LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlp erio d e Drucksache 16/ 21. 04. 2015 4914 Kleine Anfrage des Abgeordneten Christian Baldauf (CDU) und Antwort des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Hinterlegung von Nachlässen bei unbekannten Erben Die Kleine Anfrage 3256 vom 31. März 2015 hat folgenden Wortlaut: Nachlässe, deren Erben unklar oder unbekannt sind, werden von den Amtsgerichten als Hinterlegungsstellen verwahrt. Eine Veröffentlichung der hinterlegten Nachlässe findet auch nach dem neuen Landeshinterlegungsgesetz nicht statt. Meldet sich ein potenziell Anspruchsberechtigter nicht innerhalb der in §§ 21 ff. Landeshinterlegungsgesetz bestimmten Fristen, erlischt der Anspruch auf Herausgabe und der Nachlass verfällt dem Land. Hierzu frage ich die Landesregierung: 1. Wie und mit welchem Aufwand werden im Land Rheinland-Pfalz unbekannte Erben ermittelt und über ihre Erbschaft informiert? 2. Wie viele Nachlässe sind derzeit bei den Amtsgerichten für unbekannte Erben hinterlegt? 3. Welchen Wert haben die für unbekannte Erben derzeit bei den Gerichten hinterlegten Nachlässe? 4. Welchen Wert hatten die hinterlegten Nachlässe, die in den vergangenen zehn Jahren dem Land Rheinland-Pfalz aufgrund Verjährung der Herausgabeansprüche verfallen sind? 5. Wie beurteilt die Landesregierung die eventuelle Schaffung eines elektronischen Hinterlegungsportals, in dem potenzielle Erben hinterlegte Nachlässe einsehen können? Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 20. April 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Eine Erbenermittlung findet nach den Berichten der gerichtlichen Praxis in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen statt. Im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung eines Erbscheins hat das Nachlassgericht, unter Benutzung der von dem Antragsteller angegebenen Beweismittel, von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen (§ 2358 BGB). Sobald das Gericht vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat, hat es eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen (§ 348 Abs. 1 FamFG). Hierzu sind die gesetzlichen Erben und die sonstigen Beteiligten zu ermitteln, denn sie sind zum Eröffnungstermin zu laden bzw. schriftlich über den sie betreffenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen zu unterrichten (§ 348 Abs. 2 und 3 FamFG). Im Fall einer Ausschlagung soll diese demjenigen mitgeteilt werden, dem die Erbschaft infolge der Ausschlagung angefallen ist (§ 1953 Abs. 3 BGB). Insoweit sind Ermittlungen darüber anzustellen, wer nunmehr Erbe ist. Das Grundbuchamt muss bei einem durch Erbfolge unrichtig gewordenen Grundbuch eine Berichtigung von Amts wegen vornehmen und in diesem Zusammenhang von Amts wegen die Erben ermitteln. Es kann das Nachlassgericht um Ermittlung der Erben bitten (§ 82 a GBO). Zur Ermittlung der Erben holen die Gerichte z. B. Auskünfte der Einwohnermeldebehörden und der Angehörigen und Bekannten ein. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 1. Juni 2015 Drucksache 16/ 4914 Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode Soweit die Erben unbekannt sind oder die Erbschaft nicht angenommen haben und ein Sicherungsbedürfnis besteht, also Vermögen vorhanden ist, wird regelmäßig eine Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ sowie „Ermittlung der Erben“ angeordnet. Zu Nachlasspflegern werden dann in der Regel berufsmäßige Pfleger, zumeist Rechtsanwälte, eingesetzt. Gelingt es diesen nicht in angemessener Zeit, sämtliche Erben zu ermitteln, kommt es bei mittleren und größeren Vermögenswerten häufiger zur Einschaltung eines professionellen Erbenermittlungsdienstes. Dessen Erfolgsquote ist nach den Erfahrungen der gerichtlichen Praxis recht hoch. Die Information der Erben erfolgt dann über den Nachlasspfleger beziehungsweise den eingeschalteten professionellen Ermittlungsdienst. Bei Nachlässen mit geringem Wert unterbleibt in der gerichtlichen Praxis zum Teil die Anordnung der Nachlasspflegschaft, sofern der Aufwand zum Wert des Nachlasses außer Verhältnis steht und der Nachlass zur Deckung der Kosten des Pflegschaftsverfahrens nicht ausreicht. In diesen Fällen und in den Nachlasssachen, in denen ein Erbe nicht ermittelt werden kann, werden die zum Nachlass gehörenden