Juristische Fakultät Konversatorium zum GK BGB I Zusatzmaterialien Markus Welzenbach Die Anspruchsprüfung im Zivilrecht Hinweis: Wenn im Fall nach den Ansprüchen einer Person gefragt ist, muss der Aufbau jedes einzelnen Anspruchs grundsätzlich nach diesem Schema erfolgen. Die Prüfungsschemata der einzelnen Anspruchsgrundlagen (z. B. § 433 II BGB oder § 985 BGB) sind unter Punkt I a) anzuwenden. Falls von Anfang an aber ersichtlich ist, dass weder Erlöschensgründe noch Durchsetzungshindernisse in Frage kommen, kann aus Zeitgründen ausnahmsweise auf diese dreigliedrige Prüfung verzichtet und nur Punkt I geprüft werden. Wenden Sie dennoch dieses dreigliedrige Prüfungsschema an, so führt dies selbstverständlich nicht zu einem Punktabzug. Die aufgeführten Einwendungen bzw. Einreden stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus dem möglichen Spektrum dar, der vor allem an die Kenntnisse, die von einem Erstsemester erwartet werden können, angepasst ist. I. Anspruch entstanden a) Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der entsprechenden Anspruchsgrundlage (z.B. § 433 II BGB, § 985 BGB) b) Keine rechtshindernden Einwendungen, die eine Willenserklärung von Anfang an unwirksam machen, z.B.: o Geschäftsunfähigkeit (§§ 104, 105 BGB) bzw. fehlende Genehmigung bei beschränkter Geschäftsfähigkeit (§ 108 I BGB) o Willensmangel nach §§ 116 – 118 BGB o Formnichtigkeit, § 125 S. 1 BGB o Verstoß gegen gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) bzw. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) o Wohl h.M.: Anfechtung, §§ 119 ff., 142 BGB 1 II. Anspruch erloschen • • Wenn Anspruch entstanden ist Prüfung, ob möglicherweise erloschen Der Anspruch erlischt bei rechtsvernichtenden Einwendungen, z.B. o Erfüllung, § 362 I BGB o Nach a.A.: Anfechtung 2 o Rücktritt (§ 346 BGB) o Kündigung Ob die Anfechtung eine rechtshindernde Einwendung (1. Prüfstufe) oder eine rechtsvernichtende Einwendung (2. Prüfstufe) darstellt, ist umstritten. Die herrschende Meinung tendiert wohl dazu, sie als rechtshindernde Einwendung zu qualifizieren. Eine andere Auffassung sieht die Anfechtung aber als rechtsvernichtende Einwendung an. Für die herrschende Meinung spricht der Wortlaut des § 119 BGB („Erklärung“), für die andere Auffassung spricht der Wortlaut des § 142 BGB („Rechtsgeschäft“). Dieser Streit ist in der Klausur nicht zu diskutieren, da es sich um eine reine Aufbaufrage handelt. Der Klausurenschreiber kann sich für eine Ansicht entscheiden ohne dies zu begründen. Der genannte Meinungsstreit hat auch Auswirkungen auf die Rückabwicklung eines angefochtenen schuldrechtlichen Vertrages. Nach der herrschenden Meinung muss der Vertrag über § 812 I 1 Alt. 1 BGB rückabgewickelt werden. Nach der anderen Auffassung muss der Vertrag konsequenterweise nach § 812 I 2 Alt. 1 rückabgewickelt werden. 2 Siehe dazu Fn. 1. 1 III. Anspruch durchsetzbar • • Wenn Anspruch entstanden und nicht erloschen ist Prüfung ob er möglicherweise trotzdem nicht geltend gemacht werden kann Der Anspruch ist nicht durchsetzbar bei rechtshemmenden Einreden, z.B. o Verjährung (§ 214 I BGB) o Einrede des nicht erfüllten Vertrages, § 320 BGB Merke: Eine Person hat grundsätzlich nur dann einen Anspruch, wenn dieser Anspruch entstanden ist, nicht erloschen ist und auch durchsetzbar ist!
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