Klagebefugnis des Grundstückseigentümers bezüglich einer sein

VG Augsburg, Urteil v. 09.12.2015 – 4 K 14.786
Titel:
Klagebefugnis des Grundstückseigentümers bezüglich einer sein Grundstück
betreffenden Baugenehmigung
Normenketten:
VwGO § 42 II
BayBO Art. 68 IV
§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
Art. 68 Abs. 4 BayBO
VwGO § 42 II
BayBO Art. 68 IV
Schlagworte:
Baugenehmigung, Grundstückseigentümer, Klagebefugnis, Lärmimmission, Erbbaurechtsnehmer, Pächter,
Ferienanlage, Außenbewirtschaftung, Nachbarschutz, zivilrechtliches Vorgehen
Entscheidungsgründe
Aktenzeichen: Au 4 K 14.786
Gericht: VG Augsburg
Urteil
9. Dezember 2015
4. Kammer
Sachgebiets - Nr. 920
Hauptpunkte: Baugenehmigung für Sitzfläche im Freien an einer Alpe /Schaukäserei; Keine Klagebefugnis
eines Grundstückseigentümers bezüglich einer sein Grundstück betreffenden, an einen Dritten (hier:
Erbbaurechtsnehmer /Pächter) ausgereichten Baugenehmigung; Vorrangigkeit zivilrechtlichen Vorgehens;
Verletzung in eigenen Rechten (Lärmimmissionen) offensichtlich ausgeschlossen
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Klägerin bevollmächtigt: ...
gegen
...
- Beklagter beigeladen: ...
wegen Baugenehmigung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 4. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am
Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den
ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9.
Dezember 2015 am 9. Dezember 2015 folgendes
Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten
selbst.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des ca. 42,5 ha großen Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung .... Sie betreibt auf
diesem und weiteren Grundstücken den „Ferienclub ...“, der insbesondere aus Bungalows und weiteren zu
einer Ferienanlage zählenden Einrichtungen besteht. Bis zur Umwandlung in eine GmbH im Laufe des
Jahres 2015 firmierte die Klägerin als Gemeinnütziges ... e.V.
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Bezüglich einer Teilfläche von etwa 6,08 ha dieses Grundstücks schlossen die Rechtsvorgängerin der
Klägerin, die Beigeladene sowie ihr Ehemann am 23. Dezember 2011 einen Vertrag zur Begründung eines
Erbbaurechts. Bestandteil des Erbbaurechtsvertrags war ein zum 1. Januar 2012 wirksam werdender
Pachtvertrag. Dieser sieht unter Nr. 5 (Nutzung) u. a. vor, dass die Beigeladene und ihr Ehemann berechtigt
sind, auf der Pachtfläche einen landwirtschaftlichen Betrieb in Form einer Alpe einzurichten und zu halten.
Erbbaurecht und Pachtvertrag sollten am 31. Dezember 2067 enden.
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Mit Bescheid vom 19. September 2013 wurde der Beigeladenen vom Beklagten eine Baugenehmigung für
das Vorhaben „Abbruch eines Stadels und Errichtung eines Bio-Erlebnishofs durch Neubau einer Käserei
mit Probierstube, Hofladen und Hofschänke sowie Neubau eines Stallgebäudes mit Jauchegrube“ auf dem
Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... erteilt. Unter Nr. 2.1 (Bedingung) der Baugenehmigung ist bestimmt:
„Die gaststättenähnlichen Einrichtungen des Bio-Erlebnishofes, also die Probierstube und Hofschänke
dürfen nur im beantragten Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober jeden Jahres betrieben werden“. Unter Nr.
2.4 ist bestimmt, dass ein Vermerk vom 19. September 2013 über das Gespräch zwischen dem
Landratsamt ... und dem Ehemann der Beigeladenen mit den darin getroffenen Vereinbarungen und
Zusagen zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht wird.
5
In den Gründen der Baugenehmigung ist ausgeführt, dass das Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
zulässig sei. Nach einer Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... vom 16.
