Iustin Römische Weltgeschichte, Lateinisch u. deutsch

EDITION ANTIKE
Herausgegeben von
Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose
IUSTIN
RÖMISCHE WELTGESCHICHTE
Band I
Lateinisch und deutsch
Eingeleitet, übersetzt und kommentiert
von Peter Emberger
unter Mitarbeit von Antonia Jenik
Verantwortlicher Bandherausgeber: Martin Hose
Die EDITION ANTIKE wird gefördert durch den
Wilhelm-Weischedel-Fonds der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft
Wissenschaftliche Redaktion und Schriftleitung:
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Lektorat: Uwe Hermann, Berlin
Satz: COMPUTUS Druck Satz & Verlag, 55595 Gutenberg
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ISBN 978-3-534-18146-9
Gesamtnummer Band I–II
ISBN 978-3-534-23312-0
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:
eBook (PDF): 978-3-534-70737-9
eBook (epub): 978-3-534-70738-6
Inhalt
Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Die literarische Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Zu Sprache, Stil, Handschriften und zur Rezeptionsgeschichte . . . 15
Iustinus / Pompeius Trogus, Weltgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Buch 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Buch 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Buch 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Buch 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Buch 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Buch 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Buch 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Buch 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Buch 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Buch 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Buch 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Buch 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
Buch 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Buch 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
Buch 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Buch 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Buch 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
Zur Textgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Einleitung
Die literarische Gattung
Die historiae Philippicae des Trogus Pompeius aus dem 1. Jh. v. Chr. sind die
einzige Universalgeschichte der Antike in lateinischer Sprache, die ein nicht
christlicher Schriftsteller verfasst hat. Während dieses Werk bis auf Fragmente verloren gegangen ist, blieb die Bearbeitung durch Iustinus in späterer Zeit
nahezu vollständig erhalten.
Hinsichtlich der literarischen Gattung handelt es sich bei dem bearbeiteten
Werk um eine Epitome (ἐπιτομή), eine eher schmucklose Kurzfassung, die Iustinus1 aus den 44 Büchern des Pompeius Trogus angefertigt hat2. Damit setzte
Iustinus einen literarischen Prozess fort, der im 4. Jh. v. Chr. begonnen hatte, als
man herausragende und umfangreiche literarische Werke aus dem Bereich der
Philosophie, Historiographie, Theologie, Medizin oder Grammatik in gekürzter
Form herausgab3. Iustinus hat dabei seine Vorlage ohne größere selbstständige
Textvariationen4 zusammengekürzt; allerdings stellt seine Epitome eher eine
Anthologie5 als eine Zusammenfassung der historiae Philippicae dar. Der Epitomator entschied, das zu übernehmen, was seiner Meinung nach der Kenntnis
wert war, das aber auszulassen, was seinem Leser wohl kein Vergnügen bereiten und auch nicht als Vorbild dienen konnte6. Unter dieser Maßgabe litt notwendigerweise die innere Kohärenz der Epitome, sodass an einigen Stellen
Übergänge fehlen, an anderen durch Verkürzungen inhaltliche Bezüge entstehen, die so von Trogus kaum beabsichtigt waren. Ferner ist bereits Trogus das
Bemühen antiker Schriftsteller anzumerken, ein rhetorisches Kunstwerk vor-
1 S. dazu Augustinus, civ. dei 4,6: Iustinus, qui Graecam vel potius peregrinam Trogum Pompeium secutus non Latine tantum sicut ille, verum etiam breviter scripsit
historiam, und Orosius 1,8,1: Pompeius historicus eiusque breviator Iustinus.
2 Seel, Weltgeschichte 1 und ANRW 1381, vermutet, dass Iustinus das Gesamtwerk
des Trogus auf 1⁄10 gekürzt habe.
3 Brunt, Fragments 487, und Heckel, Justin V, weisen darauf hin, dass auch Trogus
eine Epitome seiner Quellen vorgelegt hat.
4 Manches hat Gültigkeit für Trogus wie für Iustinus, sodass es äußerst schwierig ist,
den genauen schriftstellerischen Anteil des Iustinus zu entscheiden, so z. B. Iust.
