4|15 ZEITUNG FÜR KUNDEN UND MITARBEITER NICHT DIAGNOSTIZIEREN, SONDERN GUTE FRAGEN STELLEN! Psychische Erkrankungen im Fallmanagement – so lautete das Thema der dies jährigen AU/KG FM Expertenschmiede. LITFASS sprach mit den Dozenten Wolfgang Mayer und Prof. Dr. Karl-Heinz Stange über die Zunahme an F-Diagno sen, die Möglichkeiten der Steuerung sowie die Heraus forderung für Fallmanager in den Kassen. Wieso wurde das Thema „Psychi sche Erkrankungen im Fallmanage ment“ für die diesjährige Experten schmiede ausgewählt? Mayer: Psychische Erkrankungen nehmen immer mehr überhand, sind im Fallmanagement aber am schwersten greifbar. Fallmanager müssen lernen, wie sie F-Diagnosen interpretieren und entsprechend steuern. Daher war es ein zeitge mäßes Thema für die AU/KG FM Expertenschmiede, das großen Zuspruch erhalten hat. Kann man psychisch Erkrankte überhaupt steuern? Stange: Psychisch kranke Menschen kann und sollte man über Therapieund Hilfemöglichkeiten beraten und sie entsprechend motivieren. „Gesteuert“ und koordiniert werden müssen in der Regel die Leistungs anbieter wie Ärzte, Kliniken, Thera peuten etc. sowie die Versorgungs abläufe im Gesundheitswesen und die Zuständigkeiten der Kostenträ ger. Dies ist der inhaltliche Haupt grund für die Notwendigkeit von Fallmanagement. Fortsetzung auf Seite 2 Außerdem erwartet Sie: Zu keiner Zeit unbeaufsichtigt Auch Arbeitszeit ist Lebenszeit Erfolgreiches Upgrade auf ISO/IEC 27001: 2013 Als weiterer Schritt zur stetigen Optimierung Beim diesjährigen Gesundheitstag erfuhren Die Umsetzung der Prozesse zur Informationssicherheit im des Sicherheitsniveaus erfolgt die Aktenver die Mitarbeiter des ISC Münster, mit welchen Rechenzentrum wurde erneut geprüft. Ergebnis: Ein neues nichtung im ISC Münster jetzt vor Ort. Übungen sie im Büroalltag fit Zertifikat für den Standard „ISO/IEC 27001: 2013“. und gesund bleiben. Weiter auf Seite 04 Weiter auf Seite 06 Weiter auf Seite 08 Nicht am Bedarf der Kassen vorbei Neue Telefonanlage Mobil-Strategie schafft Wettbewerbsvorteile ... sondern individuell optimiert für die Organisa Die IKK Brandenburg und Berlin telefoniert Mobile Anwendungen mit echten Mehrwerten sind stark im tionsstruktur der jeweiligen Krankenkasse ent seit September mit einer modernen CISCO Kommen. Krankenkassen binden damit Kunden und erzielen wickelt das ISC Münster die hauseigene Fall Unified Communications Anlage. Wettbewerbsvorteile. managementlösung AU/KG FM-Lösung weiter. Weiter auf Seite 09 Ein Gastkommentar von Weiter auf Seite 12 Weiter auf Seite 12 EDITORIAL „Fallmanager müssen den „2cler“ identifizieren, also den Betroffenen, der krank ist und tatsächlich Hilfe benötigt.“ Liebe Leserinnen und Leser, als IT-Dienstleister für gesetzliche Krankenkassen liegt uns das Thema Gesundheit besonders am Herzen. Auf der diesjährigen AU/KG FM Experten schmiede ging es um „Psychische Erkrankungen im Fallmanagement“. Rund 50 Fallmanager aus 28 Kassen tauschten sich zwei Tage lang untereinander sowie mit den Experten vor Ort aus. Im Interview mit LITFASS berichten die Dozenten Wolfgang Mayer und Prof. Dr. Karl-Heinz Stange, welche Bedeutung F-Diagnosen im Fallmanagement haben und worauf sich Krankenkassen in Zukunft einstellen müssen, da die Zahlen psychisch Erkrankter weiter steigen (S. 1). Depressionen und Burn-out sind inzwischen salon fähig geworden. Damit es bei den Mitarbeitern im ISC erst gar nicht soweit kommt, fand im Rahmen der stetigen Gesundheitsförderung der z weite Gesundheitstag im ISC statt. In Vorträgen und Schnupperkursen zum aktiven Mitmachen erfuhren die Teilnehmer u.a., wie sie während der täglichen Arbeitsprozesse trotz Stress nicht krank, s ondern produktiver werden. Denn: „Auch Arbeitszeit ist Lebenszeit.