Schutz für die Lungen der Kleinsten

Medienmitteilung vom 15. Oktober 2015
Schutz für die Lungen der Kleinsten
In einer der grössten bisher in Europa durchgeführten, randomisierten
neonatologischen Studien konnten Forschende aus neun Ländern die positive
Wirkung von Budesonid auf die Vorbeugung der chronischen
Lungenerkrankung bei Frühgeborenen nachweisen. Die chronische
Lungenerkrankung gehört zu den schwerwiegendsten Erkrankungen
frühgeborener Kinder. Wissenschaftlich geleitet wurde die Studie von Prof. Dr.
Dirk Bassler, Direktor der Klinik für Neonatologie des UniversitätsSpitals
Zürich.
Die Lungen von Kindern, die zu früh auf die Welt kommen, sind sehr empfindlich. Häufig
entwickeln Frühgeborene daher eine chronische Lungenerkrankung, die schwerwiegende
Auswirkungen auf das weitere Leben haben kann. Zu den möglichen Folgen der chronischen
Lungenerkrankung gehören der Tod noch im Säuglingsalter und die Beeinträchtigung der
geistigen und körperlichen Entwicklung, falls die betroffenen Kinder überleben.
Die Ursachen für die chronische Lungenerkrankung, auch «Bronchopulmonale Dysplasie»
genannt, sind vielfältig. «Die Natur hat nicht vorgesehen, dass die Lungen bereits so früh
funktionieren müssen, auch führen häufig Entzündungsvorgänge unterschiedlichster
Ursachen zu einer zusätzlichen Schädigung der Lungen», sagt Prof. Dr. Dirk Bassler, Direktor
der Klinik für Neonatologie des Universitätsspitals Zürich und Erstautor der am 15. Oktober im
New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie.
Die Frühgeborenen sind die Stiefkinder der Pharmaindustrie
Den Ärzten, die sich um Frühgeborene kümmern, stehen nur wenige Medikamente zur
Behandlung der Bronchopulmonalen Dysplasie zur Verfügung. Bis heute gibt es weder in
Europa noch in den USA Medikamente, die für die Vorbeugung oder Behandlung der
Bronchopulmonalen Dysplasie zugelassen sind. Das liegt u.a. daran, dass es sich für die
Pharmaindustrie häufig nicht lohnt, in kostenintensive Studien und Zulassungsverfahren zu
investieren, da die Gruppe der zu früh geborenen Kinder relativ klein ist und keinen
gewinnversprechenden Markt darstellt. Aus diesem Grund kommt den direkt von Ärzten
veranlassten Studien in dieser Patientengruppe eine umso grössere Bedeutung zu.
Manchmal kommen zur Behandlung der Bronchopulmonalen Dysplasie Glukokortikoide zum
Einsatz, die zur Gruppe der Steroidhormone gehören. In einer gross angelegten Studie wurde
nun untersucht, ob die Inhalation von Budesonid, einem entzündungshemmenden
synthetischen Wirkstoff aus der Gruppe der Glukokortikoide, einen Einfluss auf die
Bronchopulmonale Dysplasie und das Überleben von Frühgeborenen hat.
Für die «Neonatal European Study of Inhaled Steroids» (NEUROSIS), wurden 863
Frühgeborene, die vor der 28. Schwangerschaftswoche geboren wurden, in 40
UniversitätsSpital Zürich, Unternehmenskommunikation
Rämistrasse 100, 8091 Zürich, Tel. +41 (0)44 255 86 20, [email protected]
Studienzentren in neun Ländern erfasst. Das macht NEUROSIS zu einer der grössten,
jemals in Europa initiierten, randomisierten Studien bei Frühgeborenen. Wissenschaftlich
geleitet wurde die Studie von Dirk Bassler aus Zürich (ursprünglich Tübingen) und koordiniert
von Prof. Dr. Christian Poets, Direktor der Abteilung für Neonatologie der
Universitätskinderklinik in Tübingen, Deutschland. Finanziert wurde NEUROSIS durch
Fördergelder der Europäischen Union im 7. Forschungsrahmenprogramm. «Ohne die
Unterstützung von vielen Familien, engagierten Ärzten und Wissenschaftlern in Europa und
in Israel wäre die Studie allerdings nicht möglich gewesen», so Bassler und Poets.
Weniger Lungenerkrankungen und weniger künstliche Beatmung nötig
Die Ergebnisse zeigen klar und zum ersten Mal, dass die Inhalation von Budesonid die
Brochopulmonale Dysplasie bei Frühgeborenen statistisch signifikant reduziert. Dem steht
gegenüber, dass die absolute Zahl der im Studienzeitraum verstorbenen Kinder in der
Behandlungsgruppe höher war als in der Placebogruppe. Dieser Unterschied ist nicht
statistisch signifikant. Das bedeutet, dass es sich dabei um ein zufälliges Ergebnis handeln
kann, das nichts mit der Inhalationstherapie zu tun hat, wie im New England Journal of
Medicine nachzulesen ist. In der Gruppe der Kinder, die mit Budesonid behandelt wurden,
war weiterhin die Notwendigkeit der künstlichen Beatmung nach Absetzen der
Studienmedikation signifikant geringer. Das gleiche gilt für die Notwendigkeit eines operativen
Verschlusses einer Blutgefässverbindung zwischen Hauptschlagader und Lungenarterie.
Nebenwirkungen traten in der Behandlungs- und der Placebo-Gruppe gleich häufig auf.
Die Ergebnisse der Studie bedeuten einen wichtigen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, da der
Einsatz von inhalativen Glukokortikoiden auf neonatologischen Stationen in Europa und den
USA weit verbreitet ist, vor der Veröffentlichung der NEUROSIS-Ergebnisse aber wenig über
Vorteile und Risiken dieser Behandlung bekannt war.
Ob sich die Verabreichung von Budesonid per Inhalation zur Vorbeugung der chronischen
Lungenerkrankung von Frühgeborenen in der klinischen Praxis durchsetzen wird, hängt jetzt
vor allem von den Langzeitergebnissen der Studie ab. Das NEUROSIS-Studienprotokoll sieht
vor, dass die Frühgeborenen im Alter von 18-22 Monaten nachuntersucht werden.
Publikation:
Dirk Bassler, M.D., Richard Plavka, M.D., Ph.D., Eric S. Shinwell, M.D., Mikko Hallmann,
M.D., Ph.D., Pierre-Henri Jarreau, M.D., Ph.D., Virgilio Carnielli, M.D., Johannes N. Van den
Anker, M.D., Ph.D., Christoph Meisner, Ph.D., Corinna Engel, Ph.D., Matthias Schwab, M.D.,
Henry L. Halliday, M.D., and Christian F. Poets, M.D., for the NEUROSIS Trial Group.
Early Inhaled Budesonide for the Prevention of Bronchopulmonary Dysplasia, New England
Journal of Medicine, 373;16, 1497-1506.
www.nejm.org
Ansprechpartner für Fragen:
Prof. Dr. Dirk Bassler, MSc
Direktor der Klinik für Neonatologie, UniversitätsSpital Zürich, [email protected]
Tel.: +41 44 255 86 20 (Unternehmenskommunikation)
UniversitätsSpital Zürich, Unternehmenskommunikation
Rämistrasse 100, 8091 Zürich, Tel. +41 (0)44 255 86 20, [email protected]
2