Englisch im Alltag (1) Friseure

Englisch im Alltag (1) Friseure
An Denglisch habe ich mich in vielen Alltagssituationen gewöhnt. Bisher dachte ich, bei Rechnern
oder Finanzprodukten (Segnungen, die vorwiegend aus den USA kommen) wäre es besonders
schlimm. Oder bei Kulturschaffenden: Wer gebraucht dort noch das Wort Plattenfirma, wenn er
Label verwenden kann? Und all‘die hearings, shootings, performances, ...
Jeder Spaziergang durch eine deutsche Provinzstadt zeigt: seit einigen Jahren hat das Kleingewerbe
die englische Sprache entdeckt oder das, was es darunter versteht. So ist die Englischwelle auch über
das Friseurhandwerk geschwappt. Das überrascht vor allem deshalb, weil bisher noch niemand
wusste, dass Amerikaner oder Briten die Kunst des Haareschneidens oder Frisierens besonders
geprägt haben. Auch wundert man sich, warum gerade Friseurinnen und Friseure so gut mit Englisch
umgehen können. Bisher dachte ich, dazu müsse man wenigsten Werbemensch, Personalberater
oder gar Banker sein.
Harmloses
„House of Hair“, “Claudias Hairstyling”, “Color & Cut” sind englisch, lassen einen aber gleichgültig,
wenn man Fremdsprachliches nicht grundsätzlich verdammt.
Lustig kann ich sogar finden “Golden Cut” (erinnert an den Goldenen Schnitt mit seinem
harmonischen Teilungsverhältnis; das deutsche „Goldener Schnitt“ hätte dieselbe Bedeutung) oder
„Update“ (mit den Rechnerprogrammen ist es nicht anders als mit den Haaren: beide wuchern
immer weiter und müssen in regelmäßigen Abständen in einen neuen Zustand gebracht werden).
Unverständliches
„Cut + Care“ kann man noch verstehen, denn beides macht das Unternehmen. Bei CUT + WALK sowie
Cut & Go frage ich mich, wieso Kunde oder Friseur – wenn’s um die Haare geht – herum- oder
hinauslaufen müssen.
Vielleicht hilft die allgemeine Wundertüte Google bei dem Suchbegriff „cut and walk“. Tatsächlich
gibt es eine ganze Menge Antworten. Nur zwei davon:
“Cut and Walk From Afghanistan”
“Cut and Walk: A Plan to Exit Iraq”
Das kann’s nicht sein. Das Friseurhandwerk ist nicht ein einziges Mal nach 1968 aufgefallen wegen
politischer Meinungsäußerung. Heutzutage fällt die Innung eher wegen Löhnen auf, die z.T. weit
unter angedachten Mindestlöhnen liegen.
Google schlägt ansonsten noch vor:
“I don't mind pay a few extra dollars for a good cut and walk out happy“ oder
„Walk in for the right cut and walk out happy“.
Na immerhin die richtige Richtung, aber muss man gleich eine Firma wegen solcher Sprüche „cut
and .. „ nennen? Dann bietet man besser „Wash
& Cut“ an.
Vielleicht hat die alte Werbung von Douglas „Come in + find out“ (deutsch: komm rein und find
wieder raus) Pate gestanden. Der Konzern hatte immerhin eine große Werbeabteilung, die sich ein
Friseurgeschäft wohl kaum leisten kann.
Neuer Trend: Filialunternehmen mit „englischem“ Namen
iCut ist zuerst einmal ein großes Rätsel. Bisher kannte ich nur iPod, iPad, iPhone . Mein erster
Gedanke war deshalb: „Bietet Apple jetzt auch Haarschnitte an?“ Unternehmensberater mögen
Apple zwar alles Mögliche empfehlen, so auch Diversifizierung. Mir ist unbekannt, dass mal einer die
Idee geäußert hätte: „Wenn Mobiltelefone mal nicht laufen, einen Haarschnitt braucht man immer!“
Meine nächste Idee war: Wenn Apple nicht dahinter steckt, vielleicht hat das „i“ eine magische
Bedeutung, die mir bisher verschlossen geblieben ist. Wikipedia erläutert in aller Ausführlichkeit die
Entwicklung und Vermarktung von iPod, iPad, iPhone, das „i“ würdigt es aber keiner Erläuterung.
Allerdings wird man bei Wikipedia an anderer Stelle fündig: unter der Überschrift „i in Marken und
Produktnamen“ steht, dass einige Firmen ihre Informatik-Produkte mit einem kleinen i am Anfang
oder Ende benennen. iPhone, iPad, iTunes oder iPod seien hierfür gute Beispiele. Und dann: „ .. auch
außerhalb der Informatik-Branche ist das „i“ sehr weit verbreitet“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
der Autor dabei an iCut gedacht hat oder der Friseur an Informatik.
Wikipedia hilft einem nicht richtig weiter. Warum nicht gleich bei „iCut“ schauen?
Bei „icut-trendfrisuren.com“ steht:

