como 14 | Mai 2015 Rubrik 1 Ausgabe 14 | Mai 2015 | www.siemens.com/mobility como Fakten, Trends und Stories zu integrierter Mobilität Neue Intelligenz für die urbane Mobilität Fahrerlos durch die Stadt One Station – Christian Höhn Wie Automatisierung die Mobilität erleichtert Ein Ausstellungsprojekt im DB Museum 2 welcome „ como 14 | Mai 2015 Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung stehen für große Chancen in fast allen Lebensbereichen.“ Liebe Leserin, lieber Leser, Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung – diese drei Begriffe stehen für große Chancen und Möglichkeiten in fast allen Lebensbereichen. Denn sie beschreiben die aktuelle technische Entwicklung hin zu mehr Effizienz, zur Optimierung und leichteren Organisation vieler Abläufe – zum Beispiel in den rasant wachsenden Stadtregionen dieser Erde. Und so beschäftigt sich die vorliegende Ausgabe von como mit den vielen Optionen, die uns eine digitalisierte Welt gerade im Bereich der Mobilität bietet. Ein gänzlich neues Phänomen ist die Digitalisierung unserer Umwelt freilich nicht. Digitale Technik und Internet, Datenübertragung per Funk und Smartphone-Apps haben dafür gesorgt, dass die mobile Gesellschaft bereits heute mitten im Wandel begriffen ist. Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass „mitdenkende“ Software vollautomatisch komplexe Prozesse kontrolliert, Vorgänge überwacht und steuert und uns durch intelligente Datenverknüpfung bei Entscheidungen hilft. Auch im Bereich Transport und Verkehr – zum Beispiel mit vorausschauenden Services, die Verfügbarkeiten erhöhen, mit Automatisierungssystemen, die Kapazitäten steigern, mit innovativen Technologien, die eine neue Qualität des Reisens schaffen. IT und Automatisierung zählen daher auch zu den wichtigsten technischen Voraussetzungen für nachhaltige Infrastrukturlösungen der Smart City von morgen – mit Smart Grids, intelligenten Gebäuden und integrierten Verkehrssystemen. Nur so lassen sich Produktivität, Effizienz und Qualität überhaupt nachhaltig verbessern. „Nachhaltige Lösungen können nur auf Grundlage einer Gesamtschau entstehen“, erinnert der Wissenschaftliche Direktor und Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Urbanistik, Professor Martin zur Nedden, im Interview ab Seite 8. Und so schlagen wir in dieser aktuellen Ausgabe von como den Bogen von „sprechender“ Verkehrsinfrastruktur am Straßenrand über die automatische Parkplatzsuche mithilfe von Radarsensoren und „lernender“ Software bis hin zu innovativen Ideen und Erfindungen für die urbane Mobilität der Zukunft. Moderne Verkehrsmanagementsysteme verknüpfen Straße und Schiene, vernetzte Informationssysteme zeigen dem Fahrgast effiziente Reiserouten – und fahrerlose U-Bahnen lassen sich flexibel an das Passagieraufkommen anpassen: Warum automatisierte Nahverkehrssysteme die Mobilität in der smarten Stadt von morgen sichern können und wie sich auch bestehende Metrosysteme sinnvoll modernisieren lassen, lesen Sie ebenfalls in dieser Ausgabe. Dass Verkehr auch noch andere faszinierende Seiten hat, zeigen wir Ihnen in der Heftmitte. Mit bemerkenswerten Fotografien des Nürnberger Fotografen Christian Höhn wollen wir Ihnen das Projekt „One Station – Poesie der Bahnhöfe“ näher bringen. Aber sehen Sie selbst – ich wünsche Ihnen interessante Lektüre. Ihre Karina Rigby Siemens Mobility, Vice President Business Development and Strategy como 14 | Mai 2015 12 30 28 34 Inhalt horizon 4Sag doch was! Sicher ist sicher. Deshalb reden jetzt Autos, Verkehrszeichen und andere kooperative Systeme miteinander. 8Städte im Wandel Digitalisierung ist Zukunft – sofern sie die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs fördert, sagt Prof. Martin zur Nedden, Wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Urbanistik. 3 inhalt focus 12 Effiziente Mobilität – in der smarten Stadt von morgen Der Druck auf urbanes Leben wächst, Städte müssen sich immer neuen Herausforderungen stellen. Mit welchen intelligenten Konzepten kann die Stadt sich neu erfinden – und wirklich zukunftsfähig werden? 18Die Poesie des Bahnhofs Ein Gedicht von einem Bahnhof: Der Nürnberger Fotokünstler Christian Höhn bereiste fünf Kontinente und porträtierte literarische Schauplätze mit Gleisanschluss. move 28 Schlaflos in Riad Das größte Metro-Projekt der Welt: Siemens-Mitarbeiter berichten. 30 Metro digital Urbaner Nahverkehr auf dem Weg zum automatischen Betrieb. 34 Smarter parken Parkplatzsuche nervt. Doch nun werden freie Parkplätze direkt ins Auto gemeldet. connect 38 Ideen für die Zukunft Wenn junge Erfinder an morgen denken, finden sie bemerkenswerte Lösungen. 4 Rubrik como 14 | Mai 2015 Wenn Autos, Wechselverkehrszeichen, Wetterdatensysteme und Lichtsignale miteinander reden, dient das vor allem der Sicherheit: Als kooperative Systeme kommunizieren Fahrzeuge, Verkehrsleitstellen und Infrastruktur miteinander und geben wichtige Verkehrs- oder Warnhinweise an den Fahrer weiter – lange bevor Gefahren oder Störungen tatsächlich zu sehen sind. Und das ist keine Zukunftsmusik: Auf einem ITS-Korridor zwischen Rotterdam und Wien wird diese sogenannte Vehicle2X-Kommunikation in der Praxis getestet. Sag como 14 | Mai 2015 A utofahren kann zunehmend Nerven kosten: Durchschnittlich 35 Stunden jährlich stehen Deutschlands Autofahrer im Stau und verbrauchen dabei rund elf Milliarden Liter Kraftstoff zusätzlich – allein der wirtschaftliche Schaden durch Staus lag 2013 in Europa bei rund 7,4 Milliarden Euro. Dazu kommen wachsende Sicherheitsrisiken im dichten Stadtverkehr, an unübersichtlichen Kreuzungen oder in Baustellen – genug Gründe, den Straßenverkehr mit intelligenten Technologien besser zu organisieren. Car2X, die Datenkommunikation zwischen dem Auto und anderen Fahrzeugen oder intelligenter Infrastruktur an der Straße, ist eine solche Technologie. Wichtigste Voraussetzung für einen entspannteren Ablauf auf den Straßen ist der Austausch von Informationen in Echtzeit: Bekommen Fahrer aktuelle Daten über Wetterlage und Straßenverhältnisse, Verkehrsaufkommen und Baustellen direkt ins Auto oder auf ihr mobiles Endgerät überspielt, können sie ihr Fahrverhalten rechtzeitig an die jeweiligen Bedingungen anpassen. Verkehrsexperten sind sich sicher: Besser informierte Autofahrer sparen Energie und verursachen weniger Unfälle. horizon „Modern Talking“ zwischen Rotterdam und Wien Smarte Straßeninfrastruktur ist längst Realität. Siemens beteiligt sich an verschiedenen Pilotprojekten im In- und Ausland und hat in den vergangenen Jahren intensiv zum Thema Interaktion zwischen Auto und Infrastruktur geforscht. Derzeit wird die Car2XKommunikation in der Praxis auf einem ITS-Korridor (ITS: Intelligent Transport Systems) von Rotterdam über Frankfurt am Main bis nach Wien getestet. Von der Politik unterstützt, vereint das Gemeinschaftsprojekt der Niederlande, Österreichs und Deutschlands Siemens mit Unternehmen und Institutionen wie NXP, Honda, Cohda Wireless, dem TÜV Süd, IBM und den Automobilclubs AvD und ANWB. Ziel ist es, das Potenzial der Technologie auszuloten und serienreife Lösungen zu entwickeln. Wesentliche Elemente der Verkehrskommunikation sind sogenannte Roadside Units am Straßenrand. Sie werden unauffällig, kaum sichtbar im Stadtverkehr an Verkehrsampeln, auf der Autobahn an Schilderbrücken montiert und bilden die Schnittstellen zwischen Fahrzeug und der Infrastruktur. Die Roadside Units verbinden sowohl die Fahrzeuge als auch die Infrastruktur einschließlich der Car2X- Zentrale miteinander. Die Kommunikation basiert auf IEEE 802.11p, einem WLAN-Standard, der speziell auf Car2X-Anwendungen zu- doch was! 5 6 horizon como 14 | Mai 2015 Mit der App sicher über die Straße Eine Smartphone-App kann blinden und sehbehinderten Fußgängern mehr Sicherheit verschaffen Sicher über die Straße zu kommen, ist für blinde und sehbehinderte Menschen oft keine Kleinigkeit. Bereits alltägliche Besorgungen, wie der Weg zum Bäcker oder ein Arztbesuch, können zur Herausforderung werden, wenn sich etwa durch mobile Baustellen oder geänderte Verkehrsführung der gewohnte Weg ändert. Eine spezielle App fürs Smartphone soll in diesen Fällen für mehr Sicherheit im Stadtverkehr sorgen: Im Rahmen des Forschungsprojektes „Innerstädtische Mobilitätsunterstützung für Blinde und Sehbehinderte“ (InMoBS) der Technischen Universität Braunschweig, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Siemens als technischem Partner wurden in den vergangenen drei Jahren ein Prototyp und ein Online-Routenplaner sowie die dazugehörige technische Infrastruktur entwickelt, um Kreuzungen für mobilitätseingeschränkte Fußgänger sicherer zu machen. Infrastrukturkomponenten liefern dabei per WLAN akustische und haptische Informationen an das mobile Endgerät – technische Basis ist die Vehicle2X-Technologie. geschnitten ist. Im Vergleich zu Mobilfunknetzen, die langsam oder instabil sein können, gewährt die direkte Verbindung zwischen Verkehrsteilnehmern und Infrastruktur eine verzögerungsfreie und gesicherte Übertragung von Verkehrs- und Fahrzeugdaten. Daten möglichst reibungslos an Autofahrer zu übermitteln, ist jedoch nur eine Möglichkeit. Umgekehrt können Fahrzeuge Informationen direkt aus dem Verkehrsgeschehen oder über die akute Wetterlage vor Ort aufnehmen, ins System einspeisen und dem Verkehrsmanagement so eine breitere Datenbasis auch für Straßenabschnitte ohne Verkehrstechnik-Infrastruktur