Öko-Junglandwirte-Tagung Alexander Kerns Augen leuchten, wenn er von der Öko-Junglandwirte-Tagung spricht: „Ich bin jetzt noch motivierter, mich für den Öko-Landbau in Südhessen zu engagieren.“ Sehr viel Klarheit und Mut hat auch die junge Gemüsegärtnerin Nina-Isabell Ebel mitgenommen, sie wolle ebenfalls zukünftig ihren Weg in der Landwirtschaft gehen und nach ihren Werten leben, sagt sie. So ähnlich wie die beiden sahen das die meisten der 170 Teilnehmer der Tagung im vergangenen November in Fulda. Rund um das Motto „Wachstum vs. Qualität?“ hatte das Organisationsteam unter der Leitung von Benjamin Volz ein vielschichtiges Programm mit zehn praxisnahen Experten-Vorträgen zusammengestellt. Karl Schweisfurth von den Hermmansdorfer Landwerkstätten eröffnete am Freitagabend die Veranstaltung. In seinem Vortrag „Qualität als Anspruch“ regte er dazu an, nicht nur auf Wachstum, sondern auch auf qualitativ hochwertige Produkte zu setzen. Betriebskooperationen und Netzwerke vieler kleiner Betriebe bezeichnete Schweisfurth als ein zukunftsträchtiges Modell für den Öko-Landbau. Dialog zwischen den Generationen: Harro Colshorn, BiolandGärtner, und Christiane Schwaller vom Tagungsteam Fotos: SÖL/Werchez Jung und engagiert Schauen mit Zuversicht und Elan in die Zukunft: Die Teilnehmer der 10. Öko-Junglandwirte-Tagung 2015. Wissen aus der Praxis Am folgenden Vormittag ging es mit parallelen Vorträgen weiter. Die Tierhaltung und Zweinutzung sorgte während der gesamten Tagung für kontroverse Diskussionen. Günter Postler, Arbeitsgemeinschaft für Rinderzucht auf Lebensleistung, stellte aktuelle Missstände dar. Indem sich die Selektion hier auf Milchleistung fokussiert, sei die Kuh bereits nach drei Jahren Nutzung krank und ausgebrannt. Kühe auf lange Lebensleistung zu züchten, habe hingegen den Vorteil, dass das Tier unterm Strich mehr Milch gebe und der Landwirt durch die Auswahl zwischen mehr Nachkommen seine Herde mit besseren Tieren reproduzieren könne. Bezogen auf Geflügel propagierte Inga Günther von der ÖTZ die Züchtung eines leistungsfähigen Zweinutzungshuhns. Sie kritisierte die Monopolisierung der Hühnerzucht und stellte mit der von Bioland und Demeter getragenen Organisation eine eigenständige ökologische Züchtung in Aussicht. Dem Dialog Raum geben Anlässlich des 10. Jubiläums der Öko-Junglandwirte-Tagung spendierte die Biobäckerei Herzberger eine riesige Torte. In seinem Vortrag „Bio 3.0 – Wege zu mehr Bio?“ verknüpfte Prof. Urs Niggli vom FiBL Schweiz das Wachstum der Öko-Branche mit dem technischen Fortschritt. Um mit dem steigenden Nahrungsbedarf Schritt zu halten, müsse der Öko-Landbau global aus seinem Nischendasein herauskommen. Als konventionelle Landwirte hatten Gabriele Mörixmann (Landwirtschaft Mörixmann GbR) und Günter Jung (Jungs Campinghühner), die ihre Betriebskonzepte vorstellten, zunächst einen schweren Stand. Mörixmann legt großen Wert auf das Wohlbefinden ihrer 875 Schweine. Sie werden antiobiotikafrei gemästet, haben Tageslicht, Auslauf, eine Dusche und sogar ein Bällebad. Günter Jung verlegte sich nach Anwohnerprotesten gegen seinen geplanten Großraum-Hühnerstall auf artgerechte Hühnerhaltung in Mobilställen. In seinem Automaten-Hofladen verkauft er Eier, >> Nach der Tagung ist vor dem Netzwerk Im Anschluss an die Tagung trafen sich rund 35 Teilnehmer, um das bestehende Öko-Junglandwirte-Netzwerk auszubauen. Für den 11. und 12. März hat das Netzwerk bereits eine HofübergabeVeranstaltung in Fulda initiiert. Ein weiterer Fokus des Netzwerkes liegt auf der Bildung von Regionalgruppen. Dazu soll im ersten Schritt eine interaktive Karte im Internet verfügbar gemacht werden, auf der die einzelnen Betriebe und Teilnehmer mit ihren Kontaktdaten verzeichnet sind. Mehr Informationen zum Netzwerk: www.oeko-junglandwirte-tagung.de 49 Bioland aktiv Fleisch und andere regionale Produkte. Beide Beispiele ermutigten die Junglandwirte, den Dialog mit ihren konventionellen Kollegen zu suchen. Von innovativen Konzepten berichteten Anja Hradetzky und Ezra Lehman. Hradetzky hat gemeinsam mit ihrem Mann einen ökologischen Milchviehbetrieb ohne Eigenkapital aufgebaut. Dabei finanzierte sie eine Herde von 25 Kühen innerhalb kürzester Zeit durch „Stolze Kuh Anteile“. Lehman bewirtschaftete in Neuseeland einen Milchviehbetrieb, auf dem er Vollweidehaltung, Block-Abkalbung und stalllose Haltung der Nachzucht praktizierte. Krönender Abschluss der Tagung war eine Podiumsdiskussion mit Urs Niggli, Anja Hradetzky, Kirsten Wosnitza, Harro Colshorn und Gabriele Mörixmann. Jeder Referent startete mit einer prägnanten Aussage zum Thema Wachstum in die Diskussion. Besonders zur Massentierhaltung gab es aus dem Publikum kritische Äußerungen gegenüber den konventionellen Kollegen. Einige Teilnehmer ergriffen aber auch Partei für konventionelle Bauern, die keine industrielle Produktion betreiben. Letztendlich wünschten sich viele der Anwesenden einen Dialog zwischen ökologischen und konventionellen Landwirten. Unter dem Motto „Perspektivwechsel“ soll dieses Thema bei der nächsten Tagung schwerpunktmäßig aufgegriffen werden. Gabriel Werchez Peral Stiftung Ökologie & Landbau (SÖL), E-Mail: [email protected] Die Öko-Junglandwirttagung wird von der Stiftung Ökologie & Landbau (SÖL) und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) Deutschland veranstaltet. bioland 01/2016 50
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