“ (S. 6). Ich wünsche Ihnen im Namen des LITFASS-Teams eine entspannte Lektüre, ein ebensolches Weih nachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr! Martina Cwojdzinski Leitung Marketing und Kommunikation Wolfgang Mayer, Fallmanagement-Experte Weiterbildung und fachlicher Austausch im Fallmanagement Trotz ernster Themen kam auch der Spaß nicht zu kurz Fortsetzung von Seite 1 Welche Erfahrung machen Sie in Ihrer täglichen Arbeit mit dem Thema? Stange: Der Leidensdruck und der Beratungsbedarf der Betroffenen nehmen zu. Mayer: Ich erlebe immer wieder eine große Unsicherheit auf Seiten der Fallmanager im Umgang mit F-Diagnosen. Sind psychische Erkrankungen in unserer heutigen Zeit „salonfähig“ geworden? Stange: In Deutschland leiden viele Menschen unter psychischen Erkran kungen – mit beträchtlichen Folgen für die betroffenen Personen und ihre Familien, aber auch für Unter nehmen und die Volkswirtschaft. Es gibt daher heute eine größere Sensibilität für psychische Probleme, aber immer noch Ausgrenzung und Diskriminierung. Mayer: Ein ganz klares „Ja“. Es hat eine Trendwende stattgefunden: Früher hat man eine solche Krank heit eher verheimlicht, heute gehen psychisch Erkrankte damit fast hausieren. Die Herausforderung für Fallmanager ist, den wirklich Kran ken zu helfen und gleichzeitig Miss brauch zu vermeiden. „Trotz rückläufiger Krankenstände in den letzten Jahren wächst der relative Anteil psychischer Erkrankungen am Arbeitsunfähigkeits geschehen.“ Prof. Dr. Karl-Heinz Stange, Professor für Sozialarbeit/-pädagogik, Fachhochschule Erfurt 2 LITFASS04|2015 Der Focus titelte „Sind wir ein Volk am Rand des Nervenzusammen bruchs?“. Gibt es eine belegbare Zu nahme psychischer Erkrankungen oder ist es ein durch die Medien erzeugter, gefühlter Trend? Stange: Die Daten der g esetzlichen Krankenkassen belegen die steigende Relevanz psychischer Erkrankungen. Psychisch bedingte Kranken hausaufenthalte nehmen nach allen bekannten Daten zu. Auch der An teil an Personen, die aufgrund see lischer Leiden frühzeitig in Rente gehen, steigt und liegt mittlerweile bei 42 Prozent (Deutsche Renten versicherung Bund). Außerdem nehmen Ausfalltage aufgrund psy chischer Erkrankungen zu: in 2001 noch 33,5 Mio., in 2013 bereits 79 Mio. (BMAS/BAuA: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2013). Wie ist der Zusammenhang zwi schen psychischen Erkrankungen und Krankheitstagen von Arbeit nehmern? Stange: Trotz rückläufiger Kranken stände in den letzten Jahren wächst der relative Anteil psychischer Erkrankungen am Arbeitsunfähigkeits geschehen. Er kletterte in den vergangenen 39 Jahren von zwei Pro zent auf 14,7 Prozent. Die durch psychische Krankheiten ausgelös ten Krankheitstage haben sich in diesem Zeitraum verfünffacht. Während psychische Erkrankungen vor 20 Jahren noch nahezu bedeu tungslos waren, sind sie heute zweithäufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibung bzw. Arbeitsun fähigkeit (BKK Gesundheitsreport 2014). Gibt es regionale Unterschiede bei psychischen Erkrankungen? Stange: Ja, eindeutig. Der „Fakten check Gesundheit – Regionale Unterschiede in der Diagnostik und Behandlung von Depressionen“ der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2014 identifiziert „markante regio nale Variationen“ bei Depressionsdi agnosen. Als Erklärungsansatz wer den u. a. die regional variierenden Folgen Sie uns auf Twitter: @ISCfachberatung Versorgungsstrukturen wie bei spielsweise die Hausarzt-Dichte aufgeführt. Sozioökonomische Bedingungen allein reichen für die Erklärung jedoch nicht aus. Eben falls in Betracht zu ziehen sind Einstellungen der