September 2013 war das Vorhaben dahin zu beurteilen, dass mit der Neugründung ein landwirtschaftlicher
Betrieb mit Milcherzeugung und Käseherstellung zur Direktvermarktung entstehe. Die Direktvermarktung sei
als selbstständiger Privilegierungstatbestand zu werten. Der Einkommensbeitrag durch die Gästebewirtung
sei dem Einkommensbeitrag der Milchviehhaltung und der Käserei deutlich untergeordnet. Somit sei die
Gästebewirtung ein mitgezogener Betriebszweig. Die Neugründung werde als landwirtschaftlicher Betrieb
im Sinne von § 201 BauGB, das Bauvorhaben als betriebsdienlich im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
beurteilt.
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Auf Antrag der Beigeladenen wurde ihr mit Bescheid vom 23. April 2014 eine Baugenehmigung für das
Vorhaben „Sitzfläche für Gäste, Verlängerung Anbau als Lagerraum“ erteilt. Ein zum Bestandteil der
Baugenehmigung erklärtes Beiblatt enthielt folgende Auflagen:
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1. Die Außenbewirtschaftungsfläche ist unmittelbar westlich der Käserei und Probierstube zu situieren.
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2. Die Außenbewirtschaftungsfläche darf mit maximal drei Biertischgarnituren, was bis zu 30 Sitzplätzen
entspricht, auf einer aufgekiesten Fläche von maximal 40 qm aufgestuhlt werden.
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3.Die Außenbewirtschaftungsfläche darf nur vom 1. Mai bis 31. Oktober jeden Jahres betrieben werden.
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4. In der Probierstube und auf der Außenbewirtschaftungsfläche dürfen nur einfache kalte und warme
Speisen, hergestellt aus eigenen Erzeugnissen mit geringem Zukauf, angeboten werden.
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Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin am 26. Mai 2014 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg
erheben mit dem Antrag,
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die Baugenehmigung vom 23.4.2014 (Sitzfläche für Gäste, Verlängerung Anbau als Lagerraum) auf der
Liegenschaft ..., ..., ... 1, 2, Gemarkung ..., Fl.Nr. ..., aufzuheben.
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Zur Begründung wurde zunächst ausgeführt, die Baugenehmigung sei rechtswidrig und beeinträchtige die
Klägerin in ihren Rechten als Grundstückseigentümerin und Betreiberin der Ferienanlage auf dem
Grundstück. Die Klägerin habe der Maßnahme aus diesem Grunde nicht zugestimmt.
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In der gerichtlichen Eingangsmitteilung vom 27. Mai 2014 wurde der Klägerbevollmächtigte im Hinblick auf
die Lage des Bauvorhabens im Außenbereich und Art. 68 Abs. 4 BayBO um Mitteilung gebeten, in welchen
öffentlichrechtlich geschützten Positionen die Klägerin eine Rechtsverletzung geltend mache.
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Hierzu führte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 12. Juni 2014 aus, die Vorhaben Alpe mit Stall
und die hier in Rede stehende Außenschankfläche bildeten eine wirtschaftliche Einheit. Die Außenfläche
werde über die Alpe, insbesondere über die Küche und die Gastwirtschaft versorgt. Zu den Gästen, die die
Gastwirtschaft und die Probierstube aufsuchten, kämen insbesondere an Wochenenden hunderte von
Gästen, die nicht nur in der geschlossenen Gaststätte, sondern bevorzugt auf der Außenfläche Platz
nähmen. Da die auf der Außenfläche aufgestellten Tische ortsüblich groß seien, unterhielten sich die Gäste
nicht in normaler Lautstärke (ca. 55 dB(A)), sondern erheblich lauter in einer Lautstärke von 70 bis 80
dB(A). Mit zunehmendem Genuss alkoholischer Getränke, die ausweislich einer beigefügten Speisekarte
günstig ausgeschenkt würden, erhöhe sich die Lautstärke exponentiell. Dadurch würden die in der TA Lärm
und im BImSchG vorgegebenen Grenzwerte weit überschritten. Die Gäste der Ferienanlage würden durch
den von der Freisitzfläche ausgehenden Lärm in unzulässiger Weise gestört. Zudem würden sie durch
ankommende und insbesondere in den Abendstunden durch in den Ort zurückgehende Gäste gestört, die
sich, je nach Alkoholpegel, laut unterhielten, während sie die Ferienanlage passierten. Zudem ergebe sich
eine besondere Beeinträchtigung durch Personen, die mit einem Kraftfahrzeug oder mit einem Quad zur
Alpe fahren würden.
