Tenor Entscheidungsgründe

OLG München, Endurteil v. 26.03.2015 – 23 U 3103/14
Normenketten:
§ 531 Abs. 2 ZPO
§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO
§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
§ 269 Abs. 3 ZPO
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 11.07.2014, Az. 12 O 5901/13, werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II ist ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
1
Der Kläger begehrt als Treuhänder von der Beklagten Freistellung von Forderungen einer
Wohnungseigentümergemeinschaft in Marbella sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn
von darüber hinausgehenden Forderungen freizustellen.
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Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der C. D. P. L. D. S. B. in Marbella, W.straße,
aus aufgelaufenen Umlagen und sonstigen Kosten für die Wohnung Nr. 28, Typ D, erster Stock, Block Nr. 5
ALMIRA nebst zwei Garagen, Nr. 28, Untergeschoss Block Nr. 5 und Abstellraum Nr. 28, Untergeschoss
Block Nr. 5 in Höhe von € 49.497,43 freizustellen.
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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, den Kläger von den gegenüber der C. D. P. L.
D. S. B. in Marbella, W.straße, resultierenden darüber hinausgehenden Forderungen für die vormalige
Eigentümerstellung des Klägers an der Wohnung Nr. 28, Typ D, erster Stock, Block Nr. 5 ALMIRA nebst
zwei Garagen, Nr. 28, Untergeschoss Block Nr. 5 und Abstellraum Nr. 28, Untergeschoss Block Nr. 5
freizustellen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen
wird, hat der Klage stattgegeben und dem Kläger nach § 269 Abs. 3 ZPO 4/5 der Kosten auferlegt. Die
Klage mit den zuletzt gestellten Anträgen sei zulässig und begründet. Hinsichtlich der zuletzt gestellten
Anträge und der ursprünglich in der Klageschrift angekündigten Anträge liege zwar keinerlei Identität der
Streitgegenstände vor, die Beklagte habe sich aber zumindest konkludent auf die Klageänderung
eingelassen. Der Freistellungsanspruch ergebe sich aus der Treuhandvereinbarung zwischen den Parteien
aus dem Jahr 2003, die gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 EGBGB a. F. deutschem Recht unterliege.
Der Treuhandvertrag hätte zwar nach § 311 b Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung bedurft, dieser
Formmangel sei jedoch nach § 311 b Abs. 1 Satz 2 dadurch geheilt worden, dass der Kläger unstreitig als
Eigentümer der Eigentumswohnung ins Grundbuch eingetragen worden sei. Die Beklagte habe die
Richtigkeit der Aufstellung über die Ansprüche der Eigentümergemeinschaft (Anlage K 10) nicht bestritten.
Der Feststellungsanspruch ergebe sich ebenfalls aus dem Treuhandvertrag. Bei der Kostenentscheidung
sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag fallen gelassen habe.
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Dagegen wenden sich die Beklagte mit ihrer Berufung und der Kläger mit einer Anschlussberufung.
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Die Beklagte rügt insbesondere, die neue Klage sei ihr nicht wirksam zugestellt worden. Der Formmangel
der Treuhandabrede sei nicht nach § 311 b BGB geheilt worden, da die Beklagte nicht als Eigentümerin
eingetragen worden sei. Die Beklagte bestreitet ferner die Höhe der Forderung der
Wohnungseigentümergemeinschaft und erhebt die Einrede der Verjährung.
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Die Beklagte beantragt,
1. Das Urteil des Landgerichts München II vom 11.07.2014, 12 O 5901/13 wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
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Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
und im Wege der Anschlussberufung,
das Urteil des LG München vom 11. 07.2014, 12 O 5901/13 im Kostenausspruch abzuändern und der
Beklagten die Kosten des Rechtsstreits insgesamt aufzuerlegen.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil, soweit der Klage stattgegeben wurde, und ist der Ansicht, die
Beklagte habe gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch diejenigen Kosten zu tragen, die auf die teilweise
Klagerücknahme wegen der Freistellung von der Darlehensverbindlichkeit entfielen.
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Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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1. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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1.1 Der Kläger hat seine Klage bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am
11.04.2014 nur teilweise, nämlich nur hinsichtlich der Freistellung von der Darlehensverbindlichkeit
gegenüber der Banco S. aus dem Hypothekarkreditvertrag vom 18.05.2006 zurückgenommen.
