Fierlinger, Zdenek tschechoslowakischer Politiker Zdenek Fierlinger

Fierlinger, Zdenek
tschechoslowakischer Politiker
Zdenek Fierlinger wurde am 11. Juli 1891 in Olmütz (Mähren) geboren und entstammt einer
sudetendeutschen, aber slawophilen Familie. Sein Vater war in Olmütz Professor an der
Handelsakademie, die auch Fierlinger 1908 absolvierte, nachdem er die Realschule besucht
hatte. Er schloss sich den tschechischen Sozialdemokraten an. 1914 unternahm Fierlinger eine
Studienreise nach Russland und wurde dort vom Kriege überrascht. Bei Aufstellung der
tschechoslowakischen Legion trat er dieser bei, kämpfte zuerst in Russland und später in
Frankreich, wo er dann zu den intimen Mitarbeitern des nachmaligen tschechischen
Staatspräsidenten Dr. Benesch gehörte.
Nach Errichtung der Tschechoslowakei trat Fierlinger im Jahre 1919 in die diplomatischen
Dienste. Er vertrat sein Land in den Jahren 1920-1923 im Haag, später in Bukarest,
Washington und Bern. Am 12. Juli 1932 wurde er zum Gesandten in Wien ernannt und im
April 1936 zum Chef der politischen Sektion im Prager Außenministerium und gleichzeitig
zum Vertreter der Tschechoslowakei beim Völkerbund in Genf. Im August 1937 wurde
Fierlinger Gesandter in Moskau. Hier scheint er sich zu einem Freund der UdSSR entwickelt
zu haben.
Auch nach der Errichtung des „Protektorats“ blieb er trotz seiner Abberufung schon Ende
1938 in Moskau als diplomatischer Vertreter. Als Folge des deutsch-russischen
Nichtangriffspaktes musste Fierlinger zunächst die Sowjetunion verlassen und ging nach
London, wo sich die Exilregierung installiert hatte. Nach Hitlers Angriff auf die Sowjetunion
kehrte er als Vertreter der Exilregierung nach Moskau zurück. Hier gehörte er nun zu den
Architekten des tschechoslowakisch-sowjetischen Freundschafts- und Beistandpaktes, der
sich später als hervorragendes Instrument zur Festigung und Durchsetzung des bestimmenden
Einflusses der UdSSR erwies.
Nach Kriegsende 1945 kehrte er mit Benesch zurück und übernahm in Kaschau die Leitung
der neuen vorläufigen Regierung. Nach den allgemeinen Wahlen vom 26. Mai 1946 trat er
mit dieser Regierung zurück, wurde aber dann einer der fünf Stellvertreter des
Ministerpräsidenten im folgenden Kabinett des Kommunisten Gottwald. Präsident Benesch
und Fierlinger hatten – noch in London – ein Programm für einen neuen
tschechoslowakischen Staat mit stark sozialistischem Gesicht, aber unter Wahrung
demokratischer Freiheitsrechte, ausgearbeitet, doch erwies sich das Gewicht der
Kommunisten als übermächtig. 1948 resignierte Benesch und Masaryk starb unter bis heute
ungeklärten Umständen. Die relativ sowjetfreundliche Einstellung Fierlingers, der den linken
Flügel der Sozialdemokraten führte, hatte zur Folge, dass die Sozialdemokratie sich in der
CSSR im Frühling 1948 zu keinem Widerstand gegen den kommunistischen
Herrschaftsanspruch aufraffte. Fierlinger hat, nach eigenem Bekenntnis, von Anfang mit den
Kommunisten gemeinsame Sache gemacht. Schon im April löste sich dann die Partei unter
Fierlingers Führung auf und vereinigte sich im Juni mit der KP. Damit war das Ende
demokratischer Wahlen gekommen. In dem umgebildeten Kabinett Gottwald übernahm
Fierlinger das Industrieministerium. Fierlinger wurde 1949 zum Mitglied des ZK und des
Politbüros des ZK der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei gewählt.
Nach dem Rücktritt des Staatspräsidenten Benesch im Juni 1948, dem nunmehr Gottwald in
diesem Amt folgte, wurde Fierlinger in dem neuen Kabinett Zapotocky Vizeministerpräsident
und Minister für kirchliche Angelegenheiten. Als solcher führte er scharfe Maßnahmen gegen
den die neue Staatsform ablehnenden Teil des Klerus durch.
Auch nach dem Tode Gottwalds im März 1953 und der damit zusammenhängenden
Regierungsumbildung blieb Fierlinger stellvertretender Ministerpräsident im Kabinet Sircky
und gehörte somit dem „Regierungspräsidium“, d.h. dem eigentlichen Leitungsgremium an.
Von seinen Funktionen als Leiter des Amtes für kirchliche Angelegenheiten wurde er
entbunden.
Bei der neuerlichen Umbildung der Regierung schon Mitte September 1953 vertauschte er
seinen Regierungsposten mit dem Amt des Präsidenten der Nationalversammlung. In dieser
Eigenschaft richtete er am 17. Juni 1958 einen Brief an Bundestagspräsident Gerstenmaier, in
dem er kurz vor der außenpolitischen Debatte des deutschen Bundestages die sowjetischen
Entspannungsvorschläge aufgriff und ihre Annahme empfahl. Der Ball wurde damals nicht
aufgenommen, auch war die Zeit offensichtlich für einen Ausgleich noch nicht reif.
In der Folge wurde Fierlinger als Präsident der Nationalversammlung mehrfach bestätigt.
Nach den Wahlen vom 14. Juni 1964 wurde Fierlinger altershalber als Parlamentspräsident
ersetzt und trat in den Ruhestand. Auch aus dem Parteipräsidium schied Fierlinger einige Zeit
darauf aus. Das ZK verließ er 1971. Gegen den sowjetischen Einmarsch 1968 hat Fierlinger
zwar protestiert, ihn aber als „Familienangelegenheit“ herabgespielt. Das Präsidium der
Gesellschaft für tschechoslowakisch-sowjetische Freundschaft legte er damals nieder, was mit
vorübergehenden Schwierigkeiten für ihn verbunden war.
Am 2. Mai 1976 ist Fierlinger im Alter von 84 Jahren in Prag gestorben. Sein Tod gab der
Presse weithin Anlass, die Vorgänge des Jahres 1948 und Fierlingers Rolle dabei in die
Erinnerung zurückzurufen.
Quelle: Munzinger-Archiv/Internat. Biograph. Archiv