Öffentliche Beschäftigung - Bundesvereinigung der Deutschen

kompakt
Öffentlich geförderte
Beschäftigung
Breit angelegte, teure öffentliche Beschäftigungsprogramme leisten keinen Beitrag zur nachhaltigen Integration von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Sie sind in der Regel
sogar kontraproduktiv.
Beschäftigungsprogramme als Sackgasse
Öffentliche Beschäftigung nur als Ausnahme
Arbeitslosigkeit wird durch öffentliche Beschäftigungsprogramme nicht verringert, sondern oft sogar verfestigt.
Dies haben die langjährigen Erfahrungen mit den erst 2011
endgültig eingestellten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
(ABM) gezeigt. Gerade für Geringqualifizierte sind öffentliche Beschäftigungsmaßnahmen oft attraktiver als einfache
Tätigkeiten am ersten Arbeitsmarkt, die entsprechend der
niedrigen Produktivität entlohnt werden. Diese Fehlanreize
werden durch eine tarifliche oder ortsübliche „Entlohnung“
öffentlicher Beschäftigung und eine Ausgestaltung als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis verschärft.
Arbeitslosen wird so fatalerweise suggeriert, einer regulären Beschäftigung nachzugehen. Folge ist oft, dass nicht
mehr aktiv nach einer Stelle gesucht wird und die Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt immer
unwahrscheinlicher wird („Lock-in-Effekt“). Um Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten eine Perspektive zu
geben, müssen stattdessen alle Kräfte auf eine umfassende Vermittlungs-, Qualifizierungs- und Betreuungsoffensive
konzentriert werden. Die schnelle Vermittlung in den ersten
Arbeitsmarkt muss jederzeit Vorrang vor öffentlicher Beschäftigung haben.
Nur solange die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt noch
nicht möglich ist, kann der Einsatz zeitlich befristeter öffent­
licher Arbeitsgelegenheiten im Einzelfall sinnvoll sein: zur Prüfung
von Arbeitsbereitschaft, als streng
subsidiäre Gelegenheit zu sinn- Wegen des Risikos teurer
voller Betätigung im Interesse der Mitnahme- und kontraproAllgemeinheit und zur Stärkung des duktiver VerdrängungsBewusstseins, dass für die Unter- effekte muss öffentliche
stützung durch die Solidargemein- Beschäftigung grundsätzschaft stets eine Gegenleistung zu lich so kurz wie möglich
erbringen ist. Hierüber muss nach eingesetzt werden.
Öffentliche Beschäftigung auf das vertret­
bare Minimum beschränken
Einsatz öffentlich geförderter Beschäftigung
geht erfreulicherweise zurück
Bereits die Erfahrungen in den 1990er Jahren haben gezeigt:
Statt weniger gibt es mehr Arbeitslose, wenn Milliardenbeträge von Steuer- oder Beitragszahlern verschwendet, Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt durch künstliche Beschäftigungsverhältnisse verdrängt, Anreize zur Arbeitsaufnahme
abgebaut und Menschen vom ersten Arbeitsmarkt weggeführt werden. Erfreulicherweise hat die Bundesregierung
dem geringen Nutzen öffentlicher Beschäftigung nun endlich
zumindest teilweise Rechnung getragen und seit dem Jahr
2010 begonnen, deren Einsatz zurückzufahren. Allein die Zahl
der Arbeitsgelegenheiten nach § 16 d SGB II ist von 2010 bis
2013 um 64 % gesunken (von 306.000 auf 111.000), die nach
§ 16 e SGB II geförderten Arbeitsplätze (bis März 2012 sog.
Beschäftigungszuschuss) gar um 85 % (von 35.000 auf 5.300;
BA, 2014). Diese richtige Richtung muss beibehalten werden.
