Leitsätze und Agogisches Konzept

Behindertenarbeit
Leitsätze
und
Agogisches Konzept
www.diakoniewerk.at
Geltungsbereich
Das vorliegende Agogische1 Konzept ist die
Basis der Arbeit mit Menschen mit Behinderung im Diakoniewerk. Unabhängig von Alter,
Geschlecht, Religion und ethnischer Herkunft
der Menschen, die wir begleiten, stellt dieses
Konzept eine Handlungs- und Reflexionsgrundlage für die agogische Arbeit im Diakoniewerk
dar.
Es gilt für alle Einrichtungen der Behindertenarbeit im Diakoniewerk.
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Der Begriff Agogik ist ein Sammelbegriff für die
Lehre über die Begleitung von Menschen jeden Alters
und umfasst unter anderem die Bereiche Pädagogik
(Kinder und Jugendliche), Andragogik (Erwachsene)
und Gerontagogik (SeniorInnen).
Agogik im Diakoniewerk
Einordnung
Unter agogischem Handeln verstehen wir die
Begleitung von Menschen mit Behinderung. Die
Begleitung berücksichtigt verschiedene Ebenen:
Grundlagen für die agogische Arbeit schaffen die
UN-Konvention über die Rechte von Menschen
mit Behinderungen, sowie Bundes- und Landesgesetze. Für die Arbeit im Diakoniewerk stellt
das Leitbild die Basis dar. Die Aussagen des
Leitbildes werden in den Leitsätzen Behindertenarbeit konkretisiert.
Personenebene – der Mensch als Individuum
Sozialebene – der Mensch als soziales Wesen
Gesellschaftsebene – der Mensch als politisches und gesellschaftliches Wesen
Auf diesen drei Ebenen begleiten wir den Menschen mit Behinderung in seiner individuellen
Lebensweise und Entwicklung. In den Leitsätzen
zeigen sich diese drei Ebenen.
Fremdbestimmung
Selbstbestimmung
Die Begleitung bewegt sich zwischen Fremd- und
Selbstbestimmung, in einem Kontinuum zwischen
Anleitung, Betreuung, Unterstützung und Assistenz. Der Grad an Fremd- bzw. Selbstbestimmung
variiert nach Person und Situation, sowie
Ressourcen und Rahmenbedingungen. Unser Ziel
ist immer die höchstmögliche Selbstbestimmung.
Agogisches Handeln im Diakoniewerk ist professionelles Handeln. Das bedeutet für uns, dass wir
unser Tun auf Basis von Fachwissen, Erfahrungen
sowie Normen und Werten laufend reflektieren.
Diese Reflexion erfolgt einzeln, im Team und mit
Menschen mit Behinderung.
Im Agogischen Konzept werden die Leitsätze
um eine praktische Dimension erweitert und
die agogische Grundhaltung beschrieben. Daraus leiten sich Qualitätsstandards ab. Darüber
hinaus gibt es Einrichtungskonzepte, die inhaltliche Schwerpunkte und Rahmenbedingungen
der jeweiligen Einrichtung festlegen2.
Die Agogik steht in enger Verbindung mit
den Disziplinen Psychologie, Pflege, Therapie,
Medizin und Seelsorge. Die MitarbeiterInnen
dieser unterschiedlichen Fachrichtungen arbeiten eng zusammen.
Die Intensität der Zusammenarbeit variiert je
nach individueller Lebenssituation der begleiteten Menschen.
Die einzelnen Dokumente können im Intranet unter
Behindertenarbeit – Strukturbild abgerufen werden.
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Leitsätze Behindertenarbeit
1. Wir orientieren uns an der Einzigartigkeit
jeder Person.
2. Wir streben eine hohe individuelle
Lebensqualität an.
3. Wir leben respektvolle Begegnungen und
achtsamen Umgang miteinander.
4. Wir gestalten differenzierte Angebote für
unterschiedliche Lebensbereiche.
5. Wir berücksichtigen das soziale Umfeld
einer Person.
6. Wir schaffen einen Rahmen für aktive
Selbstvertretung.
