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Die Grafschaft Frontenhausen im Hochmittelalter Eine bisher nicht so beachtete geschichtliche Quelle gibt Einblick in das mittelalterliche Leben hier im mittleren Vilstal. Wir finden darin Namen, Berufe sowie Orte. Sie zeigt ausschnittweise die soziale Struktur der Grafschaft Frontenhausen im 12. Jahr-­‐
hundert. Kleine Orte um unseren Markt, bei denen bisher nur archäologische Zeugnisse mittelalterliches Leben vermuten lassen, werden nun mit Personen lebendig und können so Zeugnis abgeben von der Bedeutung unseres Raumes in vergangener Zeit. Es handelt sich hier um das Traditionsbuch des ehe-­‐
maligen Augustiner-­‐Chorherrenstifts Baumburg an der Alz, welches zwischen 1203 und 1204 entstanden ist. Es diente dem Kloster sowohl für urkundlich-­‐
rechtliche Zwecke, als auch ganz einfach für die prak-­‐
tische Verwaltung des Güterbesitzes. Dieses Buch ist in einer einzigen Handschrift überliefert, die heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrt wird. Welchen Bezug hat nun das Kloster Baumburg zu unserem Markt? Es ist die Gräfin Adelheid von Fron-­‐
tenhausen-­‐Lechsgemünd, welche seit 1099 mit dem Grafen Berengar von Sulzbach in dritter Ehe verheira-­‐
tet war. Der gründete zunächst das Kloster Berchtes-­‐
gaden mit Mönchen aus dem Kloster Rottenbuch. Doch diese Stiftung kam nicht über eine Zelle hinaus. Andererseits wollte Adelheid von Frontenhausen-­‐
Lechsgemünd die Witwengüter aus ihren ersten bei-­‐
den Ehen ebenfalls zur Gründung eines Klosters ver-­‐
wenden. Da Berengar diesen Wunsch nicht gleich umsetzte, sah sich Adelheid gezwungen, vor ihrem Tod (1104/1105) nicht nur ihrem Gemahl sondern auch noch zwölf ausgesuchten Ministerialen (diese waren auf lokaler Ebene ab dem 11. Jahrhundert als unfreie Verwalter und Soldaten für Königsgüter, Klö-­‐
ster und später auch für den Adel tätig) unter Eid das Gelöbnis abzunehmen, für die Gründung eines Stifts zu sorgen und es der bereits bestehenden Kirche St. Margarethen in Baumburg nördlich des Chiemsees anzugliedern. 1107 (spätestens 1109) errichtete also Graf Berengar mit Mönchen aus Berchtesgaden das neue Kloster Baumburg ein. Diese Gründung diente, wie im Mittelalter üblich, zuerst seinem Seelenheil und als Begräbnisstätte für seine verstorbene Frau. Die Anfänge der Grafen von Lechsgemünd-­‐Graisbach, von denen sich später eine Nebenlinie auch nach Frontenhausen nannte, lassen sich (nach Doris Pfi-­‐
Josef Wunderlich M.A. ster, Lechsgemünd-­‐Graisbach, Grafen von, in: Histori-­‐
sches Lexikon Bayerns, Mai 2015) nur schwer klären. Idealisierte Darstellung der Gräfin Adelheid von Frontenhausen-­‐
Lechsgemünd, der Witwe des Grafen Berengar von Sulzbach und Mitstif-­‐
terin von Kloster Baumburg. In der Stiftskirche hat man ihr im frühen 15. Jahrhundert -­‐ vermutlich als Nachfolger eines älteren, weniger aufwändi-­‐
gen Gedenksteins -­‐ ein repräsentatives Hoch-­‐grab errichtet, von dem die Deckplatte bis heute erhalten ist. Die in die Kirchenwand links vom Ein-­‐
gang eingemauerte Reliefplatte aus rotem Marmor zeigt Adelheid mit einem Modell der Stiftskirche Auch die gängigen Stammtafeln (v. Guttenberg, Tyrol-­‐
ler) sind teilweise nicht unbedenklich. Erstmals tritt ein Heinrich (I.) von Lechsgemünd bei Bruno in sei-­‐
nem Buch vom Sachsenkrieg auf. Ein zweiter Lechs-­‐
gemünder namens Konrad (Kuno I.), möglicherweise ein Bruder oder Sohn des erstgenannten, erschien am 21. September 1091 in der Umgebung Kaiser Hein-­‐
richs IV. und ist wohl 1092 verstorben. Aus seiner Ehe mit Mathilde, einer Tochter des Grafen Rudolf von Achalm, sind vier Söhne und drei Töchter bekannt, darunter unsere bekannte Klostermitstifterin Gräfin Adelheid. Die Abstammung von Graf Heinrich II. (gest. 1142/43) ist ebenfalls nicht mit letzter Sicherheit zu [1] klären. Ein namentlich nicht genannter Bruder Hein-­‐