verschaffen. Unterwegs im anonymen „Chatroom“ Eine offene Kommunikation mit der Verkehrsinfrastruktur birgt Risiken – ganz ähnlich wie bei anderen kabellosen LAN-Verbindungen. Bei der Übertragung von Daten kann etwa deren Integrität mit oder ohne Absicht beeinträchtigt werden. Deshalb ist der Datenaustausch gegen mögliche Sicherheitsrisiken zu schützen, um fatale Folgen für die Verkehrssicherheit zu vermeiden. Werden bei etwaigen Störungen fehlerhafte Daten ausgeliefert, müssen integrierte Sicherheitsmechanismen diese erkennen und zuverlässig bewerten. Damit Informationen nicht manipuliert oder Verkehrsteilnehmer ausgeforscht werden können, verwenden die Kommunikationsgeräte an Bord neben Hardware-Sicherheitselementen wechselnde digitale Zertifikate und Verschlüsselungen. Das heißt: Der Absender bleibt anonym, denn jeder ausgehende Datensatz verwendet eine andere Signatur. So ist es prak- como 14 | Mai 2015 Die Infrastruktur gibt Bescheid: Sogenannte „Roadside Units“, mit denen die Straßen ausgestattet werden, liefern Informationen über Verkehrsdichte, Straßenzustand oder Ampelschaltzeiten an die Verkehrszentralen. tisch unmöglich, ein Fahrzeug aufzuspüren oder zu verfolgen. Lediglich für die Roadside Units muss erkennbar bleiben, um welchen Fahrzeugtyp es sich handelt. Denn für Sonderfälle werden Zertifikate mit höheren Berechtigungsstufen vergeben, die beispielsweise Einsatzfahrzeugen oder dem öffentlichen Nahverkehr an Verkehrsampeln Priorität einräumen. Die Technik ist da, die Kooperationen sind perfekt: Vom niederländischen Elektronik-Zulieferer NXP kommen Funk-Chipsätze für die vernetzten Fahrzeuge sowie die Hardware-Sicherheitselemente für die Abhör- und Ma- nipulationssicherheit der Kommunikation. Siemens stellt die intelligente Infrastruktur bereit und stattet Verkehrsschilder, Ampeln und Verkehrshindernisse mit V2X-Systemen aus. Zur genaueren Definition: Die Abkürzung V2X steht für die drahtlose Kommunikation sowohl zwischen Fahrzeugen wie zum Beispiel Autos, Bussen oder Straßenbahnen untereinander (Vehicle-to-Vehicle, kurz V2V) als auch zwischen Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur (Vehicle-to-Infrastructure, V2I). V2X ergänzt mit diesen Funktionen bestehende Verkehrsleit- und Fahrerassistenz-Systeme. V2X-fähige Fahr- horizon Kreuzungen und Hinweisschilder werden intelligent und arbeiten mit den Fahrzeugen zusammen, um den Verkehr sicherer, effizienter und umweltfreundlicher zu machen. Der Fahrer erhält wichtige Verkehrshinweise, Beschränkungen und Warnhinweise – direkt ins Fahrzeug. zeuge empfangen auch Informationen von intelligenten Verkehrszeichen und stellen sich auf den Schaltzyklus von Ampeln ein, bevor sie die Kreuzung erreichen. Bald sind diese kommunikativen Systeme serienreif, und in den Forschungsabteilungen bei Siemens stehen bereits weiterführende Aufgaben auf dem Programm: Im nächsten Schritt wird etwa die Einbindung von Fußgängern und Radfahrern in kooperative Systeme untersucht sowie die exakte Positionsbestimmung von Fahrzeugen – eine wesentliche Etappe in Richtung autonomes Fahren. ■ 7 8 Rubrik como horizon como14 12| Mai | Mai2015 2014 Städte como 14 | Mai 2015 horizon im Wandel Globalisierung, Urbanisierung, Digitalisierung sind die Schlagworte unserer Zeit – der Mensch und seine Umgebung müssen sich auf Veränderungen einstellen. Wie aber passen oft über Jahrhunderte gewachsene Stadtstrukturen in diese neue Zeit? Kann die beginnende urbane Digitalisierung den Wandel erleichtern und worauf muss geachtet werden, damit Städte auch morgen noch lebenswert sind? Ein Gespräch mit dem Wissenschaftlichen Direktor und Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Urbanistik gGmbH (Difu), Prof. Martin zur Nedden. Herr Professor zur Nedden, die Welt um uns wird in atemberaubender Geschwindigkeit komplexer – und komplizierter. Lassen sich die oftmals über Jahrhunderte gewachsenen Stadtstrukturen überhaupt an den raschen Wandel anpassen? Die europäische Stadt und damit insbesondere die deutschen Städte haben sich bisher immer erfolgreich den veränderten Rahmenbedingungen an gepasst, ohne ihre grundsätzlichen Merkmale und Qualitäten zu verlieren. Das kann auch jetzt gelingen. Eine wichtige Voraussetzung ist eine umfassende, integrierte Gesamtstrategie in der jeweiligen Stadt, bei deren Erarbeitung die Vor- und Nachteile von Entwicklungsmöglichkeiten sorgfältig abgewogen werden. Nicht jede technische Neuerung, die mach- bar ist, ist im Sinne der Nachhaltigkeit sinnvoll. Die Digitalisierung bietet eine Reihe von Chancen. Sie ist aber nur ein Element im Kontext einer Reihe anderer im komplexen Wirkungsgefüge der Stadtentwicklung. Das Thema Digitalisierung birgt ja gerade für Städte mehrere Aspekte... Ganz richtig, die öffentliche Hand trägt hier eine ganz besondere Verantwortung. Daten, die einerseits zum Beispiel im Verkehrsbereich zur Steigerung der Effizienz erhoben werden, berühren andererseits Persönlichkeitsrechte und erhöhen die Transparenz der Privatsphäre der Bürger. Es bedarf des Weiteren der Auseinandersetzung mit der Störanfälligkeit komplexer elektronischer Systeme. Bedienungsfehler, technische Störungen oder Hackerangriffe können zu erheblichen Problemen in den Städten führen. Der Aspekt der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit von – in diesem Fall digitalen – Systemen, wird in Zukunft eine noch größere Rolle spielen bei dem Bemühen um die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Stadt. Werden derartige Risiken ausreichend in die Überlegungen einbezogen? Aktuell übt die technische Machbarkeit nach meinem Eindruck eine große Faszination aus. Die Fragen der Nachhaltigkeit, der schon angesprochenen Resilienz oder aber auch der gesellschaftlichen Konsequenzen geraten dabei etwas in den Hintergrund. Technischer Fortschritt bietet ohne Zweifel oft Chancen, aber er birgt eventuell eben auch Probleme. 9 10 „ horizon como 14 | Mai 2015 Es bedarf der Auseinandersetzung mit der Störanfälligkeit komplexer elektronischer Systeme. Der Aspekt der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit von – in diesem Fall digitalen – Systemen, wird in Zukunft eine noch größere Rolle spielen bei dem Bemühen um die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Stadt.“ Wie sollten Stadtplaner also am besten mit den aktuellen Herausforderungen umgehen? Auf kommunaler Ebene sind eine ganze Menge Probleme gleichzeitig zu bewältigen. Neben den genannten Entwicklungen müssen wir zum Beispiel auch den Klimawandel und die Maßnahmen zur Anpassung der Städte an dessen Auswirkungen in die Betrachtungen einbeziehen. Dann gilt es, die Veränderung der demografischen Strukturen zu berücksichtigen. Ebenso den Wandel der globalen Wirtschaft, der ja zum Teil mit der Digitalisierung einhergeht. Angesichts der erwähnten komplexen Wirkungszusammenhänge zwischen unterschiedlichen Faktoren von Stadtentwicklung bedarf es, wie schon gesagt, interdisziplinärer, integrierter Herangehensweisen zur Bewältigung der Herausforderungen. Nur so können auch die Zielkonflikte zwischen einzelnen Handlungsoptionen einer sachgerechten Lösung zugeführt werden. Das gilt auch für das Thema Digitalisierung. Digitalisierung verspricht ja durchaus Effizienzsteigerungen. Allerdings bedeutet mehr Effizienz nicht automatisch mehr Qualität. Wenn zum Beispiel Effizienzsteigerungen in der Verkehrsabwicklung nur dazu führen, dass mehr Autos unterwegs sind, ist im Sinne der Förderung einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung wenig gewonnen. Werden sie dagegen einge- setzt, um den öffentlichen Raum für andere städtische Funktionen zurückzugewinnen oder die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs zu fördern, gewinnt die Stadt. Was sollte demnach der Leitgedanke einer nachhaltigen Stadtentwicklung sein? Inhaltliche Grundlage einer nachhaltigen Stadtentwicklung ist nach wie vor die ausgewogene Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und auch sozialer Belange durch integrierte Strategien und daraus entwickelte Maßnahmen – wie es auch 2007 die in Europa für Stadtentwicklung zuständigen Minister in der Leipzig-Charta formuliert haben. Wie lassen sich soziale Verhältnisse durch Stadtgestaltung verbessern? Für die Gewährleistung stabiler sozialer Verhältnisse in den Städten ist die Stadtgestaltung ein durchaus wichtiges Handlungsfeld. Sie kann einiges in dieser Hinsicht unterstützen oder behindern. Soll aber die Segregation, also die soziale Entmischung, in einem erträglichen Rahmen gehalten und ein Kernmerkmal der europäischen Stadt, nämlich die Fähigkeit zur Integration von Zuwanderern, auch weiterhin sichergestellt werden, sind andere Handlungsfelder von noch größerer Bedeutung. Ich nenne hier nur die Bodenpolitik, Wohnungspoli- tik, das Angebot von sozialen Einrichtungen oder die Bildungspolitik und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Gerade bei der Erhaltung der sozialen Stabilität bedürfen die Kommunen aber auch der Unterstützung von Bund und Ländern. Alleine sind sie überfordert, zumal die übergeordneten Ebenen wichtige Rahmenbedingungen setzen. Sehen Sie die konkrete Gefahr, dass die fortschreitende Verstädterung wesentliche Funktionen in den Zentren zusammenzieht und die ländlichen Gebiete in Folge mehr und mehr ausbluten? In Deutschland sehen wir im Hinblick auf die Entwicklung des ländlichen Raumes sehr unterschiedliche Richtungen. Es gibt nach wie vor wachsende ländliche Bereiche, allerdings sind auch zunehmend ländliche Bereiche von Bevölkerungsrückgang betroffen. Bund und Länder haben diese Thematik durchaus auf ihrer Agenda. Man muss aus meiner Sicht Städte und ländlichen Raum gemeinsam b‘rachten. Es gibt positive Beispiele fü‘ooperationen. So zeigen etwa die Metropolregionen Hannover oder Nürnberg, wie Städte mit dem umgebenden ländlichen Raum unter anderem im Bereich der Sicherung der Daseinsvorsorge zusammenarbeiten. Auch hier kann die Digitalisierung im Übrigen durchaus hilfreich sein. como 14 | Mai 2015 horizon 11 Prof. Dipl.