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 kunstheft für jugendliche und erwachsene idee, konzept und text: martin oswald, weingarten 2016
zilvinas
kempinas
TUBE
Die raumfüllende Installation des litauischen Künstlers Zilvinas Kempinas
(*1969) ist ein begehbarer Tunnel aus
langen Videobändern. Sie sind von
einem zum anderen Ende des Kunstraums gespannt. Wer diesen röhrenartigen Schlauch (engl. »Tube«) durchschreitet, erlebt ein im Licht flirrendes
Werk, hinter dem sich die Umgebung
der Halle verändert abzeichnet. Der
Schlauch selbst wird zum Raum und
wirkt durch die Bänder besonders
lang, ganz so, als ob man eine zentral-
perspektivische Zeichnung betritt.
Die Besucher tauchen ein in
dieses Kunstwerk, das unsere Sinne
berührt und zugleich verwirrt. Wie bei
vielen Arbeiten des Künstlers ist zu
beobachten, wie die Menschen immer
wieder zurückkehren, um seine Werke
auf sich wirken zu lassen. Kempinas
Kunst ist in jeder Hinsicht eine Sensation für das Auge des Betrachters. Der
Künstler wurde mit diesem im Jahr
2009 erstmals in Venedig gezeigten
Werk weltweit bekannt.
Arbeitsvorschläge BTUBE, Atelier Calder,
Saché, 2008, courtesy
Zilvinas Kempinas
A
Beschreibe, wie du das Begehen des Kunstwerks erlebt
hast.
Entwerfe mit dem Zeichenstift weitere denkbare Räume
aus vergleichbarem Material.
Recherchiere im Internet nach dem Begriff »Minimal Art«
und suche Beispiele dafür. Begründe, warum auch
Kempinas Arbeiten dazu gerechnet werden können.
Die Installation im Kunstraum Dornbirn bezieht aus dem
Gegensatz zwischen dem massiven Bau der ehemaligen
Montagehalle und dem empfindlichen Material der Magnetbänder, die Kempinas verwendet, einen besonderen Reiz.
Versuche diesen Gegensatz genauer zu beschreiben.
Überlege, inwiefern diese Beobachtung auch zu einer
inhaltlichen Interpretation des Werks führen kann.
B
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2
ATUBE, Litauischer
Pavillon 53. Biennale
Venedig, 2009, courtesy
Zilvinas Kempinas
Halte mit einer Kamera das Werk aus unterschiedlichen
Blickwinkeln fest. Was macht die Fotografien so interessant?
Material
Das wichtigste Material, das Kempinas
verwendet, sind abgewickelte Videobänder. Dieses Alltagsmaterial ist
billig, leicht zu besorgen und wirkt für
den Künstler »wie abstrakte Linien im
Raum«. Kunst, sagt Kempinas, überzeuge gerade durch seine Einfachheit.
Es brauche nicht viel dazu.
Mit den Magnetbändern lassen
sich raffinierte Effekte erzielen: Das
breite Band wirkt wie eine dicke Linie,
von der Seite gesehen ist es hingegen
kaum wahrnehmbar. Man kann das
Material dadurch fast »verschwinden«
lassen. Zugleich weiß jeder, dass
dieses Videoband einst eine Fülle von
Daten und Bildinformationen trug, die
im Zusammenhang mit dem neuen
Kunstwerk sinn- und zwecklos geworden sind. So füllt Kempinas die
Bänder mit neuem Leben, das seine
Wirkung allein aus dem vom leisen
Lufthauch bewegten Material und
aus unserer Wahrnehmung bezieht.
Zu seiner Arbeitsweise sagt
Zilvinas Kempinas: »Viele meiner
Ideen entstehen zunächst im Kopf,
dann folgen Skizzen oder ich arbeite
gleich direkt im Raum«. Das Licht
schafft dann zusätzliche Effekte, die
durch die Bewegung der Luft gesteigert werden. Bei Installationen im
Freien ( → Abb. D) sorgt der Wind im
Zusammenspiel mit dem Sonnenlicht
für neue Wirkungen, wenn die reflektierten Strahlen je nach Neigungswinkel der Bänder in den unterschiedlichsten Farben aufblitzen. Unter künstlichem Licht ergeben sich noch ganz
andere Möglichkeiten ( → Abb. E).
»Er ist der
Meister
des Magnet
bandes«
Ben Davis 2010
C
5
4
Arbeitsvorschläge D
Erläutere die Aussage eines Betrachters: »Kempinas
Materialien sind der Raum, die Zeit, der Wind, das Licht
und einfache Stoffe des Alltags«
Sammle Alltagsmaterial (wie z.B. Kunststoff-Folie, CDs,
Verpackungsbänder) und überlege, wie sich damit ein
künstlerischer Effekt erzielen lässt.
Skizziere deine künstlerische Idee, stelle diese anderen
vor und verwirkliche diese Idee zusammen mit der
Kunstgruppe. Tipp: Experimentiere auch mit künstlichem
Licht, mit Geräuschen und Klängen.
CTransmission
2011–2013, courtesy
Zilvinas Kempinas
DKakashi, Museum
Tinguely, 2012, courtesy
Zilvinas Kempinas
EBallroom, 2010, courtesy
Zilvinas Kempinas
E
Zeichnungen
im Raum
Wer zeichnet, benutzt üblicherweise
einen Stift oder Tusche auf Papier.
Allerdings werden auch die Installationen von Zilvinas Kempinas häufig als
»Zeichnungen im Raum« beschrieben.
