Einführung in die Bindungstheorie

Einführung in die
Bindungstheorie
Bindung

kann sinnbildlich als ein dauerhaftes
emotionales Band zwischen einem
Kind und einer vertrauten
Bezugsperson verstanden werden
Dipl. Pädagogin Eva Zinnbauer: Einführung in die Bindungstheorie
Fachtag „Eltern stark machen! Bindung beobachten, verstehen und handeln“ 18.11.2015
Bindungstheorie

Begründet in den 1950er von John Bowlby
(brit. Kinderpsychiater) und seiner
Mitarbeiterin Mary Ainsworth (Kanad.
Psychologin)

Geht davon aus, dass jeder Mensch das
angeborene Bedürfnis nach Nähe, Schutz
und Zuwendung einer vertrauten
Bezugsperson hat

Angeborenes Bindungsverhalten
ermöglichen es dem Säugling aktiv,
Bindungen zu einer oder einigen wenigen
Bezugspersonen aufzubauen
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
Bindungsverhalten besteht aus
beobachtbaren Verhalten z.B. Lächeln,
Weinen, Festklammern, Suchen der
Bezugsperson, Nachkrabbeln oder Protest
bei Trennung von der Bindungsperson

Bindungsverhalten ist das Signal für die
Bezugsperson, kindliche Bedürfnisse zu
befriedigen, z.B. indem sie tröstet, auf
den Arm nimmt oder Blickkontakt
erwidert
Dipl. Pädagogin Eva Zinnbauer: Einführung in die Bindungstheorie
Das Kind aktiviert konkretes
Bindungsverhalten bei Fremdheit, Angst,
Unwohlsein oder dem Wunsch nach Nähe
Bezugsperson
reagiert adäquat
Bezugsperson reagiert
NICHT adäquat/ weist
Bindungssuche ab
Bindungssuchendes
Verhalten wird in
der Regeln beendet
Bindungssuchendes
Verhalten wird in
der Regeln verstärkt
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
Erst wenn das Bindungsbedürfnis
befriedigt ist, wird Explorationsverhalten
möglich.

Exploration ermöglicht Lernprozesse

Explorationsverhalten macht das Kind
zunehmend unabhängig von der
Bezugsperson
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Qualität der Bindung

Feinfühligkeit der Bezugsperson vermittelt
dem Kind Sicherheit und Geborgenheit, sie
prägt die Qualität der Bindung

Feinfühliges Verhalten bedeutet, die Signale
des Kindes wahrnehmen, richtig
interpretieren und prompt, angemessen und
zuverlässig darauf reagieren

Säuglinge stellen früh eine Verbindung
zwischen eigenem Verhalten und
spannungsabbauendem Verhalten der
Bezugsperson her, dies ist wichtig für die
Entwicklung eines Selbstwirksamkeitsgefühl
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Entwicklung der Bindung




Ab Geburt: allgemein sozial ansprechbar,
sendet Bindungssignale nicht erkennbar
zielgerichtet an Personen
Ab 3. Monat: Personenspezifisch, sendet
gezielt Signale an bestimmte Personen
Ab 7. Monat: eigentliche Bindung - zeigt
deutliche Bindung an Bezugsperson(en),
reduziert Freundlichkeit gegenüber
Fremden (fremdeln), vermisst
Bezugsperson aufgrund entwickelter
Objektpermanenz
Ab 3 Jahren: angemessene Reaktion auf
Zuwendung und Zurückweisung
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Bindungserfahrungen
Frühkindliche
Bindungserfahrung
z.B. Reaktion
der
Bezugsperson
auf Bedürfnis
nach
Schutz/Nähe.
Kind entwickelt
„innere
Arbeitsmodelle“ zur
Einschätzung
und
Kommunikation
mit Bezugsperson
*Erwartungshaltung zur Gestaltung
von Beziehungen
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Innere Arbeitsmodelle*…
• helfen einzuschätzen,
wie sich die
Bezugsperson verhalten
wird.
• beeinflussen,
inwieweit das Kind
Nähe und Zuneigung
erwartet und selbst
zulassen kann.
• unterscheiden sich für
jede Bezugsperson
Bindungsmuster

