AUSGAB E 4 4/1 5 „Man muss vorgehen wie Odysseus“ Philipp Vorndran » Der Kapitalmarktstratege der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch über Börsenschwankungen, Geldpolitik – und die Probleme von Mischfonds VITA Analysieren, Thesen aufstellen und sie dann in der Öffentlich keit vertreten: Das ist seit 2009 Philipp Vorndrans Job bei Flossbach von Storch. Zuvor arbeitete er unter anderem bei der Privatbank Julius Bär in Frankfurt sowie Zürich und war Chefstratege im Bereich Asset Management bei Credit Suisse. Flossbach von Storch war in den vergangenen Jahren einer der dynamischsten Vermö gensverwalter in Deutschland. Die Kölner verwalten über 20 Milliarden Euro an Kunden geldern. Der bekannteste Fonds des Hauses ist der Multi ple Opportunities (siehe S. 10). Bild: Michael Trippel für €uro am Sonntag Der Ideengeber AUSGAB E 4 4/1 5 VON ANDREAS HÖSS S einen prägnanten schwar zen Schnauzer hat er mitt lerweile abrasiert. Trotzdem dürfte Philipp Vorndran für deutsche Anleger Wiedererken nungswert haben: Der Franke ist beim Vermögensverwalter Floss bach von Storch nicht nur einer der Ideengeber, sondern auch das Ge sicht für die Medien. Dort unterlegt er seine Thesen gern mit Zahlen oder griffigen Beispielen — die auch mal aus dem Urlaub stammen. €URO AM SONNTAG: Herr Vorndran, Chinas Schwäche ist das große Thema an den Börsen. Sie waren dieses Jahr in China im Urlaub. Was ist Ihnen dort aufgefallen? PHILIPP VORNDRAN: Ich bin gut 5000 Kilometer mit der Bahn durch das Land gefahren. Dabei habe ich riesige Parkplätze gesehen, auf de nen ungenutzte Bagger, Raupen und Baumaschinen herumstanden. Das war schon sehr beeindruckend. Und auch besorgniserregend? China ist in vielen Regionen inzwi schen fertiggebaut. Die Wirtschafts struktur des Landes wandelt sich, weg von Investitionen und Infra struktur hin zu Dienstleistung und Technologie, ähnlich wie das in England Ende des 19. Jahrhunderts der Fall war. So ein Prozess läuft nicht ohne Friktionen ab. Friktionen klingt relativ harmlos. Kann man auch von einer Blase sprechen, die da platzt? Nicht in China. Dort gehen die Wachstumsraten zwar zurück, was bei uns und in China auf die Gewinn erwartungen der Unternehmen drückt. Aber das verläuft ohne Knall. In vielen anderen Schwellen ländern wie Brasilien oder der Tür kei gibt es dagegen eine Kreditblase, die platzt. Die Stimmung ist ähnlich wie bei uns während der Finanz krise. Die Nullzinspolitik der Noten banken in Industrienationen hat auch die Zinsen in vielen Schwellen ländern mit nach unten gezogen, deshalb ist die Verschuldung dort sehr schnell und stark gewachsen. Das ist Irland und Spanien reloaded! Ist das der Grund für die große Nervosität an den Börsen? Der Abschwung der Schwellenlän der ist einer der Gründe dafür. Da vor hat schon der Beinahe-Raus wurf Griechenlands aus der Euro zone zu einem Stimmungsum schwung geführt. Hinzu kommt die permanente Angst vor der Zins wende in den USA. Die Risikowahr nehmung hat sich massiv geändert. Welche Lehren haben Sie aus den vergangenen Monaten gezogen? Es gab zwei große Lehren. Die erste: Langfristig orientierte Anleger soll ten die Finger von Bundesanleihen lassen, können für ihre Altersvor sorge aber nicht auf einen hohen An teil an Aktien verzichten. Den Geldpolitikern werden die Waffen nicht ausgehen. Wir sind wieder einen Schritt näher am Helikoptergeld.