Jungdeutsche Zeitschrift : „ Literatur

Jungdeutsche Zeitschrift : “ Literatur-Blattö zum
“ Phonix. Fruhlings-Zeitung fur Deutschlandö (Frankfurt)
Der ö Pho nixä wurde als eine progressive, auf den geistigen Fortschritt hin ausgerichtete Kulturzeitschrift konzipiert. ö Vorwartsä hie‚ der Aufruf im ,Prospectusü. Die Zukunftsorientierung druckt sich ebenfalls im Untertitel ö Fruhlings-Zeitung fur Deutschlandä aus und in der Wahl des mythologischen Vogels als Titel (Symbol der Wiedergeburt). Mit der Hinwendung ö fur Deutschlandä ist die nationale Ausrichtung ausgedruckt.
Der Herausgeber war Eduard Duller, als Verleger fungierte Johann David Sauerlander. Der ö Pho nixä erschien ab 1. Januar 1835 jeden Wochentag in einem Umfang von
vier Seiten im Quartformat. Der 1. Jahrgang umfa‚ te 309 Nummern. Er wurde uber
die Buchhandlungen und an Abonnenten uber den Postweg ausgeliefert.
Zum Inhalt des ö Pho nixä bietet der 2. Untertitel Aufschluss: ö Centralblatt fur Novellistik, Geschichte, Drama, Leben, Sitte, Vo lkerkunde, Literatur und Kunstä. Unter den
Kategorien ö Leben, Sitte, Vo lkerkundeä konnte man entsprechend der Taktik des
,Ideenschmuggelsü problemlos grundlegende gesellschaftliche und politische Themen
kritisch abhandeln. Der Gesamttenor bei der Darstellung dieser Themen war ein ö gema‚ igter Liberalismusä1
Bei den belletristischen Beitragen sind besonders Erzahlungen und Novellen, zumeist
in Fortsetzungen abgedruckt, zu nennen. Unter den Lyrikern finden sich sowohl
politisch-progressive Autoren wie Ferdinand Freiligrath aber auch biedermeierlichkonservative Autoren wie Friedrich Ruckert. Als besonders verdienstvoll kann der in
Auszugen erfolgte Abdruck von Georg Buchners Revolutionsdrama ö Dantons Todä
angesehen werden. Karl Gutzkow hatte als Redakteur des ö Literatur-Blattsä die
besondere Qualitat von Buchners Drama erkannt.
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Vgl.: ö Verboten! Das Junge Deutschland 1835. Eine Ausstellung des Heinrich-Heine-Instituts. Dusseldorf, S. 142.
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Zum ö Pho nixä erschien wo chentlich das ö Literatur-Blattä, dessen verantwortlicher
Redakteur der 24jahrige Karl Gutzkow war. Mit dem Titel signalisierte Gutzkow, dass
er hier ein Konkurrenzunternehmen zum ö Literatur-Blattä von Wolfgang Menzel, von
dessen Einfluss er sich getrennt hatte, auf den Markt brachte. Im programmatischen
Einleitungsartikel der 1. Nummer des ö Literatur-Blattsä formuliert er sein Zeit- und
Selbstverstandnis als Literaturkritiker als Reprasentant einer neuen Generation. Im
Gegensatz zu Wolfgang Menzel wollte er nicht polarisieren, sondern ein Forum bieten, eine Plattform fur die unterschiedlichsten literarischen Positionen. Von einer
toleranten Grundhaltung aus betonte der das Verbindende und nicht das Trennende.
ö Weil ich nur das Kommende im Auge habe, so tret– ich ohne Drohung auf. Ich will mich
forttragen lassen mit dem Neuesten, was die Literatur bringt. Ich habe keine alten Antipathien im Ruckhalt oder geheimen Groll, selbst gegen Namen der Restaurationsperiode nicht,
da die Zeit ein lauterndes Feuer ist, und Jeder der Geschichte folgt, wenn auch rucklings. Unsere junge Generation hat die Aufgabe, positiv zu verfahren, selbst zu schaffen; zu larmen
und zu perhorresciren wurde ihr schlecht stehen. Da ich mich selbst zu ihr rechne, so
schlendr– ich als Kritiker gemuthlich fort, ohne viel Aufhebens zu machen, nur rechts und
links meine Meinung sagend, und den, welcher mir im Wege steht, schon aus der Ferne ersuchend, bei Seite zu treten. Ich fuhle, wie nothwendig es ist, da‚ die Literatur zusammenhalt.