Denn seine Werke entfalten eine
zeichnerisch-grafische Wirkung,
freilich ohne die traditionellen Mittel.
Diese Doppelseite zeigt eine Auswahl
von Werken. Die Magnetbänder setzt
der Künstler immer wieder anders ein
und schafft damit faszinierende
Gebilde aus Linien. Sie wurden zu
seinem Markenzeichen.
FStill, 2003, courtesy
Zilvinas Kempinas
GParallels, 2007, courtesy
Zilvinas Kempinas
HFountain, 2011, courtesy
Zilvinas Kempinas
IBeyond the Fans, 2013,
courtesy Zilvinas
Kempinas
F
G
Arbeitsvorschläge Vergleiche die abgebildeten Kunstwerke und beschreibe die
einzelnen Rauminstallationen.
Überlege, mit welchen anderen Mitteln man eine zeichnerisch-grafische Wirkung erzielen kann (z.B. Draht, Schatten
unterschiedlichster Gegenstände usw.). Folge dabei der
Aussage Kempinas: »Ich möchte ungewöhnliche Wege
gehen, Kunst zu machen«.
I
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6
H
Arbeitsvorschläge
Beschreibe die Raumwirkung der abgebildeten Installation
und vergleiche sie mit der Arbeit im Kunstraum Dornbirn
Versuche mit Schnüren oder anderen Hilfsmitteln ähnliche
Rauminstallationen zu schaffen. Du kannst die Idee dazu
zunächst in einem kleinen Modell (z.B. in einem Raum aus
Karton) entwickeln.
J
dEr künsTlEr
ZilVinAs
kEMpinAs
ungewöhnliche Schau auf dem Dach?
Er stimmte zu. Und so schaffte ich 60
Christbäume und ein Motorrad aufs
Dach hinauf, dazu zeigte ich Zitate
aus der Bibel und Bilder aus der
Kunstgeschichte, es gab Diaprojektionen, Glockengeläut, Mannequins in
Nikolausgewändern, blinkende
Polizeiwarnlichter und außerdem
Glühwein für alle«.
Viele Menschen kamen und es
wurde zum Stadtgespräch. Auch
wenn sich Zilvinas Kempinas längst
ganz anderer künstlerischer Mittel
bedient, war dieses Ereignis für ihn
der Auftakt zu einer Reihe viel beachteter Kunstprojekte. Trotz der Verschiedenartigkeit seiner heutigen
Kunst ist sein Anliegen letztlich das
gleiche geblieben: Zilvinas Kempinas
möchte, dass die Besucher neben
dem Erlebnis des Schönen auch eine
persönliche Erfahrung mitnehmen
können.
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Der litauische Künstler Zilvinas
Kempinas (*1969) lebte bis in die
1990er Jahre in Vilnius, wo er Malerei
an der dortigen Kunstakademie
studierte. 1994 hatte Kempinas seine
erste Einzelausstellung. Bekannt
wurde Kempinas nicht als Maler,
sondern durch seine raumgreifenden
Werke aus Magnetbändern. Inzwischen wohnt Kempinas in New York.
Zilvinas Kempinas erzählt, wie er
einst auf die Idee kam, künstlerische
Installationen zu machen, anstatt sich
weiter mit Malerei zu beschäftigen:
»Irgendwann während der Weihnachtszeit, ich wohnte da noch in
Vilnius und arbeitete in einem Einrichtungshaus, wo ich zuständig war für
Bodenbeläge, da überredete ich den
Firmenchef, auf dem Dach des
Gebäudes eine Ausstellung machen
zu dürfen. Ich sagte ihm: Warum
machen wir nicht einmal anstatt der
langweiligen Weihnachtsdeko eine
K
J
Zilvinas Kempinas,
Foto: Catarina Kulzar
K
Säulen, 2006, courtesy
Zilvinas Kempinas
Zilvinas Kempinas über sich
»Ich möchte
ungewohnte
Wege gehen,
um Kunst zu
machen«
»Es gibt immer
mehrere Sichtweisen auf die
Dinge. Meine
Magnetbänder
zum Beispiel
wirken wie
Linien im Raum,
sind aber zugleich Datenträger«
»Mein Ventilatorenkunstwerk ist voller Humor und
Witz. Man möchte es wieder
und wieder sehen«
»Die Magnetbänder
stehen auch für die
Zeit an sich: Auf ihnen
ist Vergangenheit
gespeichert, für uns
heute«
»Meine Arbeiten
sollen leicht
»Mit einfachen
wirken und
Materialien zu Leichtigkeit
arbeiten ist
ausstrahlen«
wie Alchemie:
Du fügst zwei
Sachen zu»Ich möchte,
sammen und
dass die
dann kommt
Besucher
etwas völlig
meiner
Neues heraus.
InstallatioDas ist dann
nen eine
etwas anderes
persönliche
als nur die
Erfahrung
Summe der
mitnehmen«
beiden Dinge«
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»Ich bin zwar
kein Wissenschaftler, aber
mich begeistern
die Gesetze der
Physik«
und seine Werke
Ausstellung
Zilvinas Kempinas
TUBE Dornbirn 2016
15. April – 29. Mai 2016
Jahngasse 9, 6850 Dornbirn
Di – So: 10 –18 Uhr
impressum
Gesamtkonzept: Martin Oswald, Weingarten
Herausgeber: Kunstraum Dornbirn, Thomas Häusle
Inhalt / Redaktion: Herta Pümpel
Gestaltung: Sägenvier, Dornbirn
Alle Rechte vorbehalten © 2016
www.kunstraumdornbirn.at