Lungen-Ca in der Schweiz

Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Lungenkrebs-Screening in der Schweiz
29. Ärztekongress Quadrimed, 29.1.2016, Crans-Montana
Prof. Dr.med. Milo Puhan
Direktor EBPI www.ebpi.uzh.ch
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Lungen-Karzinom um 1900 praktisch unbekannt
“Es gibt einen Konsensus, dass primäre maligne Tumore der Lunge zu
den seltensten Tumoren gehören.”
156 nicht
diagnostiziert
7790 Autopsien im
Friedrichshain Spital
711
Karzinome
16 Lungen-Ca
Adler, I. Primary Malignant Growths of the Lungs and Bronchi, London, 1912
Riechelmann, Krebsstatistik vom pathologisch-anatomischen Standpunkt, Berl. Klin. Woch., 1902
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Starker Anstieg in England und USA dokumentiert
England: % lung cancer deaths
Connecticut cancer registry:
among men
Incidence per 1000 men per year:
1.5% (1920)  20% (1947)
White C. Yale Journal of Biology
and Medicine. 1990. 63: 29-46.
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Lungen-Ca in der Schweiz: Häufig und letal
 ≈ 4000 Diagnosen Lungenkrebs pro Jahr
 Mit Abstand häufigste Krebstodesursache
in der Schweiz und weltweit
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Überleben bis 5 Jahre
5-Jahresüberleben
<20% für alle Typen
Bordoni et al. Schweizer Krebsbulletin Nr. 3/2012. S. 240-4
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5-Jahres-Überleben nach
Stadium
Stadium bei Diagnose
60.0%
50.0%
40.0%
30.0%
20.0%
10.0%
0.0%
1
2
3
Lokal Regional Fern
Ausdehnung
Lungen-CA
Krebsregister ZH & Zug,
http://www.krebsregister.usz.ch
4
?
Ausdehnung
Lungen-CA
Surveillance, Epidemiology, and End Results
Program. NCI, http://seer.cancer.gov/
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Hoffnung für Lungenkarzinom-Screening
Erkennbar in asymptom. Stadium
Potentiell kurativ therapierbar
Lokalisiert
Regionale
Metastasen
Stage shift !
Entfernte
Metastasen
Symptombasierte
Screeningbasierte
Diagnose
Diagnose
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Lungen-Ca Screening mit Thorax-Röntgen
senkt Mortalität nicht
 PLCO trial randomisierte154‘901
Vergleich der Lungen-Ca Mortalität
Teilnehmer
 Compliance 79-86% jedes Jahr
 Lungen-Ca Inzidenz
Rate ratio
0.99 (95% 0.87-1.22)
Screening: 20 pro 10‘000 PY
Control: 19 pro 10‘000 PY
Oken et al. JAMA 2011;306:1865-73
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Früherkennung von Lungenkrebs mit
tiefdosiertem CT
Follow-up LDCT
oder diagn. CT
Weitere
Abklärungen
Kein LDCT
Wiederholtes
LDCT
Chir. Biopsie
oder Exzision
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I-ELCAP: Low-dose CT Screening
entdeckt viele Stadium I Lungen-Ca
≈ 5500 (9%) mit
positivem Befund
und „immediate“
work up
535 mit Biopsie
484 (90%) mit Karzinom
412 (85%) mit stage I
I-ELCAP investigators. NEJM 2006; 355:1763-71
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I-ELCAP: Low-dose CT Screening reduziert
vermutlich Lungen-Ca Mortalität
I-ELCAP investigators. NEJM 2006; 355:1763-71
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Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Randomisierte Studien (Stand 2010)
Trial
Lung cancer mortality
in %
Relative
Risk
LDCT screening
beneficial
LDCT
Control
DANTE
1.6%
1.7%
0.94
(Yes)
DLCST
0.7%
0.5%
1.35
(No)
MILD
0.04%
0.07%
1.64
(No)
NLST
NELSON
ITALUNG
LUSI
UKLS
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National Lung Screening Trial (NLST)
 53‘454 Teilnehmer: Alter 55-74, ≥30py, Raucher oder <15 Exraucher)
 3 jährliche Screenings mit multidetector CT (effektive Dosis1.5 mSv)
 “Suspicious”: - noncalcified nodule measuring ≥ 4 mm in any diameter
- adenopathy or effusion could also be classified positive
 Gewisse Richtlinien für Work-up aber nicht verpflichtend
 Hochspezialisierte Zentren
 Teilnehmer jünger, besser gebildet, häufiger ehem. Raucher als Bevölkerung
NLST Research Team NEJM 2011;365:395-409
