NPD nutzt kommunale Mandate zur Mobilisierung gegen Flüchtlinge

NPD nutzt kommunale Mandate zur Mobilisierung gegen Flüchtlinge
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NPD nutzt kommunale Mandate zur Mobilisierung gegen Flüchtlinge
Bericht: Arndt Ginzel, Sebastian Pittelkow, Julia Cruschwitz
Endlich ein bisschen Sicherheit. Die meisten wissen nicht einmal, dass sie in Meißen
gelandet sind. Das vorläufige Ende einer langen Flucht.
Seit Tagen auch immer wieder vor dem Heim Martin Oehmichen – Grünen-Abgeordneter
im Meißner Kreistag.
Martin Oehmichen:
Ist schon gerade eben hier die ersten Helfer versorgt, die sich gestern gemeldet hatten:
medizinische Erstbetreuung. Und das läuft, na ja… Mal gucken, wie das wird.
Was ihm auch Sorgen bereitet. Auf Facebook-Seiten mobilisieren so genannte
„Heimatschützer“ gegen die neue Flüchtlingsunterkunft.
Die Angst ist nicht unberechtigt. Schon einmal hat es in Meißen gebrannt – Im Juni, nur
wenige Tage vor dem Einzug der Flüchtlinge. Kurz zuvor veröffentlichte die Initiative
Heimatschutz Kreistagsdokumente mit Adressen neuer Unterkünfte. Im Meißner Kreistag
sitzt auch die NPD.
Martin Oehmichen:
Das ist natürlich jetzt naheliegend, dass sie das von Kreisräten oder Stadträten erhalten
haben, die dem Thema Asyl sehr kritisch eingestellt sind. Die dort auch Stimmungsmache
betreiben. Für mich ist hier auch naheliegend, dass beispielsweise auch NPD-Kreisräte das
durchstechen.
Zwar sitzt die NPD nicht mehr im sächsischen Landtag, hat aber nach wie vor viele
Mandate in Kreistagen und Stadträten. Damit hat die Partei Zugang zu wertvollen internen
Informationen, sagt Prof. Roland Roth.
Roland Roth, Hochschule-Magdeburg-Stendal:
Dass ist schon für sie ein Ort des Abgreifens von Informationen für die eigene Szene, um ihre
Themen hier stark zu machen und entsprechend zu mobilisieren.
Unterwegs im Landkreis Bautzen. Anwohnerversammlung – In Döberkitz soll eine neue
Flüchtlingsunterkunft entstehen - Der Kreis informiert.
Beigeordneter:
Das sind also aus meiner Sicht die Situation und … Da kommen wir mal ins Gespräch.
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Das Gesprächsangebot kommt für die meisten hier zu spät. Sie wurden schon lange vor
dieser Veranstaltung vor Ort von Kameraden aus dem NPD-Umfeld in Kenntnis gesetzt.
Für Kreisrat Swen Scheidemantel handeln die Rechtsradikalen nach einem Muster, er
kennt viele Fälle.
Swen Scheidemantel:
Die NPD geht quasi von Haus zu Haus, von Tür zu Tür spricht mit den Menschen, gibt sich
ein Kümmererimage und ist de facto nah bei den Bürgern, so wird der Eindruck vermittelt
und soll auch strategisch so vermittelt werden in all diesen Nummern. De fakto tragen sie
eigentlich zur Gewalt bei, das sind Brandstifter.
Im selben Landkreis, rund eine halbe Stunde Autofahrt entfernt liegt Großröhrsdorf:
Flüchtlinge sind hier in einer Turnhalle untergebracht. Einwohner zeigen Verbundenheit.
Denn an Abend werden wieder die Asylgegner erwartet.
Demo:
Schließt Euch uns an …
Unter den selbsternannten „besorgten Bürgern“, einschlägig bekannte Rechtsextremisten.
Auch NPD-Kreisrat Jürgen Kötzing ist dabei – hier im gelben Hemd. Als sich im Herbst 2014
in einem Forum die Protestbewegung formiert, wird nach Unterstützern gefragt.
NPD-Mann Kötzing erklärt sich bereit zu helfen:
Zitat: „Dein Hilferuf ist hier angekommen. Die Hilfe steht auch bereit.“
Sprecher: Wegen Äußerungen auf einer Antiasylkundgebung hat die Staatsanwaltschaft
ein Verfahren wegen des Verdachts auf Volksverhetzung eingeleitet. Wir fragen nach.
Man will im Hintergrund bleiben – aus strategischen Gründen. Fakt liegt die
Materialsammlung des aktuellen NPD-Verbotsverfahrens vor. Laut Verfassungsschutz
tarne sich die Partei häufig als Bürgerinitiative gegen Asylbewerber.
Roland Roth, Hochschule-Magdeburg-Stendal:
Wir bekommen im Augenblick die Rechnung für eine längerfristige Strategie der NPD, die
aufgegangen ist, sich lokal zu verankern mit protestbereiten Kadern, die in der Lage sind,
Unbehagen in der Bevölkerung aufzugreifen.
Die Spur der NPD-Kameraden führt auch nach Heidenau. Diese Aufnahmen stehen
inzwischen deutschlandweit symbolhaft für Fremdenhass. Zwei Nächte lang wüten
Rechtsextremisten vor einer Asylunterkunft.
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Ausgangspunkt der Gewaltexzesse waren Demonstrationen – angemeldet von einem NPDStadtrat. Sein Name Rico Rentzsch. Verurteilt wegen gefährlicher Körperverletzung. Wir
treffen ihn vor seiner Haustür, wollen wissen, warum er gegen die Asylbewerber
mobilisiert hat.
Rico Rentzsch:
Weil die Leute wieder vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Das ist mit ein Grund dafür,
dass wir die Demonstration angemeldet haben. Das ist richtig!
Stadtrat Rico Rentzsch meldete die erste Kundgebung an, einen Tag nachdem im Rat über
die neue Notunterkunft informiert wurde. Offenbar hat auch hier die NPD interne
Planungen gezielt genutzt, um zu mobilisieren.
Zurück im Landkreis Meißen - in Gröditz. 2012 machte die NPD mit internen
Kreistagsinformationen Stimmung gegen ein geplantes Flüchtlingsheim. Damals war
Bürgermeister Jochen Reinicke ahnungslos, wurde von der Protestwelle regelrecht
überrollt. Heute hat er eine Strategie gegen die NPD gefunden. Diese Wohnungen sind
noch leer. Er hat sie vorsorglich für Flüchtlinge angemietet; die Anwohner sind längst im
Bilde.
Bürgermeister Jochen Reinicke:
Unser Ansinnen ist es jetzt nach drei Asyl in Gröditz, dass Dinge, die irgendwo beraten
werden nicht durchgestochen werden können, sondern dass wir dafür Sorge tragen, dass im
Vorfeld die Bevölkerung, soweit sie es interessiert, soweit sie es wissen müssen informieren
und mit ihnen reden.
In Meißen ist es spät geworden, noch immer warten viele Flüchtlinge auf ihren Platz im
Heim. Immerhin von Protesten bleiben sie in dieser Nacht verschont.
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