Kühe versorgen, damit sie zufrieden sind und gute Milch für guten

reise
Glückstage
auf der Alp
Kühe versorgen, damit sie zufrieden sind
und gute Milch für guten Käse geben –
auf einer Sennerei mithelfen kann jeder.
Das bedeutet früh aufstehen und ist
anstrengend, aber schön und erfüllend
Text Stefanie Theile
Fotos Anna Mutter
S
tockdunkle Nacht. Obwohl der Halbmond fahles
Licht auf die Berge wirft. Hier unten auf der Straße
kommt es nicht an. Kurz nach halb sechs morgens
marschiere ich, nur eben Zähne geputzt und in die
Klamotten gesprungen, vom Alphof Steinenberg zum
Stall um einige Kurven und etwa 100 Meter höher. Noch etwas
weiter oben am Hang schwanken Scheinwerfer durch die Finsternis. Plötzlich höre ich dumpfe Glocken, und aus dem Dunkel
schälen sich dicke Kuhleiber. Sie stutzen. Während sie stehen
bleiben und die unbekannte Besucherin anglotzen, kommen von
weit oben, von der Bergweide Spycherboden, die Alpbauern Daniela und Fritz Gerber mit ihren Lampen, treiben mit lautem
„Hoi! Hoi!“ die 30 Kühe Richtung Stall. Hofhund Toni, zwölf Jahre und etwas altersmüde, trottet mit heiserem Gebell nebenher.
Stau vor dem Stall. Ich klopfe den Rindern auf ihre kräftigen
Hinterbacken, drücke sie Richtung Tür – bei 700-Kilo-Tieren so
gut wie vergeblich. Eigentlich bin ich gekommen, um Käse zu
machen. Nun stehe ich hier zwischen Wendi, Santana und Cordula. Okay, kein Käse ohne Milch. Keine Milch ohne … Das Käsen ist sowieso eine Sache für sich. Aber davon später. Denn u
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Schweiz-Idylle auf der Steinenberg-Alp. Im Lädeli gibt es
handgemachte Spezialitäten
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auf einem Bauernhof dreht sich alles um die Tiere. „Die
kommen immer zuerst.“ Sennerin Daniela, mit hellbraunen kurzen Haaren in einer Fleecejacke und schon um diese Zeit freundlich lachend, dirigiert die Tiere energisch auf
ihre Plätze. „Hier, das ist Albula. Unsere Lieblingskuh. Ein
Hochzeitsgeschenk, vier Jahre ist sie alt“, erzählt Daniela,
deren Melkschemel bei jedem Schritt zwischen Po und
Kniekehle baumelt. So lange bewirtschaften sie und Fritz
die Steinenberg-Alp im Berner Oberland. Mit einer Handvoll Holzwolle reibt sie Albulas Euter sauber, setzt an jede
Zitze einen Saugschlauch des Milchaggregats.
Die Sommertage auf 1500 Meter Höhe
sind richtig warm und trocken
„Aber je saftiger die Weide, desto mehr Milch gibt es.“
Warum stehen die Kühe nachts draußen? „Tags ist es zu
heiß. Das mögen sie nicht“, erklärt der 40-jährige eher
wortkarge Fritz. Die Sommertage auf der Höhe von 1500
Metern sind warm und trocken. Vom Mittag bis zum
Abendmelken ist also ausruhen im Kuhstall angesagt.
Aber nicht auf dem Hof, wo vier ungestüme Kälber warten. Füttern, Stall säubern, die 14 Schweine ins Freigehege
lassen, die Kaninchen versorgen. Am ersten Morgen
schaue ich nur zu. Tags darauf bin ich schon auf mich gestellt, denn da ist die Sennerin mit einer Joghurtlieferung
beschäftigt, die kurzfristig abgeholt wird. Ich, die Städterin,
plage mich derweil mit den Kälbern, die wie randalierende
Teenager die leer getrunkenen Milcheimer im Stall herumwerfen. Dabei fühlen sich ihre Schnuten so weich und
harmlos an. Stall ausmisten. Auch so eine Arbeit, bei der
eine Ungeübte helfen kann, vorausgesetzt, sie hat Gummistiefel an und kann schnell beiseitespringen, wenn eine Kuh
ihren Schwanz aufstellt. Unglaublich, welche Mengen Mist
30 Kühe produzieren. Ich schiebe mit einer Schaufel und
viel Kraft alles zusammen und staune. Erst wenn der Hof
gefegt und kuhfladenfrei ist, schaut Fritz zufrieden.
„Sauberkeit ist das A und O. Ohne klappt’s nicht“, sagt
der Senner und meint diesmal die Käseproduktion. Fritz
trägt weiße Gummistiefel, hat eine Schürze umgebunden
und beugt sich über den 500-Liter-Kupferkessel in der
Hofküche. Gemächlich wird die Milch über einem Holzfeuer erwärmt. „In zwei Stunden wird daraus Käse“, prophezeit Fritz, der der Milch Lab und eine bestimmte Bakterienmischung zusetzt. „Die gibt den Geschmack. Jeder
Alpkäsler hat sein eigenes Rezept.“ Mit einer Käseharfe
stellt Fritz Käsekorn, eine grobkörnige Masse, her. Er rührt
mit gleichförmigen, ruhigen Bewegungen. Fast meditativ.