-Ing. Martin zur Nedden Martin zur Nedden studierte Raumplanung und Raumordnung an der TU Wien und war seit den 1990er Jahren unter anderem Leiter des Planungsamtes und Stadtbaurat der Stadt Bochum sowie Bürgermeister und Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig. Seit November 2013 ist er Wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Urbanistik gGmbH, seit April 2014 auch Honorarprofessor für Stadtentwicklung und Regionalplanung an der Fakultät Architektur und Sozialwissenschaften der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig. Als Stadtplaner und ehemaliger Baubürgermeister wissen Sie natürlich, welche Aufgaben in Städten und Kommunen wirklich vordringlich zu lösen sind. Was steht auf der Prioritätenliste ganz oben? Einige der zentralen Herausforderungen sind bereits genannt. Es geht für die Städte vordringlich um positive Beiträge zur Bewältigung des Klimawandels und die Klimaanpassung, den Umgang mit dem demographischen Wandel, die Vermeidung von Segregation, den sachgerechten Umgang mit den Entwicklungen der digitalen Technologien, die Sicherung der finanziellen Basis und die Einbindung der Bürgerschaft. Nachhaltige Lösungen können nur auf Grundlage einer Gesamtschau entstehen, die ihrerseits die Basis für eine Zieldefinition und daraus abgeleitete Maßnahmenprioritäten bildet. Angesichts der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Städten gibt es hierfür keine Patentrezepte. Jede Kommune muss für sich die richtige Lösung finden. Dabei spielt allerdings der Aspekt einer ausreichenden finanziellen Ausstattung der kommunalen Ebene eine erhebliche Rolle. Ist also unter dem Strich alles wieder eine Frage des Geldes ...? Die Forderung der kommunalen Ebene an Bund und Länder im Hinblick auf die Sicherstellung einer den übertragenen Aufgaben entsprechenden Finanzausstattung ist sehr berechtigt. Deswegen legen die Kommunen die Hände aber nicht in den Schoß. Sie suchen intensiv nach Lösungen trotz eines in der Regel engen finanziellen Korsetts. Zum Beispiel hat Leipzig gemeinsam mit Immobilienwirtschaft und Bürgern für das altersgerechte Wohnen – eine der großen Herausforderungen im Rahmen des demographischen Wandels – ein Konzept für barrierearme Wohnungen entwickelt. Damit wird zwar nicht die Barrierefreiheit nach DIN-Norm erreicht, aber doch das Hauptziel, nämlich älteren Menschen so lange wie möglich das Verbleiben in ihrer gewohnten Umgebung zu ermöglichen. Bei gleichem Budget kann so durch sinnvoll und vertretbar reduzierte Standards mehr Menschen geholfen werden. So gibt es auf der kommunalen Ebene viele innovative Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungen. ■ Deutsches Institut für Urbanistik Das 1973 gegründete Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) mit Sitz in Berlin ist das größte Stadtforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum und die Forschungs-, Fortbildungs- und Informationseinrichtung für Städte, Kommunalverbände und Planungsgemeinschaften. Das Institut bearbeitet ein umfangreiches Themenspektrum – neben Stadt- und Regionalentwicklung, Städtebau, Umwelt und Verkehr auch soziale und wirtschaftliche Aspekte – und beschäftigt sich auf wissenschaftlicher Ebene praxisnah mit allen Aufgaben, die Kommunen heute und in Zukunft zu bewältigen haben. Alleiniger Gesellschafter des gemeinnützigen Forschungsinstituts ist der Verein für Kommunalwissenschaften. 12 Rubrik como 14 | Mai 2015 Effiziente in der smarten Stadt como 14 | Mai 2015 Mobilität von morgen Rubrik 13 14 Rubrik como 14 | Mai 2015 Städte sind dynamische Gebilde – laufend entwickeln sie sich weiter. Das ist heute wichtiger denn je, denn der Druck auf urbanes Leben wächst zusehends: Globale Erwärmung und demografischer Wandel, Umweltbelastung und Ressourcenverknappung, soziale Umbrüche und drohender Verkehrsinfarkt sind nur einige der zahlreichen Herausforderungen, denen sich Städte stellen müssen. In dieser Zeit der Umwälzung sind intelligente Konzepte gefragt: Als Smart City kann die Stadt sich neu erfinden – und zukunftsfähig werden. como 14 | Mai 2015 focus 15 Die südkoreanische Hauptstadt Seoul baute im Rekultivierungsprojekt Cheonggyecheon eine Stadtautobahn aus den 1970er Jahren zurück und schuf ein bei Einwohnern und Touristen beliebtes Naherholungsgebiet. D ie ersten Städte der Menschheitsgeschichte trugen klangvolle Namen: Jericho, Uruk oder Troja waren in einer dünn besiedelten Welt aus Jägern, Sammlern und Bauern staunenswerte Orte für jeden Besucher. Wer nach Arbeit, besseren Lebensbedingungen oder Bildung strebte, zog vom Land in die Städte – bis heute treibt die Menschen Hoffnung auf ein angenehmeres Leben in die Stadt. Mit steigender Tendenz, denn das Stadtleben ist keine Ausnahme mehr, sondern die Regel: Noch zur Mitte des 20. Jahrhunderts lebten gerade einmal 30 Prozent der globalen Bevölkerung in Städten, derzeit ist es mit rund 54 Prozent mehr als die Hälfte. Und im Jahr 2050 wird man feststellen, dass sich innerhalb von nur hundert Jahren das Stadt-LandVerhältnis exakt umgekehrt hat: Analysten der Vereinten Nationen (UN) erwarten dann einen urbanen Anteil der Weltbevölkerung von etwa 70 Prozent. Dabei ist dieses Wachstum größtenteils in Entwicklungsund Schwellenländern zu erwarten, also in Afrika, dem Nahen Osten, Lateinamerika und Asien. Allein in China könnten bereits 2020 über 120 städtische Ballungsräume mit mehr als einer Million Einwohnern existieren, darunter etliche Megastädte. Wo beginnt die Megastadt? Das geradezu explosionsartige Wachstum von Städten, das die Menschheit derzeit erlebt, ist historisch gesehen ein relativ neues Phänomen: Erste Megastädte im heutigen Sinne – also Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern – entstanden erst im 20. Jahrhundert als Folge der Industrialisierung. Aktuell zählen die UN-Statistiker bereits 22 Megastädte – nur Moskau auf dem europäischen Kontinent, die meisten im asiatischen Raum und in Lateinamerika. Bis 2050 sollen es rund 41 Megastädte sein. Um die rasant anwachsenden Ansiedlungen klassifizieren zu können, mussten neue Begriffe gefunden werden: „Mega-urbaner Raum“ etwa beschreibt polyzentrische Verdichtungsräume aus mehreren Kernstädten und ihren direkt angrenzenden Vororten, umfasst also auch Metropolregionen wie Rhein-Ruhr mit knapp 10 Millionen Einwohnern oder die Greater Los Angeles Area mit – je nach Zählweise – 13 bis 18 Millionen Menschen. Metastadt oder Hypercity werden massiv expandierende Ballungsräume mit mehr als 20 Millionen Einwohnern genannt. Als erste Metastadt gilt Tokio, deren Agglomeration schon in den 1960er Jahren diese Einwohnergrenze über- 16 focus como 14 | Mai 2015 In Kopenhagen spielt das Fahrrad als Nahverkehrsmittel seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle. In Bogota bewährt sich Bus Rapid Transit (BRT) als kostengünstiges Bussystem mit hoher Kapazität. schritt. Mittlerweile führt das nördliche Perlflussdelta in China die Statistiken an: In der Region um Guangzhou, die Millionenstädte wie Dongguan, Foshan, Jiangmen, Shenzhen und Zhongshan umfasst, leben rund 46,5 Millionen Menschen. Den Zugezogenen verspricht das urbane Leben neue individuelle Möglichkeiten. Für die städtischen Infrastrukturen aber stellt der massive Bevölkerungszustrom eine enorme, oft kaum noch zu verkraftende Belastung dar. Die Verkehrsbelastung steigt, weil immer mehr Berufstätige aus den Randzonen ins Stadtzentrum pendeln. Parkplatzmangel und Staus kosten Zeit, Geld und Nerven, verschmutzen die Umwelt und beschneiden die Lebensqualität der Menschen. Was also tun? Das Konzept der „autogerechten Stadt” jedenfalls – schon zur New Yorker Weltausstellung 1939 in der Vision „Futurama“ des Autoherstellers General Motors beschrieben und in den zerstörten deutschen Städten der Nachkriegszeit massiv umgesetzt – erweist sich längst nicht mehr als tragfähig: Mehrspurige Ring- und Hauptverkehrsstraßen, Hochstraßen und Autobahnen quer durch die Stadt schaffen nur den Anreiz für noch mehr Autoverkehr. Und so sind ganz neue Ideen gefragt für die zunehmend schwierigere Herausforderung an die Verkehrsplaner: Wie schafft man im enger werdenden Stadtraum Mobilität für immer mehr Menschen? Die Stadt der Zukunft ist „intelligent“ Smart Citys oder „intelligente“ Städte, die innovative Lösungen für Mobilität, nachhaltige Energien und Raumnutzung in einem Gesamtkonzept vereinen und trotz zunehmender Bevölkerungsdichte attraktiven Lebensraum schaffen, könn- ten diese Entwicklung voranbringen und das Wachstum im urbanen Raum bewältigen. Der Begriff Smart City ist zwar nicht ausdrücklich definiert, er beschreibt aber im Grunde die kluge Kombination aus funktionaler städtischer Infrastruktur, sozialen Strukturen und innovativer Technologie. Einfacher ausgedrückt: Intelligente