen (Corporate Governance Codex
des jeweiligen Landes).
Schlüsselpersonen identifizieren
Retention-Programme sind im Wesentlichen ein Massnahmenkatalog aus
verschiedenen harten und weichen
Faktoren, die zur Stabilisierung des Arbeitsumfelds derjenigen Mitarbeitenden
entwickelt wurden, die für den zukünftigen Unternehmenserfolg entscheidend
sind. Bei solchen Schlüsselpersonen handelt es sich nicht immer um Geschäftsleitungsmitglieder und (Senior-)Manager,
sondern es können auch spezialisierte
Fachkräfte, Key Account Manager oder
ganz einfach «High Potentials» sein.
Die Identifikation von Mitarbeitenden,
denen die Massnahmen des RetentionProgramms zugute kommen sollen, ist
nicht immer leicht. Dabei sollte der Fokus
auf Schlüsselpersonen liegen, also auf
Personen, welche für das Unternehmen
aufgrund ihres Fachwissens, ihrer Erfahrungen, Beziehungen und ihrer «Vorbildfunktion» von sehr grosser Wichtigkeit
sind. Folgende Fragen können helfen,
solche Schlüsselpersonen zu ermitteln:
• Hat die Person einen überproportional
starken Anteil am Geschäftserfolg?
• Hat die Person wesentlichen Einfluss
auf die Wertschöpfungskette des Unternehmens (z.B. aufgrund einer besonderen Kundenbeziehung)?
• Sind die Fähigkeiten der Person für die
Konkurrenz von Bedeutung?
• Verfügt die Person über spezifische
Fachkenntnisse, die für den Unternehmenserfolg entscheidend sind?
• Hat die Person die Möglichkeit, sich
vorzeitig pensionieren zu lassen?
• Hat die Person eine wichtige formelle
oder informelle Führungsposition, die
ihr Verbleiben im Unternehmen erforderlich macht, um den Erfolg eines laufenden Projekts zu sichern?
Die Erfahrung zeigt, dass der Prozess
und die Entwicklung eines Retention-
Programms von Mitarbeitenden in
Schlüsselpositionen grundsätzlich positiv
eingeschätzt werden – sie erlauben dem
neuen Eigentümer, wichtige Talentmanagement-Themen auf formaler Ebene
zu erörtern, und vermitteln den Mitarbeitenden die wichtige Botschaft, dass sie
mit eingebunden werden.
Ausgewogene Anreize setzen
Es ist wenig überraschend, dass sich der
Erfolg eines Retention-Programms in echter individueller Mitarbeiterzufriedenheit
ausdrückt. Das Konzept eines erfolgreichen Retention-Programms besteht daher nicht nur aus finanziellen Aspekten,
sondern umfasst sowohl monetäre als
auch nicht-monetäre Anreize. Das blosse Verteilen von Geld kann erhebliche
Fehlanreize auslösen, was bei der Ausgestaltung von Retention-Programmen
bedacht werden muss. Mitarbeitende
streben nach Anerkennung ihrer Arbeitsleistung, Übernahme von Verantwortung,
beruflichem Aufstieg und Aufgabenbereicherung. Demzufolge enthalten erfolgreiche Retention-Programme beide Aspekte.
Retention-Programme stellen oft einen
Kompromiss aus der gerechten Behandlung aller beteiligten Mitarbeitenden und
der Suche nach individuellen Lösungen
dar. Der Prozess selbst muss fair und
erklärbar gegenüber unterschiedlichen
Interessenvertretern sein. Grundsätzlich
sind die folgenden Erfolgsfaktoren bei der
Ausarbeitung eines Retention-Programms
zu beachten (siehe folgende Seite):
Wichtigste Themen vor dem Change
Wichtigste Themen nach dem Change
• Gehalt
• Gehalt
• Interessante Arbeit
• Nächster Karriereschritt
• Zuwendungen (Benefits)
• Herausfordernde Arbeit
• Gute Kollegen
• Guter Vorgesetzter
• Arbeitsort
• Work-Life-Balance
• Herausfordernde Arbeit
• Identifikation mit der Mission
• Flexible Arbeitszeiten
• Bessere Benefits
• Guter Vorgesetzter
• Schlechte, andere Moral
• Abwechslungsreiche Arbeiten
• Arbeitsort
• Wertschätzung
• Behandlung, Wertschätzung
• Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten
• Ausbildungsmöglichkeiten
• Keine Zeit, einen neuen Job zu suchen
• Finanzielle Instabilität der Unternehmung
• Karrieremöglichkeiten
• Urlaub/Freizeit
• Autonomie
• Sicherer Job
• Sozialleistungen
• Gute Kollegen
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Sonderausgabe «Changemanagement» September 2015
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Anreize im Rahmen von Retention-Programmen
Individuelle Boni für
Zwischenzielerreichung
Dies ist der am häufigsten eingesetzte Anreiz. Er kann ohne oder
mit zeitlicher Verzögerung ausbezahlt werden.
