Raja Ampat - Florian Sanktjohanser

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Nr. 22, Donnerstag, 28. Januar 2016
REISE
Gib’ Gummi
Fatbikes haben sich in Alaska bewährt.
Jetzt fährt man mit ihnen die Piste runter
33
Besser perlen
Der Sekt aus dem Trentino kämpft um
seinen Ruf - mit zunehmendem Erfolg
34
Schatzinseln
von florian sanktjohanser
U
m die Giganten von Raja Ampat
zu sehen, muss man sich hinter
einem Mäuerchen aus Korallenstücken in den weißen Sand
knien. Die Flugshow in 20 Metern Tiefe beginnt ohne Vorspann. Einer
nach dem anderen segeln die Mantas ein.
Bald schneiden sechs Riesenrochen elegante Kurven ins Blau, die Schwingen erhoben.
Sie steigen auf, Bauch an Bauch, und flattern wie Vögel im Balztanz. Oder sie schweben reglos über den Korallen und lassen
sich von Putzerfischen Schuppen und Parasiten von der Haut knabbern. Einige Male
gleitet einer der Mantas so dicht über die
Taucher hinweg, dass sie seinen Bauch
streicheln könnten.
Noch vor wenigen Jahren war „Manta
Sandy“ ein Geheimtipp. Jetzt ist die Putzerstation der berühmteste Tauchplatz von Raja Ampat. Und der Ort, an dem man das Ausmaß des Hypes um die Inselgruppe am besten erfassen kann.
„Vor drei Jahren kannte keiner Raja Ampat“, sagt Dave Pagliari. „Jetzt wirbt jeder
Aussteller auf der Tauchmesse in Jakarta
mit den Fotos – sogar, wenn er Inseln bei
Borneo vermarktet.“ Pagliari, 42 Jahre alt,
in Hongkong geborener Schotte, kreuzt seit
2002 mit seinem Tauchsafari-Schiff Shakti
durch den Archipel, dessen Name übersetzt
„vier Könige“ bedeutet. Kaum einer kennt
die 1500 Inseln, Felsen und Sandbänke vor
der Westspitze der indonesischen Provinz
West-Papua so gut wie er. Die meisten sind
unbewohnte Karst-Inseln, von Wind und
Regen modelliert, von Dschungel überwuchert. Doch der wahre Reichtum der Inselgruppe verbirgt sich unter Wasser.
Raja Ampat ist das Herz des Korallendreiecks, nirgendwo auf der Erde gibt es eine
größere Artenvielfalt. Drei Viertel aller
Hartkorallen-Arten kommen hier vor und
mehr als die Hälfte der bekannten Weichkorallen. Wissenschaftler zählten bislang
1523 Spezies von Fischen. Durch die häufigen Erdbeben sind viele Lebensräume entstanden: Saumriffe, Buchten, Abgründe.
Starke Strömungen tragen Larven von Korallen und Fischen aus fernen Meeren heran. Der Fischkundler Mark Erdmann nennt
Raja Ampat eine Speziesfabrik. Nur in Raja
Ampat watschelt beispielsweise der Epaulettenhai auf seinen Brustflossen über den
Meeresgrund. Und fast täglich sehen Taucher Teppichhaie und Pygmäen-Seepferdchen. Dazu kommen Schildkröten, Riffhaie
und Schwärme von Barrakudas, Füsilieren,
Makrelen, Doktorfischen.
Max Ammer war einer der Ersten, der
diese Wunderwelt erkundete. Der 53-jährige Niederländer ist Pilot, Schatztaucher,
Forscher, Hotelier und Gott wider Willen.
Ammer kam Ende der Achtzigerjahre nach
Raja Ampat, um im Meer Flugzeugwracks
und Jeeps aus dem Zweiten Weltkrieg zu suchen. Er fand sie und verkaufte sie an Weltkriegs-Nostalgiker. Mit dem Erlös finanzierte er seine ersten Camps für Taucher.