Städte nutzen die zur Verfügung stehenden Räume und Ressourcen so effizient wie möglich, um einen attraktiven, sicheren und sauberen Ort zum Leben zu bieten. Aus der Erfahrung mit „autogerechten“ Städten hat sich unter Stadt- und Verkehrsplanern die Erkenntnis durchgesetzt: Bauen wir nur Straßen, wird es mehr Auto- und Motorradverkehr geben – mit allen damit verbundenen negativen Auswirkungen. Schaffen wir jedoch öffentlichen Raum, eine sichere Umgebung für Fußgänger und Radfahrer sowie Zugang zu gut funktionierenden öffentlichen Verkehrsmitteln, dann fördern wir eine nachhaltige Mobilität, die auch die individuellen Lebenslagen und Bedürfnisse der Menschen in dieser Stadt berücksichtigt. Die südkoreanische Hauptstadt Seoul ist dafür ein gutes Beispiel: Die Stadt entwickelte ein Konzept für „grünes Wachstum“, das im Rekultivierungsprojekt Cheonggyecheon umgesetzt wurde. Die Stadtregierung beschloss im Jahr 2003 den Abriss einer Stadtautobahn, die in den 1970er Jahren mitten durch die City über einem Wasserlauf errichtet wurde. Mit der Rekultivierung des Flusses wurde nicht nur das historische Erbe dieser Gegend wiederbelebt, sondern auch ein zentrales Hauptgeschäftsviertel geschaffen. Heute ist Cheonggyecheon ein bei Einheimischen und Touristen beliebtes Naherholungsgebiet. Zusammen mit Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel como 14 | Mai 2015 focus 17 Die rund sechs Kilometer lange Gurgaon-Metrolinie im Großraum Delhi ist für rund 30.000 Fahrgäste pro Stunde ausgelegt. konnte das Projekt dabei helfen, die Mobilität im Stadtkern von Seoul zu verbessern. Die dänische Hauptstadt Kopenhagen hat langjährige Erfahrung mit diesen Prozessen: Bereits 1947 arbeitete die Stadt einen Entwicklungsplan aus, den sogenannten „Fingerplan“, der sich am Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) orientiert. Die Stadt sollte, von einem dicht bebauten Zentrum ausgehend, in verschiedene Richtungen durch ÖPNV erschlossen werden, vergleichbar mit den fünf Fingern einer Hand. Im Laufe der Jahre haben die Kopenhagener ihre Vision umgesetzt und weiterentwickelt. Das Fahrrad Droht der urbane Verkehrsinfarkt? 2050 werden rund 9,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben – davon gut 6,5 Milliarden in urbanen Zentren. wurde stärker in den Fokus gerückt und Kopenhagen investierte gezielt in den öffentlichen Verkehr. Heute gibt es neben effizienten innerstädtischen Verkehrsmitteln eine S-Bahn bis weit ins Umland, die konsequent erweitert und modernisiert wird (siehe Seite 32). In anderen Weltregionen, wo Stadtraum und Finanzmittel knapper sind und der Expansionsdruck größer, bewähren sich spezielle Lösungen wie etwa Bus Rapid Transit (BRT) als hochwertiges Bussystem mit hoher Kapazität: Separate Busspuren einzurichten, ist kostengünstiger als der Bau eines Metro-Netzes, bietet aber die Vorteile, dass die Busse an Staus vorbeifahren, an Ampeln stets Vorfahrt bekommen und kürzere Taktzeiten einhalten können. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen Ohne ausreichende Investitionen in eine nachhaltige Infrastruktur geht es freilich in keinem Fall: Indien will beispielsweise in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich 300 Milliarden US-Dollar in städtische Infrastrukturen investieren. Dabei geht es nicht nur darum, Gelder bereitzustellen. Die Planungen sollen auch mit konkreten Lösungen mit Massenverkehrsmitteln wie BRT und Metros, die sich gut in die Flächennutzung integrieren lassen, verknüpft werden. Die Rapid MetroRail Gurgaon ist ein positives Beispiel dafür. Die rund sechs Kilometer lange, komplett von Siemens erstellte und ausgerüstete Gurgaon-Metrolinie im Großraum Delhi nahm Ende 2013 den Passagierbetrieb auf. Ihre Trasse bindet das Geschäfts- und Wohnviertel Gurgaon Cyber City rund 30 Kilometer südlich von Delhis Zentrum an das Metronetz der Hauptstadt an und wird derzeit um weitere rund sieben Kilometer in Richtung Süden erweitert. Ausgelegt ist die Gurgaon-Linie für ein Verkehrsaufkommen von rund 30.000 Fahrgästen pro Stunde – und das ist auch nötig: Täglich sind in Indiens zweitgrößter Stadt rund zwei Millionen Pendler mit der Metro unterwegs. Lesen Sie weiter auf Seite 24 18 focus como 14 | Mai 2015 St Pancras and King’s Cross, 2014, Lightjetprint, Diasec, 172 x 215,4 cm Chhatrapati Shivaji Terminus, 2014, Lightjetprint, Diasec, 166 x 238,1 cm Die Poesie des Bahnhofs Wie poetisch kann ein Bahnhof sein? Im Auftrag des DB Museums bereiste der Nürnberger Fotokünstler Christian Höhn fünf Kontinente und porträtierte Bahnhofsbauten auf besondere Weise. B ahnhöfe sind Verkehrsknoten und Reisestationen, Orte des Abschieds und des Wiedersehens – und manches Mal sind sie auch literarische Schauplätze. Auf den Spuren von Weltschriftstellern wie Mark Twain, Ingeborg Bachmann oder Leo Tolstoi war der Nürnberger Fotograf Christian Höhn unterwegs und porträtierte einige dieser Schauplätze. Bekannt wurde der Fotograf mit eindrucksvollen, großformatigen und hyperrealistisch anmutenden Panoramabildern von Megacities: Eine hoch auflösende Analogkamera, sehr lange Belichtungszeiten und der Blick von hoch oben – so verwischen alle Bewegungen und verleihen den Szenen eine besondere Magie, jenseits gewöhnlicher Betriebsamkeit. Nun also Bahnhöfe: Zehn Monate lang war Höhn auf fünf Kontinenten unterwegs und setzte Bahnhöfe, die einmal Schauplätze der Weltliteratur waren, ins rechte Licht. Angeregt von Mark Twains humorvollem Expeditionsbericht „Riffelberg-Besteigung“, reiste er beispielsweise in den Schweizer Kanton Wallis und brachte eine geradezu märchenhafte Nachtaufnahme mit: Der 3.089 Meter hoch gelegene Bahnhof Gornergrat ist Endstation der 1898 eröffneten Zahnradbahn von Zermatt über Riffelberg zum Gornergrat. In den Alpen ist der Blick von ganz weit oben kaum ein Problem. Für das Foto der Tarcoola Station allerdings, mitten im topfebenen Niemandsland des australischen Outback gelegen, an der Kreuzung der eingleisigen OstWest-Strecke der Transaustralischen Eisenbahn mit der Zentralaustralischen Eisenbahn, musste sich Höhn ein Reisemobil mit extra hohem, begehbarem Dach mieten. So entstand ein beeindruckendes Stations-Foto – aus etwa fünf Metern Höhe. Einige der rund vier Quadratmeter großen Acrylbilder und Leuchtkästen präsentiert das Nürnberger DB Museum noch bis 21. Juni 2015 in der Ausstellung „One Station – Poesie der Bahnhöfe“. como 14 | Mai 2015 focus Tokyo Station, 2014, Duratrans, Diasec, LED-Leuchtkasten, 180 x 229,3 x 19 cm Centerfold, umseitig: Grand Central Terminal, 2014, Duratrans, Diasec, LED-Leuchtkasten, 180 x 222 x 19 cm Titel: Cape Town Railway Station, 2014, Duratrans, Diasec, LED-Leuchtkasten, 180 x 227,6 x 19 cm Christian Höhn, seit 1994 selbstständiger Fotograf, ist Kennern für großformatige, hyperrealistisch anmutende Fotografien über „Megacities“ bekannt. Zur aktuellen Bilderserie „One Station“ ist ein Buch erschienen: „One Station – Poesie der Bahnhöfe“, 64 Seiten, Verlag für moderne Kunst, www.vfmk.de 23 Das Grand Central Terminal an der Ecke 42nd Street und Park Avenue in Manhattan, nach dem Vorgängerbau oft Grand Central Station genannt, wurde 1913 eingeweiht und ist mit 44 Bahn steigen und 67 Gleisen auf zwei Etagen der größte Bahnhof der Welt. Es ist als geschichtlicher Meilenstein der Ingenieurskunst gelistet und dient heute ausschließlich dem Pendlerverkehr. 24 focus como 14 | Mai 2015 Die Avenio-Straßenbahnen für Katars Hauptstadt Doha werden umfangreichen Klimatests unterzogen. Das Fahrrad-Verleihsystem Velowspace arbeitet mit Siemens-Technik. Fortsetzung von Seite 17 Ähnliche Programme zur Förderung öffentlicher Verkehrsmittel zur nachhaltigen Stadtentwicklung gibt es unter anderem in China, Brasilien und Mexiko. Nur wenige Agglomerationen haben allerdings die Chance, ihre Verkehrssysteme von Grund auf neu zu entwickeln und mit modernster Technik auszurüsten. Eine dieser Städte ist Riad, wo derzeit sechs Metro-Linien gleichzeitig in Arbeit sind (siehe Seite 28). Im nächsten Jahr werden in Doha, der Hauptstadt von Katar, auf einer Strecke von 11,5 Kilometern mit 25 Stationen 19 Avenio-Straßenbahnen oberleitungsfrei unterwegs sein. Leistungsfähige Klimaanlagen und spezielle Dachisolierungen schützen die Fahrgäste vor Sonnenstrahlung und hohen Außentemperaturen. Siemens rüstet die Bahnen mit dem HES-Energiespeichersystem aus, das die Batterien selbst bei kürzesten Stopps an den Haltestellen auflädt und durch Rückspeisung von Bremsenergie bis zu 30 Prozent der eingesetzten Energie wieder für den Fahrbetrieb nutzen kann. am besten zu Fuß, andere legt man bequem mit dem eigenen oder gemieteten Fahrrad zurück. Auch für das Carsharing mit Fahrzeugen unterschiedlicher Größe, Metro oder Trambahn gibt es von jeder Haustür aus einen persönlichen Komfortfaktor. Besonderes Augenmerk gehört daher der Die „Letzte Meile“ gibt den Ausschlag sogenannten „Last Mile“ im öffentlichen Verkehr: dem Abschnitt des Weges, den Menschen bis zur nächsten Bahn-, Bus- oder Mietrad-Station zurücklegen müssen und der nicht länger als ein paar hundert Meter sein sollte. Daher zählen zu einem Smart-City-Paket neben überlegt geplanten Radwegen, Fußgängerzonen und Haltestellen auch sinnvolle Förderkomponenten und behördliche Genehmigungen – etwa für Bike-Sharing-Angebote oder RikschaTaxidienste. Beispielsweise hat in den Niederlanden der Fahrradverleiher OV-Fiets bereits an 95 Standorten sein innovatives Verleihsystem Velowspace installiert. An dem mit Siemens-Technik gesteuerten Verleih-Automat können bis zu 24 Fahrräder, Wird der öffentliche Verkehr effizienter, könnten viele der heutigen Autofahrer komplett auf ihr Auto verzichten – zumindest direkt in den urbanen Großräumen. Tatsächlich würde der öffentliche Verkehr in Zukunft so gut funktionieren, dass selbst in Megastädten ausgedehnte autofreie Innenstadtbereiche möglich sind. Wie aber lassen sich – abgesehen von einem dichten, gut ausgebauten ÖPNV-Netz – öffentliche Verkehrsmittel auch für eingefleischte Automobilisten attraktiver machen? Der Mensch achtet auf persönlichen Komfort – daher ist mobile Vielfalt die beste Lösung: Manche Wege geht man In den Innenstädten sind sogar autonome Fahrzeuge als Kurzstrecken-Taxis für die letzte Meile denkbar – und technisch heute schon realisierbar. 