richs taucht aber um 1120 in den Traditionsnotizen des Klosters Baumburg auf. Verheiratet war Heinrich II. mit Liutkard, die wie der Sohn Volkrad in der Stif-­‐
tungsurkunde des Klosters Kaisheim (1135) genannt ist. Volkrads Brüder waren Konrad und Heinrich III. Von diesen nannte sich Konrad (1160/1182 bezeugt) u a. nach Matrei und Sulzau-­‐Mittersill/Pinzgau (beide Österreich), Heinrich (gest. 1207/08) dagegen nach Teisbach, Frontenhausen und Megelingen. Die-­‐
serHeinrich III. von Frontenhausen wiederum hatte zwei Söhne (Otto, der vor dem Vater verstorben ist) und Konrad (IV.), Bischof von Regensburg (reg. 1204-­‐
1226), sowie zwei Töchter. Somit starben die Fron-­‐
tenhausener Grafen nach dem Tod des Bischofs in der Manneslinie aus. Teile der Grafschaft fielen spä-­‐
ter an das Hochstift Regensburg und an die Wittels-­‐
bacher. Kartenauszug aus der Landbeschreibung des Peter Weiner von 1579 „Schier sieben Summerzeit" bereiste der Mathematiker, Astronom und Kartograph Philipp Apian das Land, um die erste, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende Karte Bayerns zu erstellen. 1563 kann er die auf Pergament gezeichnete Große Karte von Bayern präsentieren. Sie hat einen Maßstab von ca. 1:45 000 und eine Fläche von ungefähr 25m². Peter Weiner (Weinerus) legt im Jahre 1579 die Bayerischen Landtafeln im gleichen Maßstab und Blattschnitt erneut auf. Diesmal werden die Karten jedoch in Kupfer gestochen. Der Inhalt entspricht bis auf ein paar zusätzli-­‐
che Ortsnamen den Apian-­‐Landtafeln. Die oben abgebildete Karte zeigt sehr schön, wie sich um Frontenhausen ein Ring von Ministerialensitzen gebildet hat, der wie eine Art Schutzschild für das Zentrum der früheren Grafschaft diente. Auch wenn die Karte gut 400 Jahre jünger ist, als die hier zu un-­‐
tersuchende Zeit, zeigt sie immer noch Orte wie Loi-­‐
tersdorf (Luitertstorff) oder Witzeldorf mit einem Turm als Sitz des gräflichen Ministerialen. Mit dem Traditionsbuch aus dem Kloster Baumburg kann man nun zum ersten Mal neben der archäologischen Ge-­‐
Josef Wunderlich M.A. schichte auch Personen und ihre soziale Stellung im Hochmittelalter zuordnen. Historie wird greifbar und wir können erkennen, wie unsere nächste Heimat in dieser frühen Zeit organisiert war. Die Schenkungen aus dem Tradtionsbuch mit Bezug auf das Gebiet um Frontenhausen Im Mittelpunkt steht Frontenhausen als Sitz einer Nebenlinie der Grafen von Lechsgemünd-­‐Graisbach, die sich nach unserem Markt nennen und hier begü-­‐
tert sind. Als erste tritt in der Tradition die Mitstifte-­‐
rin des Klosters selber auf. Gräfin Adelheid von Fron-­‐
tenhausen überträgt zwischen 1085 und 1099 zum Seelenheil ihres (ersten) Gatten Marquart von Mar-­‐
quartstein einen Hof und eine Mühle in Hörpolding (Lkr. TS), ein Waldstück ebendort und eine Manse (das ist ein Flächenmaß und umfasst ungefähr ein Tagwerk Grund) unweit des Simssees (Lkr. RO) sowie Weideland und Holzanteil. Es fällt auf, dass die Güter im Chiemgau liegen und daher wohl aus dem Erbe ihres ersten Gatten stammen. Typisch für solche Schenkungen im Hochmittelalter ist der Zweck für das eigene Seelenheil. Man glaubte, mit dem Geben an den Altar der Hl. Margarete in der Klosterkirche in Baumburg sich sozusagen das ewige Leben erkaufen zu können. Das Traditionsbuch ist voll von Namen und Orten der Schenker und Zeugen dieses Rechtsge-­‐
schäfts. Am bedeutendsten sind die beiden Grafen Heinrich II. und Heinrich III. von Frontenhausen zu-­‐