Die Gäste waren begeistert, die Plätze für
die nächsten Expeditionen bei Tauchmessen schnell ausverkauft. Doch bald kamen
die Probleme. Das erste Camp musste Ammer wegen bissiger Sandflöhe schließen,
das zweite brannten zornige Einheimische
nieder. Sie warfen ihm vor, er lasse sich als
Gott anbeten. Tatsächlich verehrten Anhänger eines Cargo-Kults den fremden Weißen
als Manar Makeri, eine messianische
Gestalt. „Sie beugten sich zu Boden und
küssten meine Hand“, erzählt Ammer. „Ich
fand es sonderbar. Aber ich dachte, es sei
Raja Ampat in
Indonesien ist eines der
besten Tauchgebiete
der Welt. Doch die
Bewohner des Archipels
profitieren davon kaum.
Das soll sich ändern
ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit.“
Ammer ließ sich von den Rückschlägen
nicht entmutigen und baute erneut. Das
Kri Eco Resort steht bis heute. In den Bungalows aus geflochtenen Palmblättern, auf
Stelzen über das Wasser gebaut, schliefen
all die Wissenschaftler und Journalisten,
die Ammer zu den Riffen brachte. Sie machten Raja Ampat berühmt. Raja Ampat wurde zum besten Tauchgebiet der Welt erklärt, der Boom begann. Jetzt tuckern 40
Tauchsafari-Schiffe durch den Archipel, offiziell. Tatsächlich sind es deutlich mehr,
manche schätzen 65. „Keiner kontrolliert
das wirklich“, sagt Burt Jones, Autor mehrerer Bücher über Raja Ampat. „Es ist sehr einfach, ohne Lizenz zu fahren.“
An Spots wie Manta Sandy an der Dampier Strait, per Boot in zwei Stunden von
der nächsten Großstadt Sorong erreichbar,
liegen einige der berühmtesten Tauchplätze, die alle Safarischiffe ansteuern. Hier ballen sich bereits heute zehn Resorts. In Wasai, der Hauptstadt von Raja Ampat, eröffnen seit einigen Jahren in immer schnellerer Folge Privatzimmer für Rucksackreisende. Denn nun wollen auch die Einheimischen an den reichen Besuchern aus dem
Westen verdienen.
„Bisher profitieren die Papua kaum vom
Tourismus“, sagt Burt Jones. Die meisten
Hotels und Safarischiffe beschäftigen lieber Indonesier aus Sulawesi, Java oder von
den Molukken, die besser ausgebildet und
im Tourismus erfahren sind. Viele der
48 000 Bewohner von Raja Ampat sind nie
zur Schule gegangen. Ihr Leben ist einfach
geblieben. Sie fangen Fische und Meeresfrüchte, sie bauen Taro und Gemüse an,
und sie höhlen Sagopalmen aus, um daraus
Brei zu kochen. In vielen Dörfern gibt es kei-
MALAYSIA
Nordpazifischer
Ozean
INDONESIEN
Jakarta
Raja-Ampat-Archipel
PAZIFIK
Waigeo
Waisai
Pazifischer
Ozean
Asbaken
Sorong
Aimas
Wariau
Sidey Jaya
Westneuguinea
Mupi
Aifat
Salawati
Aifat Selatan
Misool
100 km
SZ-Karte
Anreise: KLM fliegt von Deutschland über Paris nach
Jakarta, ab 855 Euro, www.klm.com. Weiter nach Sorong fliegen indonesische Airlines. Dreimal pro Woche gibt es ab Sorong Flugverbindungen nach Wasai.
Ansonsten fahren täglich zwei Fähren dorthin.
Übernachten: Eine Übersicht zu Gästehäusern bietet
www.stayrajaampat.com, weitere Infos auf www.
east-indonesia.info. Die Kajaks kosten pro Tag 35 Euro Leihgebühr, hinzu kommen die Kosten für Übernachtung und Guide, www.kayak4conservation.com
Weitere Auskünfte: Botschaft Indonesiens, Berlin,
Tel. 0 30/47 80 72 00, www.botschaft-indonesien.de
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Jegliche
nen Strom, kein fließendes Wasser, keine
Schule und keine Gesundheitsversorgung.
Das soll sich nun ändern, mit Hilfe der Touristendollars.