26 focus como 14 | Mai 2015 Auch die neuen ElektroHybridbusse für die Hamburger Innenstadt werden an SiemensSchnellladestationen mit Strom versorgt. In der schwedischen Hauptstadt Stockholm hat im März eine mit Elektro-Hybridbussen betriebene Buslinie den Linienbetrieb aufgenommen. vor Witterung und Vandalismus geschützt, rund um die Uhr ausgeliehen und zurückgegeben werden. In dem runden Velowspace-Container dreht ein Karussell je nach Ausleihe oder Rückgabe entweder ein Fahrrad oder einen freien Stellplatz zur automatisch geregelten Tür. Wird Velowspace an Mobilitätsknoten wie zum Beispiel Bahnhofsvorplätzen aufgestellt, vereinfacht und erleichtert das System den gezielten und den spontanen Umstieg auf das Verkehrsmittel Fahrrad. Solche Maßnahmen sind nicht nur eine Bereicherung für Menschen, die kein eigenes Auto besitzen. Von guten Verbindungen und kurzen Wegen profitieren besonders Menschen mit eingeschränkter Mobilität – und Senioren: In vielen Ländern werden die Menschen heute deutlich älter als früher, und die Bevölkerungsgruppe der über 70-Jährigen wächst stetig. Da ältere Menschen im urbanen Raum vor allem zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, ist Barrierefreiheit eine mittlerweile selbstverständliche Forderung. Und viele Analysten sind sich einig: Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen werden fast zwangsläufig zu umweltfreundlicher Mobilität in den Ballungsräumen führen – allerdings nicht von heute auf morgen, sondern höchstens auf lange Sicht. Der Nachhaltigkeitsfaktor der Mobilität Die Lebensqualität in Städten hängt auch vom Schutz der Umwelt ab. In vielen Ländern ist die Elektrifizierung des Fahrzeugantriebs nicht nur auf der Schiene, sondern auch auf den Straßen bereits im Gange. So sind Elektrobusse, wie sie derzeit auf der neuen „Innovationslinie“ in Hamburgs Bei unerwarteten Störungen kann Controlguide OCS auftretende Betriebsbehinderungen mit intelligenten Dispositionsfunktionen minimieren. Innenstadt verkehren, ein wichtiger Baustein für nachhaltige urbane Mobilität. Die Elektro-Hybridbusse mit Plug-in-Technologie von Volvo fahren durchschnittlich 70 Prozent der Strecke im Elektrobetrieb, sind geräuscharm und lokal emissionsfrei. Sie werden von einem Siemens-Ladesystem mit Strom versorgt, der Ladevorgang an den Endstationen dauert maximal sechs Minuten. Auch die schwedischen Städte Göteborg und Stockholm sind auf Elektro-Kurs. Eine einjährige Testphase in Göteborg zeigte, dass der Elektro-Hybridbus Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxidausstoß gegenüber Euro-6-Dieselbussen um bis zu 75 Prozent senkt; der gesamte Energieverbrauch kann um rund 60 Prozent reduziert werden. Und in Stockholm bedienen bereits seit März diesen Jahres Volvo-Busse und Siemens-Ladetechnik die Linie 73 zwischen Popsten und Karolinska Institutet. Wie wichtig die Alltagstauglichkeit elektrischer Fahrzeuge auch für einen Massenmarkt ist, zeigt das Beispiel China. Dort sind schon über 120 Millionen elektrisch angetriebene Roller auf den Straßen unterwegs – leise, emissionsfrei und energieeffizient. Sicher: Private Elektromobilität kann nicht alle urbanen Fragen beantworten. Der tägliche Verkehrsstau verändert sich zwar zum sauberen Stau, das Problem selbst aber bleibt. In den Innenstädten muss das private Auto deshalb eine nachrangige Option erhalten. Das intelligent vernetzte „digitale Auto“ jedoch wird auch in Zukunft zum Mobilitäts-Mix gehören können: Fahrassistenzen und Car2X-Systeme (siehe Seite 4) als Vorstufe zum autonomen Fahrzeug erhöhen schon heute die Sicherheit beträchtlich und ermöglichen zugleich eine „Verflüssigung“ des Straßenverkehrs. como 14 | Mai 2015 focus 27 Mobilität als Wirtschaftsfaktor: 2010 wurden für den Transport von Menschen und Waren weltweit 6.400 Milliarden Euro ausgegeben – fast 1.000 Euro pro Erdbewohner. Die smarte Stadt funktioniert digital Abgesehen von intelligenten Verkehrsleitsystemen, die je nach Umwelt- oder Verkehrssituation automatisch regelnd eingreifen können, lässt sich das Stadtleben durch Informations- und Kommunikations-Technologie (IKT) auch auf der persönlichen Ebene verbessern: E-Government-Programme stellen eine direkte Verbindung zwischen Bürgern und Behörden her. Mit zahlreichen Software-Applikationen für Mobiltelefone können die Bürger Umweltdaten im Auge behalten, ihre Energieeffizienz verbessern oder einen Parkplatz in der Nähe suchen (Seite 34). IKT sichert den Zugang zu Informationen über die besten Routen, das beste Verkehrsmittel, Staus, den nächsten Bus, Rad- und Fußgängerwege durch die Stadt und vieles mehr. Moderne Smart-Card-Systeme zur Abbuchung des Fahrpreises reichen über den Bereich ÖPNV hinaus und lassen sich für ein breites Angebot nutzen – von lokalem und regionalem ÖPNV über Carsharing bis hin zu Parkgebühren. In manchen chinesischen Städten ist das seit Jahren Praxis, in Europa gibt es zahlreiche neue Projekte. Digitale Technik und Internet, Datenübertragung per Funk und Smartphone-Apps haben dafür gesorgt, dass die mobile Gesellschaft bereits heute mitten im Wandel begriffen ist. Auch den morgen über 70-Jährigen wird der komfortable Fingertipp auf dem Smartphone selbstverständlicher erscheinen als noch der Vorgängergeneration. Damit wird klar: Digitalisierung und Automatisierung steigern die Verfügbarkeit urbaner Mobilitätsdienstleistungen, erhöhen die Kapazität der Verkehrsmittel und schaffen eine neue Qualität des Reisens. ■ 28 move como 14 | Mai 2015 Schlaflos in Riad Sechs U-Bahn-Linien mit 176 Kilometer Streckenlänge – Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad plant das größte Metro-Projekt der Welt. Für die fahrerlosen U-Bahn-Linien 1 und 2 liefert Siemens die schlüsselfertige Gesamtanlage und verantwortet die Systemintegration der Bahntechnik in einem internationalen Konsortium. Auch das Siemens-Projektteam stammt aus aller Herren Länder. Sebastien Gilson, Projektmanager, Belgien Gregoire Renie, Stellvertretender Projektdirektor, Frankreich Riad Metro ist Ihr erstes Projekt bei Siemens, und Sie koordinieren gleich alle sieben Siemens-Gewerke. Welchen Herausforderungen stellen Sie sich? Eine der größten Herausforderungen besteht darin, aus den Mitarbeitern der involvierten Siemens-Unternehmen ein schlagkräftiges Team zu bilden. Wir müssen also Menschen aus aller Welt dazu bewegen, einheitliche Arbeitsweisen anzuwenden und gemeinsame Ziele zu verfolgen. Damit alle internen Beteiligten über denselben Projektwissensstand verfügen, müssen wir zudem geeignete Kommunikationswerkzeuge einrichten. Sie sind von Beginn an am Riad-Projekt beteiligt. Welche Schritte und Maßnahmen waren für einen erfolgreichen Projektstart entscheidend? Die Anfangsphase war äußerst wichtig, weil wir in dieser Zeit den Plan und die Strategie für die Umsetzung des Projekts festlegen mussten – einschließlich eines Terminplans. Dem Engagement des Projektteams kam deshalb so entscheidende Bedeutung zu, weil die Arbeitsbelastung sehr hoch und die Ressourcen noch sehr begrenzt waren. Diese Mitarbeiter waren für den erfolgreichen Abschluss der Anlaufphase unentbehrlich. Mittlerweile sind wir auf Arbeitstemperatur gekommen, aber es ist ja ganz normal, dass die Konstruktionsphase die größten Herausforderungen birgt. Dave Bush, Projektdirektor, England Graham Donald, Contract Manager, Schottland Ihre Aufgabe ist es, die Einhaltung des Vertrages zu überwachen und Änderungen zu koordinieren. Ein Fall für starke Nerven? Angesichts der enormen Größe des U-Bahnprojekts in Riad stellen uns die Anzahl und Standorte der Mitwirkenden – Bauplätze, Subunternehmer und Zulieferer – sowie die Verhältnisse vor Ort vor zahlreiche Herausforderungen, und das auf mehreren Entscheidungsebenen. Es gibt zahlreiche Schnittstellen, die über ihre eigenen Besonderheiten verfügen und dabei trotzdem auf klare und einheitliche Weise integriert werden müssen. Weltweit haben Sie schon viele Bahnprojekte erfolgreich realisiert. Was ist bei diesem Großprojekt in Riad gleich oder anders? Allein die Tatsache, dass insgesamt sechs U-Bahn-Linien gleichzeitig gebaut werden, stellt uns vor eine riesige Herausforderung – ganz zu schweigen von der damit verbundenen enormen Belastung der Infrastruktur von Riad. Dazu kommen noch die Vor- und Nachteile der Arbeit in einem multinationalen und multikulturellen Team, die allerdings überall auf der Welt ähnlich sind. Vor diesem Hintergrund ist für ein harmonisches Arbeitsumfeld ein gutes Gespür für kulturelle und religiöse Unterschiede von entscheidender Bedeutung. como 14 | Mai 2015 Was ist besonders an diesem Projekt im Vergleich zu Ihren früheren Leittechnik-Projekten? Die Zahl der Beteiligten an diesem riesigen Gesamtprojekt ist außergewöhnlich. Teams aus Châtillon, Braunschweig und Riad arbeiten Hand in Hand. Der aufregendste Teil der Arbeit beginnt, wenn die wichtigsten Teilsysteme zum ersten Mal miteinander in Berührung kommen: In Wildenrath werden wir unser CBTC-System installieren, um es dort gemeinsam mit den aus Wien kommenden Inspiro-Zuggarnituren und den aus Singapur gelieferten Bahnsteigtüren zu testen. Sie leben und arbeiten schon länger in SaudiArabien, nun ist auch Ihre Familie hier. Lässt sich Ihre Wahlheimat mit Portugal vergleichen? Aus beruflicher Sicht sind die Herausforderungen ähnlich wie bei jedem anderen Projekt mit einem derartigen Mix an Beteiligten. Andererseits gibt es diese kleinen Details, an die man sich gewöhnen muss, zum Beispiel, dass das Wochenende auf Freitag und Samstag fällt. Es passiert mir noch immer häufig, dass ich am Sonntag die Büros in Europa anrufen möchte, um geschäftliche Dinge zu erledigen. Aber abgesehen von diesen kleinen kulturellen Unterschieden fühle ich mich in Riad vollkommen zuhause. 