20,1,6: multae urbes adhuc… ostentant, dazu Steele, Justinus 24.
5 Alonso-Núñez, History 61, zu Iust. praef. 4: florum corpusculum.
6 Iust. praef. 4.
8
Einleitung
zulegen, dem auch entsprechende Freiheiten zugestanden waren7. Historische
bzw. chronologische Genauigkeit war zweitrangig8. Infolgedessen wurde kaum
unterschieden, von welchem Herrscher konkret die Rede war, wenn ein Ptolemaios oder ein Philippos erwähnt wurde. Zeitangaben oder gar eine synchronisierende Darstellung der unterschiedlichen Jahreszählungen im griechischen
und römischen Raum fehlen nahezu vollständig9, sind willkürlich herausgegriffen oder bleiben ohne Verankerung an Bekanntem10, sodass eine geschichtliche
Einordnung der erwähnten Ereignisse problematisch ist. Hinzu kommt die Verknüpfung historischer Ereignisse mit mythischen Begebenheiten.
In einer Hinsicht jedoch stand das Werk des Trogus der modernen Geschichtsschreibung näher als der antiken Praxis und ihren Idealen. Trogus war sich der
Tatsache bewusst, dass die Stilisierung einer Rede für die agierenden Personen
vor allem aus der Anlage des jeweiligen Schriftstellers erfolgte. Daher lehnte
er eine ausführliche direkte Rede ab11, wobei gerade dieses Prinzip seit Thukydides nicht in Zweifel gezogen worden war12.
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus
Die Herkunft des Iustinus ist nicht eindeutig zu klären; ob er als Rhetoriklehrer im Rahmen einer Gesandtschaft nach Rom kam und dort aus der Kennt-
7 Zur Bedeutung der Rhetorik für die Geschichtsschreibung s. v. a. Quint. 10,1,31:
proxima poetis et quadammodo carmen solutum est et scribitur ad narrandum, non
ad probandum, und Cic. Brut. 42: concessum est rhetoribus ementiri in historiis, ut
aliquid dicere possint argutius. Heckel, Justin 17f., meint daher, Iustinus sei an seinen rhetorischen Fertigkeiten zu messen. Nach Hose, Vergangenheit 12f., erlangt
Geschichte ohnehin nur im Zusammenhang mit Rhetorik Bedeutung. Historische
Kenntnisse seien nur in dem Maß relevant gewesen, wie sie die rhetorische Praxis
benötigt habe, ebd. 15.
8 Für Seel, Universalgeschichte 225, gilt gerade die Durchbrechung eines grammatikalisch korrekten und chronologisch angemessenen Zeitenschemas als „wichtiges
Strukturelement dieser Darstellungskunst“.
9 Die zumeist verwendeten Zeitangaben wie eodem tempore, interea, dum haec aguntur und diu sind höchst schwammig; vgl. Richter, Historiographie 14.
10 Burde, Universalgeschichtsschreibung 113f. Nach Iust. 1,2,13 hat das imperium Assyrii 1300 Jahre gedauert, ohne dass dessen Beginn oder dessen Ende eingeordnet
würde. Gleiches gilt für das Reich der Meder, das 350 Jahre lang die Vorherrschaft
beansprucht habe, 1,6,16f.
11 Auszüge aus Reden bzw. kurzen Ansprachen finden sich durchaus in direkter Rede,
so Iust. 14,4,1–15, und 18,7,10–15.
12 Iust. 38,3,11; s. auch Seel, praefatio 52.
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus
9
nis der Epitome des Florus ein rhetorisches Geschichtswerk schuf, muss reine
Spekulation bleiben13.
Die wichtigsten Nachrichten zu Trogus sind dem Werk selbst zu entnehmen14: Von Vokontiern abstammend15, wurde er etwa in der Mitte des 1. Jhs.
geboren; sein Großvater hatte nach der lex Gellia Cornelia aus dem Jahr 72 das
Bürgerrecht von Pompeius wegen seiner Teilnahme im Krieg gegen Sertorius
(77–72) erhalten. Der Onkel väterlicherseits befehligte eine Reitereinheit im
3. Mithridatischen Krieg (66–63). Offensichtlich wechselte die Familie rechtzeitig vor dem Ausbruch der Spannungen zwischen den Triumvirn auf Caesars
Seite, sodass der Vater die Aufsicht über dessen Schriftverkehr, Gesandtschaften und Siegel (epistularum et legationum, simul et anuli cura) übernehmen
konnte und damit tiefen Einblick in Caesars Pläne gewann16.