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Der in der Klageschrift angekündigte Antrag umfasst jedoch auch die Freistellung von den sonstigen sich
aus der Eigentümerstellung des Klägers an der streitgegenständlichen Wohnung ergebenden
Verpflichtungen. Dieser Antrag wurde vom Kläger schließlich dahingehend konkretisiert, dass er
Freistellung von Forderungen der C. D. P. L. D. S. B. in Marbella in Höhe von € 49.497,43 begehrt. Der
ursprünglich angekündigte Antrag war zwar sprachlich fehlerhaft, weil die Worte „ergebenden
Verpflichtungen“ fehlten, er lässt sich jedoch ohne weiteres dahingehend auslegen, da auf Seite 3 der
Klagebegründung ausgeführt wird, der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von
sämtlichen Verbindlichkeiten, die unmittelbar aus der Eigentümerstellung des Klägers an der treuhänderisch
erworbenen Immobilie resultierten bzw. die der Kläger auf Veranlassung der Beklagten im Zusammenhang
mit seiner Eigentümerstellung eingegangen ist. Der in der Sitzung vom 11.04.2014 gestellte Antrag stellte
daher keine neue Klage dar, die nach § 253 Abs. 1 ZPO hätte zugestellt werden müssen.
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Zu Recht hat das Landgericht über den ursprünglich angekündigten Antrag auf Freistellung von der
Darlehensverbindlichkeit gegenüber der B. S. aus dem Hypothekarkreditvertrag vom 18.05.2006 nicht mehr
entschieden, da die Klage insoweit gemäß § 269 Abs. 1 ZPO bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung
konkludent zurückgenommen worden war. Schon der im Schriftsatz vom 07.04.2014 angekündigte Antrag,
enthielt die Freistellung von der Darlehensverbindlichkeit nicht mehr. In der Sitzung vom 11.04.2014 wurde
der ursprünglich angekündigte Antrag weder nach § 137 Abs. 1 ZPO gestellt, noch erörterte der Vorsitzende
insoweit die die Sach- und Rechtslage mit den Parteien.
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1.2 Der Anspruch auf Freistellung ergibt sich aus §§ 670, 675 BGB i. V. m. dem Treuhandvertrag.
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1.2.1 Der Senat folgt der Feststellung des Landgerichts, dass der Treuhandvertrag die engsten
Beziehungen zu Deutschland aufweist und deshalb deutschem Recht unterliegt. Dagegen wenden sich die
Parteien auch nicht.
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1.2.2 Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, die Formnichtigkeit des Treuhandvertrages sei nicht nach
§ 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt worden.
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Der notariellen Beurkundung bedurfte der Treuhandvertrag nur, wenn er eine Erwerbspflicht des Klägers (§
311 b Abs. 1 Satz 1 2. Alt BGB) enthielt. Insoweit ist jedoch nach § 311 Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem
Eigentumserwerb des Klägers nach spanischen Recht jedenfalls Heilung eingetreten (vgl. BGHZ 73,
391/397). Gegen die Feststellung des Landgerichts, der Kläger sei Eigentümer geworden, wendet sich die
Berufungsführerin nicht. Ein wegen der Erwerbsverpflichtung des Auftragnehmers formunwirksamer Vertrag
wird jedoch mit dem Grundstückserwerb durch diesen geheilt, der Übertragung an den Auftraggeber bedarf
es dazu nicht (Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl., § 311b Rn. 52 m. w. N.).
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Soweit die Berufungsführerin auf die sich aus § 667 BGB ergebende Pflicht des Klägers abstellt, der
Beklagten das Eigentum zu übertragen (Seite 5 der Berufungsbegründung, Bl. 81 d. A.), übersieht sie, dass
diese gesetzliche Pflicht keine Beurkundungspflicht des Treuhandvertrages auslöst (BGHZ 85, 245/248;
BGHZ 127, 168/170; Grüneberg in Palandt, BGB, 74 Aufl., § 311b Rn. 18 m. w. N.).
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1.2.3 Soweit die Beklagte erstmals in zweiter Instanz die Höhe der Forderung, von der der Kläger
Freistellung begehrt, bestreitet, kann dies nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden.