29 Wissam Rammal, Scheduler, Libanon Ricardo Soares, Projektmanager Bahnelektrifizierung, Portugal Juan Jover, Projektmanager Bahnautomatisierung, Spanien Rubrik Benjamin Polan, Assistent der Projektleitung, Deutschland Sie sind nun schon einige Monate in Riad. Wie würden Sie persönlich die aktuellen Verkehrsstrukturen und -gewohnheiten charakterisieren? Die derzeitige Verkehrssituation wird stark von Staus bestimmt. Da keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, ist jeder auf sein eigenes Auto angewiesen. Die Straßen sind hier zwar in einem guten Zustand und neu, werden dem Verkehrsaufkommen aber trotzdem nicht gerecht. Daher wird unser Metro-System der Stadt und den Menschen von Riad eine enorme Entlastung bringen! Sie koordinieren Zeitpläne und Termine innerhalb des multinationalen Konsortiums. Was ist bei der Zusammenarbeit so unterschiedlicher Menschen für Sie wichtig? Als Mitglied eines multikulturellen Teams bin ich ständig mit der Herausforderung konfrontiert, Koordinationsverluste aufgrund von Kommunikationsproblemen, unterschiedlichen Arbeitsweisen, sprachlichen Barrieren und sonstigen Missverständnissen zu minimieren. Es ist wichtig, das jeweilige Herkunftsland des Mitarbeiters zu berücksichtigen. Ich möchte jedoch auch betonen, dass ein multikulturelles Team aufgrund des breiten Erfahrungsspektrums auch vielfältige Problemlösungsansätze bietet. 30 Rubrik como 14 | Mai 2015 Elektrische Bahnen zählen generell zu den leistungs fähigsten Verkehrsmitteln, doch leider stößt die Verkehrs infrastruktur oft an Kapazitätsgrenzen. Bewährte Techno logien und IT-gestützte Lösungen von Siemens können dabei helfen, vorhandene Kapazitäten besser auszulasten – auch nachträglich. Metro digital como 14 | Mai 2015 move 31 Automatische Zugsteuerung mit Trainguard MT Weichenantrieb Achszähler Balisenantenne Eurobalise Punktförmige Zugbeeinflussung mit Fixed-Block-Betrieb P Balisenantenne Weichenantrieb Achszähler Eurobalise Linienförmige Zugbeeinflussung mit Moving-Block-Betrieb endler überall auf der Welt müssen es Tag für Tag erfahren: Die Nahverkehrssysteme in und um Metropolen geraten zunehmend an ihre Grenzen. Ob aus ökologischer Einsicht oder einfach, um zeitraubenden Staus auf der Straße aus dem Wege zu gehen – die Zahl der Bahnpendler steigt kontinuierlich. Und so können U-Bahn- und Metro-Systeme, obwohl sie zu den leistungsfähigsten Verkehrsmitteln überhaupt zählen, den stetig wachsenden Strom der Passagiere oft kaum noch aufnehmen. Ein Ausbau der Infrastruktur ist allerdings nicht nur zeit- und kostenintensiv, sondern vielfach überhaupt nicht möglich. Die Lösung liegt in der Digitalisierung und Automatisierung des Bahnbetriebs. Zum Beispiel lassen sich mit intelligenten Zugsteuerungssystemen mehr Passagiere auf vorhandenen Strecken befördern, zugleich aber Sicherheit und Zuverlässigkeit steigern und die Energie- und Wartungskosten für die Betreiber reduzieren. Der Grund liegt im durchaus bewährten Prinzip der automatischen Blocksicherung: Fahren mehrere Züge hintereinander auf derselben Strecke, müssen sie stets einen sicheren Mindestabstand zueinander einhalten. Bei herkömmlichen Verfahren ist die Strecke in feste Gleisabschnitte (Fixed Block) aufgeteilt, die durch stationäre Signale am Streckenrand abgesichert sind. Fährt ein Zug in einen Gleisabschnitt ein, wird dieser in voller Länge durch das rückwärtige Haltesignal blockiert. Erst wenn sicher ist, dass der vorausgefahrene Zug diesen Block verlassen hat, wird er für einen nachfolgenden Zug freigegeben. Solche starren Blockabstände haben jedoch einen wesentlichen Einfluss auf die Zugfolgezeit. Management in Braunschweig. Das Moving-Block-Verfahren braucht weder feste Gleisabschnitte noch stationäre Signale. Der benötigte Raumabstand zwischen zwei Zügen setzt sich aus dem Bremsweg bei aktueller Geschwindigkeit plus einem Sicherheitsabstand zusammen. Er wird während der Fahrt laufend neu errechnet und direkt an die Zugsteuerung übermittelt, die einen nachfolgenden Zug automatisch auf Abstand hält. Die Fahrzeuge bleiben in Bewegung, und weil sich die Blockstrecke mit den Zügen vorwärtsbewegt, lassen sich optimal verkürzte Raumabstände und eine dichtere Zugfolge erreichen, unter Fachleuten „Headway“ genannt. „Das erlaubt nicht nur kurze Zugfolgezeiten von bis zu 75 Sekunden, sondern auch eine flexible Anpassung an das jeweilige Fahrgastaufkommen“, sagt Andreas Schwarte. Sind zudem die Fahrzeuge mit einer automatischen Steuerung (Automatic Train Operation ATO) ausgestattet, gibt der Fahrer zwar das Signal zum Losfahren und kann in Gefahrensituationen eingreifen. Das Fahren auf der Strecke und das exakte Anhalten am Bahnsteig besorgt allerdings die Automatik – und dies enorm energieeffizient: Anhand des gespeicherten Streckenprofils berechnet das System laufend, wie es den Zug beschleunigen muss, wie es bei niedrigstem Energiebedarf die kürzestmögliche Zugfolgezeit zum vorausfahrenden Zug einhalten – und dennoch pünktlich an der nächsten Station ankommen kann. Während menschliche Fahrer mitunter zu stark auf die Bremse treten, um dann wieder verstärkt zu beschleunigen, kann ein ATO-System den Energiebedarf bei gleicher Fahrzeit um bis zu 30 Prozent reduzieren. CBTC löst viele Probleme Modernisieren „unter rollendem Rad“ „Moderne interaktive Signalsysteme wie Trainguard MT von Siemens arbeiten mit dem Moving-Block-Verfahren und steuern die Züge via Communications-based Train Control (CBTC), also per Funk“, sagt Andreas Schwarte, Senior Key Expert Metro Design & Architecture bei Siemens Mobility Weil CBTC-Systeme alle wesentlichen Informationen per Funk direkt in den Zug übertragen, sind keine herkömmlichen Fahrsignale am Streckenrand nötig. Und was nicht vorhanden ist, muss auch nicht gewartet werden – insgesamt sind die Maintenance-Kosten für die Zugsicherung also 32 move como 14 | Mai 2015 Mit dem Trainguard MT Zugsteuerungssystem lassen sich unterschiedliche Automatisierungsgrade für den Metrobetrieb realisieren, zum Beispiel fahrerlos wie in Algier und New York oder unbegleitet wie in Hongkong. deutlich niedriger. Für neue Metro-Projekte wie etwa die fahrerlose U-Bahn in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad (siehe Seite 28) ist heute also CBTC-basierte Signal- und Kommunikationstechnik die erste Wahl – aber wie lässt sich ein bereits bestehendes Metro-System auf den neuesten Stand bringen? Schließlich wird kein Betreiber den gesamten Metroverkehr mal eben für ein paar Monate stilllegen können. „In aller Regel modernisieren wir ‚unter rollendem Rad’ – also bei laufendem Betrieb“, sagt Andreas Schwarte. Tagsüber fahren die Züge wie gewohnt, nachts während der Betriebspausen werden notwendige Umbauten an der Strecke durchgeführt. „Allerdings sind Migrationsstrategien sehr komplex und individuell auf die Situation vor Ort angepasst, ein Schema F gibt es nicht.“ Im Idealfall kann das neue CBTC-System parallel zur ursprünglichen Zugsicherung betrieben werden. Sind beide Systeme funktionsfähig, lassen sich auch die Fahrzeuge Stück für Stück mit dem neuen System ausstatten – bis zum Tag Null der Umstellung fahren die Bahnen dann im Mischbetrieb. Meist erfahren auch die Betriebsleitzentralen eine entsprechende Modernisierung. So erhielt beispielsweise ein Teilbereich der von New York City Transit (NYCT) betriebenen New Yorker U-Bahn vor einigen Jahren eine komplett neue integrierte Leitzentrale mit automatischem Betriebsleitsystem: Das System steuert nun auf 175 Streckenkilometern 172 Stationen, 45 Stellwerke, 46 zentrale Technikräume, 1.758 Stelleinheiten und 4.811 Anzeigeeinheiten für gleichzeitig bis zu 200 Zugbewegungen. Rund ein Drittel aller U-Bahn-Stationen wird von der neuen Betriebsleitzentrale in Manhattan ferngesteuert. Auch hier erfolgte die Umstellung auf Trainguard MT „unter rollendem Rad”. „Einen anderen Weg sind wir in Istanbul gegangen“, so Andreas Schwarte. Dort sollte die ursprüngliche Linie M1, eine wichtige Verbindungslinie für den Verkehr in der 15-Millionen-Stadt, sehr kurzfristig erweitert und bei dieser Gelegenheit modernisiert werden. „Aus Zeitgründen wurde hier zunächst die Streckenverlängerung vorüberge- hend mit einem einfacheren System ausgerüstet, anschließend alle Fahrzeuge und dann die gesamte Linie auf CBTC umgestellt.