7. Wir setzen uns für die Teilhabe von Menschen
mit Behinderung in der Gesellschaft ein.
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Wir orientieren uns an der Einzigartigkeit
jeder Person.
Wir orientieren uns an
der Persönlichkeit,
den Interessen, Wünschen, Bedürfnissen
und Zielen,
den Fähigkeiten und Ressourcen,
dem Alter und der Lebensgeschichte,
dem Geschlecht und der sexuellen Orientierung,
der Religion und der ethnischen Herkunft
der Person.
In unserem Alltag zeigt sich diese Orientierung
in der Wahl der Leistungsangebote
(z. B. Wohnform, Arbeitsplatz, Freizeit, Bildung),
in der Gestaltung der Leistungsangebote
(z. B. Tagesablauf, Kommunikationsformen),
in der individuellen Zielformulierung und
Planung der Begleitung,
in der Intensität der Unterstützung durch
die MitarbeiterInnen,
in der Intensität der Unterstützung durch Psychologie, Pflege, Therapie, Medizin, Seelsorge.
Einzigartigkeit
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Wir streben eine hohe individuelle
Lebensqualität an.
Wir streben die Gestaltung eines Umfeldes an,
indem auf unterschiedliche Lebensqualitätskonzepte Rücksicht genommen wird,
indem Sicherheit und Wohlbefinden erlebt
werden,
indem Weiterentwicklung, Eigenaktivität
und Selbstbestimmung angeregt werden,
indem Lebensqualität auch in herausfordern den Situationen gewährleistet wird.
In unserem Alltag zeigt sich diese Zielsetzung
im Ernstnehmen der persönlichen Ziele,
Wünsche und Visionen,
indem möglichst vielfältige Wahl- und Ent scheidungsmöglichkeiten für die Gestaltung
aller Lebensbereiche angeboten werden.
Damit Lebensqualität gelingt
stehen der Wille, die Ziele und Wünsche der
Menschen, die wir begleiten, vor unseren
eigenen Vorstellungen.
Lebensqualität
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Wir leben respektvolle Begegnungen und
achtsamen Umgang miteinander.
Wir achten unser Gegenüber, indem wir
einander auf Augenhöhe begegnen,
im Dialog kommunizieren,
einander ernst nehmen,
unser Gegenüber in seinem Sein akzeptieren,
die Bedürfnisse der anderen sensibel
wahrnehmen,
körperliche, psychische und soziale Grenzen
erkennen und respektieren.
In unserem Alltag zeigt sich dieser Grundsatz
im Erkennen unterschiedlicher Kommunikationsformen,
im Einsatz individueller Kommunikationsmittel,
in der Beachtung des sozialen Miteinanders.
Damit dies gelingen kann, braucht es
Wertschätzung,
Aufmerksamkeit und Sensibilität,
Wissen über individuelle Kommunikations formen und ihren Einsatz im Arbeitsalltag.
Respektvolle Begegnungen
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Wir gestalten differenzierte Angebote
für unterschiedliche Lebensbereiche.
Wir gestalten Angebote
für Menschen mit Behinderung aller Altersgruppen,
innerhalb eines breiten Leistungsspektrums
(z. B. Arbeit, Wohnen, Mobile Betreuung,
Freizeit, Therapie, Bildung, Kunst/Kultur,
Kindergarten, Hort),
mit Schwerpunkten (z. B. Menschen mit
Mehrfachbehinderungen, herausfordernden
Verhaltensweisen, im Alter).
Damit dies gewährleistet werden kann,
reagieren wir auf sich verändernde Bedürfnislagen,
beziehen wir neue wissenschaftliche Erkennt nisse und gesellschaftliche Veränderungen in
die Weiterentwicklung unserer Angebote ein,
entwickeln wir unsere Angebote kontinuierlich
weiter.
Differenzierte Angebote
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Wir berücksichtigen das soziale Umfeld
einer Person.
Wir beziehen das soziale Umfeld einer Person
ein, indem wir
die sozialen Beziehungen beachten und
ermöglichen,
den biografischen Hintergrund berücksichtigen,
eine offene Kommunikation mit allen System partnerInnen schaffen.