sammen mit verschiedenen Ministerialen, wie z.B. einem Albert von Biegendorf, der um 1126/1142 ein Gut schenkt. Mit Hilfe der Zeugen dieser Schenkung erfahren wir die Namen der beiden Söhne des Gra-­‐
fen, Volckrat und Heinrich (III.). Dazu tritt ein Luitold (I.) von Raiten, ein Rudolf von Traunsdorf (TS), ein Giselbrecht von Burgham und ein Friedrich von Schwimmbach (Marklkofen) auf, allesamt als Ministe-­‐
rialen des Grafen. Die räumliche Verteilung dieser Beamten im Vilstal und im Chiemgau zeigt den groß-­‐
räumigen Besitzstand der Grafen. Etwa zur gleichen Zeit tritt ein Heinrich von Gindlkofen, ein anderer Ministeriale des Grafen Heinrich (III.), ein Gut in Schwimmbach ab, damit seine Tochter im Kloster gemäß den Augustinerregeln erzogen werden kann. Bemerkenswert ist die Absicherung der Tochter für ihre Ausbildung und das Leben als Nonne im Kloster. Auffallend an der Zeugenreihe hier sind Männer, die als Gefolgsleute oder Ritter bezeichnet werden (Her-­‐
lieb, Hartlieb, Werner und ein Kuno von Marklkofen, sowie Adalbero und sein Bruder Ratolt von Schwimm-­‐
[2] bach. Zwischen 1126 und 1142 übergibt Gerungus, ein Priester in Frontenhausen einen Hof in Oberwol-­‐
kersdorf/Loiching zu seinem Seelenheil. Zeugen dafür sind u.a. Heinrich von Biegendorf, Ernest von Fron-­‐
tenhausen sowie die vier Kaufleute Hartker, Adilram, Cristan und Odilscalch. Bemerkenswert sind hier zwei Dinge. Die Nennung eines Priesters und die von vier Kaufleuten/Händlern. Wir dürfen also davon ausge-­‐
hen, dass wir in Frontenhausen schon um diese Zeit eine Kirche besessen haben, also rund 350 Jahre vor dem Bau der heutigen Kirche. Und es werden Namen von Händlern genannt, was darauf hindeutet, dass sich hier ein überörtlicher Handelsplatz entwickelt haben könnte. Wir befinden uns in der Zeit des Über-­‐
gangs von bäuerlicher Selbstversorgung hin zu einer Diversifizierung in verschiedene Handwerke, die dann einen entsprechenden Handel benötigten. Die Liste der Schenkungen ist noch lang und würde den Rah-­‐
men hier sprengen. Sie macht aber deutlich, dass wir mit Frontenhausen einen herausgehobenen Zen-­‐
tralort haben mit einer höfischen Struktur am Sitz der örtlichen Grafen. Und es zeigt sich, wie wir später noch sehen werden, dass die Ministerialensitze an strategisch wichtigen Orten eingerichtet worden sind. Loitersdorf schützt den alten Vilsübergang, Witzel-­‐
dorf liegt an der alten, vom Hochwasser geschützten Talstraße, Marklkofen schützt unseren Ort nach Osten hin ab und die gleiche Funktion hat der Sitz in Schwimmbach im gleichnamigen Tal gegen Süden hin. Ministerialensitz in Loitersdorf Areal des ehemaligen Turmhügels (Motte) in Loitersdorf Was bis heute erhalten geblieben ist, ist das archäo-­‐
logische Zeugnis eines Turmhügels auf der Vils-­‐Insel bei Loitersdorf, nahe am hölzernen Steg und bei der Josef Wunderlich M.A. uralten Furt durch den Fluss. Bereits 1962 identifizier-­‐
te J. Pätzold und später die Luftbildarchäologie (Luft-­‐
bilder Nr. 7540/004-­‐1 vom 22.03.1985 und 18.12.1989) den Rest eines künstlich aufgeschütte-­‐
ten, reichlich zwei Meter hohen Turmhügels (lt. Denkmalliste). Nach einer Skizze von K. Popp war dieser einst rundliche bis quadratische Hügel von 15 bis 20 Metern Durchmesser durch eine Grabensenke ringförmig umschlossen. Die Luftbilder zeigen nord-­‐
nordöstlich des Turmhügels eine ovale Erhebung (etwa 35 x 55 Meter). Ferner kann man auf dem Bild vom März 1985 anhand von Schneemerkmalen eine grabenwerkartige Struktur west-­‐nordwestlich des Hügels erkennen. All dies weist auf einen mittelalter-­‐
licher Turmhügel mit zugehörigem Vorburgareal hin. Die Traditionen des Klosters Baumburg machen nun die Bedeutung von Loitersdorf und vor allem wohl seine Funktion als Schutz des Vils-­‐Übergangs am Ver-­‐