Trogus besaß eine umfassende Bildung; er hat die Geschichtswerke von Sallust und Livius benutzt und als Historiker auf die Darstellung alles dessen verzichtet, was Livius bereits beschrieben hatte17.
Umstritten ist die Bedeutung des Titels, den Trogus wohl selber gewählt hat18,
allerdings in Abweichung von der bis dahin geltenden Bedeutung der Gattung
historia. Diese bezeichnete vielmehr ein Werk mit nur zeitgeschichtlichem Inhalt. Weil aber die praefatio auf den Titel nicht eingeht, dürfte er als Bezeichnung einer klar umrissenen Gattung bereits auf ältere Schriftsteller zurückgehen.
So hatten im Bereich der griechischen Geschichtsschreibung bereits im vierten Jahrhundert Theopompos von Chios und Anaximenes aus Lampsakos historíai Philippikaí verfasst. Ihr Fokus lag auf den Leistungen des Makedonenkönigs Philipp II. (362–336). Das Werk des Trogus aber geht zeitlich und räumlich
weit über dieses Thema hinaus: Es beginnt bei der Begründung der Herrschaft
der Assyrer im 13. Jahrhundert und endet mit der völligen Unterwerfung Spaniens unter die römische Herrschaft in augusteischer Zeit.
13 Syme, Justin 369, geht von einem gallischen Ursprung des Namens aus; Steele, Justinus 31, und Heckel, Justin 19, der Iustinus für einen Rhetoriklehrer hält, vermuten
hingegen, er stamme aus Afrika.
14 Iust. 43,5,11f.
15 Alonso-Núñez, History 69, erkennt in Trogus’ Darstellung gallischer Leistungen dessen Patriotismus, so in 12,13,1; 28,2,1–3; 31,5,9; 38,4,7–10. Aber ob im Verhältnis
zum Gesamtwerk diese Erwähnungen den postulierten Patriotismus nachhaltig bestätigen, ist fraglich.
16 Iust. 43,5,12; dazu Seel, Weltgeschichte 89f.
17 Steele 24, Seel, ANRW 1381. Neben den historiae Philippicae hat der vir priscae eloquentiae (praef. 1) auf der Grundlage des Aristoteles ein zehnbändiges Werk de animalibus verfasst. Plin. mai. zieht es mehrfach heran: nat. hist. 7,33; 10,101; 11,229.
274. 276. Zu den insgesamt überlieferten 14 Fragmenten s. Seel, Fragmenta, S. 3–18.
18 Seel, ANRW 1382.
10
Einleitung
Seel glaubt infolgedessen, dass der metaphorisch oder symbolisch verwendete Titel dem heutigen Begriff „hellenistische Geschichte“ entspreche19.
Im Unterschied zur römischen Annalistik steht nicht mehr Rom, sondern
die Geschichte des Mittelmeerraumes im Mittelpunkt. Römische Geschichte
wird erst relevant, sobald sich Rom in die Auseinandersetzung mit den hellenistischen Mächten verstrickt.
Trogus verfasste seine Darstellung bewusst für den nicht griechischsprachigen Raum in lateinischer Sprache20. Weil die römische Geschichte in die historische Entwicklung als lediglich ein Bestandteil eingebettet ist, zielte er nicht
primär auf das stadtrömische Publikum ab, sondern auf das des gesamten westlichen Mittelmeerraumes. Insofern markiert dieses Geschichtswerk einen bedeutenden Einschnitt in der lateinischen Historiographie. Zudem trägt es der
territorialen Entwicklung des imperium Romanum Rechnung und nimmt das
zunehmende Gewicht des außeritalischen Raumes in den Blick.