Die Literatur ist zerstreut durch die Kritik, die Polizei, durch den Buchhandel und ein unschlussiges Publikum: sie mu‚ zusammenrucken, nicht encyklopadisch, realistisch, zum
Pfennigpreise; sondern bunt, mannichfach, larmend, wenn nur erreichbar und ubersichtlich.
Die Literatur ist zerstuckelt genug: die Kritik hat jetzt ein chirurgisches Geschaft zu ubernehmen, sie soll heilen, wieder herstellen und erganzen.ä2
ö Ich glaube auch, die Mittelma‚ igkeit wird diese Worte gut zu verstehen, als da‚ sie auf
Rechnung derselben sich zu brusten und zu vernachlassigen wagen wird. Auch gibt es viele
Dinge, nach welchen man nicht vergebens in diesen Blattern suchen wird: Zauberworte, deren Klang eine su‚ e Musik fur die Jugend ist; Sympathien, welche die Herzen Tausender erwarmen; gro‚ e Thatsachen, welche elektrisch wirken. Gleichaltrige Jugend; du hast einem
treuen Kastellan die Schlussel deiner Luftschlo sser ubergeben, einem Freunde, der denen
gleicht, welche du mit Liebe umfangst; einem ehrlichen Vertrauten deiner Wunsche, welche
du nur in Feierstunden, in der Umarmung der Freundschaft ausgesprochen hast! Hier sind
alle diene Geheimnisse niedergelegt; es spricht ein Mund zu dir, welcher mit dir sang, jubelte; ein Herz, das die liebt, und eine Ahnung, welche Alles versteht, wenn sie mitten unter
dich trate und die Worte auf Euren Lippen stockten! Ich verkunde nichts, als Eure Evange-
lien: Eure Go tter sind die meinen; die Arbeit dieser Blatter ist ein Cultus, in welchem ich, als
Priester, die Opfer verrichten will!ä3
Gutzkow machte aber auch deutlich, dass die jungdeutschen Autoren keine klar definierten Ziele verfolgten, uber kein wirkliches Programm im Sinne eines Systems . verfugten: ö Wir haben keine Schemata, keine Kategorien, nichts als Ahnungen, und noch
mehr Erwartungen. Wenn wir von neuen Dingen sprechen , so ko nnen wir sie nicht
aufzeigen; wir glauben nur, da‚ sie kommen mussen und wollen ihnen den Weg bahnen.ä3
Bereits im August 1835 trat Karl Gutzkow von der Redaktion des ö Literatur-Blattsä
zuruck, da er eine eigene gro ‚ ere Zeitschrift plante, die ö Deutsche Revueä. Nach dem
Ausscheiden von Gutzkow identifizierte man das Literatur-Blatts weiterhin mit einer
jungdeutschen Tendenz und so war nach dem Verbot des Jungen Deutschland der
ö Pho nixä auch in Gefahr verboten zu werden. Um das ganze Unternehmen zu retten,
machten Verleger und Herausgeber eine Kehrtwendung und wendeten sich von den
Autoren und den Ideen des Jungen Deutschland vo llig ab und behielten so die
Druckerlaubnis fur den ö Pho nixä.
In der Einladung fur den Band 1836 formuliert Eduard Duller die neue anti-jungdeutsche und anti-liberale Richtung:
ö Ha‚ und Liebe mu‚ ausgesprochen sein. Was ich hasse, ist jene undeutsche Tendenz, die Literatur zum Pfuhl zu machen, den Tempel zum Irrenhause, das Vaterland
zum Nichts und die Treue zum Wahn; - dawider stemmü ich mich mit meinem ganzen, ungebeugten, unzerbrochnen Sein; was ich liebe, ist mein deutsches Vaterland,
seine heilige alte Sitte, die Verherrlichung seines Namens, der unbefleckte Ruhm der
Haupter. Was ich liebe, ist die Wahrheit und die Scho nheit; was ich hasse, ist der
Schleichweg, der Trug und die Grimasse.ä4
[Weitere Infos siehe im Reader unter: Karl Gutzkow als Redakteur.]
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2
Abdruck des Einleitungsartikels von Gutzkow in: Alfred Estermann, Die deutschen Literaturzeitschriften 1815 1850. Bd. 6, Nendeln 1978, S. 88f.
3
Estermann, ebd., Bd. 6, 89.
4
Ebd., S. 89.