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Predigt in der Eucharistiefeier anlässlich der Leonhardiwallfahrt am 8. November 2015 um 10.00
Uhr in der Basilika St. Benedikt zu Benediktbeuern
Liebe Schwestern und Brüder!
Mit großer Freude dürfen wir das Fest des hl. Leonhard begehen. Unsere Freude zeigt sich in den
festlichen Gewändern, der schönen Musik und der prächtigen Prozession.
Wir ehren den hl. Mönch und Einsiedler Leonhard als Schutzpatron der Gefangenen, denen er sich
besonders zugewandt hat. Die Ketten und Fesseln, mit denen er meist dargestellt wird, erinnerten
die Menschen früherer Zeiten aber auch an ihr angekettetes Vieh, wodurch der hl. Leonhard von
Limoges (+ 559) im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr auch zum Schutzpatron von Bauern,
Fuhrleuten und dem Vieh selbst geworden ist. Neben dem hl. Franz von Assisi ist der hl. Leonhard
einer der Beschützer der Tiere, weshalb wir zu seinen Ehren heute die Pferde gesegnet haben und
mit ihnen letztlich all unsere Tiere.
Wie kaum ein anderes Fest ist das Fest des hl. Leonhard für uns daher ein Anlass, aus dem Glauben
heraus unser Verhältnis zu den Tieren zu bedenken. Dies gilt zumal wenige Monate, nachdem Papst
Franziskus seine Enzyklika „Laudato si“ (LS) veröffentlicht hat, die erste Umweltenzyklika überhaupt!
Darin verkündet er das „Evangelium der Schöpfung“. Und er ruft dabei auch auf zu einem neuen Verhältnis den Tieren, ja allen Lebewesen gegenüber. Einige seiner reichen Impulse möchte ich heute
mit Ihnen teilen:
Gott spricht in jedem Geschöpf zu uns
Von frühester Kindheit an haben wir im Religionsunterricht und in der Katechese gelernt, was die
Bibel über den Menschen bezeugt: Der Mensch ist Ebenbild und Abbild Gottes und die Krone der
Schöpfung. Dies macht die Würde eines jeden Menschen aus, unabhängig von Hautfarbe, Rasse, Geschlecht oder Religion. Die Besonderheit des Menschen ist es, dass er mit Vernunft und Verstand
ausgestattet ist. Dem Menschen ist darum die Schöpfung anvertraut, damit er sie „bebaue und bewahre“ (Gen 2,15).
Das alles trifft zu und ist natürlich sehr wahr! Doch hat es uns Menschen, zumal hier in der westlichen, immer mehr technisierten Welt, mitunter auch vergessen lassen, was die Hl. Schrift sonst noch
bezeugt: Der Schöpfer hat nicht nur uns, die Menschen erschaffen, sondern alle Lebewesen und die
ganze Welt. Sie ist aber nicht unser Besitz (vgl. LS 67). In seiner Enzyklika sagt Papst Franziskus recht
deutlich: Die Bibel gibt uns keinen Anlass dazu, uns auf der Erde den anderen Lebewesen gegenüber
wie „Despoten“, also wie Gewaltherrscher, aufzuführen (vgl. LS 68). Im Gegenteil, so erinnert der
Papst: Auch die anderen Lebewesen, zumal die Tiere, „besitzen vor Gott einen Eigenwert“, weil sie
schon durch ihr Dasein den Schöpfer preisen und verherrlichen (LS 69). Sie haben einen eigenen
Wert unabhängig davon, ob sie dem Menschen nützen oder nicht. Denn jedes Geschöpf in dieser
Welt, nicht nur der Mensch, spiegelt Gottes Weisheit und Güte wider (LS 69).