Bereits die historíai Philippikaí des Theopompos zeichneten sich durch verschiedene Exkurse aus21. Die Prologe verweisen auch bei Trogus darauf, dass
er die Ursprünge von 40 Völkern, Städten, Ländern und Königen ausgeführt
hat. Hinzu kommen fünf geographische Ausführungen, die dem Leser helfen
sollen, Städte, Gebiete und Völker einordnen zu können. Trogus fügte diese
Exkurse zu situs und origines jeweils an den Stellen ein, die sich ihm inhaltlich anboten. Dabei folgte er im Wesentlichen einer Darstellungsreihenfolge
von Ost nach West.
Damit stellt sich die Frage der Veröffentlichung durch Trogus bzw. Iustinus. Weil das zuletzt von Iustinus genannte Ereignis die Auslieferung parthi19 Seel, Weltgeschichte 267, A 132. Konkreter sieht es Urban, Trogus 95: Mit dem Vater Alexanders des Großen habe ein Philipp am Anfang des Hellenismus gestanden
und auch an dessen Ende habe ein Philippos geherrscht: Philippos I. (94–83) und sein
Sohn Philippos II. Philorhomaios (66–63), der aber von Pompeius nicht anerkannt
wurde. Diesen „Symbolwert der Philippoi“ hält er für ausschlaggebend bei der Wahl
des Werktitels. Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb das Werk in den ersten
sechs Büchern nicht auf die makedonische Geschichte eingeht. Tatsächlich steht beginnend mit Buch 7 und abschließend mit Buch 33 die makedonische Geschichte im
Zentrum. Sechs dieser 27 Bücher widmen sich explizit den Leistungen Philipps und
Alexanders des Großen. Burde, Universalgeschichtsschreibung 92, deutet den Titel
als Zusammenfassung der Völker, die mit Rom im Kampf standen oder von ihm unterworfen wurden, was zugleich die Möglichkeit zu kritischen Äußerungen aus deren Munde geboten habe.
20 S. Iust. praef. 4: ut Graeca … nostra lingua legi possent.
21 Derartige Ausführungen sind freilich nicht singulär; bereits Herodot fügte Exkurse
in seine Historien ein. Cato verfasste mit seinen origines ein Werk, das sich bereits
im Titel explizit darauf festlegt, Ursprünge zu verdeutlichen.
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus
11
scher Geiseln an Marcus Titius betrifft22, kann die Veröffentlichung frühestens
zwischen 12 und 9 erfolgt sein23. Sofern die Feststellung, die Römer bezeichneten ihre Herrscher als Caesares und Augusti, von Trogus stammt, setzt dies
den Beginn des Prinzipats unter Tiberius 14 n. Chr. voraus24. Dieser hierdurch
aufgespannte Zeitraum passt in jedem Fall zu den von Iustinus genannten biographischen Angaben.
Schwieriger ist die Datierung des Iustinus25; die Vermutungen reichen vom
zweiten bis zum vierten Jahrhundert26. Sofern die Aussage über die Herrschertitulatur eine Ergänzung des Epitomators ist, kann die Publikation erst nach dem
Herrschaftsantritt Hadrians 117 erfolgt sein27. Das Werks des Trogus in verkürzter Form wiederaufzulegen, muss allerdings im Abwehrkampf gegen die
Parther bzw. die Sasaniden, die 226/7 ein neues persisches Reich gründeten,
für einen erweiterten Leserkreis vor allem im vierten Jahrhundert von Interesse gewesen sein; denn dieses Volk widersetzte sich offensichtlich so nachhaltig
dem römischen Herrschaftsanspruch über die damals bekannte Welt, dass es in
der Epitome als einziges von allen Völkern als gleichrangig anerkannt wird28.
Zudem musste der römische Schriftsteller eingestehen, dass die Parther sogar
22Iust. 42,5,12. Als letztes datierbares Ereignis wird in prol. XLII reges Tocharorum
Asiani interitusque Saraucarum 6 n. Chr. genannt; dazu Alonso-Núñez, History 60.