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Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 3. Juli 2014,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Ehemann der Beigeladenen habe bereits mit Datum vom 26. Juni
2012 einen - später wieder zurückgezogenen - Bauantrag eingereicht, der unter anderem die Errichtung
eines Alpgebäudes mit Schaukäserei, Hofladen, Probierstube mit Hofschänke und einem angegliederten
Biergarten sowie Kfz-Stellplätze vorgesehen habe. Diesem Antrag habe die Klägerin durch ihre Unterschrift
zugestimmt. Die beiden der Beigeladenen genehmigten Vorhaben blieben bezüglich Umfang und Art der
Nutzung erheblich hinter dem zurück, was der Ehemann der Beigeladenen bereits 2012 an Planung
eingereicht habe. Daher sei fraglich, ob die Klage überhaupt zulässig sei.
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Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Die TA Lärm und das BImSchG dienten dem Schutz der
Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Personen, die mit dem
Anlagenbetreiber im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der Anlage Rechtsbeziehungen
unterhielten, seien innerhalb dieser Beziehung keine Nachbarn. Die Klägerin stehe aufgrund des
abgeschlossenen Erbbaupachtvertrags in einem solchen Verhältnis zur Beigeladenen. Demzufolge könne
sie sich nicht auf einen etwaigen Nachbarschutz berufen. Selbst wenn man jedoch die Immissionsrichtwerte
der TA Lärm zugrunde lege, ergebe sich keine Rechtsverletzung der Klägerin. Die streitgegenständliche
Freisitzfläche liege 330 m (Luftlinie) vom nächst gelegenen Immissionsort (Bungalow der Ferienanlage)
entfernt. Nach einer Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs des Landratsamts ergebe sich bei 30
Sitzplätzen (bauaufsichtliche Beschränkung), dass selbst der niedrigst zulässige (reines Wohngebiet)
Nachtimmissionswert von 35 dB(A) am nächstgelegenen Immissionsort durch den Gästelärm um 16 dB(A)
unterschritten werde. Auch der maximal zulässige Spitzenpegel von 55 dB(A) würde um 4 dB(A)
unterschritten.
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Des Weiteren sei die Baugenehmigung lediglich für den Betrieb einer sog. Straußenwirtschaft im Rahmen
eines „alpgleichen“ Betriebs erteilt worden. Gleiches gelte für eine der Beigeladenen erteilte
gaststättenrechtlichen Erlaubnis. Ein Fahrverkehr zur Hofstelle der Beigeladenen sei weder zulässig noch
bauaufsichtlich genehmigt. Die Zufahrt sei auch nur über die im Eigentum der Klägerin stehende Zuwegung
möglich. Im Rahmen der zivilrechtlichen Verfügungsbefugnis stehe es ihr anheim, unerwünschten
Fahrzeugverkehr selbst zu verbieten und zu verhindern.
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Mit Schriftsatz vom 5. August 2014 begründete der Klägerbevollmächtigte die Klage näher. Eine
Klagebefugnis bestehe auch im Rahmen der Bestellung eines Erbbaurechts. Die Stellungnahme des
Umweltschutzingenieurs sei nicht nachvollziehbar. Zugrunde zu legen sei das Modell nach DIN ISO 9613/2,
das von einem Einzelschallereignis ausgehe. In einem Biergarten entstünden jedoch etwa durch lautes
Gelächter einer Besuchergruppe Spitzenpegel, die auch bei der hier in Rede stehenden Entfernung zu den
Gebäuden der Klägerin die Grenzwerte der TA Lärm deutlich überschritten. Dies sei durch
Sachverständigengutachten nachweisbar. Auch habe der Umweltschutzingenieur den Lärm durch
kommende und gehende Gäste unberücksichtigt gelassen. Von den Parkplätzen der Anlage der Klägerin,
die häufig von den Gästen der Alpe benutzt würden, halle der Lärm zu dem etwa 120 m entfernt stehenden
Wohngebäude der Ferienanlage hinüber. Auch hierdurch seien die Grenzwerte der TA Lärm überschritten.