“ Nicht nur in abgeschlossenen U-Bahn-Netzen lassen sich solche Modernisierungsprojekte durchführen, das zeigt sich etwa an der von Banedanmark betriebenen S-Bahn Kopenhagen, die auf einem Netz aus vielen Linien mit gemeinsam genutzten Strecken bis weit ins Umland fährt. Andreas Schwarte: „Hier werden die vorhandenen Fahrzeuge zunächst zusätzlich mit dem neuen System ausgerüstet, dann die Strecke abschnittsweise modernisiert und die jeweils fertigen Abschnitte umgestellt. Das Besondere daran ist, dass nach der Umstellung alle streckenseitigen Signale abgebaut werden – sie sind dann nicht mehr nötig.“ Alles neu – oder Bestehendes erneuern? In der Regel lassen sich vorhandene Metro-Züge problemlos mit einem modernen CBTC-System ausstatten. „Wenn die technische Substanz eine Modernisierung sinnvoll erscheinen lässt, sind meist neue Triebdrehgestelle für bessere Beschleunigung fällig, Rekuperations-Systeme für die Energierückgewinnung beim Bremsen – und in der Folge oft auch eine modernere Bahnstromversorgung. Da kann schon ein größeres Paket zusammenkommen.“ Daher investieren viele Betreiber bei so umfassenden Modernisierungen auch in neue Fahrzeuge: Statt der früher üblichen, abgeschlossenen Einzelwagen sind heute durchgängige Triebzüge mit zahlreichen breiten Türen gefordert – die erlauben jenen zügigen Passagierwechsel an den Stationen, der für kürzere Zugfolgen unabdingbar ist. „Längst geht der Trend auch zu fahrerlosen Systemen, die den Betrieb selbst deutlich flexibler machen“, so Schwarte. „Zum Beispiel lassen sich bei großen Veranstaltungen oder kurzfristigem Anstieg der Fahrgastzahlen schnell zusätzliche Fahrzeuge einschleusen und anschließend wieder herausnehmen, ohne Dienstpläne fürs Fahrpersonal ändern zu müssen.“ como 14 | Mai 2015 move 33 Innovationen auf der Schiene Stillstand gibt es nicht: Rund 4300 Patente meldete Siemens im vergangenen Jahr weltweit an, darunter zahlreiche Innovationen im Bereich Mobility. Zwölf der SiemensForscher und -Entwickler wurden als „Erfinder des Jahres 2014“ ausgezeichnet – die folgende Erfindung ist typisch für die fortschreitende Digitalisierung im Bahnverkehr. Dass bei Bedarf sogar ein Mix aus geführten und fahrerlosen Zügen möglich ist, belegte das Projekt „Rubin“ in Nürnberg schon vor Jahren: Der einjährige Mischbetrieb 2010 auf der Stammstrecke mit konventionell geführten Zügen der Linie U2 und automatisch betriebenen U3-Zügen war Besonderheit dieser ersten fahrerlosen U-Bahn Deutschlands. Bis heute gilt das Projekt als Nachweis dafür, dass eine Umrüstung von konventionellem auf automatischen Betrieb ohne Unterbrechung des laufenden Betriebs möglich ist – interessant gerade für Städte, die ihr bestehendes U-Bahn-System nach und nach automatisieren wollen. Trainguard MT überzeugte auch den Metrobetreiber ViaQuatro, der in der brasilianischen 11-Millionen-Stadt São Paulo die neu errichtete Linie 4, die erste fahrerlose U-Bahn Lateinamerikas, mit CBTC-basierter Leit- und Kommunikationstechnik von Siemens ausrüsten ließ. Die Linie erweitert das Metronetz des größten industriellen Ballungsraums auf dem südlichen Kontinent um 11 Stationen und 12,8 km Strecke und bindet auch die bereits bestehenden Linien 1, 2 und 3 ein. Und das vollautomatische Fahren liegt weiter im Trend – weltweit: Immer mehr Nahverkehrsunternehmen entscheiden sich bei Neubau oder Modernisierung für diese Investition in die Zukunft. Und somit für mehr Effizienz, Flexibilität und Attraktivität. ■ „Web Based Diagnostics“: Fehler schneller finden Auf der Schiene ist Digitalisierung längst Alltag: Rund 200 Steuergeräte sind in Schienenfahrzeugen von Siemens mit einander vernetzt. Ralf Beyer, Automatisierungstechniker und Systemarchitekt der Siemens Mobility in Erlangen, hat einen webbasierten Service für Schienenfahrzeuge entwickelt, mit dem sich diese Steuergeräte drahtlos von Tablet oder Smartphone anwählen lassen. Es geht vor allem darum, mögliche technische Probleme zu diagnostizieren und Ausfälle zu prognostizieren, bevor es dazu kommt. Doch die Technik moderner Schienenfahrzeuge sitzt nicht mehr zentral in voluminösen Schaltschränken, sondern überall im Zug in die Wände integriert, damit jeder Zentimeter im Fahrzeug für eine komfortable Inneneinrichtung genutzt werden kann. Bei „Web Based Diagnostics“, dem webbasierten Service von Ralf Beyer, ist die Software direkt in die Komponenten integriert und bleibt dort immer auf dem aktuellen Stand. Der Techniker klinkt sich – die Zugangsdaten vorausgesetzt – einfach mit dem Browser von Tablet oder Smartphone in das Netzwerk des Fahrzeugs ein, kann dort nach Fehlern suchen und diese auch beheben. In den Flotten des britischen „Thameslink“, im deutschen „ICx“ sowie im österreichischen „Desiro ÖBB“ wird Ralf Beyers Erfindung erstmals eingesetzt. 34 move como 14 | Mai 2015 Kaum ein Autofahrer, der die Situation nicht kennt: In Großstädten sind Parkplätze meist Mangelware – an Haupt- und Nebenstraßen ebenso wie in verkehrsgünstig gelegenen Parkhäusern. Gestützt auf ein neues Radar- Smarter como 14 | Mai 2015 move system von Siemens, können Verkehrsteilnehmern künftig per App oder Navigationsgerät in Echtzeit freie Parkplätze gemeldet werden – ein weiterer Wegbereiter für „smarte“ urbane Strukturen. pa r k e n 35 36 move como 14 | Mai 2015 P arkplatzsuche nervt. Endlich am Ziel angekommen, ist weit und breit keine Parklücke zu sehen – und dann beginnt ein lästiges Ritual: endlose Runden um den Block drehen, in der Hoffnung, den Wagen dann irgendwo in der Nähe des Ziels abstellen zu können. Das kostet Zeit, Benzin und jede Menge Nerven. Nach einer aktuellen internationalen Studie zum Park raum-Management dauert eine Parkplatzsuche in Deutsch land durchschnittlich fast zehn Minuten, in Italien sogar bis zu 15 Minuten, pro Suche fährt man rund 4,5 Kilo meter und belastet dabei die Umwelt unnötig mit 1,3 Kilogramm CO₂. Befragungen haben zudem ergeben, dass rund 30 Prozent aller Fahrer in verstopften Innenstädten auf Parkplatzsuche sind. In besonders belasteten Stadtvierteln werden jährlich Strecken gefahren, die 14 Umrundungen der Erde entsprechen. So weit die Statistik. Siemens hat nun eine Parkmanagement-Lösung ent wickelt, mit der Städte gezielt der zunehmenden Parkplatznot begegnen können. Mit dieser Lösung, die ab Sommer erstmals in Berlin in einem Pilotprojekt getestet wird, informieren sich Verkehrsteilnehmer mühelos vom Ausgangspunkt bis zum Zielort ihrer Fahrt über freie Park plätze am Straßenrand. Verschiedene Sensortypen und -technologien lassen sich zu einem „smarten“ ParkraumManagementsystem integrieren, das den individuellen Anforderungen jedes Stadtgebiets optimal angepasst werden kann und den Kommunen eine intelligente Park raumbewirtschaftung ermöglicht. Parkplätze finden mit Radar-Augen Kern der Smart-Parking-Lösung ist eine neu entwickelte Radarsensorik, die „über Kopf“ angebracht wird, aus mehreren Metern Höhe ständig den Parkraum überwacht und den Belegungsstatus von Parkflächen an eine Parkleitzentrale meldet. Diese Sensoren können ganz unkompliziert an oder in Straßenleuchten angebracht werden und verlangen keine Eingriffe in die Infrastruktur – eine Strom- Die Radarsensorik der Smart-Parking-Lösung überwacht den Parkraum aus mehreren Metern Höhe und meldet den Belegungsstatus von Parkflächen an eine Parkleitzentrale. versorgung ist ja ohnehin vorhanden. Dennoch ist das Ergebnis genauer und aussagekräftiger als beispielsweise bei Bodensensoren, die ausschließlich „frei“ oder „belegt“ melden können: Die Radar-Sensorik zeigt nicht nur an, ob sich ein Objekt auf der Parkplatzfläche befindet, sondern liefert auch Informationen zu Position und Größe des Fahrzeugs. Selbst blockierte Radwege und Busspuren oder zu Unrecht genutzte Standflächen an Stromladesäulen erkennt das Überkopf-System und schafft so die Möglichkeit, falsch geparkte Fahrzeuge zeitnah zu detektieren. Hoch über dem Verkehrsraum angebracht, lassen sich die Sensoren praktisch unsichtbar in die Gehäuse von Straßenleuchten integrieren und bleiben so vor mutwilligen Beschädigungen weitgehend geschützt. Die Messdaten gehen per Mobilfunk an die Zentrale, wo die Sensordaten ausgewertet, die aktuelle Parkplatzbelegung errechnet und die Informationen für Dienstleistungen wie etwa eine Parkplatz-App aufbereitet werden. Auch RoutenplanerApps und im Fahrzeug integrierte oder infrastrukturbasierte Navigationssysteme können mithilfe dieser Informationen die Suchzeit für Autofahrer reduzieren und den Verkehr entlasten. Das Besondere an der Smart-Parking-Lösung ist, dass die Software mit einem lernenden System arbeitet. Sie erkennt, wenn sich die Parkplatzsituation zu bestimmten Zeiten wiederholt, kombiniert statistische und Echtzeitdaten und errechnet Prognosen, aufgrund deren Autofahrer abschätzen können, welche Situation sie bei ihrer Ankunft erwartet. Die Lösung unterstützt die Nutzer aber auch bei der Wahl des geeigneten Verkehrsmittels: Mit Informationen über den Zeitaufwand für das Sichern einer Parkfläche und die fußläufige Entfernung vom Parkplatz zum gewünschten Zielort können sich Autofahrer rechtzeitig entscheiden, ob sie besser einen Park & Ride-Parkplatz am Stadtrand ansteuern oder gleich ganz mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. So kann ohne Frage die städtische