In unserem Alltag zeigt sich dies durch
die Ermöglichung und Begleitung der
gewünschten Kontakte,
die Erstellung und Weiterführung von
Biografien,
den regelmäßigen Austausch mit
SystempartnerInnen.
Damit dies gelingen kann, braucht es
Raum und Zeit für soziale Kontakte,
individuelle Kommunikationsstrukturen,
regelmäßige Möglichkeiten der Rückmeldung.
Soziales Umfeld
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Aktive Selbstvertretung findet auf der Ebene der
Person, der Gruppe und der Organisation statt.
Wir leisten einen Beitrag zur Teilhabe von
Menschen mit Behinderung, indem wir
Im Alltag versuchen wir Selbstvertretung sicherzustellen, indem wir
Menschen mit Behinderung ermutigen, an der
Gesellschaft teilzuhaben und sich einzubringen,
in der Gesellschaft aktiv zur Bewusstseins bildung beitragen,
Barrieren in ihrer Vielschichtigkeit erkennen,
aufzeigen und aktiv an der Beseitigung
mitwirken.
Wir schaffen einen Rahmen für aktive
Selbstvertretung.
Möglichkeiten zur Äußerung von Zielen,
Wünschen und Bedürfnissen schaffen,
zur Selbstvertretung ermutigen und die
notwendige Begleitung sicherstellen,
Interessenvertretungen strukturell verankern.
Damit dies gelingen kann, braucht es
unterschiedliche Kommunikationsmöglich keiten und -plattformen,
gezielte Informationsweitergaben,
die Vermittlung von Rechten und Pflichten.
Wir setzen uns für die Teilhabe von Menschen
mit Behinderung in der Gesellschaft ein.
Im Alltag zeigt sich dies, indem wir
Menschen mit Behinderung bestärken, ihre
Wünsche und Bedürfnisse zu äußern,
die Meinung der Menschen mit Behinderung
einholen und ernst nehmen,
Menschen mit Behinderung in Veränderungen
und Entscheidungsprozesse einbeziehen.
Dafür braucht es
Möglichkeiten zum Mit-Erleben, Mit-Tun,
Mit-Wissen, Mit-Entscheiden.
Selbstvertretung
Teilhabe
Fachwissen
Qualitätssicherung
Für die professionelle Umsetzung des Agogischen
Konzeptes im Diakoniewerk braucht es weiterführendes Fachwissen. Das Fachwissen gliedert sich
in die Bereiche Grundlagen, Schwerpunkte und
Situationsbezogene Konzepte.
Zur Sicherung der Qualität der agogischen Arbeit
im Diakoniewerk dienen die Dokumentation, die
Einhaltung und Evaluierung der Qualitätsstandards und die Selbstbewertung nach E-Qalin. Die
Dokumentation orientiert sich an gesetzlichen
Vorgaben, internen Standards und der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit (ICF).
Grundlagen
Eine wichtige Grundlage des agogischen Arbeitens
im Diakoniewerk stellt der Personzentrierte Ansatz dar. Diese Grundhaltung spiegelt sich in den
Leitsätzen und dem Agogischen Konzept wider.
Schwerpunkte
Im Diakoniewerk gibt es Einrichtungen mit
speziellen Schwerpunktsetzungen. Diese sind in
den jeweiligen Einrichtungskonzepten festgelegt.
Derzeit liegen die Schwerpunkte in folgenden
Bereichen
Herausfordernde Verhaltensweisen,
Modell zur Begleitung von Menschen mit
Behinderung nach Willem Kleine Schaars,
Menschen mit Behinderung im Alter,
Kinder und Jugendliche mit Behinderung,
Menschen mit autistischen Verhaltensweisen.
Situationsbezogene Konzepte
Situationsbezogen kann auf weiteres Fachwissen
in Form von Konzepten und Methoden zurückgegriffen werden.
Alle Konzepte und Methoden finden sich im
Intranet unter Behindertenarbeit – Strukturbild.
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