23 So Burde, Universalgeschichtsschreibung 93.
24Seel, Universalgeschichte 180, 14–30, 269 zu Iust. 41,5,8: sicuti Romani Caesares
Augustosque cognominavere. Das setzt allerdings voraus, dass Trogus die Begrifflichkeit entsprechend ernst genommen hat. Weil die Schlacht im Teutoburger Wald
9 n. Chr. nicht erwähnt wird, hat Trogus nach Alonso-Núñez, World History 61, das
Werk wohl zwischen 2 v. Chr. und 2 n. Chr. verfasst.
25 Geradezu symptomatisch ist, dass auch sein nomen gentile unklar bleibt, das in den
Manuskripten nur im Genitiv als M. Iuniani Iustini genannt wird, sodass Iunianus
oder Iunianius denkbar sind. Syme, Justin 369, bevorzugt Iunianius.
26Galdi, epitoma 108, vermutet die Publikation zwischen 130 und 180, Steele, Justinus 41, 144 oder 145, Seel, Weltgeschichte 346, um 200, so auch Heckel, Justin 1;
Norden, Kunstprosa 300, geht von einen Zeitpunkt ab dem dritten Jahrhundert aus,
Klotz, Epitoma 548, vom vierten Jahrhundert; Syme, Justin 365, schlägt um 390 vor.
27 Heckel, Justin 5, geht davon aus, dass erst unter Antoninus Pius (138–161) diese Titel allgemein akzeptiert worden seien.
2841,1,1: velut divisione orbis cum Romanis facta. Dass Iustinus Parther und Sasaniden
nicht unterscheidet, verwundert nicht: Zum einen war Ardaschir I. (reg. 224–240),
der Gründer des Sasanidenreiches, ein aufständischer Fürst aus dem Süden des Partherreiches, sodass sich keine Notwendigkeit für einen geographischen Exkurs bot;
zum anderen stellte sich dem römischen Reich wiederum ein ethnisch vergleichbarer
Gegner an der Ostgrenze mit weiterhin großem militärischen Potential entgegen. Der
Begriff der Parther war hinreichend etabliert, sodass der Epitomator seine Hauptaufgabe, Denkwürdiges zusammenzustellen und Nebensächliches unberücksichtigt zu
lassen, ohne Namensänderungen fortsetzen konnte.
12
Einleitung
die Römer besiegt hätten; offensichtlich blieb es im günstigsten Fall bei einer
Aufteilung der Welt und der Anerkennung ihres Reiches neben dem der Römer.
Kaum zu datieren sind die Prologe, die Mitteilungen enthalten, die zum Teil
gar nicht von Iustinus ausgeführt werden. Sie muss demnach ein weiterer, nicht
mehr identifizierbarer Epitomator angefertigt haben, als das Werk des Trogus
noch vollständig vorlag29. Sie verdeutlichen leider, dass der überwiegende Teil
des Originalwerks verloren ist, lassen aber wenigstens den universalgeschichtlichen Anspruch des Trogus erkennen.
Gleichwohl ist der Grundgedanke erhalten geblieben, dass eine translatio
imperii, eine Abfolge von Weltreichen, die Hochkulturen des Mittelmeergebietes geprägt hat. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das bereits Herodot
formuliert hat.30
In der lateinischen Literatur hat erstmals Aemilius Sura nach der Schlacht
von Magnesia 190 und vor Ausbruch des 3. Makedonischen Krieges 171 diesen Gedanken aufgegriffen31. Die von ihm aufgezeichnete Abfolge von Weltreichen entspricht derjenigen bei Dionysios von Halikarnassos32 und ist bei
beiden der des Trogus ähnlich: Assyria, Media, Persia, Macedonia, Roma; allerdings kontrastiert Trogus die Römer mit den Parthern. Für Dionysios stellte das römische Reich die Vollendung einer historischen Entwicklung dar, in
deren Verlauf das nachfolgende Weltreich stets das vorangegangene vernichtet hat. Dass es eine Weiterentwicklung dieses teleologischen Modells geben
könnte, steht für ihn nicht zur Diskussion33. Dies gilt auch für Trogus, der sich
gleichfalls keine Kooperation oder Koexistenz mehrerer Reiche nebeneinander vorzustellen vermag34.