Sichere Bindung

Unsicher – vermeidende Bindung

Unsicher – ambivalente Bindung

Desorganisierte Bindung
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
Interaktion zwischen Bezugsperson und
Kind bestimmt das Bindungsmuster

Bindungsmuster ist eine
Verhaltensstrategie des Kindes, mit
welchem es sich an Lebensbedingungen
anpasst

Ein Kind kann mit verschiedenen
Bezugspersonen verschiedene
Bindungsmuster erleben
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Sichere Bindung
entsteht durch feinfühlige, verständnisvolle und
verlässliche Unterstützung der Bezugsperson
Das sicher gebundene Kind kann in
Stresssituationen
 seine
Gefühle zeigen
 aktiv
Kontakt zu Bezugsperson im
Vertrauen auf angemessene
Unterstützung suchen -> beruhigt sich
meist schnell bei der Bezugsperson
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Sichere Bindung
Inneres Arbeitsmodell des Kindes:
 entwickelt
vertrauen in andere
 entwickelt
ein positives Selbstbild, fühlt
sich liebenswert und wertvoll
 empfindet
seine Welt als sicher, ist
dadurch offen und entdeckungsfreudig
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Unsicher-vermeidende Bindung
Bezugsperson ist unfeinfühlig, weist Wünsche nach
Nähe und Trost zurück, bietet keine sichere Basis
Verhalten des unsicher-vermeidend gebundenen
Kindes in Stresssituationen
 Zeigt seine Gefühle nicht offen
 Wirkt äußerlich ruhig, ist innerlich aber
stark gestresst
 Zeigt kaum Interesse an Bezugsperson bzw.
meidet sie, weil es keine angemessene
Unterstützung erwartet
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Unsicher-vermeidende Bindung
Inneres Arbeitsmodell des Kindes:

unterdrückt Gefühle und Bedürfnisse nach
Nähe und Zuwendung

entwickelt eher ein negatives Selbstbild

zieht sich von der Umwelt zurück,
wodurch es oft besonders selbstständig
wirkt
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Unsicher-ambivalente Bindung
Bezugsperson zeigt sich manchmal feinfühlig,
manchmal ablehnend, manchmal aufdringlich, ihr
Verhalten ist für das Kind nicht kalkulierbar, bietet
daher keine sichere Basis
Das unsicher-ambivalent gebundene Kind zeigt
in Stresssituationen
 verzweifelt
seine Gefühle, klammert
 eine
Mischung aus Nähesuchen und
Widerstand gegen die Bezugsperson, da es
nicht weiß, was es zu erwarten hat ->
Beruhigt sich nur schwer
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Unsicher-ambivalente Bindung
Inneres Arbeitsmodell des Kindes:
 entwickelt kein Vertrauen in andere,
andere sind nicht einschätzbar
 große innere Spannung, kann nicht gut
explorieren
 erlebt sich als abhängig und nicht als
selbstständig
 baut nur schwer ein positives
Selbstwertgefühl auf
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Desorganisierte Bindung
Ängstigender Umgang der Bezugsperson mit dem Kind
bis hin zu Misshandlungen oder Vernachlässigung
Kinder, die ein desorganisiertes
Bindungsverhalten zeigen
 verhalten sich unerwartet (z.B.
Stereotypen, unvollendete
Bewegungsmuster, aggressiv)
 haben unklare, widersprüchliche Mimik und
Verhalten
 sind unfähig, ihre Gefühle zu handhaben,
stecken in Ärger, Angst und Hilflosigkeit
fest
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Desorganisierte Bindung
Inneres Arbeitsmodell des Kindes:
 entwickelt das Gefühl, dass andere
Menschen vernachlässigend oder
missbrauchend agieren
 entwickelt das Gefühl, ungeschützt und
hilflos zu sein
 fühlt sich selbst nicht fähig, Bedürfnisse
befriedigt zu bekommen
 erlebt Beziehung zur Bezugsperson als
bedrohlich
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Einflüsse des Bindungsmusters auf die
spätere Entwicklung
Sicher gebundene Kinder
Unsicher gebundene Kinder
• Speichern Arbeitsmodelle von
feinfühligen, zuverlässigen BP.
• Erleben sich selbst als wertvoll und
liebenswert.
• Verfügen später (Kita, Schule) über
deutlich höheres Selbstwertgefühl
• Zeigen angemesseneres
Sozialverhalten
• Sind weniger aggressiv.
• Sind lern-/experimentierfreudiger.
• Haben weniger emotionale
Probleme.
• Suchen in schwierigen Situationen
eher Unterstützung bei anderen.
• Speichern Arbeitsmodelle von
unzuverlässigen Bezugspersonen.
• Betrachten sich als unwirksam und
wenig liebenswürdig.
• Verhalten wird häufig (Kita/Schule)
als „auffällig“ wahrgenommen.
• Haben geringe Frustrationstoleranz
• Sind eher aggressiv, unselbstständig,
haben geringes Selbstwertgefühl.
• Ziehen sich in schwierigen
Situationen eher zurück, versuchen
selbst damit zurecht zu kommen.
• Leiden häufiger unter psychischen/
emotionalen
Störungen/Krankheiten.
Dipl. Pädagogin Eva Zinnbauer: Einführung in die Bindungstheorie
Einfluss der Bindungssicherheit auf
die Persönlichkeitsentwicklung

