Leute zum Reden bringen – wie Journalisten vorgehen

Leute zum Reden bringen – wie Journalisten vorgehen Catherine Boss, Recherchedesk SonntagsZeitung, Buch: Recherche in der Praxis, Informanten zum Reden bringen, Fakten hart machen und Missstände aufdecken Das direkte Gespräch mit Informanten und Auskunftspersonen bleibt auch im Zeitalter von Google&Co der Königsweg der Recherche. Doch wie finden wir die richtigen Gesprächspartner, wie gehen wir mit ihnen um und wie entlockt man ihnen Informationen? Regel 1: Wir müssen davon überzeugt sein, dass wir in einer heiklen Recherche die entscheidende Information finden werden, auch wenn es fast aussichtslos scheint. Das tönt banal, ist aber fundamental wichtig. Regel 2: Raus aus den Redaktionen. Informanten finden sich auch per Telefon, doch die wirklich guten Kontakte baut man nur auf, wenn man viel draussen ist – bei den Menschen, bei den Geschichten. Regel 3: Bei jeder Geschichte gibt es die offensichtlichen Ansprechpartner, die meist unergiebig sind, und solche, die auf den ersten Blick weniger auf der Hand liegen, jedoch viel wertvoller sind. Regel 4: Den richtigen Tonfall treffen, das richtige Auftreten wählen. Weder devot noch überheblich: Es ist keine leichte Aufgabe, professionell, konzentriert und doch einfühlsam zu sein. Das kann man lernen. Regel 5: Das Gespräch gut vorbereiten, mit Sachkenntnis ans Informanten-­‐Treffen gehen. Es gibt Recherchen, da braucht es präzise Fragen, in anderen ist es nötig, offene Fragen zu stellen. Regel 6: Informanten zu öffnen braucht viel Zeit und ein gutes Ohr. Das sollte man nicht unterschätzen. Regel 7: Vertrauen aufbauen durch klare Spielregeln und besonderer Quellenschutz bei heiklen Recherchen. Wir diskutieren, welche Regeln unabdingbar sind um Informanten zu schützen. Was kann ich tun, damit der Informant nicht auffliegt. Das ist ganz wichtig, denn leider kommt es immer wieder zu erfolgreichen Untersuchungen der Strafverfol-­‐
ger, weil wir unvorsichtig sind. Das ist im hektischen Alltag verständlich, aber fatal. Regel 8: Für eine wasserdichte Recherche braucht es zwei Quellen, die eine heikle Information bestätigen. Was sind mögliche Zweitquellen und gibt es Ausnahmen von dieser Regel? Regel 9: Wir müssen zu Informanten die nötige Distanz wahren, weil sonst unsere Unabhängigkeit leidet -­‐ und weil wir uns andernfalls zu tief in deren Geschichte reinziehen lassen. Regel 10: Und zum Schluss das Wichtigste: Informanten finden wir nur, wenn wir an diesen Menschen und ihren Geschichten wirklich interessiert sind. Wer Recherchejournalismus machen will, muss sich darüber im Klaren sein.