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National Lung Screening Trial (NLST)
 24%/Jahr positive Befunde (96% falschpositiv)
 Lungen-Ca Inzidenz
LDCT: 65 pro10‘000 PY
CXR: 57 pro 10‘000 PY
 Komplikationen vom diagnostischen work up
LDCT: 1.4% (16 patients died within 60 days)
CXR: 1.6% (10 patients died within 60 days)
RR Lungen-Ca Mortalität 0.80 (95% 0.70-0.92)
Number needed to Screen: 320
RR All cause Mortalität 0.93 (95% 0.86-0.99)
NLST Research Team NEJM 2011;365:395-409
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in anderen Worten
JAMA Patient Page; JAMA 2013;309;18:1948
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Reduktion um 3-4 Sterbefälle durch
Lungenkrebs auf 1000 untersuchte Personen
Ohne Screening: 14/1000
Mit Screening: 10-11/1000
 Reduktion um 3-4 Sterbefälle
durch Lungenkrebs auf 1000
untersuchte Personen
JAMA Patient Page; JAMA 2013;309;18:1948
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Randomisierte Studien (Stand 2010)
Trial
Lung cancer mortality
in %
Relative
Risk
LDCT screening
beneficial
LDCT
Control
NLST
1.3%
1.7%
0.80
Yes
DANTE
1.6%
1.7%
0.94
(Yes)
DLCST
0.7%
0.5%
1.35
(No)
MILD
0.04%
0.07%
1.64
(No)
NELSON
ITALUNG
LUSI
UKLS
Resultate 2016
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Laufende RCTs werden wichtige Info liefern
Heuvelmans et al. J Thorac Imag 2015
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Technologie and Work-up unterschiedlich
& volume based
Heuvelmans et al. J Thorac Imag 2015
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NELSON trial: Volumen-basierte Algorithmus
Nur 3% mit weiterer
Diagnostik
Heuvelmans et al. J Thorac Imag 2015
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Einschätzung von Nutzen und Schäden
Nutzen
Schäden
 Ca-spezifische Mortalität
 Morbidität Ca
 “Erleichterung”
 Tests (Strahlenbelastung,
invasive Tests)
 NW Therapien von “richtig” oder
über-diagnostizierten Ca
 Stigmatisierung oder Ängste bei
positiven Befunden
Gesamt-Mortalität oder QALYs als
Globalparameter
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Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Nutzen-Schaden-Balance kritisch abhängig von
Einschlusskriterien und Durchführung
Umgang mit
positiven Resultaten
Einschlusskriterien
Follow-up LDCT
oder diagn. CT
Weitere
Abklärungen
Information &
Beratung
Kein LDCT
Wiederholtes
LDCT
Chir. Biopsie
oder Exzision
Durchführung Abklärungen
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und Therapien
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Abweichen von NLST-Kriterien derzeit nicht vertretbar
Einschlusskriterien nach
NLST
 55-74 Jahre
 ≥ 30 pack years
 Aktuelle Raucher oder Abstinenz <15 Jahre
 Keine für Op relevanten Komorbiditäten
Kein LDCT
Wiederholtes
LDCT
Tiefere Risiken (zB <30 py, anderer Risikofaktor)
 Keine oder fragliche Wirksamkeit
Höhere Risiken (zB St.n. ORL-CA, Komorbiditäten, Alter)
 Risiken durch Abklärungen und Therapien ↑
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(Unklare) Kriterien der Stiftung für Lungendiagnostik
 ≥20 pack years und ≥50 Jahre
 Nichtraucher mit anderen Risikofaktoren (Passivrauch,
pos. Familienanamnese, Radon, Asbest)
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Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Neutrale und unabhängige Beratung essentiell
 Nicht einzelner Test sondern Sequenz von Tests ± Behandlungen
 Nicht nur Lungen-Ca  z.B. kardiale Befunde
Follow-up LDCT
oder diagn. CT
Weitere
Abklärungen
Information &
Beratung
Kein LDCT
Wiederholtes
LDCT
Chir. Biopsie
oder Exzision
Seite 25
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Spots der Stiftung für
Lungendiagnostik im
Schweizer Fernsehen
Seite 26
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Wichtige Aspekte einer Beratung
 Erklären Sie Screening als definierte Sequenz von Tests und
Behandlungen (nicht ein einzelner Test, sondern alles was folgen kann!)
