Kommunikation Kanton Bern Staatskanzlei Anlass Medienkonferenz der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion Thema Verkehrsspitzen glätten mit späterem Schulbeginn Datum Dienstag, 28. April 2015 Referent Herr Mario Battaglia, Vorsteher Abteilung Mittelschulen, Erziehungsdirektion Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Medien Ich begrüsse sie auch meinerseits zur heutigen Medienorientierung. Der spätere Schulbeginn ist schon seit einiger Zeit immer wieder Thema in den Medien. Dabei wird der Schulbeginn häufig aus zwei Optiken betrachtet: einerseits als Mittel zur Verringerung der Verkehrsspitze am Morgen, andererseits im Zusammenhang mit dem Tagesrhythmus der Jugendlichen. Wie die Regierungspräsidentin, Frau Baudirektorin Egger-Jenzer, soeben ausgeführt hat, haben sich die Erziehungsdirektion sowie die Gymnasien Neufeld, Kirchenfeld und KönizLerbermatt auf Anfrage der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion bereit erklärt, gemeinsam Abklärungen zu einem allfälligen späteren Schulbeginn vorzunehmen. Dabei steht für die Erziehungsdirektion natürlich nicht nur die Frage der Auswirkungen eines späteren Schulbeginns auf die Entlastung der Spitzenzeiten im öffentlichen Verkehr im Vordergrund, sondern die Auswirkungen auf die Schulen und das Bildungswesen allgemein. Auswahl der Schulen Die Wahl zur Teilnahme an diesen Abklärungen fiel aus verschiedenen Gründen auf die Gymnasien Neufeld, Kirchenfeld und Köniz-Lerbermatt: So ist im Kanton Bern die Überlastung des öffentlichen Verkehrs in der Agglomeration Bern sicher am grössten. Jeder von uns, der zu Stosszeiten einen Zug oder ein Tram in Bern oder Umgebung besteigen will, kennt den Kampf, um einen freien Sitzplatz oder mindestens um einen nicht zu eingeengten Stehplatz. Zu diesen gedrängten Stosszeiten tragen die Schulen der Sekundarstufe II mit ihren Schülerinnen und Schülern nicht unwesentlich bei. In der Stadt selber und in der unmittelbaren Agglomeration befinden sich zahlreiche grosse Bildungsinstitutionen der Sekundarstufe II, welche von Schülerinnen und Schülern aus einem grösseren Einzugsgebiet von Bern besucht werden. Diese haben somit anders als in der Volksschule einen längeren Schulweg und benutzen hierfür häufig den öffentlichen Verkehr. Um die Auswirkungen eines allenfalls späteren Schulbeginns auf die Schulen und ihre Angehörigen, also sowohl auf die Schülerinnen und Schüler wie auf die Lehrerinnen und Lehrer, abschätzen zu können, wurde – die Schulauswahl erfolgte aufgrund der Verfügbarkeit des Stundenplaners – für das Gymnasium Neufeld ein hypothetischer Diese Mediendokumentation ist auch online: www.be.ch/medienmitteilungen Medienkonferenz der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion vom Dienstag, 28. April 2015 Stundenplan mit einem späteren Schulbeginn ausgearbeitet. Die Ergebnisse wurden Ihnen von Frau Regierungspräsidentin Egger präsentiert. Da die Gymnasien von der Organisation her alle ähnlich sind, lassen sich die Resultate auf die anderen Gymnasien übertragen. Die als nächste Etappe vorgesehene Befragung der Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sowie der Lehrerinnen und Lehrer wird nun an den drei grossen Gymnasien Kirchenfeld, Neufeld und Köniz-Lerbermatt durchgeführt. Angesichts der unterschiedlichen Einzugsgebiete der drei Schulen kann dadurch für die dann folgenden weiteren Abklärungen gleich von Beginn weg ein grösseres Umfeld miteinbezogen werden, was zu aussagekräftigen Ergebnissen führen sollte. Eine Beschränkung der Befragung innerhalb aller Bildungsinstitutionen der Sekundarstufe II auf die drei Gymnasien erklärt sich dadurch, dass sich bei diesen eine Stichprobenbefragung der Schülerinnen und Schüler, der Lehrpersonen und insbesondere der Eltern einfacher organisieren lässt. Nach Vorliegen der Ergebnisse der Umfrage wird neu abgeklärt werden müssen, welche Schulen der Sekundarstufe II sich in einem weiteren Schritt an allfällig zusätzlichen Abklärungen und Arbeiten beteiligen werden. Die vorbereitete Umfrage soll in erster Linie dazu dienen, allgemeine Aussagen zu einem späteren Schulbeginn seitens der betroffenen Schülerinnen und Schülern, der Eltern und der Lehrpersonen zu erhalten. Insbesondere wollen wir Erkenntnisse über die Auswirkungen auf das ausserschulische Engagement der Schülerinnen und Schüler gewinnen sowie – dies ist für die Erziehungsdirektion von entscheidender Bedeutung – zur Akzeptanz einer allfälligen Verschiebung des Schulbeginns. Die Umfrage bietet gleichzeitig die Möglichkeit für eine breite Information zum Thema Schulbeginn und Verkehrsspitze wie auch zu einer fundierten Diskussion darüber. Es handelt sich bei der Frage des späteren Schulbeginns um eine komplexere Frage, als dies im ersten Moment der Fall zu sein scheint. Der hypothetische Stundenplan hat gezeigt, dass zwar