5. Die zweieinhalb Makrosoziologien 5.1. Strukturelle Soziologie Vor allem Peter Blau und Richard Emerson (Æ Network Exchange Theory) haben die Austauschtheorie weiterentwickelt, indem sie die Bedeutung sozialer Strukturen berücksichtigen. Beispiel: Peter Blau (1977; 1984): Crosscutting Social Circles Die Grundidee hierzu stammt von Georg Simmel (Die Kreuzung sozialer Kreise, Kapitel 6 in Soziologie [1908]): In vormodernen Gesellschaften gibt es eine Koinzidenz zahlreicher Gruppenzugehörigkeiten (soziale Kreise), in modernen Gesellschaften teilen Menschen meist nur wenige Gruppenzugehörigkeiten (Kreuzung sozialer Kreise). Grundbegriffe: Konzentrische und sich überkreuzende Kreise Die Bevölkerungsstruktur (Sozialer Raum) kann definiert werden als Verteilung von Personen über Positionen in multiplen Dimensionen. Die Stärke Dimensionen der kann Differenzierung durch entlang strukturelle dieser Parameter beschrieben werden: Nominale Parameter --- Heterogenität Graduelle Parameter --- Ungleichheit Grundannahmen der Theorie A-1 Die Entstehung von Beziehungen hängt von den Gelegenheiten für Kontakte ab A-2 Menschen ziehen Beziehungen zu ähnlichen Personen vor (Nähe im sozialen Raum). Æ Strukturelle Parameter prägen soziale Strukturen unabhängig von Intentionen und Handeln der Akteure. Theoreme über Intergruppenbeziehungen T-1 Die Gruppengröße hindert Intergruppen- beziehungen. T-2 Heterogenität fördert Intergruppenbeziehungen. T-3 Ungleichheit fördert Intergruppenbeziehungen. T-4 Mobilität fördert Intergruppenbeziehungen. T-5 Überkreuzung fördert Intergruppenbeziehungen. 5.2. Ungleichheit, Macht und Konflikt 1. Grundannahmen einer konflikttheoretischen Analyse der Gesellschaft • Gesellschaftliche Strukturen sind durch soziale Ungleichheit und Herrschaft charakterisiert. • Soziale Akteure haben - strukturbasierte - gegensätzliche Interessen. • Die - strukturbasierte - Verteilung von Machtressourcen in einer Gesellschaft bestimmt die Konfliktfähigkeit von Akteuren. • Sozialer Konflikt ist die wichtigste Quelle von sozialem Wandel (Institutionen). • Gesellschaften sind keine normativ integrierten sozialen Systeme, sondern überlappende Netzwerke von Organisationen, Institutionen und Netzwerken. Æ diese zahlreichen Grundideen finden sich soziologischen Theorierichtungen: (partiell)bei Autoren Marxismus, und Weberianische Soziologie, Elias, Dahrendorf, Historisch-vergleichende Soziologie, Collins, Giddens, Bourdieu 2. Ein Beispiel für eine konflikttheoretische Analyse der Gesellschaft: Die Machtressourcentheorie Wichtigste Vertreter: Walter Korpi, Gösta EspingAndersen, John D. Stephens • Rationale Akteure werden ihre Machtressourcen nicht immer einsetzen und nicht immer ihre Interessen verfolgen, sondern Gehorsam üben andere und vorauseilenden Strategien der Konfliktvermeidung nutzen. • Akteure werden vor allem bei einer relativ ausgeglichenen Machtbalance in soziale Konflikte eintreten • Ein Umweg: um die Kosten der Mobilisierung und Anwendung von Machtressourcen zu verringern können Machtressourcen auch in die Bildung von Institutionen (Organisationen) investiert werden. • Institutionen beeinflussen auch häufig die Bildung von Interessen in sozialen Gruppen. • Auf makrosoziologischer Ebene beschäftigt sich die Machtressourcentheorie kapitalistischen vor allem Grundstruktur mit der gegenwärtiger Gesellschaften. • Hier besteht eine grundsätzliche Machtasymmetrie zwischen Kapital und Arbeit, diese kann aber sowohl im internationalen Vergleich, wie auch im Zeitverlauf variieren. (gegen Pluralismus und Korporatismus) Æ keine Logik der Industriegesellschaft • Verfügung und Kontrolle über Produktionsmittel sind wichtigere Machtressourcen als Humankapital - letzteres ist abhängig von kollektivem Handeln • Die jeweilige Machtbalance zwischen Arbeit und Kapital hat Einfluss auf die soziale Ungleichheit in Gesellschaften, das Bewusstsein der Bürger, das Ausmaß von sozialem Konflikt und auf die Struktur sozialer Institutionen. • Diese Hypothesen konnten in einer Reihe von Studien bestätigt werden (internationale Vergleich zu Streiks, Armut, Einkommensverteilung, Wohlfahrtsstaat, Demokratie). • Zentrale Probleme der Machtressourcentheorie: (1) nichtökonomische Konfliktlinien werden in ihrer Bedeutung ausgeblendet, (2) Soziale Determinanten von Mobilisierungsprozessen werden nicht systematisch untersucht (Herstellung öffentlicher Güter). 5.3. Funktionale Differenzierung Ausgangspunkte: Talcott Parsons und die Systemtheorie Edmund Husserl und die Phänomenologie Grundkonzepte der Systemtheorie von Niklas Luhmann: 1. Funktionalismus: Strukturfunktionalismus Umstellung zu von funktional-struktureller Theorie. Æ Reduktion von Komplexität 2. Soziale Systeme basieren auf Sinn (Abgrenzung zu physikalischen und biologischen Systemen): Nichtselektierte Möglichkeiten werden potentialisiert 3. Die Elemente von sozialen Systemen sind Kommunikationen, die Elemente von psychischen Systemen Gedanken. 4. Kommunikationen bestehen aus drei Selektionen: Information, Mitteilung und Verstehen. 5. Systeme reproduzieren sich durch die Produktion ihrer jeweiligen Selbstreferenz. Elemente Æ Autopoiesis und 6. Systeme können sich auf ihre Umwelt nur auf der Grundlage ihrer eigenen Operationen beziehen Æ Ökologische Problematik. Soziale Systeme: 1. Typen Interaktion: Anwesenheit, Wechselseitigkeit, Themen Organisation: Mitgliedschaft, Entscheidungen Gesellschaft: Alle Kommunikationen Æ Weltgesellschaft 2. Differenzierungsformen Segmentär Zentrum/Peripherie Hierarchisch/Stratifikation Funktionale (globale) orientieren Differenzierung: Subsysteme sich an der Ausdifferenzierte modernen binären Codes Gesellschaft und den dazugehörigen Programmen. Æ keine hierarchische Ordnung, Operation nach eigener Logik Wie weiter mit der Differenzierungstheorie? 1) Theoretische Grundannahmen (Neofunktionalisten) a) Differenzierung basiert auf differenzierten Prozessen b) Akteure mit ihren jeweiligen Machtressourcen und Interessen strukturieren die Differenzierungsprozesse c) Differenzierung führt nicht zwangsläufig zu Leistungssteigerung und sozialer Integration 2) Konzepte der Gesellschaftsbeschreibung (MPI Köln) a) Teilsystemische Orientierungshorizonte (Sinn, Kultur) b) Institutionelle Ordnungen c) Akteurskonstellationen
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