Infrastruktur besser genutzt und gezielt vor Überlastung geschützt werden. Routenplaner-Apps und Navigationssysteme können mithilfe dieser Informationen freie Parkplätze anzeigen und so die Suchzeit für Autofahrer reduzieren. como 14 | Mai 2015 Ein erster Schritt zur intelligenten Stadt Die Smart-Parking-Lösung als modulares, infrastrukturbasiertes Sensorsystem nutzt zur Kommunikation zwischen Sensoren und Zentrale die „Internet of Things“-Plattform des US-Unternehmens Intel – und bildet damit die Grundlage für ein Sensor- und Kommunikationsnetzwerk, das selbst für künftige Smart-City-Konzepte geeignet ist. Wird sie durch eine RFID-Lösung ergänzt, lassen sich beispielsweise auch nutzerbezogene Berechtigungen etwa auf move Anwohnerparkplätzen automatisch überprüfen oder Parkgebühren minutengenau erfassen und abrechnen. Die Smart-Parking-Lösung von Siemens geht sogar noch einen Schritt weiter: Von der Unterstützung des Verkehrsmanagements über adaptives Lichtmanagement oder die Auswertung von Emissionsdaten bis hin zu Mehrwertservices für den Einzelhandel sind viele weitere Anwendungen denkbar. Das Ergebnis ist eine „smarte” und innovative Stadt mit intelligenten Steuerungsmechanismen. ■ Smart Parking auf einen Blick Innovative Technologien Vorteile • Sensorik „von oben“, geschützt in die Leuchteinheiten von Straßenlaternen integriert oder autonom • Sensorabdeckung nicht nur des reinen Parkraums, sondern auch von Parkverbotszonen (Feuerwehrausfahrten, Tramschienen usw.) • Authentifizierung berechtigter und unberechtigter Parker über RFID-Technologie (Anwohner- oder Behindertenparkplätze) •Automatisiertes Bezahlen möglich • Kommunikationsnetzwerk zur Weitergabe der Daten an Zentrale • Zusätzliche Services möglich, z.B. adaptive Licht regelung auf Basis des tatsächlichen Verkehrsaufkommens •Weniger Suchfahrten, besserer Verkehrsfluss, weniger Staus •Statistische Daten und Echtzeitdaten über freien Parkraum •Optimale Nutzung der Infrastruktur • Einfache, kostengünstige Erfassung von Parkdaten •Bargeldloses Parken mit automatischer, minutengenauer Abrechnung möglich •Höhere Verkehrssicherheit durch effizientere Ahndung illegalen Parkens •Intelligente Nutzung von Parkinfrastruktur und Daten für weitere VerkehrsmanagementAnwendungen •Anreiz für Autofahrer zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel durch transparente Parkraum- und Zeitbedarfsprognosen Hoch über der Straße sind die Sensoren vor Beschädigungen geschützt. Sie lassen sich beispielsweise an einem Leuchtenmast befestigen. 37 Smart Parking im Labortest: Die Sensoren können auch unsichtbar in das Gehäuse von Straßenleuchten integriert werden. 38 connect como 14 | Mai 2015 Dank Wärmebild-/Infrarotkameras können Quadcopter den Parkraum auch nachts erkennen Quadcopter nutzen drahtlose Kommunikation zur Datenübertragung Der Quadcopter findet über Bildverarbeitungsalgorithmen freie Stellplätze sowie den kürzesten Anfahrtsweg. Der Quadcopter überwacht verdächtige Aktivitäten Basierend auf Zeit und Standort wird das Fahrzeug zum optimalen Stellplatz geleitet Der Quadcopter erkennt Fahrzeuge mit Behindertenparkausweis und leitet diese auf einen freien Stellplatz 1. Platz Ideen für die Zukunft Die Welt der Mobilität wird zunehmend komplexer, Verkehrsprobleme dringlicher. Da sind frische Ideen gefragt. Mit Wettbewerben und Kooperationen gibt Siemens kreativen Köpfen regelmäßig Chancen. I ntelligente Technologien zum Schutz wertvoller Ressourcen, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und intelligente Verkehrsmanagement-Konzepte für die nachhaltige Mobilität von morgen sind seit mehr als 160 Jahren Kern themen bei Siemens. Sollen aber heutige und zukünftige Verkehrsprobleme sinnvoll gelöst werden, sind mehr denn je revolutionäre Ideen gefragt. Ideen, um die Mobilitätsherausforderungen von morgen zu lösen So startete im vergangenen Jahr der Ideenwettbewerb „Siemens Mobility IDEA Contest – Improving Design and Engineering for All“, bei dem Kreative weltweit Innovationen zur Verbesserung der Mobilitätswelt vorstellen konnten – zum ersten Mal überhaupt in dieser Form. Teilnehmer aus 43 Ländern präsentierten ihre Ideen zunächst auf einer Webseite. In einer „Coaching Phase“ wurden ausgewählte Vorschläge mit Siemens-Experten diskutiert, konkretisiert und optimiert. In der anschließenden „Collaboration Phase” konnten Besucher der Webseite Kommentare und Wertungen abgeben und mit den Ideengebern über Vorteile, Nachteile und mögliche Verbesserungen diskutieren. Nur die am besten bewerteten Vorschläge durchliefen die anschließende Phase der „Pairwise Comparison“, in der Webseitenbesucher jeweils zwei Vorschläge miteinander vergleichen und bewerten konnten. Knapp 15 Ideen konnten aufgrund ihrer Bewertung in die Vorbereitungsphase gelangen und wurden schließlich der Jury aus Siemens-Managern, Experten aus der Industrie und Anwendern präsentiert. Drei innovative Ideen, die sich mit heutiger Technik bereits realisieren lassen und Lösungen für die Mobilitätsherausforderungen von morgen bieten, wählte die Jury schließlich aus. Die Idee einer intelligenten Drohnentechnologie zur Parkplatzsuche überzeugte die Jury im ersten Wettbewerb dieser Art am meisten. como 14 | Mai 2015 2. connect 39 Platz Sicherer Fußgängerüberweg Tragbare Geräte wie Smartwatches oder Fitnessarmbänder kommunizieren mit vernetzten Fahrzeugen, um den Fahrer auf Fußgänger in der Nähe aufmerksam zu machen 3. Platz Falls Fußgänger keine vernetzten Geräte tragen, erkennen Sensoren Bewegungen am Straßenrand und senden eine Warnmeldung an das Fahrzeug Mobile Anwendungen helfen, mit der Umgebung zu kommunizieren, und warnen den Fahrer Selbstparkende, autonome Fahrzeuge Dank seiner Näherungs- und Belegungssensoren findet das Fahrzeug autonom zum nächstgelegenen freien Parkplatz Mit einem autonomen Fahrzeug spart der Fahrer Zeit, da er – ohne selbst zu parken – direkt am Ziel aussteigen und sich vom Fahrzeug zu einer vorher festgelegten Zeit wieder abholen lassen kann Future Tram – neue Ideen für die Straßenbahn Auch in Deutschland laufen regelmäßig Koopera tionen zur Ideenfindung, beispielsweise an Hochschulen. So sind Siemens Mobility und das Institut für Schienenfahrzeuge der RWTH Aachen Projektpartner beim Ideenwettbewerb „Future Tram“, der Mitte April startete. Hier können Mitarbeiter und Studierende der RWTH Aachen ihre Ideen in den Themenfeldern „Straßenbahn und Mensch“, „Straßenbahn und Stadt“ sowie „Straßenbahn und Technik“ einreichen. Die Einreicher der fünf besten Ideen erhalten Geldprämien und können ihre Ideen auf einem dreitägigen Workshop in Wien zusammen mit Siemens-Experten weiterentwickeln. Die Ergebnisse, so viel ist jetzt schon sicher, kommen am Ende allen Verkehrsteilnehmern zugute. ■ Siemens Mobility IDEA Contest: Die Gewinner Platz 1: Smartes Parken mit Quadcopter-Unterstützung Amir Ehsani Zonouz schlägt vor, auf großen Parkflächen mithilfe eines Schwarms autonom arbeitender Quadcopter, also Mini-Helikopter mit vier Rotoren, freie Plätze zu erfassen, einfahrende Autos zu erkennen und sie auf dem kürzesten Wege zum Parkplatz zu leiten. Der Vorteil: Das Verfahren spart besonders bei sehr großen Parkflächen viel Zeit und Energie für die Parkplatzsuche. Es benötigt keine aufwändige straßenseitige Infrastruktur und ist daher kostengünstig. Platz 2: Sicherheitssystem für Fußgänger Sakib Khan will Fußgänger in einer künftigen Car2Infrastructure-Umgebung mit „Wearables“ ausstatten, also elektronischen Armbändern oder Smart Watches, die mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen kommunizieren. Menschen oder Haustiere ohne Wearables werden von stationären Sensoren am Straßenrand erkannt. Der Vorteil: Die geeignete urbane Infrastruktur wird in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen. Die Anwendung lässt sich dann leicht implementieren und verbessert die Fußgängersicherheit deutlich. Platz 3: Autonom parkende Fahrzeuge Sasan Amini will in einer Car2InfrastructureUmgebung freie Plätze auf der Straße und in Parkhäusern an autonome Fahrzeuge kommunizieren. Autos steuern fahrerlos den bestmöglichen Parkplatz an und holen den Fahrer später an einem definierten Treffpunkt wieder ab. Der Vorteil: Das Verfahren reduziert den Parksuchverkehr in Städten deutlich. Die Technik ist verfügbar, mehrere Fahrzeughersteller bieten Automatisches Einparken bereits an. Autonome Fahrzeuge haben zurzeit zwar nur in wenigen Ländern eine Straßenzulassung, das Verfahren kann aber zunächst in den Parkhäusern selbst angewendet werden. 40 Rubrik como 14 | Mai 2015 Alle bisher erschienenen Ausgaben von como finden Sie unter www.siemens.de/mobility/como Hier können Sie sich auch für ein kostenloses Abonnement registrieren. como Fakten, Trends und Stories zu integrierter Mobilität Herausgeber: Siemens AG · Mobility Division, München Redaktionsleitung: Stephan Allgöwer Siemens AG · Mobility Division · Communications Textredaktion: Eberhard Buhl, www.presse-team.de Fotos: Christian Höhn aus der Serie „One Station” S. 1, 18-23 · iStockphoto S. 4, 14, 16 links, 34/35 · Deutsches Institut für Urbanistik S. 8, 11 · Corbis S. 15, 16 Mitte, 30 Alle übrigen Fotos: Siemens AG Konzeption & Gestaltung: Agentur Feedback, München www.agentur-feedback.de Druck: Gutenberg Beuys, Langenhage Printed in Germany Copyright: © Siemens AG 2015 Alle Rechte vorbehalten. 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