Seit 2007 müssen Besucher in Raja Ampat eine Eintrittsgebühr bezahlen, eine Million Rupiah, etwa 65 Euro. Ein großer Teil
des Geldes ist bestimmt für das 35 000 Quadratkilometer umfassende Meeresschutzgebiet. Seit 2010 ist es in Raja Ampat zudem
verboten, Haie, Mantas, Schildkröten und
Seekühe zu töten. Das Verbot wirkt. „Als ich
hierher kam, sah ich oft tagelang keinen
Hai“, erzählt Dave Pagliari. „Jetzt haben wir
auf jedem Tauchgang mehrere.“
Viele andere Projekte indes seien wirkungslos, behauptet Pagliari: „Greenwashing“. Die Wachposten seien an sinnlosen Orten gebaut worden, und er sehe nie ein Patrouillenboot. Mitarbeiter von Resorts erzählen, dass bei der Marinepolizei oft keiner ans Telefon gehe, wenn sie illegale Fischer melden wollen. Oder die Beamten
winkten ab: kein Benzin. Hier hat der Tourismus allerdings einen positiven Effekt.
„Wenn ein Safarischiff in einer Bucht liegt,
trauen sich die Fischer nicht, mit Dynamit
zu fischen“, sagt Burt Jones.
Um die Papua davon zu überzeugen,
dass intakte Riffe profitabler sind als Dynamitfischen, Holzfällen oder Bergbau, sollen
eigentlich 40 Prozent der Eintrittsgebühr
an die Dörfer fließen. Doch bisher scheint
das nicht zu funktionieren. „Viele Dorfbewohner sind wütend, weil sie nichts bekommen“, sagt Burt Jones. Im Jahr 2013 sperrten aufgebrachte Papua die Wayag-Inseln
für mehrere Monate – jene grünen Spitzhüte und Drachenrücken im türkisen Meer,
mit denen Hotels und Veranstalter für Raja
Ampat werben. „Wir sind an einem kritischen Punkt“, sagt Jones.
Mathias Mayor will nicht auf Regierungsgeld oder einen Job in einem Resort warten.
Er hat sich sein eigenes Haus an einen weißen Strand in der Nähe des Dorfs Yenbeser
gebaut. Mayor errichtete zunächst eine Stelzenhütte aus Palmblättern, mittlerweile
hat er fünf Gästezimmer. Die Matratzen liegen auf dem Boden aus Eisenholz, darüber
hängt ein Moskitonetz, fertig. Ein Gartenschlauch ist die Dusche. Alles sehr einfach,
aber sauber. Fünf bis zehn Gäste hat Mayor
pro Monat. Reich wird er dadurch nicht.
Aber er kann die Schulgebühren für seine
sechs Kinder und die anderer Familien bezahlen, Essen und Kleidung kaufen und
noch etwas sparen. „Eines Tages will ich
ein richtiges Resort haben“, sagt er. „Das ist
mein Traum.“
Tertius Kammeyer hilft ihm, diesem
Traum näher zu kommen. Der 28 Jahre alte
Südafrikaner leitet das Projekt „Kayak4Conservation“, das Max Ammer gestartet hat: eine Art minimalinvasiver Tourismus, von dem die Einheimischen profitieren sollen. „Ich weiß, was der BackpackerTourismus in Thailand angerichtet hat“,
sagt Kammeyer, der solche Zustände in Raja Ampat nicht fördern will. Erste Hostels
mit lauter Musik und Alkoholexzessen gibt
es bereits. Nicht so bei Kammeyer: Seine
Gäste paddeln mit dem Kajak von Homestay zu Homestay, durch Kanäle im dichten
Uferwald oder auch übers offene Meer. Ihr
Guide ist Papua, sie essen und schlafen bei
Papua, und auf ihren gelben Kajaks steht:
Made in Papua. Eine Firma in Südafrika
spendete die Baupläne, das Fiberglas wird
aus Jakarta importiert, aber gegossen wurden die Boote in Max Ammers Werkstatt
auf der Insel Kri. „Die Jungs sind so stolz
darauf“, sagt Kammeyer, „das kannst du
dir nicht vorstellen.“
Manchmal schwimmen
die Mantas so nah an den Tauchern
vorbei, dass man sie berühren kann.
Der Archipel beherbergt ungewöhnlich
viele Fisch- und Korallenarten.
FOTO: SHAWN HEINRICHS/AFP
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