“ Obwohl die sehr stark schwanken? Der DAX ist von April bis September ja um 24 Prozent abgestürzt. Seit Jahresbeginn gerechnet ist er trotzdem fast zehn Prozent im Plus. Der REXP, der Index der Bundesan leihen, ist dagegen unverändert. Se hen Sie: Lang laufende Bundesanlei hen warfen in den vergangenen 25 Jahren im Schnitt sechs Prozent Rendite pro Jahr ab, in den vergan genen zehn Jahren waren es noch vier Prozent. Das Blöde ist nur, dass diese Zeit vorbei ist. Heute sind die Renditen bis in mittlere Laufzeiten negativ, mit fünfjährigen Bundes anleihen hat man null Prozent Ren dite. Fallen die Anleihekurse, kön nen die niedrigen Kupons den Kursrückgang nicht mehr kompen sieren. Das heißt: Man investiert zwar in eine vermeintlich sichere Anlageklasse, macht damit aber fast sicher Verluste. Deshalb sind Aktien im Vergleich so attraktiv wie nie. Und die zweite Lehre? Diversifikation ist schwieriger ge worden, weil in diesem Jahr alle An lageklassen gleichzeitig gestiegen und gefallen sind — egal ob Aktien, Anleihen, Gold oder Dollarinvest ments. Bisherige Korrelationen wie „Anleihen steigen, wenn Aktien fal len“ gelten nicht mehr — weil bei den Anleihen bei null Schluss ist. Ist damit auch die Portfoliotheorie überholt, für die Harry Markowitz den Nobelpreis bekommen hat? Die Portfoliotheorie ist der Versuch, Kapitalmärkte in eine Formel zu pressen. Das hat uns nie überzeugt. Auf der Portfoliotheorie basiert auch das Modell der Mischfonds, die Vermögen auf Aktien und Anleihen verteilen, um Risiken zu begrenzen. Ist die große Zeit dieser Fonds vorbei? Das ist eine berechtigte Frage, die wir uns auch stellen. Viele Portfolio modelle und Algorithmen basieren noch auf Annahmen aus der guten alten Zinswelt. Über Jahrzehnte ha ben sie von fallenden Zinsen und da mit steigenden Anleihekursen pro fitiert. Wir gehen davon aus, dass das typische Diversifizierungsmo dell — 50 Prozent globale Aktien und 50 Prozent Bundesanleihen — zur Absicherung nicht mehr funktio niert. Rechnerisch lag die Rendite eines solchen Portfolios in den ver gangenen zehn Jahren bei sechs Pro zent pro Jahr, die Volatilität, also die Kursschwankungen bei acht Pro zent. Heute ist die Rendite unter vier Prozent gefallen, die Volatilität auf zehn Prozent gestiegen. Mischfonds schwanken also stärker und werfen zugleich weniger Gewinn ab. Bei Flossbach von Storch haben Sie selbst einen großen Mischfonds (Seite 10). Wie gehen Sie dort mit diesem Problem um? Zum Absichern halten wir Cash statt Bundesanleihen und investieren nur einen kleinen Teil unseres Port folios opportunistisch in Anleihen, die kurzfristig aussichtsreich sind. Auch unseren Goldanteil von zehn Prozent bauen wir seit Längerem nicht mehr aus. Der größte Teil des Portfolios ist in Aktien investiert, ak tuell sind das rund 70 Prozent. So gehen Sie aber das Risiko ein, bei einem Crash am Aktienmarkt heftige Verluste zu erleiden. Ja, das kann passieren. Man darf aber nicht den Fehler machen und kurzfristige Volatilität mit Risiko gleichsetzen. Nur wer sich nicht vom täglichen Auf und Ab irritieren lässt und Schwankungen in Kauf nimmt, kann im Tiefzinsumfeld noch nennenswerte Erträge erzie len. Timing klappt sowieso nur sel ten. Man muss vorgehen wie Odys seus: Der hat sich an den Mast sei nes Schiffes binden lassen, den Steu ermännern Wachs in die Ohren