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1.2.4 Die erstmals in zweiter Instanz erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
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1.2.4.1 Für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist des Befreiungsanspruchs eines Treuhänders ist
auf den Schluss des Jahres abzustellen, in dem die Drittforderungen fällig werden, von denen zu befreien
ist (BGH, Urteil vom 05.05.2010, III ZR 209/09, juris Tz. 22). Es kann als wahr unterstellt werden, dass die
Forderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft (C. D. P. L. D. S. B. in Marbella), die gemäß Art. 28
Abs. 3 EGBGB a. F. spanischem Recht unterliegen, in Höhe von € 45.073,12 vor dem 31.12.2010
entstanden sind. Denn die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht vorgetragen, dass
der Kläger vor Erhalt des Schreibens vom 07.04.2011 (Anlage K 11) Kenntnis von den die Ansprüche der
Wohnungseigentümergemeinschaft begründenden Umständen hatte. Die Kenntnis des Klägers von seiner
Eigentümerstellung genügt insoweit nicht, da sich die Beklagte im Treuhandvertrag verpflichtet hatte, alle
Kosten der Immobilie, insbesondere die Umlage der Eigentümergemeinschaft zu übernehmen
(Anlagenkonvolut K 6 S. 3). Dass der Kläger bereits vor dem Jahr 2011 davon Kenntnis erlangt hätte, dass
die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Umlagenzahlung nicht nachgekommen ist, hat die Beklagte nicht
behauptet. Eine Schriftsatzfrist war ihr insoweit nicht zu gewähren, da etwaiger neuer Vortrag nicht nach §
531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden könnte. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erstmals in
zweiter Instanz erhoben, ohne dass sie durch die Prozessleitung oder die erkennbare rechtliche Beurteilung
des Streitverhältnisses durch das Landgericht davon abgehalten worden wäre, zu den Voraussetzungen der
Verjährung bereits in erster Instanz vorzutragen. Gründe, warum neues Vorbringen nach § 531 Abs. 2 ZPO
zu berücksichtigten wäre, hat die Beklagte auch nicht dargetan.
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Die Verjährung begann somit erst Ende 2011 zu laufen und wurde durch Erhebung der Klage vom
27.12.2013, die der Beklagten am 05.02.2014 zugestellt wurde, gemäß § 204 Abs. 1 BGB gehemmt.
Voraussetzung ist nicht die Zulässigkeit der Klage, sondern allein die Wirksamkeit der Klagerhebung. Diese
liegt vor, wenn das Klagebegehren - unterhalb der Stufe der Substantiierung - individualisiert und damit ihr
Streitgegenstand bestimmt ist (BGH, Urteil vom 17.10.2000, XI ZR 312/99, juris Tz. 24 m. w. N.). Mit der
Klage hat der Kläger Freistellung von allen Ansprüchen im Zusammenhang mit seiner Eigentümerstellung
an der treuhänderisch erworbenen Immobilie verlangt. Im Übrigen sind inhaltliche Unklarheiten und Mängel
der Klagerhebung heilbar, mit der Folge, dass eine wirksame Klage insoweit jedenfalls vom Zeitpunkt der
Heilung an vorliegt (BGH, Urteil vom 17.11.1988, III ZR 252/87, juris Tz. 27), dies ist hier spätestens mit
Antragstellung vom 11.04.2014 der Fall.
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1.2.4.2 Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
28.06.2007, VII ZR 81/06, die eine andere Fallkonstellation betraf, nämlich die Frage, unter welchen
Voraussetzungen in einer werkvertraglichen Leistungskette Mängelansprüche des Nachunternehmers nach
dem Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung ausgeschlossen sind.
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Dass der Kläger nach § 242 BGB verpflichtet wäre, gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft (C.
D. P. L. D. S. B. in Marbella) die Einrede der Verjährung zu erheben, ist nicht ersichtlich. Zum einen kann
die neue Behauptung, die Ansprüche seien verjährt, der der Kläger im Schriftsatz vom 16.03.2015
entgegengetreten ist, nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden. Eine Schriftsatzfrist zur
Konkretisierung ihres Vortrages war der Beklagten aus den oben dargelegten Gründen nicht zu gewähren.
Zum anderen hat die Beklagte nicht dargelegt, warum in der Geltendmachung der streitgegenständlichen
Freistellungsansprüche eine unzulässige Rechtsausübung liegen soll; dass sie den Kläger auf eine etwaige
Verjährung hingewiesen hat, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen.
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2. Die zulässige Anschlussberufung (vgl. BGHZ 17, 392/997) hat in der Sache keinen Erfolg. Es entspricht
billigem Ermessen nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO, dem Kläger hinsichtlich der teilweisen Klagerücknahme
die Kosten aufzuerlegen, da die Klage mangels Bestimmtheit unzulässig war.
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3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543
Abs. 2 ZPO. Bei der Kostenentscheidung wurde berücksichtigt, dass die Anschlussberufung nicht
streitwerterhöhend war, da der Kläger lediglich eine günstigere Kostenentscheidung begehrte, die vom
Senat - auch ohne Anschlussberufung - zu überprüfen war (Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., §
524, Rn. 2).