29 Die Prologe könnten auch entstanden sein, nachdem Iustinus seine Epitome bereits
fertiggestellt hatte, aber die Weltgeschichte des Trogus noch verfügbar war, Heckel,
Justin 2.
30Herodot geht von den Reichen der Assyrer, Meder und Perser aus, 1,95.130. Ihm
folgt Ktesias in seinen Persiká nach Diodor 2,1–34.
31 Aemilius Sura in seinem Werk de annis populi Romani nach Velleius Paterculus 1,6,6
summa imperii ad populum Romanum pervenit, und zwar in der inzwischen kanonierten Reihenfolge der Reiche von Assyrern, Medern, Persern und Makedonen.
32 Dion. Hal. ant. 1,2,3–3,5 erstellt dieselbe Abfolge, allerdings ohne die Parther.
33Offenbar war das Modell zu seiner Zeit bereits so ausgeprägt, dass er auf genauere zeitliche Einordnungen verzichten konnte: Das medische Reich ging nach seiner Darstellung in der vierten Generation zugrunde, das persische dauerte nicht länger als 200 Jahre, das makedonische endete in der zweiten oder dritten Generation.
Wichtig für ihn war, dass das römische Reich am längsten bestand; deswegen gibt
er auch keine Dauer für das assyrische Reich an, denn das hätte in seiner Dauer das
imperium Romanum übertroffen, Dion. Hal. 1,2,1; 1,3,3.
34 Diese Möglichkeit verwirft Iust. 11,12,15 ausdrücklich in Bezug auf eine Koexistenz
von Persia und Macedonia.
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus
13
Ninos hat das erste Weltreich errichtet bzw. Tukulti-Ninurta I. (1244–1208),
unter dessen Herrschaft und unter dessen gezieltem Bemühen, res gestae zu vollbringen35, Assyrien zur Großmacht aufstieg, die über die Völker des gesamten
Ostens bis nach Indien und Äthiopien geherrscht habe (Iust. 1,1,8). Die Herrschaft der Assyrer habe von Ninos bis zum letzten König Sardanapallos (668–
ca. 631) 1300 Jahre angedauert (1,2,13). Nach seinem Tod sei es zur ersten
translatio imperii gekommen, und zwar zu den Medern (1,3,6). Die Niederlage des Astyages gegen Kyros habe um 550 das Ende der Meder und damit die
zweite translatio herbeigeführt, sodass deren Herrschaft nach 350 Jahren auf
die Perser übergegangen sei (1,6,16). Das persische Reich habe mit dem Sieg
Alexanders über Dareios III. (336–330) geendet (10,3,7); nach der Schlacht
von Gaugamela habe Alexander die Weltherrschaft übernommen (11,14,6–7)36.
Diese translatio hatte deswegen einen besonderen Charakter: Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte sich die Herrschaft von Großreichen auf den Osten beschränkt;
nunmehr aber war das imperium Europae (12,16,5), das Philipp bereits errungen hatte, mit dem imperium Asiae (11,14,6) verbunden, sodass Alexander als
rex terrarum omnium et mundi (12,16,9) in den Besitz eines summum regnum
gelangt sei (11,12,15).
Ein Erdbeben 198 in Rhodos und Kleinasien37 im Jahr vor der Schlacht von
Kynoskephalai war das Vorzeichen für den Niedergang Makedoniens und den
Aufstieg Roms; hier stießen die Mächte aufeinander, die bereits jeweils eine
Hälfte der bekannten Welt beherrschten (30,4,6–14). Doch mit dem Sieg über
die Makedonen war nach Trogus’ Meinung die Schicksalsgöttin noch nicht zufrieden (39,5,3); in weiteren Schlachten, vor allem in Pydna 168, wurde deutlich, dass die Herrschaft der Diadochenreiche zu einem Ende gelangt war. Eine
letzte translatio auf das imperium Romanum war für Trogus ein teleologisches
Faktum, das sich dank der militärischen Erfolge erst gegen die Nachbarn auf
italischem Boden, dann auf der ganzen Welt habe vollziehen müssen (43,3,2).
