Der Rechtsweg als Sackgasse?

Einladung zur Vortrags- und Diskussionsveranstaltung
zum Internationalen Tag der Menschenrechte
Der Rechtsweg als Sackgasse?
Menschenrechtsverletzungen im staatlichen
Auftrag und ihre juristische Aufarbeitung
am 10. Dezember 2015
von 19.00 bis 21.00 Uhr
DAV-Haus, Littenstraße 11, 10179 Berlin
(S-/U-Bahnhof Alexanderplatz, U-Bahnhof Klosterstraße)
Amnesty International Deutschland
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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Bereits der Bericht des Ausschusses für Rechtsfragen und Menschenrechte der
Parlamentarischen Versammlung des Europarates im Jahre 2006 („Marty-Bericht“) hat die
Frage nach der Existenz von Geheimgefängnissen, die von den Vereinigten Staaten
außerhalb ihres Staatsgebietes betrieben wurden, aufgeworfen. Er lieferte konkrete
Hinweise auf derartige Einrichtungen in Polen und Rumänien und die Kenntnis europäischer
Regierungen von der Durchführung des sog. „RDI-Programms“ (Rendition, Detention and
Interrogation). Ausweislich des Berichts haben auch die Standorte in Frankfurt und Ramstein
als sog. „staging points“ gedient, an denen Flugzeugbesatzungen ihre jeweiligen
Operationen vorbereitet haben.
Als die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Senats vor einem knappen Jahr
einen Teil des sog. „Feinstein-Reports“ über „spezielle Verhörmethoden“ der CIA
veröffentlichte, wurde es vor den Augen der Weltöffentlichkeit bestätigt: Zwischen 2002 bis
2007 veranlassten amerikanische Geheimdienste die Folter von 119 Personen, die sie als
„Terrorverdächtige“ ansahen. In Geheimgefängnissen, sog. „Black Sites“, versuchten die
US-amerikanischen Dienste unter anderem durch Schlafentzug, Waterboarding, Kaltwasserund Eisbäder und andere unmenschliche und erniedrigende Behandlungen an Informationen
zu gelangen, die ihnen im „Krieg gegen den Terror“ nützlich erschienen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im „Al Nashiri“-Fall (Al Nashiri v.
Poland, No. 28761/11 vom 24. Juli 2014) entschieden, dass die Behandlung des
Beschwerdeführers durch Angehörige der CIA in Polen Folter darstellte. Auch wenn die
polnischen Behörden im Ergebnis von den genauen Umständen der Behandlung keine
Kenntnis gehabt haben dürften, traf Polen nach Auffassung des Gerichtshofes gleichwohl
eine Schutzpflicht aus Art. 1 EMRK, Bürgerinnen und Bürger auf seinem eigenen
Staatsgebiet vor Folter zu schützen. Da der polnische Staat dieser Verpflichtung durch
Duldung der Behandlung nicht nachgekommen sei, habe er Art. 3 EMRK (Verbot von Folter,
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) verletzt. Eine weitere Verletzung des
Art. 3 EMRK erkannte der Gerichtshof in der Ermöglichung der Verbringung des
Beschwerdeführers in weitere Geheimgefängnisse außerhalb des eigenen Staatsgebiets, da
auch hier die Gefahr der Folter als immanent angesehen wurde.
Trotz der im „Feinstein-Report“ akribisch zusammengetragenen Fakten gibt es bislang keine
Hinweise auf eine umfassende strafrechtliche Aufarbeitung des Komplexes. So hat es der
deutsche Generalbundesanwalt unter Verweis auf § 153f StPO abgelehnt,
Ermittlungsverfahren im Hinblick auf Straftaten in Guantanamo einzuleiten. Im Fall der
Entführung des Khaled El Masri hat das Amtsgericht München 13 Haftbefehle gegen
mutmaßliche CIA-Agenten erlassen, die an der Entführung beteiligt gewesen sein sollen.
Hier hat sich die Bundesregierung jedoch einer Weiterleitung von Auslieferungsersuchen an
die US-amerikanischen Behörden widersetzt.
Die Podiumsdiskussion geht den Fragen nach, welche Gründe im Einzelnen eine
strafrechtliche Behandlung in Europa und den Vereinigten Staaten gehindert haben, noch
heute hindern und welche Folgen die Nichtahndung solcher Straftaten für den
demokratischen Rechtsstaat mit sich bringt. Zudem soll erörtert werden, welche
Möglichkeiten es für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gibt, sich für die Betroffenen
einzusetzen und welche Erfahrungen sie bei ihrer Tätigkeit bislang gemacht haben.
Programm
19.00 Uhr
Begrüßung
Rechtsanwalt Dr. Friedwald LÜBBERT,
DAV-Vizepräsident und Vorsitzender des DAV-Menschenrechtsausschusses
Keynote Speech
Selmin ÇALIŞKAN,
Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland
19.15 Uhr
Es diskutieren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte:
Rechtsanwältin Helen DUFFY,
Gründerin der Projekts „Human Rights in Practice“, Den Haag;
u.a. Prozessvertreterin des Guantanamo-Gefangenen Abu Zubaydah vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (7511/13)
Rechtsanwalt Mikołaj PIETRZAK,
Vorsitzender der Menschenrechtskommission des Polish Bar Council,
Warschau; u.a. Prozessvertreter des Guantanamo-Gefangenen Abd Al Rahim
Hussayn Muhammad Al Nashiri vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte (28761/11)
Rechtsanwalt Andreas SCHÜLLER,
Leiter des Programmbereichs Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung am
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Berlin
Moderation
Rechtsanwalt Rainer M. HOFMANN,
Mitglied des DAV-Menschenrechtsausschusses, Aachen
21.00 Uhr
Empfang
22.00 Uhr
Ende der Veranstaltung
Wir weisen darauf hin, dass die Veranstaltung in englischer Sprache abgehalten wird. Eine
Übersetzung steht nicht zur Verfügung.
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Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Anmeldung:
Der Eintritt ist kostenlos und erfolgt unabhängig von einer Anmeldung. Für eine bessere
Planung der Veranstaltung nutzen Sie bitte bis zum 03.12.2015 unsere Online-Anmeldung.
Online-Anmeldung
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Foto: Fotolia/ pyzata
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