Bindungssicherheit = Voraussetzung für
gesunde Persönlichkeitsentwicklung

Eine sichere Bindung sollte als
Schutzfaktor, eine unsichere Bindung als
Risikofaktor für die Entwicklung
psychischer Störungen angesehen werden
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Einfluss der Bindungssicherheit auf
die Persönlichkeitsentwicklung
Die früh entwickelte Bindungsqualität kann
sich im Laufe des Lebens verändern.

Sicher gebundene Kinder können durch
bedeutsame enttäuschende Erfahrungen
unsicher hinsichtlich der Verlässlichkeit von
Bindungen werden.

Unsicher gebundene Kinder können durch
positive Beziehungserfahrungen zu
psychisch sicheren Erwachsenen werden.
Dipl. Pädagogin Eva Zinnbauer: Einführung in die Bindungstheorie
Einfluss der Bindungssicherheit auf
die Persönlichkeitsentwicklung

ERGO: negative Bindungserfahrungen kann
durch positive „Korrekturen“ (z.B. positive
Beziehungsvorbilder oder therapeutische
Hilfen) unterbrochen werden.
Dipl. Pädagogin Eva Zinnbauer: Einführung in die Bindungstheorie
Herzlichen Dank für
Ihre Aufmerksamkeit!
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Quellen:
_Bestle-Körfer, R.: Grundlagen sichere Bindung. Aus:
https://bildung.erzbistum-koeln.de/fbs-bergischgladbach/.content/.galleries/kursmaterialienallgemein/Grundlagen_sichere_Bindung.pdf+&cd=1&hl=de&ct=c
lnk&gl=de
_Frick, J.: „Trotz allem“ eine starke Persönlichkeit. In:
Kindergarten heute 5/1998
_Haug-Schnabel, G./Bensel, J.: Kindergarten heute spezial:
Vom Säugling zum Schulkind – Entwicklungspsychologische
Grundlagen, Verlag Herder Freiburg im Breisgau 2004
_Nuber, U.: Der lange Schatten der Kindheit. In: PSYCHOLOGIE
HEUTE Januar 2005
_Stegmaier, Susanne: Grundlagen der Bindungstheorie. Aus:
http://kindergartenpädagogik.de/1722.html
_Viernicke, S./Sechtig J.: Krippenkinder aufnehmen. In:
Kindergarten heute 1/2003
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