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Die von den Beigeladenen zitierte Vereinbarung vom 5. August 2013 zur Errichtung und zum Betrieb einer
Alpe „...“ sei nicht von einem vertretungsberechtigten Organ der Klägerin sowie nicht rechtzeitig von der
Beigeladenen und ihrem Ehemann unterschrieben worden. Sie beziehe sich zudem auf einen Bauantrag,
der keinen Außenausschank und keine Außenbewirtschaftungsfläche vorsehe. Die Klägerin und die
Beigeladene bzw. ihr Ehemann seien sich einig gewesen, dass kein gastronomischer Betrieb, sondern ein
landwirtschaftlicher Betrieb im Vordergrund stehen solle. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass die
Probierstube und die zunächst angedachte kleine Terrasse der Verkostung und damit der Vermarktung
selbst hergestellter Produkte dienen sollten. Erst bei Wahrnehmung des errichteten Vorhabens sei deutlich
geworden, dass ein gastronomischer Betrieb mit angeschlossenem Bauernhof, nicht, wie beabsichtigt,
umgekehrt, errichtet worden sei. Die Beigeladene bzw. ihr Ehemann hätten sich kontinuierlich bemüht, den
gastronomischen Betrieb im Vergleich zum landwirtschaftlichen Betrieb als nicht so umfangreich erscheinen
zu lassen, wie er tatsächlich geplant gewesen sei. So habe die Klägerin aufgrund einer Zählung
hochgerechnet, dass durchschnittlich 200 Gäste pro Tag bewirtet würden. Dies sei nahezu das Zehnfache
dessen, was die Beigeladene ihrer Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde gelegt habe. Faktisch
übersteige der Umsatz im gastronomischen Betrieb den Umsatz des landwirtschaftlichen Betriebs um das
Fünffache. Bei dem gastronomischen Betrieb handle es sich daher nicht um einen nachgezogenen Betrieb,
sondern um die Haupteinnahmequelle. Mithin lägen die Voraussetzungen für eine Privilegierung gemäß §
35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht vor. Nicht der landwirtschaftliche Betrieb, sondern der gastronomische Betrieb
stehe im Vordergrund.
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Am 22. September 2014 nahm der Beklagte weiter Stellung. Die Klägerin sei weder Nachbarin noch
klagebefugt. Auch die allein maßgebliche Verletzung öffentlichrechtlicher Nachbarrechte liege nicht vor. Es
komme ausschließlich auf die genehmigte Nutzung an. Die Zuwegung zum fraglichen Vorhaben liege im
Eigentum der Klägerin und sei für den Allgemeinverkehr gesperrt. Das eingeschaltete Landwirtschaftsamt
habe eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bejaht, weil der aus der Selbstvermarktung
erwirtschaftete Gewinn als untergeordnete Position in den Gesamtgewinn des Betriebs eingehe.
Hintergrund der Klage sei vermutlich, dass die Klägerin in ihrem Feriendorf ein Restaurant führe und
deswegen aus Konkurrenzgründen gegen das Vorhaben vorgehen wolle.
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Die Beigeladene äußerte sich im gerichtlichen Verfahren insbesondere mit Schreiben vom 3. Juni 2014,
vom 26. Juni 2014 und vom 9. September 2014, stellte aber keinen Antrag. Sie wies im Wesentlichen
darauf hin, dass die Klägerin bereits einen weitergehenden Bauantrag aus dem Jahr 2012 unterschrieben
habe. Mit der Klägerin habe sie eine Vereinbarung über die Nutzung der Alpe abgeschlossen. Auch seien
die meisten Gäste ab ca. 20.00 Uhr, bedingt durch die eintretende Abendkühle, auf dem Weg nach Hause.