getropft und ist so trotz des Sirenen gesangs auf Kurs geblieben. Ein schönes Bild. Ich könnte mir trotzdem vorstellen, dass einige Ihrer Kunden weniger Durchhaltevermögen haben, wenn Ihr Fonds ein richtig schlechtes Jahr hat. Glauben Sie, dass es an den Aktienmärkten zu einem Absturz von 40 oder 50 Prozent kommen kann? Als am 24. August die Aktienkurse eingebrochen sind, haben tatsäch lich einige Anleger nachgefragt, was wir gemacht haben. Wir haben dann erklärt, dass wir Aktien nachge kauft haben. Die meisten waren er leichtert, dass wir an unserer Lang friststrategie festgehalten haben. Um den zweiten Teil der Frage haben Sie sich jetzt gedrückt. Solche Abstürze an den Aktien märkten kann man leider nie aus schließen. Wer langfristig denkt, kann damit aber leben. Wenn Sie eine Bundesanleihe mit 30 Jahren Laufzeit bis zum Ende halten, haben Sie Ihr Vermögen um 50 Prozent er höht. Davon muss man dann noch die Inflation abziehen. Am Aktien markt finden Sie weit mehr Ertrag, nur gibt es darauf keine Garantie. Es ergibt keinen Sinn, langfristige Er tragspotenziale auf dem Altar der Volatilitätsminimierung zu opfern. Es gibt Anlagen, bei denen die Vola tilität die ökonomischen Risiken weit überzeichnet, und solche, die viel riskanter sind als es die Preis schwankungen anzeigen. Anders als bei Anleihen kann man die Erträge von Aktien aber nicht fest vorhersagen, oder? Genau, nicht zuletzt deshalb ist das Investieren ja auch so faszinierend! Man kann aber davon ausgehen, dass die Gewinnrenditen der Unter nehmen langfristig eine sehr gute Richtschnur für die zu erwartenden Aktienrenditen sein werden. In der Regel wachsen die Gewinne ähnlich wie die Weltwirtschaft — fünf bis sechs Prozent pro Jahr, das ist die Größenordnung, die wir aus Divi dende und Kursgewinn als Rendi tepotenzial erwarten. Ganz wichtig ist aber, dass ich ausreichend Zeit habe. Beträgt mein Anlagehorizont AUSGAB E 4 4/1 5 weniger als fünf Jahre, habe ich am Aktienmarkt wenig zu suchen. was würde dann mit dem US-Dollar passieren? Auch langfristig orientierte Anleger fürchten aber, dass China eine globale Rezession auslöst. Zu Recht? Das halte ich für übertrieben. Das Wachstum in China liegt nun viel leicht nur noch bei fünf und nicht mehr bei zehn Prozent wie vor zehn Jahren. Der Anteil Chinas an der Weltwirtschaft ist aber von fünf Pro zent im Jahr 2005 auf heute 15 Pro zent gestiegen. Die positiven Im pulse, die von einem wichtigen Land mit kleinerem Wachstum aus gehen, sind größer als jene von ei nem weniger wichtigen Land mit sehr großem Wachstum. Er würde zum Euro aufwerten? Und zwar massiv. Das würde der US-Wirtschaft jede Wettbewerbsfä higkeit rauben und die US-Inflation unter null treiben. Auch die Schwel lenländer hätten Probleme, da sie zu großen Teilen in US-Dollar ver schuldet sind. Ich denke, die Noten banker der Schwellenländer haben der Fed-Chefin Janet Yellen bereits ins Gewissen geredet. das nicht mehr so einfach. Es kann zwar sein, dass die Fed den Zins an hebt, es wird aber bei einem symbo lischen Akt bleiben. Meiner Mei nung nach wird es in den nächsten Monaten höchstens zwei Zinserhö hungen geben. Und selbst das würde mich schon überraschen. Der ehe malige Fed-Chef Ben Bernanke hatte einmal versprochen, notfalls Geld aus dem Helikopter abzuwer fen, um die Wirtschaft und die Fi nanzmärkte zu stabilisieren. Wir