Jahresdurchschnittlicher Teilnehmerbestand
(ohne Kommunal-Kombi)
Ausschöpfen aller anderen Möglichkeiten auf Basis eines konsequenten Profilings entschieden werden. Wegen des Risikos
teurer Mitnahme- und kontraproduktiver Verdrängungseffekte muss öffentliche Beschäftigung grundsätzlich so kurz
wie möglich eingesetzt werden.
in Tausend
400
350
300
250
200
150
100
50
0
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Beschäftigungszuschuss /
Förderung nach § 16e SGB II
Bürgerarbeit (Beschäftigungsphase)
Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM)
ABM
Arbeitsgelegenheiten
Quelle: BA, 2014
kompakt Öffentliche Beschäftigung 
Ein-Euro-Jobs nur in engen Grenzen sinnvoll
Begleitendes Coaching erproben
Diesen Anforderungen genügen Arbeitsgelegenheiten für
Arbeitslosengeld-II-Bezieher nach § 16 d SGB II (die sog. EinEuro-Jobs), die im Rahmen einer konsistenten Strategie des
Fördern und Forderns in begrenztem Umfang einen Beitrag
zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft von Langzeitarbeitslosen und zur Heranführung an Beschäftigung leisten
können. Die gesetzlichen Voraussetzungen der „Zusätzlichkeit“, des „öffentlichen Interesses“ und der „Wettbewerbsneutralität“ müssen aber strikt eingehalten werden. Der
Einsatz der Arbeitsgelegenheiten muss an die verpflichtende
Beteiligung der lokalen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter in Form eines Vetorechts gebunden werden.
Das Modellprojekt „Perspektiven in Betrieben“ der Bundesagentur für Arbeit ist ein grundsätzlich richtiger Ansatz: Geringqualifizierte, die multiple Hemmnisse aufweisen und seit
über fünf Jahren arbeitslos sind, werden durch degressiv
ausgestaltete Lohnkostenzuschüsse sowie begleitende Maßnahmen zur Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses
gefördert. Denn Menschen nach langen Phasen von Arbeitslosigkeit benötigen sowohl vor als auch nach Aufnahme der
Erwerbstätigkeit tiefergehende Unterstützung durch Fachleute. Deswegen ist es zu begrüßen, dass im Rahmen des
neuen ESF-Programms für Langzeitarbeitslose ein begleitendes Coaching erprobt wird. Das ESF-Programm für Langzeitarbeitslose kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn
die Teilnehmer bei privaten Arbeitgebern auf dem ersten Arbeitsmarkt dauerhaft beschäftigt werden. Von entscheidender Bedeutung ist daher, dass die Arbeitgeber in die Planung
der Umsetzung eng einbezogen werden, damit das Programm
praktikabel ausgestaltet ist und die Teilnahme am Programm
nicht zu einem für die Arbeitgeber unverhältnismäßigen Aufwand führt.
Maßnahmen zeitlich begrenzen
Es muss verhindert werden, dass durch länger- oder unbefristete Beschäftigungsprogramme neue Wege in die Frühverrentung eröffnet werden. Nur wenn ein Arbeitsloser trotz
intensiver Bemühungen noch keine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt gefunden hat, kann als Ultima Ratio im Einzelfall unter
strikter Einhaltung der genannten Grundsätze eine längere
Maßnahmendauer vertretbar sein. Bei Jugendlichen unter
25 Jahren muss eine Teilnahme an längerfristigen öffentlichen Beschäftigungsprogrammen aber grundsätzlich ausgeschlossen sein.
Publikationen und Ansprechpartner 
Langzeitarbeitslosigkeit gezielt bekämpfen
Stellungnahme der BDA zur Unterrichtung durch das Bundesarbeitsministerium A-Drs. 18(11)234, zum Antrag der
Fraktion Die Linke BT-Drs. 18/3146, zum Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen BT-Drs. 18/3918, Mai 2015
15 Punkte zur Senkung der Langzeitarbeitslosigkeit,
April 2015
Die Grundsicherung effizienter und erfolgreicher gestalten
Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion Die Linke,
BT-Drs. 18/3549 sowie BT-Drs. 18/1115, und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/1963, Juni 2015
BDA | DIE ARBEITGEBER
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Erster Arbeitsmarkt statt „Sozialer Arbeitsmarkt“ –
­Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarktes“, zum Antrag „So­zialen
Arbeitsmarkt dauerhaft über Passiv-Aktiv-Transfer ermöglichen…“ und zum Antrag „Einstieg in gute öffentlich geförderte Beschäftigung beginnen“, April 2013
kompakt:
ƒƒ Arbeitslosengeld II
Arbeitsmarkt
T +49 30 2033-1400
[email protected]
Die jeweils neueste Ausgabe und weitere Hinweise
zu diesem Thema finden Sie unter
www.arbeitgeber.de
 August 2015