Der Betrieb würde um 22.00 Uhr schließen, da bereits um 5.00 Uhr mit der Käseproduktion begonnen
werden müsse. Gäste seien noch nie stark angetrunken vom Hof gegangen. Es werde bestritten, dass die
Gäste des Ferienzentrums durch die Sitzmöglichkeiten im Freien gestört würden. Vielmehr besuchten die
Gäste selbst gerne die Alpe. Bestritten werde auch, dass sich die Gäste durch ankommende und
zurückgehende Gäste gestört fühlten. Bei ihr habe sich kein Gast des Ferienzentrums beschwert. Als
Lärmquelle käme eine weitere Gaststätte in Betracht, die näher zum Ferienzentrum liege, bei der auch
Musik auf einer Terrasse gespielt werde. Die Preise für die Getränke seien ortsüblich. Bewusst würden
einige alkoholfreie Getränke günstiger bzw. preisgleich mit alkoholischen Getränken angeboten. Sie würde
im Internet ihre Gäste anhalten, den ausgewiesenen Parkplatz beim Ferienzentrum zu nutzen. Die Nutzung
durch Quad-Fahrer liege daran, dass es sich um einen öffentlichen Weg handle. Es treffe auch nicht zu,
dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung „geschönt“ worden sei. Wenn - nach drei Monaten Erfahrungen - die
Umsätze aus Gastronomie und Landwirtschaft/Käserei hochgerechnet würden, passten die angenommenen
Zahlen der Wirtschaftlichkeitsberechnung sehr gut.
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Mit Schreiben vom 8. September 2015 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass Vergleichsgespräche
zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bzw. ihrem Ehemann gescheitert seien.
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Mit Schreiben vom 13. Oktober 2015 nahm der Klägerbevollmächtigte weiter Stellung. Das Grundstück der
Klägerin sei nicht mit einem Erbbaurecht zugunsten der Beigeladenen belastet. Der am 23. Dezember 2011
geschlossene Erbbaurechtsvertrag sei bisher wegen unterschiedlicher formaler Fehler nicht
grundbuchrechtlich vollzogen worden. Die Baugenehmigung habe deshalb der Beigeladenen nicht erteilt
werden dürfen. Die Klägerin sei in ihren Rechten beeinträchtigt, weil einem Dritten eine Baugenehmigung
für ihr Grundstück erteilt worden sei, der sie nicht zugestimmt habe.
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Außerdem halte sich die Beigeladene nicht an die angefochtene Baugenehmigung. Nach einer von der
Klägerin veranlassten Ortseinsicht durch den Beklagten am 24. September 2015 sei festgestellt worden,
dass eine aufgekieste Außenfläche von ca. 90 qm sowie mindestens 80 Sitzplätze und weitere
Sitzgelegenheiten geschaffen worden seien. Der Beklagte habe daher die Beigeladene mit Schreiben vom
28. September 2015 aufgefordert, auf den im Bescheid vom 23. April 2014 genehmigten Umfang
zurückzubauen. Andernfalls werde eine Anordnung mittels kostenpflichtigen Bescheids erfolgen.
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Die Beigeladene bzw. ihr Ehemann seien nicht einmal bereit, eine Vereinbarung mit der Klägerin zu treffen,
wonach die streitgegenständliche Baugenehmigung eingehalten werden solle. Eine Einigung zwischen
Klägerin und Beigeladener sei nur dann möglich, wenn der landwirtschaftliche Betrieb im Vordergrund stehe
und die Bewirtung im Hintergrund bleibe.
29
Am 20. Oktober 2015 nahm der Berichterstatter das Vorhaben und die nähere Umgebung in Augenschein.
30
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
31
Die Klage bleibt ohne Erfolg, denn sie ist bereits unzulässig.