Betroffenen zu psy chischen Erkrankungen, die einen Einfluss auf die Inanspruchnahme des vorhandenen Versorgungssys tems haben. Was muss im deutschen Gesund heitssystem passieren, um die Ver sorgung von psychischen Erkrank ten zu optimieren? Stange: Das füllt ganze Bücher – u.a. ist eine bessere Koordinierung und Vernetzung der zur Verfügung ste henden Hilfen und Therapiemöglichkeiten und eine Q ualifikationsveränderung der Gesundheitsberu fe notwendig. Mayer: Die mangelhafte Versor gungssituation im Niederlassungs bereich muss sich ändern. Betroffene müssen oft Wochen und Mo nate auf einen Termin bei einem Behandler warten. Was ist Ihr wichtigster Rat an Krankenkassen zum Umgang mit psychisch Erkrankten? Stange: Krankenkassen sollten ihre Fallmanager schulen lassen und ausreichend personelle wie räumliche Ressourcen zur Verfü gung stellen. Die Herstellung von Strukturqualität, beispielsweise durch die Einstellung von Fachärz ten/Psychotherapeuten beim MDK sowie durch den Abschluss von Versorgungsverträgen, ist ebenfalls ratsam. Mayer: Fallmanager müssen den „2cler“ identifizieren, also den Betroffenen, der krank ist und tatsächlich Hilfe benötigt. Bei F-Diagnosen trauen sich Fallmanager jedoch nicht so recht, diese Person von anderen Erkrankten zu unterschei den, die die Krankheit ausnutzen, um einen sekundären Gewinn zu machen, oder von den Menschen, die gar nicht krank sind, sondern reinen Missbrauch betreiben. Mein Appell an alle Fallmanager lautet deshalb: Traut euch oder wie Nike sagen würde: „Just do it“! Kranken kassen sollten darüber hinaus einen psychologischen Beratungs dienst anbieten, sich selbst Unter stützung holen und ihren Versicherten damit einen Mehrwert bieten. Wie sehen Sie die Zukunft von psychischen Erkrankungen im Fallmanagement? Worauf müssen sich Krankenkassen und Fallmana ger einstellen? Stange: Von einer weiteren Zunah me der psychischen Erkrankungen muss ausgegangen werden; ein Rückgang ist nicht zu erwarten. Die Krankenkassen sollten mehr als bisher in ihr Krankengeld-Fallma nagement investieren. Nur durch individuelle Beratungen werden sich Kosteneinsparungen realisie ren lassen. Im Durchschnitt verge hen über sieben Jahre vom Auftre ten der ersten Symptome bis zur Einleitung einer adäquaten Thera pie. In dieser Zeit werden für die Krankenkassen Kosten von jährlich ca. 13.000 Euro verursacht (durch Krankengeld, Fehldiagnostik/Fehlbehandlungen, Medikamente etc.). Vom Krankengeld-Fallmanagement dürfen aber keine Wunder erwartet werden. Sein Einsatz kann lediglich ein Beitrag zur Senkung der Kran kengeld-Ausgaben sein. Ziel ist es, Weitere Infos und Bilder: iscmuenster.de/loesungen/fachberatung/expertenschmiede diesen Beitrag möglichst optimal auszuschöpfen. Kurzfristige Erfolge sind selten bzw. meist nicht nach haltig und dauerhafte Effekte sind erst mittel- und langfristig zu erwarten. Fallmanager stehen oft vor der Herausforderung, Qualifikati onsdefizite der Medizin und Versor gungsprobleme zu kompensieren. Dabei sollen sie nicht diagnostizie ren, sondern gute (neue) Fragen stellen! Mayer: Einerseits sind F-Diagnosen das Krankheitsbild mit den größten Zuwachsraten, da die Belastungen der Arbeitnehmer immer mehr steigen. Andererseits leben wir in Zeiten wegfallender Teilzeitregel ungen und immer späteren Renten zugängen, was dazu führt, dass immer mehr Menschen die Krank heit als Möglichkeit des frühen Ausstiegs sehen. Hier gilt es, die Hilfsbedürftigen frühzeitig zu erkennen und deren Ressourcen auch zu schützen. Darauf sollten sich Krankenkassen einstellen und gezielt handeln. Vielen Dank für das Gespräch! LITFASS04|2015 3
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