Rede von Louis de Saint-Just, Probeklaus... 225KB Dec 08 2015 23

EF
Probeklausur
Dez. 2015
Aus der Rede von Louis de Saint-Just am 13.11.1792 vor dem Nationalkonvent
Saint-Just gehörte den Jakobinern an und wurde infolge dieser Rede ein enger Mitarbeiter
Robespierres.
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Ich will beweisen, dass der König gerichtet werden kann; dass die Meinung Morrisons1, der
an der Unverletzlichkeit festhält, so falsch ist wie die des Ausschusses, der ihn als Bürger
richten will, und dass er gerichtet werden muss nach Grundsätzen, die weder mit der einen
Meinung noch mit der anderen etwas zu schaffen haben. Ich sage, der König muss als Feind
gerichtet werden; wir haben ihn weniger zu richten als zu bekämpfen. […]
Eines Tages wird die Menschheit […], erstaunen über die Barbarei2 eines Jahrhunderts, in
dem man sich ein Gewissen daraus machte, einen Tyrannen zu richten, in dem das Volk,
das einen Tyrannen zu richten hatte, ihn erst in den Rang eines Bürgers erhob, ehe es seine
Verbrechen prüfte. […]
In einer anderen Zeit würde manche edle Seele sagen, einem König muss der Prozess
gemacht werden, nicht wegen der Verbrechen seiner Regierung, sondern wegen des
Frevels3, dass er überhaupt König war; denn diese Anmaßung kann nichts auf der Welt
rechtfertigen; und mit welchen Selbsttäuschungen, mit welchen Gewohnheitslügen sich das
Königtum verkleiden mag, es bleibt ein ewiges Verbrechen, gegen das jeder Mensch das
Recht hat, sich zu erheben und zu bewaffnen. […] Man kann nicht herrschen und dabei
schuldfrei sein.
[…] Ludwig hat das Volk bekämpft: er ist besiegt, er ist ein Barbar, ein fremder
Kriegsgefangener. Sie haben seine treulosen Absichten durchschaut; Sie haben seine
Armee gesehen; der Verräter war nicht der König der Franzosen; er war der König einiger
Verschwörer; er hob insgeheim Truppen aus, hatte besondere Beamte; er betrachtete die
Bürger als Sklaven; er hatte insgeheim alle rechtschaffenen und mutvollen Männer
proskribiert4.
[…] Welcher Feind, welcher Fremdling hat uns mehr Übel zugefügt? Er muss seiner würdig
gerichtet werden. Dies ist der Rat der Weisheit und gesunder Politik; die Schlechten
bedienen sich aller möglichen Mittel; man sucht das Mitleid anzuregen; man wird bald
Tränen für Geld kaufen; man wird alles tun um uns zu gewinnen und sogar zu bestechen.
Wenn der König freigesprochen wird, so erinnere Dich, Volk, dass wir Deines Vertrauens
nicht mehr würdig sein werden, und Du wirst uns der Treulosigkeit anklagen können!
(Zitiert nach Paul Hartig: Die Französische Revolution. Stuttgart 1960, S.43f.)
Arbeitsaufträge:
1. Analysiere die Quelle.
2. Ordne die Rede unter Einbezug geeigneter Textstellen in den historischen
Kontext ein und erläutere vor diesem Hintergrund, wie Saint-Just eine
Verurteilung des Königs rechtfertigt.
3. Beurteile die Argumentation Saint-Justs unter Berücksichtigung der
revolutionären Errungenschaften der Jahre 1789-1791. [War die Hinrichtung
Ludwig XVI. am 21. Januar 1793 gerechtfertigt?]
Bonne chance! Viel Erfolg!
1
Morrison war ein Abgeordneter des Nationalkonvents, der sich gegen eine Hinrichtung Ludwig XVI.
ausgesprochen hatte.
2
unmenschliche, grausame Behandlung
3
Frevels=Verbrechens
4
proskribieren=ächten, verstoßen