32
Die Unzulässigkeit folgt allerdings nicht daraus, dass die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin einem
Vorhaben des Ehemanns der Beigeladenen durch Unterschrift zugestimmt hatte (Art. 66 Abs. 1 Satz 2
BayBO), das - aus Sicht des Beklagten - weiter reichte als die durch die Baugenehmigungen vom 19.
September 2013 und durch die hier streitgegenständliche Baugenehmigung vom 23. April 2014
zugelassenen Vorhaben. Denn die Zustimmung zu einem Bauvorhaben hat rechtliche Wirkung nur für das
Verfahren, in dem sie erklärt wird und bezieht sich nur auf eine erteilte Baugenehmigung. Bleibt dieses
Verfahren - wie hier bezüglich des 2012 vom Ehemann der Beigeladenen gestellten Bauantrags - ohne
Erfolg, wird auch die Zustimmung wirkungslos, selbst dann, wenn der Bauantrag, dem zugestimmt wurde,
durch einen neuen oder wesentlich geänderten Antrag ersetzt wird, der inhaltlich für den Nachbarn
günstiger ist (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 66 Rn. 163 m. w. N.).
33
Die Klage ist allerdings mangels Klagebefugnis unzulässig. Die Klägerin kann als Eigentümerin des
Grundstücks, auf dem gebaut worden ist bzw. auf dem die streitgegenständliche Sitzfläche für Gäste
betrieben wird, nicht im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch die streitgegenständliche
Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein.
34
Wendet sich - wie hier - ein Dritter gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung, kommt es auf
wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die objektive Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht an. Vielmehr
muss die Genehmigung den Dritten auch und gerade in nachbarschützenden materiellen Rechten verletzen
(st. Rspr., vgl. z. B. BayVGH, U.v. 23.11.2011 - 14 BV 10.1811 - juris Rn. 34 m. w. N.).
35
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann Nachbar im Sinne des
öffentlichen Baurechts, also potenziell berechtigter Dritter nachbarschützender Vorschriften, nur derjenige
sein, der Rechte an einem anderen Grundstück als dem Baugrundstück hat (BayVGH, U.v. 27.10.1992 - 1
B 92.538 - BayVBl 1993, 373; vgl. auch BayVGH, B.v. 16.11.1992 - 14 CS 92.2147 - juris Rn. 20 sowie
zusammenfassend Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 66 Rn. 61). Die
Beschränkung der öffentlichrechtlichen Nachbareigenschaft auf Inhaber an „fremden“ Grundstücken
(anderen Grundstücken als dem Baugrundstück) beruht auf der Einsicht, dass der jeweilige Rechtsinhaber
gegen ein Bauvorhaben auf dem Grundstück, an dem ihm das Recht zusteht, nicht durch die (vom
Bauherrn einzuhaltenden) öffentlichrechtlichen Anforderungen geschützt werden muss, weil er das, was er
aufgrund seines Rechts verlangen kann, privatrechtlich durchzusetzen vermag (BayVGH, U.v. 27.10.1992,
a. a. O.).
36
So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat mehrfach und ausdrücklich betont, dass sie Eigentümerin des
Vorhabengrundstücks sei. Damit ist sie gerade nicht im Sinne der öffentlichrechtlichen Nachbarklage in
Bezug auf das streitgegenständliche Vorhaben klagebefugt. Hieran ändert nichts, dass namentlich die
Bungalows des von der Klägerin betriebenen Ferienzentrums ausweislich des vom Beklagten vorgelegten
Lageplans auf anderen als dem Vorhabengrundstück Fl.Nr. ... liegen (Fl.Nrn. ... ff.). Denn
Nachbargrundstück für diese Grundstücke ist gerade das im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück
Fl.Nr. ....