Sie suchen einen Namen, der neugierig macht und Interesse weckt?
Das ist bei mir gelungen, nicht weil ich einen Friseur suchte sondern weil ich diese Glosse schreibe.

Sie wollen eine Positionierung, die einfach und verständlich ist?
Den zweiten Teil dieser Frage kann ich eindeutig mit „nein“ beantworten. Sie mögen jetzt sagen
„Kein Wunder, Sie suchen ja auch keine Positionierung als Friseur!“
Übrigens iCut stellt seine Leistungen dar mit „Von Profis für Professionals“. Kenner der Sprachen sind
hiermit wohl nicht gemeint.
iCut ist ein Beispiel dafür, wie Friseure sich in ein Vermarktungskonzept einpassen. Die nach
Eigenaussage Nr. 1 ist aber „hairkiller“. Hier wird es verrückt (offensichtlich sucht man junge
Kunden). Zu einem Killer zu gehen erfordert immerhin Mut. Insbesondere wenn er im Fenster
mitteilt: „Hairkiller / mit der Lizenz zum Stylen“.
Das Ganze dann für einen „[Quality]-Preis“ oder eine „Killer-[Flatrate]“. Immerhin schafft es das
Unternehmen sich nicht aufgeblasen sondern fetzig darzustellen. Englisch ist kein Expertenenglisch
sondern eine Sprache, aus der man manchmal sogar Witziges gestaltet. Dass es „Freestyle-Strähnen“für
den „Look“gibt, na ja.
Etwas harmloser wirkt der folgende:
Korrektes Englisch
Es gibt zumindest eine Internetseite, auf der das Englisch korrekt ist, von einer Britin, die in der Pfalz
lebt. „The British salon with American Style“
Dafür gibt es dann Probleme mit der deutschen Rechtschreibung. Kein Kunde hat bisher der Friseurin
gesagt, dass „Haar“ weder „Harr“ noch „Hare“ heißt. Besonderen Spaß muss dann das angebotene
„Hare Happening“ machen oder „Kindergeburtstag: Die Kleinen haben Spaß an einer echten
englischen „Teaparty und an unseren kindgerechten kreativen Workshops.“Mich ärgern bei meiner
beruflichen Tätigkeit immer wieder die als Workshops bezeichneten Veranstaltungen. Dann doch
lieber ein Hasenereignis.
Einfallsreich - Sprachspiel
Übrigens, man kann auch mit englischen Begriffen spielen:
Vielleicht etwas für Ältere, die sich an das Musical Hair und eine Zeit erinnern, die manche
Nostalgiker gedanklich mit Revolution verbinden. Jetzt mag man unter volution “spiral turn, or a
rolling or revolving motion” verstehen. Passt nicht schlecht. Die Übersetzungen in technischen
Wörterbüchern „Spiraldehnung“, „Schneckengang“, „Rollen“, kann man sogar ertragen.
Ich wollte gerne wissen, was die Friseurin dieses Ladens darunter versteht und habe mir dort die
Haare schneiden lassen (zu Spiralen, .. reicht mein Schopf nicht mehr). Auf die Frage, was volution
bedeute, sagte die Friseurin: „Die Chefin sagt immer, das bringt Fülle ins Haar“. Schade, dass die
Chefin keine bessere Erklärung hat oder traut sie ihren Angestellten nicht mehr zu?
Mich selbst sprechen viel eher solche Firmennamen auf, die mit deutschen Begriffen spielen. Und
das sogar auf dem Lande, z.B. „Haar-Genau“ „Haareszeiten“ „Haarmonie“, „Haarscharf“, „Schnittart“,
„Schnittstelle“. Für „Haarlekin“ oder „Friseur Schnipp Schnapp“ bin ich wohl schon ein wenig zu alt.
Begeistert bin ich aber von „Kamm in“, das sich so schön auf „Come in“ bezieht (wie „Keks“ auf
„cakes“).
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