Gehalterhöhungen
Um die Identifikation mit der Transaktion zu erhöhen, werden
die Grundgehälter nach oben angepasst.
Gruppen- oder Projekt-,
oder Meilensteinboni
Für die Zwischen- oder Zielerreichung werden an die involvierten
Personen Meilensteine oder Gruppenbeträge in Aussicht gestellt
und ausbezahlt.
Loyalitätsprogramme
Personen, welche für eine befristete Zeit unbedingt benötigt
werden, erhalten zusätzliche Zahlungen am Ende ihrer Einsatzzeit, inkl. Überbrückungszahlungen (zusätzliche Ferien, Sabbatical, Outplacement etc.).
Gewinnbeteiligung
Schlüssselpersonen werden am Erfolg der Transaktion beteiligt.
Optionen oder
Long Term Incentives (LTI)
Schlüsselpersonen werden über Beteiligungsinstrumente am
Firmenerfolg beteiligt.
Party oder Events
Schlüsselpersonen dürfen an spezifischen Events teilnehmen,
um die Zwischenerfolge zu feiern und den Status zu kennen.
• Kommunikation: Unmittelbar nach
dem Kauf eines Unternehmens muss
der Erwerber in der Lage sein, die Gründe für die Transaktion und die zukünftige Strategie für den Unternehmenserfolg zu kommunizieren. Dies gilt für
alle Mitarbeitenden und stellt einen
wichtigen ersten Schritt innerhalb eines
Retention-Programms dar.
• Messbarkeit: Das Retention-Programm
sollte performanceorientiert und an
das Erreichen klar definierter Leistungskennzahlen («KPIs») gekoppelt
werden, welche zur Verbesserung des
Unternehmenserfolgs beitragen.
• Verknüpfung mit Talentmanagement: Die Entwicklung des eigent-
lichen Retention-Programms sollte
als Teil eines weitergehenden Talentmanagement-Prozesses durchgeführt
werden. Zudem muss sichergestellt
werden, dass alle relevanten Interessenvertreter einbezogen werden.
Nebenwirkungen vermeiden
Retention-Programme können verschiedenste Nebenwirkungen haben, die genau überprüft werden sollten. Folgende
Fragen können in dieser Hinsicht beispielsweise wichtig sein:
• Kann Geld die Belegschaft spalten?
Eine Ungleichbehandlung von Mitarbeitenden auf ähnlichen Hierarchiestufen kann erhebliche Langfristprobleme
verursachen.
• Kann ein bestehendes Problem auf andere Weise als mit Geld vielleicht besser
behoben werden? Zum Beispiel, indem
man mit dem Mitarbeitenden über seine zukünftige Rolle spricht und ihm
einen Karriereweg aufzeigt?
• Wäre es vielleicht besser, den Verlust
eines Mitarbeitenden hinzunehmen
und das für ihn eingeplante Budget für
andere Mitarbeitende zu investieren?
• Stellt Geld innerhalb eines RetentionProgramms eventuell nur einen zeitlichen Aufschub dar und verursacht
langfristig grössere Probleme?
• Wird das Unternehmen nach Ablauf des
Retention-Programms eventuell dazu
gezwungen sein, ein neues Programm
aufzusetzen oder andere langfristige
Anreizprogramme einzurichten?
Um Fehlanreize zu vermeiden, sollten Retention-Programme im Vorfeld
gut durchleuchtet werden. Ausserdem ist zu bedenken, dass die hohen
Abfindungszahlungen, die in vielen Ländern bei einer Entlassung fällig werden,
einen hohen Retention-Effekt haben – vor
allem für diejenigen Mitarbeitenden, die
bereits mit ihrer Entlassung rechnen.
Autor
Urs Klingler gründete
2010 das Beratungsunternehmen klingler
consultants ag und leitet
das Unternehmen
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