Bildung braucht Bindung

Swiss Education
Bildung braucht Bindung
Fundament für das Vorschulalter
Tagung «Frühe Förderung lohnt sich»
Altdorf, 10. Juni 2015
Prof. Dr. Margrit Stamm
Professorin em. für Erziehungswissenschaften an der Universität Fribourg-CH
Direktorin des Forschungsinstituts Swiss Education, Bern
Das wichtigste Element für ein gesundes Aufwachsen und
eine optimale Förderung ist eine sichere Bindung an wenige,
feinfühlige Personen. Das Kind steht mit seinen Bedürfnissen
immer im Zentrum.
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Aktuelle Diskussionen
 Qualität in / von Kitas
 Vereinbarkeit von Beruf und Familie
 Genügend Kita-Plätze
 Kosten der Fremdbetreuung
 Betreuungsarrangements (Wer, wann, wieviel)
 Art und Weise der Frühförderung
 Bindung wird kaum thematisiert. Weshalb?
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Aufbau des Referats
 Was ist Bindung und was wissen wir über sie?
 Weshalb ist eine sichere Bindung wichtig?
 Welches sind die Elemente guter früher Förderung?
 Wo liegen die Nachteile früher Förderung?
 Fazit und Konsequenzen
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Was ist Bindung und was
wissen wir über sie?
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 Bindungen als innige, durch Mutter-Vaterliebe geprägte
Beziehungen. Mutter-Beziehung und Fürsorglichkeit als
biologisches Programm.
 Unmöglichkeit, eine Urform der Bindung zu identifizieren. Kulturell unterschiedliche Bindungspraxen.
 Keine notwendig alleiniger Obhut durch die Mutter für
eine optimale Entwicklung.
 Problematik einer frühen ausserfamiliären Betreuung
dann, wenn die Bindung an Mutter resp. Vater nicht
stimmt.
 «Bildung braucht Bindung»: Optimale Förderung nur
auf der Basis von emotionalen, sicherheitsgebenden
Beziehungen mit dem Kind im Mittelpunkt möglich.
 Bisher jedoch als zwei getrennte Bereiche dargestellt.
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Vier Bindungsmuster
Sichere Bindung
60%
Unsicher
vermeidende
Bindung
25%
Unsicher
ambivalente
Bindung
10%
Desorganisierte
Bindung
5%
 Bindungsbeziehungen
verändern sich
 Feinfühligkeit als
zentrales Konzept
(angeborene
intuitive
Kompetenz)
 Bedeutung des
kindlichen
Temperaments
und des Konzepts
der Passung
 Primäre und
sekundäre
Bindungsbeziehungen
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Weshalb ist eine sichere
Bindung wichtig?
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Grundlage für erfolgreichen Schuleintritt und späteren
Schulerfolg (mehr Beharrlichkeit, Lernfreude und
Anstrengungsbereitschaft)
Weniger Aggressivität im Kindergarten
 Bedeutung der Dynamik kindlicher Beziehungserfahrungen
zwischen Mutter, Vater und familienergänzenden
Bezugspersonen
 Einbettung früher Förderanstrengungen in tragende
Beziehungen. BILDUNG BRAUCHT BINDUNG
Um ein Kind aufzuziehen, braucht man ein ganzes Dorf
(Aber es entwickelt sich nicht besser, je mehr
Zuwendung es erhält. Auch diese hat Grenzen!!)
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Welches sind die
Elemente guter früher
Förderung?
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 Gestillte physische und psychische Grundbedürfnisse
 Soziale Interaktion und Wissen um die Verfügbarkeit
der Bezugsperson(en)
 Gemeinsame «Konstruktion von Bedeutungen»:
Interaktion mit dem Kind und mit dem, was es tut:
kein Belehren (was richtig/falsch ist, was zu tun ist)
kein vorschnelles Präsentieren von Lösungen
sondern Impulse geben, z.B. anhand der «Zone der
nächsten Entwicklung»
 Das Spiel ist der entscheidende Lern- und Entwicklungsmotor und deshalb die beste Frühförderung.
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Zone der nächsten
Entwicklung
Potenzielles
Entwicklungsniveau
Zone der nächsten
Entwicklung
Aktuelles
Entwicklungsniveau
 Differenz zwischen
aktuellem und
potenziellem
Entwicklungsniveau
 Anregungen sollten der
Entwicklung etwas
vorauseilen
 Entwicklungsprozesse in
Wechselwirkung mit der
Umgebung
(Imitationslernen)
 Geschick der Bezugspersonen (Intuition)
 Bedeutung des
(anspruchsvollen) Spiels
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Wo liegen die Nachteile
früher Förderung?
 dort, wo frühe Förderung verstanden wird als «Fürs
ganze Leben einen Vorsprung schaffen» (Achtung:
Berechtigte frühe Fördereuphorie für benachteiligte
Kinder!)
 wenn Eltern übertriebene Erwartungen haben resp.
ihre Bedürfnisse und nicht diejenigen des Kindes im
Mittelpunkt stehen oder die Orientierung am
Nachbarskind
 dort, wo die natürliche Welt nicht der erste Lehrplan
des Kindes ist (Piaget: «Die Sprache der Dinge hat der
Sprache der Worte vorauszugehen»)
 wenn das Spiel mit unnützem Tun oder mit Zeitvertreib
gleichgesetzt wird
 wenn Eltern (und Fachpersonal) intuitives Verhalten
verlernt haben und sich zu stark an Ratgebern
orientieren
 Gesamthaft: Status Quo frühkindlicher Fördermassnahmen in der Schweiz: entweder ein Zuviel oder
ein Zuwenig
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Fazit und Konsequenzen
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 Bindungen als innige und sichere
Beziehungen zu Mutter und Vater Eltern (be-)stärken!
sowie sekundären Bezugspersonen.
 Überholte Ausschliesslichkeit der
Mutter.
Eltern entlasten!
 Bildung braucht (immer!) Bindung
Eltern aufklären!
 Die Zone der nächsten Entwicklung Eltern informieren!
als Orientierungsrahmen.
 Bildungswucht und frühe
Förderung: Das Spiel ist eigentlich
die beste Frühförderung.
Eltern ermuntern!
 Intuition: eine wieder zu erlernende In Elternbildung
Erwachsenen-kompetenz.
stärker
gewichten!
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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