Umwelt-Enzyklika von Papst FranziskusVom Paradies zur Müllhalde

Umwelt-Enzyklika von Papst FranziskusVom
Paradies zur Müllhalde
Stand: 18.06.2015 13:52 Uhr
Der Papst hat in seiner ersten eigenen Enzyklika Umweltzerstörung, Klimawandel und
Konsumrausch angeprangert. Franziskus sieht vor allem reiche Länder in der Pflicht, ihren
Lebensstil zu verändern. Wissenschaftler lobten ihn für die klaren Worte.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Dieser Text ist ein 220 Seiten langer Appell: "Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die
Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten", schreibt Franziskus am Anfang
seiner Umwelt-Enzyklika. Ein Aufruf, der sich nicht nur an die Mächtigen und Wichtigen richte,
sondern an Jedermann, sagt Pater Bernd Hagenkord von Radio Vatikan: "Der Papst sieht mit Blick
auf die Schöpfung, dass sehr viel schief läuft und dass sich was ändern muss, damit wir unseren
Planeten wieder bewohnbar machen. Ich würde das mit dem Papst die 'ökologische Umkehr' nennen.
Da dreht sich viel drum, dass wir unser Leben ändern müssen.
Enzyklika von Papst Franziskus in deutscher Sprache
| vatikan
Konkrete Empfehlungen für den Umweltschutz
An manchen Stellen wird der Papst konkret: In den Städten würden zu viele Autos mit nur einem
oder zwei Passagieren fahren. Durch Boykott gewisser Produkte könne man auf
Unternehmenspolitik einwirken. Man könne Bäume pflanzen, unnötige Lampen ausschalten.
Umweltschutz ganz praktisch - eine Frage des Lebensstils. "Wir wissen", so der Papst, "dass der
größte Teil der globalen Erwärmung der letzten Jahrzehnte auf die starke Konzentration von
Treibhausgasen zurückzuführen ist, die vor allem aufgrund des menschlichen Handelns ausgestoßen
werden."
Bei konservativen Katholiken in den USA wird dieses Statement nicht gern gehört werden. Die
Wissenschaft hat der Papst auf seiner Seite. Der Leiter des Potsdamer Instituts für
Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, hat die Enzyklika heute in Rom vorgestellt. Für
ihn ist sie ein Beispiel dafür, dass Glaube und Vernunft, Moral und Wissenschaft keine Gegensätze
sind: "In der Enzyklika werden diese beiden Welten zusammengebracht. Und sie widersprechen
sich nicht, sie können nur zusammen der Komplexität der Schöpfung gerecht werden."
Papst Franziskus macht vor allem deutlich, wie weit sich die Erde von ihrem paradiesischen
Urzustand entfernt hat. "Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche
Mülldeponie zu verwandeln", schreibt der Papst. Und zum Stichwort Artensterben fragt er: "Wer hat
die wunderbare Meereswelt in leb- und farblose Unterwasser-Friedhöfe verwandelt?" Eine
rhetorische Frage. Menschen verschandeln und verseuchen die Natur.
Wer ist für den Klimawandel verantwortlich?
Papst Franziskus lehnt es allerdings ab, das rasante Bevölkerungswachstum als Ursache für den
Klimawandel verantwortlich zu machen. Ein heißes Eisen für die katholische Kirche, die jede Form
der künstlichen Empfängnisverhütung ablehnt. "Die Schuld dem Bevölkerungszuwachs und nicht
dem extremen und selektiven Konsumverhalten einiger anzulasten, ist eine Art, sich den Problemen
nicht zu stellen", schreibt Franziskus.
Ein gewisses Maß an Unterstützung erhält Franziskus darin vom Wissenschaftler Schellnhuber:
"Gerade zu Klimaproblemen kann ich ganz klar sagen: Es sind nicht die armen Massen, die das
Klima verändern. Es ist der Konsum der Reichen. Die ärmste Milliarde der Menschen trägt praktisch
nichts zum Klimawandel bei."
Die Ärmsten sind nicht schuld am Klimawandel
Die Ärmsten bekommen allerdings die Folgen des Klimawandels zu spüren. Franziskus spricht von
"ökologischer Schuld". Die Erwärmung der Erde, die durch den "enormen Konsum einiger reicher
Länder" verursacht werde, habe Auswirkungen in den ärmsten Zonen der Erde. Mit den bekannten
Folgen: Dürre, Hunger, Flucht. Dem Stöhnen der Erde, schließe sich "das Stöhnen der Verlassenen
der Welt" an.
Pater Hagenkord lobt den Ansatz von Franziskus: "Natürlich steigt der Papst über die
Umweltthematik ein. Aber letztlich ist es eine Frage, bei der es um Armut und Gerechtigkeit geht,
um die künftigen Generationen, um die Art und Weise, wie wir mit uns selber umgehen.
Theologisch würde man von einer Sozialenzyklika sprechen, die den großen Bogen schlägt. Weil
der Papst sagt, man kann die Dinge nicht voneinander getrennt behandeln."
Der Papst beschert damit der Debatte um Klimawandel und Umweltschutz einen Perspektivwechsel.
Vor allem die Menschen im Norden, in den Industriestaaten sieht er in der Pflicht. Niemand
verlange "in die Zeit der Höhlenmenschen zurückzukehren". Es sei aber unerlässlich, einen Gang
zurückzuschalten.