Theoretische Wenden und ihre Verwendung. Turns und Theorien in den Geistes- und Sozialwissenschaften in Frankreich und Deutschland | Tournants et tournures théoriques. Approches et comparaisons dans les sciences humaines et sociales en France et en Allemagne Die Metapher des turns in der Wissenschaft als Kurve oder Wende hat die Sicht auf die theoretische Fundierung wissenschaftlicher Arbeit in den letzten Jahrzehnten geprägt. Die Idee der Wechselwirkungen zwischen Wissen und seinem Entstehungskontext ist nicht neu, sondern schließt an Überlegungen zu Ludwik Flecks Denkkollektiven, Thomas S. Kuhns wissenschaftlichen Paradigmen oder grundsätzlich Trends in den Wissenschaften an. Wenn die deutschsprachige scientific community für diese Trends bisweilen empfänglicher scheint als die frankophonen Wissenschaftler, sind die verschiedenen turns – linguistic, performative, postcolonial, spatial oder iconic – auch an Frankreich allerdings keineswegs spurlos vorübergegangen. In dem Workshop möchten wir an diese grundsätzlichen Überlegungen anknüpfen, sie zugleich aber an die übergeordnete Frage nach dem Stellenwert von Theorien in den Geistes- und Sozialwissenschaften zurückbinden. Im Mittelpunkt stehen dabei drei übergreifende Aspekte: (1) der turn als Ordnungsstruktur, und zwar sowohl innerhalb der einzelnen Disziplinen der Geistesund Sozialwissenschaften als auch in seiner Eigenschaft als transdisziplinäre Kategorie. Im Zentrum steht dabei also die Frage, welche Auswirkungen ein turn auf Kultur-, Literatur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften und ihren gemeinsamen Theoriehorizont hat. Zudem sollen die Konjunkturen der Aufmerksamkeit, die aus einem wissenschaftlichen Orientierungswechsel erwachsen, problematisch erfasst werden, in Bezug auf Inhalte und Methoden wie auch im Hinblick auf die Formierung eines Erwartungshorizontes der Wissenschaft und ihrer Geldgeber. (2) die konkrete Arbeit mit und über diese turns, und zwar in Form beispielhafter Untersuchung einzelner turns wie ecocriticism, postcolonial studies, Raumtheorien usw, um deren Wirkweisen und Potentiale, aber auch deren Grenzen aufzeigen (3) schließlich die grundsätzliche Bedeutung von Theorien für wissenschaftliche Untersuchungen, insbesondere im Verhältnis zu Empirie, Methode und Forschungsstand All diese Aspekte sollen aus einer interdisziplinären und deutsch-französischen Perspektive diskutiert werden, wobei auch der englischsprachige Raum in seiner Eigenschaft als Produzent und Mittler der turns in den Blick gerät. Vor diesem Hintergrund soll die Frage der (unterschiedlichen) Aneignung und Übersetzung dieser Konzepte in den deutsch- und französischsprachigen Sprachraum untersucht und der grundsätzlichen Bedeutung der theoretischen Fundierung für die Konstruktion, Beschreibung und Repräsentation des Forschungsgegenstandes in den unterschiedlichen nationalen wie auch disziplinären Traditionen nachgegangen werden. Wir freuen uns über Bewerbungen von Nachwuchswissenschaftler/innen, die sich für die aufgeworfenen Fragen oder turns interessieren, diese selbst untersuchen oder sich in einem der durch die turns entstandenen Forschungsfeldern situieren. Bewerbungen (Projektskizze des Forschungsvorhabens, nicht länger als eine Seite, und akademischer Lebenslauf) sind bitte auf Deutsch oder Französisch per Mail bis zum 3. April 2016 an Anne Seitz ([email protected]) und Jana-Katharina Mende ([email protected]) zu richten.
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