 Brauchen Sie nur absolute Zahlen und Natürliche Häufigkeiten
(erklärt tiefe Krankheitswahrscheinlichkeiten und Effekte des Screenings)
 Balancierte Information über Vor- und Nachteile essentiell
(brauchen Sie z.B. Decision Aids!)
 Kein Moralismus oder Emotionalisierung
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Decision Aids
www.cancer.dartmouth.edu/lungscreening
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Decision Aids
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Fact Sheet
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Nutzen-Schaden-Balance kritisch abhängig von
Einschlusskriterien und Durchführung
Umgang mit
positiven Resultaten
Einschlusskriterien
Follow-up LDCT
oder diagn. CT
Weitere
Abklärungen
Information &
Beratung
Kein LDCT
Wiederholtes
LDCT
Chir. Biopsie
oder Exzision
Durchführung Abklärungen
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und Therapien
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Sorgfältiger Umgang mit positiven Befunden
Volumenbasierte Einschätzung
Weitere Diagnostik ↓
Follow-up LDCT
oder diagn. CT
Weitere
Abklärungen
Einschätzung Wahrscheinlichkeit
für Lungen-Ca
z.B. Charakt. Noduli, Alter, pack
years, Geschlecht, etc  %
Chir. Biopsie
oder Exzision
N Engl J Med 2013;369:910-9.
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LDCT screening in Switzerland
Before 2011
Hirslanden Zurich mit LDCT screening, ELCAP Mitglied
2011
Publikation von NLST in NEJM
2012
Gründung „Expertengruppe“ von Pneumologen, Epidemiologen,
Radiologen, und Thoraxchirurgen der fünf med. Fakultäten
Symposium in Zurich and draft eines Statement paper
2013
Erste Diskussionen mit BAG
2014
Publikation des Statement papers (Frauenfelder et. al Respiration)
Konsortium erweitert (Lungenliga CH, SUVA)
2015
Fact Sheet (Lungenliga)
Antrag an BAG für Vergütung LDCT + Konsultation
Evtl. ab 2017
Entwicklung und Einführung des LDCT Screening unter strengen
Richtlinien, temporär und mit Register
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Gründe für den Antrag ans BAG
Keine Vergütung
Vergütung durch OKP
Angebote mit guter Qualität möglich,
doch es bestehen Risiken:
 NLST Kriterien für Teilnehmer
 Klar definierte Leistung (Beratung + CT)
 Keine Standards, keine zertif. Zentren  SOPs für Info und Entscheidungshilfen, CTs,
diagn. Kriterien und Work-up,
 Normales CT statt LDCT
Rauchstoppberatung
 Ungleiche Chancen für Zugang
 Zertifizierte Zentren
 Private Institutionen bieten es mehr
an als öffentliche
 Register ein Muss (wie für CMS)
 Schaden > Nutzen
 Kein Register  wenig Grundlage für
Verbesserungen
• Patientenselektion and Inanspruchnahme
• Qualitätskontrolle und -verbesserung
• Variabilität (in and zwischen Zentern)
• Outcomes (Nutzen, Schaden)
• Kosten-Effizienz
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Wichtigste Punkte zum LungenkarzinomScreening in der Schweiz
 Tiefdosiertes CT ist die derzeit einzige Methode, welche zur
Früherkennung von Lungenkarzinomen potentiell geeignet ist.
 Die Balance von Nutzen-Schaden-Kosten hängt entscheidend von
Einschlusskriterien, Information und Qualität eines Programms ab.
 Ein Screeningprogramm sollte nur mit klar definierten Standards, in
dafür qualifizierten Zentren und mit Evaluation stattfinden.
 Ausgewogene Information und bewusste Entscheidungsfindung
zur Teilnahme sehr wichtig. Hausärzte haben eine zentrale Rolle!