grundsätzlich eine Verschiebung des Schulbeginns gegen hinten möglich wäre, es sich dabei aber um keine einfache Lösung handeln würde. Dazu wird ihnen Herr Lorenzetti anschliessend gleich mehr sagen können. Kein pädagogisches Projekt Die Abklärungen, welche die Bau- Verkehrs- und Energiedirektion mit unserer Unterstützung jetzt vornehmen, dient wie erwähnt der Suche nach einer Lösung für das Problem der Verkehrsüberlastung. Für die Erziehungsdirektion gibt es aufgrund der heutigen Kenntnisse darüber hinaus keine stichhaltigen pädagogischen Gründe, eine Verschiebung des Schulbeginns nach hinten zu prüfen. Auch ist dieses Anliegen bisher – abgesehen von der Frage der Verkehrsspitze – nie an uns herangetragen worden. Die diversen heute vorhandenen Studien, die eine positive Korrelation zwischen einem späteren Schulbeginn und einer besseren Lernbereitschaft oder Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler herstellen, sind im Zusammenhang mit unserer Schulrealität auf der Sekundarstufe II beschränkt aussagekräftig. In einigen amerikanischen Studien werden das 9. und 10. Schuljahr der High School untersucht – das entspricht einem Alter von 14 bis 16 Jahren – also je nach Ausbildung auf unserer Sekundarstufe II etwa dem Eintrittsalter. Auch bezüglich der Anfangszeiten der Schulen gibt es Unterschiede. So werden in den amerikanischen Studien auch Schulanfangszeiten um 07h30 untersucht – die Gymnasien der Agglomeration Bern z.B. beginnen ihren Unterricht zwischen 07h50 und 08h05, also eine halbe Stunde später. Auffallend ist zudem in einzelnen Studien die grosse Streuung 2/3 Medienkonferenz der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion vom Dienstag, 28. April 2015 zwischen den Werten zum Schlafverhalten der einzelnen Individuen. All dies kann erklären, wieso die Wahrnehmung von Betroffenen, sowohl der Schülerinnen und Schüler, der Eltern wie der Lehrpersonen, oft zu Aussagen führt, die den Studien widersprechenden: Eine positive Korrelation zwischen späterem Schulbeginn und besserer Lernbereitschaft wurde bisher an unseren Schulen kaum postuliert. Es muss auch festgehalten werden, dass die Studien kaum auf Ursachen und Wirkungen der Verschiebung des Schlafverhaltens bei Jugendlichen eingehen. So sind die Fragen nach den mittel- und langfristigen Auswirkungen eines späteren Schulbeginns – z.B. auf eine nach dem Jugendalter wieder eintretende Normalisierung des Tagesrhythmus – offen. Ein flächendeckender späterer Schulbeginn bei allen Schulen der Sekundarstufe II steht entsprechend aus pädagogischen Gründen für die Erziehungsdirektion nicht im Fokus. Meinung der Betroffenen Bei Überlegungen zur „richtigen“ Zeit für den morgendlichen Schulbeginn sind aus der Sicht der Erziehungsdirektion wie erwähnt verschiedene Aspekte einzubeziehen: Es darf die gesellschaftliche und individuelle Akzeptanz sowie die Auswirkungen einer Verschiebung des Schulbeginns auf die ausserschulischen Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler und auf das Familienleben nicht unterschätzt werden. Auch muss der Eindruck vermieden werden, dass die Jugendlichen aus Bequemlichkeit länger im Bett bleiben dürfen und so nicht richtig auf das Erwachsenenleben vorbereitet werden – auch das gehört zur Akzeptanz einer Lösung. Die Überlastung des öffentlichen Verkehrs zu Spitzenzeiten ist aber eine Realität und es kann nicht negiert werden, dass die Schülerinnen und Schüler wesentlich dazu beitragen. Die Erziehungsdirektion und die Schulen der Sekundarstufe II sind daher bereit, bei der Suche nach Lösungen soweit möglich mitzuhelfen. Für uns ist im Hinblick auf das weitere Vorgehen nun entscheidend, die Meinung der Betroffenen anzuhören und kennenzulernen – deshalb die nun vorgesehene Umfrage. Wir wollen wissen, wie die Akzeptanz eines späteren Schulbeginns bei den Schülerinnen und Schüler, den Eltern und den Lehrkräften ausfällt. Wir wollen die Auswirkungen kennen, welche ein solcher auf die ausserschulischen Aktivitäten wie beispielsweise den Vereinssport, die Tätigkeiten in Musikgesellschaften oder die Jugendarbeit hätte. Auch die Veränderungen für das Familienleben sollen geprüft werden. Und die Betroffenen sollen zudem versuchen einzuschätzen, ob sich bezüglich des Lernverhaltens der Schülerinnen und Schüler Änderungen ergeben würden. Erst nach Auswertung der Ergebnisse der Umfragen und somit nach Kenntnis der Meinung der Betroffenen kann das weitere Vorgehen festgelegt werden. Die Erziehungsdirektion wird dabei die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion gerne unterstützen. Näheres zu den Umfragen und den betrieblichen und organisatorischen Herausforderungen eines späteren Schulbeginns für die Schulen wird Ihnen nun Herr André Lorenzetti, Rektor des Gymnasiums Kirchenfeld, erläutern. 3/3
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