Entsprechend stellte die Eingliederung Ägyptens 30 einen konsequenten Schritt
dar. Nach der Unterwerfung Spaniens endet das Werk des Trogus mit der Feststellung perdomito orbe (44,5,8). Das ist das Ende der „kinetischen Geschichte, das erreichte Ziel der Universalität“38. Der gleichsam von den Göttern erteil-
35 Damit hat Ninos nach Seel, Universalgeschichte 237, „Geschichte“ erfunden.
36 Dareios III. soll Alexander als obersten Lenker der Welt tituliert haben, 11,15,10. Die
Weltherrschaft soll Alexander bei seiner Geburt vorausgesagt worden sein, 12,16,5.
Die Weltherrschaft sei ein Charakteristikum von Alexanders Reich gewesen, 12,7,4.
3730,4,3f. Wiederum durch ein Erdbeben wird die Herrschaft über Syrien im Voraus
angekündigt, 40,2,1.
38 Seel, ANRW 1414, 1417, Universalgeschichte 256.
14
Einleitung
te Auftrag imperium sine fine dedi; tu regere imperio populos39 scheint erfüllt,
die aurea aetas unter dem Prinzipat des Augustus angebrochen. Die Geschichte
der Welt und die Roms sind damit zur Deckung gekommen; von diesem Zeitpunkt an gab es zwar Gelegenheit zum Blick zurück auf res gestae einzelner
Herrscher oder Völker, aber keine Möglichkeit mehr im Hinblick auf res gerendae40 – zumindest für Trogus konnte dieser Eindruck entstehen.
Spätestens mit dem Beginn der Herrschaft Hadrians, dem Rückzug aus den
von Trajan gegen die Parther eingerichteten Provinzen und den anhaltenden
Auseinandersetzungen an der Ost- und Nordgrenze musste aber deutlich werden, dass trotz aller propagandistischen Verklärung der signa recepta die Parther immer noch ein Machtfaktor waren, der sich nicht ignorieren ließ und der
durch die Sasaniden sogar neu etabliert wurde. Hier bot sich dem Epitomator
die Möglichkeit, seine Leser über die Geschichte sowie die geographische Lage
der Parther zu informieren – und zwar gerade durch die Intensität seiner Kürzungen. Die Widerstandsfähigkeit der Parther passte nicht mehr zum Konzept
der translatio imperii und der Errichtung des imperium Romanum als Ende aller Geschichte. Die Welt war für Iustinus geteilt41. Er nahm nicht Stellung zu
der Frage, ob dies das Wirken der fortuna war oder ob es an der virtus der Römer zu seinen Lebzeiten lag, die sich nicht mehr mit der Leistungsfähigkeit
der Vorfahren messen ließ42.
Dass der Weltgeschichte eine teleologische Abfolge von Weltreichen zugrunde liegen könnte, muss für antike Historiker eine reizvolle Vorstellung gewesen
sein. Alle genannten Konzepte sind stets aus der Rückschau entwickelt worden, als die historische Entwicklung erwiesen zu haben schien, dass ein Volk
dank göttlichen Beistands und aufgrund eigener Tüchtigkeit konkurrierenden
Mächten überlegen war oder deswegen unterging, weil andere, noch stärkere Mächte aufstiegen. Trotzdem zeigt gerade die Auseinandersetzung mit den
Parthern, dass der scheinbar bereits erreichte Endzustand durch aktuelle Entwicklungen revidiert werden konnte.
39 Vergil, Aen. 1,279; 6,851.
40 Seel, Universalgeschichte 284, 305.
41Burde, Universalgeschichtsschreibung 68, weist auf die Abschwächung bei Iust.
41,1,1 durch velut hin. Für Alonso-Núñez, History 65, sind die Parther die moralischen Erben der Perser.
42Bisweilen scheint das Werk Kritik am römischen Imperialismus zu üben, so Alonso-Núñez, History 68, z. B. in 28,2; 29,2,1–7; 31,5,2–9; 38,4–7. Andererseits finden
sich kritische Bemerkungen auch bei annalistischen Geschichtsschreibern (s. z. B.
die Rede des Calgacus bei Tac. Agr. 30,1–32,5), ohne dass sie Roms Herrschaft tief
greifend reformieren wollten. Von Romfeindlichkeit im Denken des Trogus kann keine Rede sein, s. Richter 19.