sind wieder nah am Helikoptergeld. Und Frau Yellen wird darauf hören? Das Motto „unser Dollar, euer Prob lem“ galt vielleicht früher. Heute ist Auch in Europa? Sicher. In der EZB überlegt man schon, ob man das Ankaufpro Die Sorgen sind also unbegründet? Die Weltwirtschaft wächst zwar nicht besonders schnell, das globale Wirtschaftswachstum liegt aber im mer noch bei knapp drei Prozent. Das wird auch so bleiben — außer die US-Notenbank Fed macht einen gro ßen Fehler und setzt die Zinsen so schnell hoch, dass sie 2017 zwischen zwei und drei Prozent stehen. Genau dieses Zinsniveau sagen die Fed-Mitglieder aber selbst voraus. Ich weiß nicht, wie sich die Mitglie der des Offenmarktausschusses das vorstellen. Die EZB hat sich bis Herbst 2016 auf Wertpapierkäufe und Nullzinsen festgelegt. Ange nommen, die Fed hebt parallel die Zinsen auf zwei oder drei Prozent, FVS MULTIPLE OPPORTUNITIES Der Fonds Das Timing war suboptimal: Ihren Mischfonds Multiple Opportunities (ISIN: LU 032 357 865 7) legte die Vermögensverwaltung Flossbach von Storch (FvS) im Herbst 2007 und damit direkt vor der Finanz krise auf, weshalb er zunächst Ver luste machte. Heute, acht Jahre später, gehört der Multiple Oppor tunities, zu den beliebtesten Misch fonds in Deutschland. Das liegt zum einem an der klaren Strategie von Fondsmanager Bert Floss bach: Er setzt mit dem größten Teil des Portfolios auf Aktien und kauft vor allem langfristig stabile und di videndenstarke Unternehmen wie Nestlé, Coca-Cola oder Berkshire Hathaway. Neben zehn Prozent Gold finden sich noch Cash und ein paar Anleihen im Portfolio. Aktienund Währungsabsicherung gibt es nur in Ausnahmefällen, Branchenoder Länderwetten meidet Floss bach. Auch die Bilanz kann sich se hen lassen: Starke 120 Prozent Plus seit Auflage, mittlerweile über sie ben Milliarden Euro Fondsvermö gen und im Jahr 2012 der Titel „Fondsmanager des Jahres“ von €uro am Sonntag. Langfristanle ger, die keine Scheu vor Schwan kungen haben, finden hier einen aktienlastigen und erfolgreichen Fonds mit klarer Ausrichtung. gramm ausweitet und neue Maß nahmen ergreift, falls die Fed die Zinsen weiter tief lässt. Im Moment sieht alles danach aus. Sehen Sie die Gefahr, dass die Notenbanken an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie ihre Geldpolitik nicht langsam normalisieren? In absehbarer Zeit werden den Geld politikern die Waffen nicht ausge hen. Wie gesagt, wir sind wieder ei nen Schritt näher am Helikopter geld. Langfristig wird der Vertrau ensverlust in die Notenbanken aber zum Problem werden. Außerdem ist die Geldpolitik schon jetzt nah am Rande dessen angekommen, was die Bürger bereit sind zu akzeptie ren. Logischerweise ist der Vertrau ensverlust in das ungedeckte Pa piergeld für uns ein Dauerthema. Wie gehen Sie als Investor mit diesem Thema um? Zum einen schleppen wir unseren Goldanteil im Portfolio nicht um sonst mit uns herum. Zum anderen verfolgen wir die Diskussionen über ein mögliches Bargeldverbot oder neue Währungen wie Bitcoins sehr aufmerksam. Da sehen Sie schon, mit was für absurden Dingen man sich beschäftigen muss. Aber vor ei nigen Jahren hat man auch nicht ge glaubt, dass wir einmal Minuszin sen haben werden. Der beste Schutz gegen solche Tendenzen bleiben die eigenen vier Wände und erstklas sige Aktien.
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