lauf einer Altstraße vom Isartal herkommend noch deutlicher. Bis heute führt der Loitersdorfer Weg direkt nach Frontenhausen zur sogenannten „Wind-­‐
schnur“, einer womöglich frühen slawischen Ansied-­‐
lung. Die direkte Fortsetzung als Klostergasse führt auf die Pfarrkirche zu. Dabei weitet sich die Straße und erhält so einen platzartigen Charakter. Dies könnte auf einen frühen Zentralpunkt der hochmit-­‐
telalterlichen Ansiedlung aus der Zeit der Grafen von Frontenhausen hindeuten. Die Nennung von Loiters-­‐
dorf setzt in den Traditionen des Klosters Baumburg um die Mitte des 12. Jahrhunderts (1157-­‐1163) ein, als der Pfarrer Friedrich von Oberhausen (Gmd. Reis-­‐
bach) durch seinen Bruder Konrad von Loitersdorf ein Gut in Wettersdorf zu seinem Seelenheil und dem aller seiner Verwandten übergibt. Beide sind Ministe-­‐
rialen des Grafen. Die Bedeutung der Tradenten wird durch die Liste der Zeugen dieser Schenkung hervor-­‐
gehoben. Als erster ist der Graf selber zu finden, dann der schon erwähnte Konrad von Loitersdorf und sein Sohn Konrad sowie die Ministerialen Albert und Ul-­‐
rich von Teisbach. Um dieselbe Zeit hat Liutold von Aiglkofen, ein anderer Ministeriale des Grafen Hein-­‐
rich (III.) durch den Konrad von Loitersdorf ein Gut bei Marklkofen und ein Gut in Wannersberg (Gmd. Simbach) zu seinem Seelenheil und dem seiner Ver-­‐
wandten übergeben. Dieser Konrad von Loitersdorf tritt noch mehrmals als Zeuge in Schenkungen auf, einmal zusammen mit seinem Bruder Werner und dem Neffen des Grafen namens Dipoldus, ein ander-­‐
mal übergibt er den Hörigen Heinrich zu einem Jah-­‐
reszins von 5 Denaren und eine Wiese in Marklkofen. Zur selben Zeit tritt auch ein Gelphradus und sein [3] Bruder Werner von Loitersdorf auf. Das Patrozinium der Filialkirche St. Wolfgang, einer Saalkirche mit eingezogenem Chor, einem Dachreiter und einer südlichen Sakristei aus dem 15. Jahrhundert und ei-­‐
nem angebauten Langhaus des 17. Jahrhunderts weist auf den letzten Grafen Konrad von Frontenhau-­‐
sen hin, der als Bischof von Regensburg verstorben ist. Wolfgang ist der Patron dieses Bistums. Minsterialensitz in Witzeldorf nem Grafen Heinrich, als Zeuge in einer Schenkungs-­‐
urkunde auf. Literatur: Martin Johann Walko, Die Traditionen des Augusti-­‐
ner-­‐Chorherrenstifts Baumburg an der Alz. Quellen und Erörterungen zur Bayerischen Geschichte – Neue Folge / Band XLIV/1; Verlag C.H.Beck München, 2004 St. Margarete in Witzeldorf Laut Denkmalsliste steht die Kirche von Witzeldorf am südwestlichen Talrand der Vils auf einem künst-­‐
lich errichteten Hügel von drei Metern Höhe und 19 Metern Durchmesser. Dieser ehemalige Turmhügel wurde wohl etwas abgetragen, um so Platz für den Bau der Kirche zu erhalten. Dort finden sich unter der Erde Befunde des Mittelalters und der frühen Neu-­‐
zeit, darunter die Spuren von Vorgängerbauten bzw. älteren Bauphasen. Bezeichnend ist vor allem das Patrozinium der Kirche. Sie ist der Heiligen Margarete geweiht und entspricht damit exakt dem gleichen Patrozinium der Klosterkirche von Baumburg, ein sehr deutlicher Hinweis auf die enge Verbindung mit den Grafen von Frontenhausen. Heute zeigt sich in Witzeldorf eine spätromanische Saalkirche mit gera-­‐
dem Chorschluss und Südturm aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, welche in der Barockzeit erhöht worden ist. Die bisherigen Vermutungen zu einem Ministerialensitz werden nun durch die Schenkungen an das Kloster Baumburg bestätigt. Zwischen Novem-­‐
ber 1157 und 1163 vermachte Graf Heinrich (III.) dem Stift nach seinem Tod eine Mühle in Witzeldorf, die heute noch existiert. Etwas später, um 1170, tritt ein Sighard von Witzeldorf, ein Ministeriale, neben sei-­‐
Josef Wunderlich M.A. [4]