Zu Sprache, Stil, Handschriften und zur Rezeptionsgeschichte
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Nach dem Werk des Trogus rückten die römischen Autoren zunächst von der
Universalgeschichtsschreibung ab und stellen erneut Rom in den Mittelpunkt.
Erst nachdem die Goten 410 Rom eingenommen hatten, schrieb Orosius wiederum eine Weltgeschichte, die nunmehr vom Geist des Christentums inspiriert war. Die Frage einer Finalität von Geschichte und dem Erreichen eines imperium ultimum erhielt hierdurch einen neuen Anstrich durch den christlichen
Gott als arbiter saeculorum regnorum locorumque omnium43.
Zu Sprache, Stil, Handschriften und zur Rezeptionsgeschichte
Sprache und Stil44 der Epitome tragen Züge, die von Sallust und Tacitus, vor
allem im Hinblick auf die angestrebte brevitas, entlehnt sind. Teilweise werden
fünf, sechs gedanklich getrennte Sachverhalte durch Partizipialkonstruktionen,
Konjunktionen und Subjunktionen zusammengestellt. Häufig weicht gerade in
indirekten Reden die Verwendung des Modus von der Erwartung des Lesers ab,
was sicher bewusste Eigenwilligkeiten des Autors darstellt45.
Die Handschriften, welche die Epitome enthalten, lassen sich in vier Klassen einteilen; sie sind zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert entstanden. Während des Mittelalters ist der Text häufig gelesen worden, sodass mehr als 230
Codices erhalten sind.
Nachweisen lässt sich die Verwendung des Iustinus bei Orosius im 5., Cassiodorus im 6. und Isidorus von Sevilla am Anfang des 7. Jahrhunderts. Im Rahmen der Karolingischen Renaissance wurde die Epitome häufig benutzt, weil
man in ihr gerade die außerrömische Geschichte in großer Kürze zusammengefasst fand. Für die Humanisten stellte sie „das eigentliche Compendium für
die nichtrömische alte Geschichte“46 dar. Erstmals gedruckt wurde das Werk
um 1470 in Venedig und Rom47; weil die Epitome auch als eine Quelle für die
Geschichte Alexanders des Großen herangezogen wurde, finden sich Teile von
43 S. Oros. hist. 7,2,2. 8.
44 Zu den rhetorischen Mitteln Heckel, Justin 18: Iustinus verwende „the whole battery
of rhethorical figures“.
45 S. z. B. Seel, Universalgeschichte 294, 333.
46 Rühl, Justinus 50.
47 Genau festlegen lässt sich der Zeitpunkt des erstmaligen Drucks nicht. Die in Venedig von Jenson gedruckte Ausgabe enthält die Jahresangabe 1470. Das in der Druckerei von Ulrich Hahn in Rom angefertigte Exemplar – auch dies lässt sich nur durch
ein Distichon am Anfang des Werkes in Erfahrung bringen – weist weder eine Ortsnoch eine Jahresangabe auf. Rühl, Justinus 52, führt einen weiteren Druck an, den
er für ähnlich alt hält. Die nächste gesicherte Ausgabe erschien bereits am 26. September 1472 durch Sweynheim und Pannartz im Palazzo Massimi alle colonne.
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Einleitung
ihr in Schulausgaben bis zum 19. Jahrhundert. Insgesamt aber war sie eher ein
Handbuch, auf das Gelehrte zurückgriffen.
Für die häufige Verwendung des Werkes ausschlaggebend war neben der
Sammlung von Exempla die Grundidee der translatio imperii. Gerade im Mittelalter erhielt dieser Gedanke der antiken Historiographie infolge des Machtkampfes zwischen der weltlichen und der geistlichen Gewalt besondere Aktualität, als die Päpste eine kuriale Translationslehre entwickelten, derzufolge durch
den Willen des Nachfolgers Petri das weltliche imperium übertragen wurde48.
48 Goez, Translatio 137–156.