hinterlegungsfähigen Gegenstände zugunsten der unbekannten Erben hinterlegt (§ 1960 Abs. 2 BGB). Die Hinterlegungsstelle benachrichtigt von jeder Hinterlegung für unbekannte Erben das zuständige Nachlassgericht (§ 16 LHintG), damit eine Berechtigte oder ein Berechtigter, die oder der Einsicht in die Nachlassakten nimmt, davon Kenntnis erlangt. Wird der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt, so hat das Nachlassgericht festzustellen, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist. § 1964 BGB legt damit dem Nachlassgericht eine amtliche Erbenermittlungspflicht auf, falls der Fiskus als gesetzlicher Erbe in Betracht kommt. Mit dieser Feststellung verlieren allerdings vorhandene private Erben nicht ihre Rechte. Der Staat übernimmt damit für etwaige sich später meldende oder ermittelte Erben lediglich eine Sicherungsfunktion des Nachlassvermögens. Das gesetzliche Erbrecht des Staates dient nicht fiskalischen Gründen, sondern hat vor allem eine Ordnungsfunktion. Der Fiskus wird eingesetzt, um herrenlose Nachlässe zu vermeiden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung zu sichern. Der Feststellung nach § 1964 BGB hat eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte unter Bestimmung einer Anmeldungsfrist vorauszugehen; die Art der Bekanntmachung und die Dauer der Anmeldungsfrist bestimmen sich nach den für das Aufgebotsverfahren geltenden Vorschriften (§§ 1965 BGB, 435 FamFG). Die Aufforderung darf unterbleiben, wenn die Kosten dem Bestand des Nachlasses gegenüber unverhältnismäßig groß sind. Zu Frage 2: Ein Nachlass kann bestehen aus Hausrat, Immobilien, Kraftfahrzeugen, Bankkonten, Bargeld, Schmuck usw. Hinterlegungsfähig sind nur Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten (§§ 1960 Abs. 2 BGB, 6 LHintG). Gesonderte Statistiken über Hinterlegungen in Nachlasssachen werden bei den Amtsgerichten als Hinterlegungsstellen und der Landesjustizkasse als Hinterlegungskasse nicht geführt. Die Landesjustizkasse hat nach umfänglicher Auswertung des in Papierform geführten Werthinterlegungsbuchs berichtet, dass auf Anordnung der Hinterlegungsstellen 1 101 Werthinterlegungen für unbekannte Erben geführt werden (Stand 10. April 2015). Es handelt sich überwiegend um Sparbücher, in Einzelfällen um Schmuck und Aktien. Um die Zahl der anhängigen Geldhinterlegungen für unbekannte Erben zu ermitteln, müssten mehr als 10 000 Hinterlegungsakten ausgewertet werden. Dieser Aufwand ist nicht leistbar. Zu Frage 3: Die Landesjustizkasse konnte nur Angaben zu den Werthinterlegungen für unbekannte Erben machen. Der Gesamtwert beläuft sich auf ca. 4,2 Mio. Euro (ohne Zinsen). Zum Wert der Geldhinterlegungen gelten die Ausführungen zu den Fallzahlen entsprechend. Zu Frage 4: Der Wert der in Nachlasssachen verfallenen Hinterlegungsmassen wird nicht gesondert erfasst. Die Einnahmen aus (allen) verfallenen Hinterlegungsmassen werden im Einzelplan 05 bei Kapitel 05 03 Titel 119 69 neben anderen nicht näher aufgeführten Einnahmen als „Vermischte Verwaltungseinnahmen“ vereinnahmt. Die Ist-Einnahmen betragen von 2005 bis 2014 insgesamt 6 236 721 Euro: 2 Jahr Einnahmen 2005 410 390 € 2006 408 237 € 2007 474 889 € 2008 406 857 € 2009 623 950 € 2010 561 190 € 2011 887 187 € 2012 752 550 € 2013 758 987 € 2014 952 484 € Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode Drucksache 16/ 4914 Zu Frage 5: Die Landesregierung sieht in Übereinstimmung mit der gerichtlichen Praxis schon keinen Bedarf für die Schaffung eines elektronischen Hinterlegungsportals, in dem potenzielle Erben hinterlegte Nachlässe einsehen können. Die Rechte der Beteiligten werden durch das materielle Recht sowie die jeweils anzuwendenden Verfahrensvorschriften gewährleistet, während landesrechtlich durch das Landeshinterlegungsgesetz allein das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis ausgestaltet wird. Mögliche Erben können sich jederzeit an das Nachlassgericht wenden und Informationen einholen. Die Veröffentlichung von privaten Hinterlegungsdaten in einem für jedermann ohne Darlegung eines berechtigten Interesses einsehbaren öffentlichen Register hält die gerichtliche Praxis auch datenschutzrechtlich für problematisch. Prof. Dr. Gerhard Robbers Staatsminister 3
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