Tahere Asghary - Gruppe Poesie

Tahere Asghary
wurde 1966 im Iran / Isfahan geboren.
Schon als Jugendliche machte sie sich mit der persischen Lyrik vertraut
und es entstanden erste eigene Gedichte.
Seit 1989 lebt sie in Deutschland. In ihren deutschsprachigen Texten
leuchtet die Vielfarbigkeit ihrer persischen Heimat auf, tanzt über jede Sprachgrenze
hinaus und begegnet uns in fremd vertrauten Bildern.
Sie studierte Soziologie in Hannover.
Die diplomierte Sozialpädagogin arbeitet im Autonomen Frauenhaus Hannover.
Sie ist Mitbegründerin der Frauenorganisation von im Exil lebenden iranischen
Frauen (Frauen Tribunal e.V.) und ist als Tänzerin und Tanzlehrerin für
orientalischen Tanz tätig.
Veröffentlichungen
„das Herz ist tiefer“, Edition Fähre, Druck: Fösse Druck
ISBN 3-938902-12-4, Hannover 2009
Copyright: Tahere Asghary
Layout: Natalia Rostovtseva
Tahere Asghary
Wie heilsam, die Zeiten ändern sich
mein neues Zuhause ist eine Datei
mit dem Namen „Gedichte 2009“
in der Wohnung Deisterstr.26
die Treppen zu mir laufe ich
nun seit ein paar Tagen
mir ist es eine große Freude
Eindrücke am PC zu notieren
Dank einer neuen Aufregung
wie beim Orgasmus die
Schuppen von der Haut herunterfallen
fällt von mir ein Ballast
und landet direkt
in dieser Datei
es kratzte seit langem am Ohr
auf meiner Oberlippe
es kratzte an den Augen
es entstand aber nichts
eine Sackgasse und oft
noch unverdaut
mich kostete die Sprache
Jahre Tage Stunden
eine unglaubliche Hemmung
im Kopf und
eine unglaubliche Sehnsucht
pochte im Zahnfleisch
noch weiter unten in der Kehle
wo die Stimme beginnt
sogar unter der Zunge
aber nicht auf die Zunge
fließend
nun sobald ich etwas anfasse
in meinem Zuhause
endet es in Lyrik
es ist in der Sprache möglich
etwas zu werden
das ist zum Jahresanfang
ein besonderer Tag
ein Geburtstag
ich wünsche mir an diesem
geheimnisvollen Tag
eine lyrische Weltkarte zu werden
die ihre Straßen Häuser
Menschen Kulturen und
Eisenbahnen besitzt
und vor allem
ihre Seele ganz im Wort hat
Definition
ich lebe
die Sprache
in der Nachahmung
ich lese
die Sprache
in der Entdeckung
ich sehe
die Sprache
in der Schöpfung
ich verstehe
die Sprache
in der Vertiefung
ich befreie
die Sprache
in der Bewegung
Vision
du kannst aber
die Erde rufen
was bleibt
Sandspuren
Wie viel Zauber brauchst du
um jenen Zauber nicht aus der
Hand zu geben
uns holt Hunger nach Sinn ein
auf dem Rücken der Zeit
richtest du dich ein
in den Streifen
im Regen
in den Gedanken