„Das Korn darf nicht zu groß, aber auch nicht zu klein und
trocken sein.“ Fritz reibt es immer wieder zwischen den
Fingern, riecht daran, prüft die Temperatur. „Ich mag Käse
machen“ – einer seiner typischen kurzen Sätze.
1 Neugieriger Blick, aber dann schnell auf die Weide 2 VITALMitarbeiterin Stefanie Theile vor ihrer Hütte 3 und mit Melkerjacke inmitten der Milchkühe 4 Daniela Gerber stemmt
beim Käseschmieren täglich etliche Kilo 5 Die Gegend um die
Steinenberg-Alp ist ein wunderschönes Wandergebiet
Im Stall ist es kuhwarm-mollig. Es duftet
nach Wiese, Land und frischem Mist
Für seinen Alpkäse, einen Hartkäse, der vier bis fünf Monate reift, zeichnete ihn die Schweizer Alpkäse-Organisation Cas Alp aus. Ausgezeichnet oder nicht, alle Sorten
schmecken besonders und besonders gut. Inzwischen ist
das Käsekorn perfekt. Fritz nimmt zwei Zipfel eines Leinentuches zwischen die Zähne, wickelt die lange Seite
über das Bögli, eine dünne Stange, und zieht nun diese Art
Beutel am Kesselboden entlang, sodass sich darin circa elf
Kilo Käse verfangen. Zipfel zusammennehmen, Molke ablaufen lassen und den ganzen Klumpen in einen festen
Ring setzen und mit einem Brett abdecken, damit die
Molke herausfließt. Aus den rund 500 Litern Milch werden circa 40 Kilo Käse, heute sind es vier große Alpkäse.
Klar, dass dabei niemand helfen kann. Das ist Sennerarbeit. Handwerk und Kunststück zugleich.
Am nächsten Tag gehen die vier Käselaibe, versehen mit
dem Etikett „Berner Oberland 2480 Alpkäse“, in den Käsekeller. Ein feuchter, 13 Grad kühler Raum im Nachbarhaus. Hier reift die Arbeit des Sommers. Daniela kommt
rein, gefolgt von Toni mit dem hellbraunen Wuschelfell.
Der Käse wird geschmiert und gewendet. Daniela nimmt
Laib für Laib auf, reibt jeden mit Salzwasser ab: „Fitness
brauche ich nicht.“ Jeder Mutschli, ein milder halbharter
Käse, eine regionale Spezialität, wiegt ein Kilo, zwölf liegen auf einem Brett. „Wie viele Bretter sind es?“ – „Weiß
nicht.“ Aber rund 1200 Kilo, wenn sie heute fertig ist.
Abends, kurz nach halb sechs. Die Sonne steht noch
über den Bergen. Wieder geht es zum Stall. In dem ist es
kuhwarm-mollig, es duftet nach Wiese, Land und frischem Kuhmist. Silvia, Wera und all die anderen stehen
friedlich, warten aufs Melken. Anderthalb Stunden später
ziehen sie rauf auf die Weide. Es dämmert. Von den
Hängen tönt ab und zu ihr Glockengeläut. Es wiegt mich
wenig später in den Schlaf.
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Bodensee
Das Kiental im Berner
Basel
Oberland bietet tolle Wandermöglichkeiten. Hütten
Zürich
und Ferienwohnungen
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W E I
finden Sie unter http://
Z
Bern
chalet.myswitzerland.com/
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Kiental
Genfersee
Mehr Eindrücke von unserer Reisereportage
sehen Sie in der Fotogalerie auf www.vital.de/alp
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Genf
Alpkäserei
Steinenberg
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INFOS ZUR ALPKÄSEREI
DER LADEN der Alpkäserei
Steinenberg ist während des
Alpbetriebs täglich geöffnet.
Dort gibt es auch Joghurt,
Rindersalami, Karamellbonbons – alles handgemacht von der Familie
Gerber. Zu erreichen von der
Griesalp (dorthin fährt von
Reichenbach stündlich ein
Postbus über die steilste
Postbusstrecke Europas) in
ca. 15 Minuten über einen
ausgeschilderten Fußweg.
Für eine Besichtigung des
Käsekellers sollten Interessenten unbedingt vorher
anfragen: Alpkäserei
Steinenberg, 3723 Kiental,
Tel. 00 41/33/6 76 12 14.
Käsen ankommt, was Alpwirtschaft bedeutet und wie
diese Art der Landwirtschaft
die Natur schützt. Außerdem
enthalten: Infos über Fauna
und Flora. Zu bestellen für
12 Franken plus Versand
(ca. 10 Euro) bei den Verfassern
über [email protected].
KÄSEREIEN können besichtigt werden. Adressen von
Schweizer Schaukäsereien
finden Sie unter
www.myswitzerland.com/de/
schaukaesereien.html.
Mitarbeiten können Sie u. a.
bei www.sennenstube.ch/
kaeserei.php, www.emmen
taler-schaukaeserei.ch,
www.biohof-grubisbalm.ch.
Wer einmal einen Sommer
DAS BUCH „Alpwirtschaftsund Naturlehrpfad“ erläutert als Älper oder Helfer arbeiten möchte, findet unter
– ebenso wie die 20 Tafeln
www.zalp.ch Stellenauf dem Wander-/Lehrpfad
im Kiental –, worauf es beim angebote für die Schweiz.