37
Die oben dargestellte Konsequenz ergibt sich letztlich auch aus Art. 68 Abs. 4 BayBO. Aus der Vorschrift
folgt, dass über die Vereinbarkeit privater Rechte Dritter mit dem Bauvorhaben - wie vorliegend das
Eigentumsrecht der Klägerin - im Baugenehmigungsverfahren nicht entschieden wird. Die Baugenehmigung
sagt über solche Rechte nichts aus und wirkt sich demnach auf sie nicht aus. Daher begründet ein privates
Recht grundsätzlich auch kein Abwehrrecht gegen die Baugenehmigung, sondern muss vor den
ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 29.8.2014 - 15 CS 14.615 - juris Rn.
18).
38
Zwar mag die Baugenehmigungsbehörde befugt sein, den Bauantrag bei fehlender Verfügungsbefugnis des
Bauherrn über das Baugrundstück mangels Sachbescheidungsinteresses abzulehnen (vgl. Lechner, in:
Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 68 Rn. 167). Voraussetzung wäre aber, dass ein schlechthin
nicht ausräumbares Hindernis vorliegt, wovon angesichts der unstreitig geschlossenen Verträge
(Erbbaurecht; Pacht) vorliegend keine Rede sein kann. Insbesondere aber dient diese Ablehnungsbefugnis
allein öffentlichen Interessen, denn es soll vermieden werden, dass die Baugenehmigungsbehörden
Baugenehmigungen auszureichen haben, die für den Antragsteller ersichtlich nutzlos sind.
39
Eine öffentlichrechtlich erhebliche Betroffenheit der Klägerin durch die streitgegenständliche
Baugenehmigung lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Klägerin im Falle einer
baugenehmigungswidrigen Ausführung des Vorhabens durch die Beigeladene oder gar einer Rücknahme
der Baugenehmigung als Zustandsstörerin bauaufsichtlich vom Beklagten auf Beseitigung
baurechtswidriger Zustände in Anspruch genommen werden könnte. Zum einen sind solche Betrachtungen
schon aus tatsächlichen Gründen rein hypothetisch. Sie stehen außer Zusammenhang mit der - in Bezug
auf Nachbarrechte - Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung. Zudem wäre
zunächst - wie auch das Vorgehen des Beklagten in Bezug auf u. a. die Überschreitung der zulässigen
Sitzplätze zeigt (Schreiben vom 28.9.2015) - die Beigeladene als Handlungsverantwortliche heranzuziehen.
Dass die Klägerin als Eigentümerin notfalls als Zustandsverantwortliche herangezogen werden kann, läge
daran, dass sie als Verfügungsbefugte Baumaßnahmen auf ihrem Grundstück zugelassen hat. Wie
ausgeführt, zwingt die Baugenehmigung die Klägerin wegen Art. 68 Abs. 4 BayBO nicht zur Duldung der
Errichtung und des Betriebs des Vorhabens, sondern lässt ihre zivilrechtlichen Möglichkeiten und
Ansprüche unberührt.
40
Jenseits dieser Erwägungen folgt die fehlende Klagebefugnis auch daraus, dass eine Verletzung der
Klägerin in eigenen Rechten (in Betracht kommt insoweit allein eine Verletzung des Gebots der
Rücksichtnahme durch unzumutbare Lärmimmissionen, vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB) angesichts
der von der Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs
des Beklagten vom 1. Juli 2014, der erheblichen Entfernung zum nächst gelegenen Ferienbungalow (über
300 m) sowie der Baugenehmigung vom 19. September 2013 für das „Grundvorhaben“ zum Neubau der
Käserei mit Probierstube, Hofladen und Hofschänke, gegen die die Klägerin nicht gerichtlich vorgegangen
ist, bereits von vornherein nicht möglich erscheint.
41
Nach allem war die Klage abzuweisen.
42
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich
damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO nicht ausgesetzt hat, trägt sie ihre Kosten billigerweise
selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
43
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff.
ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach
Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift:
Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich
zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des
vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung
ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34
01 48, München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung
ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des
Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird
und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen
Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren
vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2
Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4
VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,- € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Nr. 9.7.1).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen
worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache
Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht
Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43,
86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der
Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde
auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses
eingelegt werden.