Jedes Tier erzählt uns darum von unserem Gott, der ein „Freund des Lebens“ (Weish 11,26) ist und in
seiner Schöpferkraft von unbegrenzter Phantasie. Das gilt für die über 200 Pferde draußen im Klosterinnenhof, die wunderschön anzuschauen sind. Es gilt für die Hunde und Katzen in unseren Häusern und Wohnungen, die unser Herz erfreuen und nicht selten auch menschliche Einsamkeit aushalten helfen. Es gilt für die Hühner, die Schweine und die Rinder in unseren Ställen. Es gilt für die Spatzen und die Schwalben und die Störche auf dem Dach. Es gilt für den Kiebitz und den Eisvogel und
den Specht draußen im Moor. Es gilt für den Elefanten und die Maus und sogar für den Floh. Durch
sie alle „spricht“ der Schöpfer zu uns (vgl. LS 12).
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Und Papst Franziskus erinnert uns eindringlich daran: Jede Tierart, die durch uns Menschen ausgerottet wird, bedeutet eine Verarmung für diese Erde. Gott wird dadurch eine Möglichkeit genommen, zu
uns Menschen zu sprechen (vgl. LS 33).
Die Tiere – unsere Mitgeschöpfe
Liebe Schwestern und Brüder, die Enzyklika „Laudato si“ hat einen wunderbaren Untertitel, der mich
sehr anspricht: „Über die Sorge für das gemeinsame Haus“.
Mit dem Bild der Erde als gemeinsames Haus wissen wir Menschen uns als Brüder und Schwestern
angesprochen – ein Bewusstsein, das aktueller ist als je zuvor angesichts der himmelschreienden Not
vieler Völker.
Wenn wir die Erde als „das gemeinsame Haus“ betrachten, dann sehen wir die anderen Lebewesen
als unsere Mitbewohner und unsere Mitgeschöpfe. Auch sie haben ihre Rechte und brauchen in diesem „Haus“ ihren geschützten Raum und ihren Platz.
Am Fest des hl. Leonhard dürfen und sollen wir das Bild vom gemeinsamen Haus besonders auf die
Haustiere beziehen, die ja teils recht eng unser ganz persönliches Lebenshaus teilen. Doch gilt das
Bild vom „gemeinsamen Haus“ letztlich für alle Lebewesen.
Papst Franziskus zitiert in seiner Enzyklika den Sonnengesang des hl. Franz von Assisi (LS 87). In ihm
bezeichnet der Heilige Sonne, Mond und Sterne, Feuer, Wasser und Luft als Schwestern und Brüder
und die Erde als Mutter. Und Papst Franziskus folgert daraus: Sämtliche Geschöpfe des Universums
sind von ein und demselben Vater erschaffen. Sie sind durch unsichtbare Bande verbunden. Wir bilden alle miteinander eine Art universale Familie, eine tiefgehende Gemeinschaft, die uns zu einem
heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt (vgl. LS 89). Auch in der Bibel kommt die tiefe
innere Verbindung zwischen Mensch und Tier zum Ausdruck, wenn es z.B. im Buch Genesis heißt,
dass der erste Mensch allen Tieren einen Namen gibt und so zu ihnen in Beziehung tritt (vgl. Gen
2,19f).
Das alles heißt aber auch, liebe Schwestern und Brüder: Wer Gott, den himmlischen Vater und
Schöpfer, wirklich liebt, der muss auch seine Geschöpfe lieben. Dem kann das Schicksal seiner Brüder
und Schwestern nicht egal sein. Das gilt allen voran und in einzigartiger und besonderer Weise natürlich für die notleidenden Menschenbrüder und Menschenschwestern, ganz egal woher sie kommen
und welche Hautfarbe sie haben. Es gilt in übertragener Weise aber auch für die Mitgeschöpfe, die
Tiere und die Pflanzen. Wer es mit Gott ernst mein, muss sich auch um seine Mitgeschöpfe sorgen,
ganz besonders um die, die in irgendeiner Weise bedroht sind. Es kann einem gläubigen Menschen,
der es mit dem Schöpfungsglauben ernst meint, daher nicht gleichgültig sein, wenn in unserem Land
in der Massentierhaltung unzählige Tiere unter unwürdigsten Bedingungen gehalten, transportiert
oder geschlachtet werden. Und es kann uns als Christen nicht egal sein, wenn durch menschliches
Fehlverhalten Jahr für Jahr Tausende (!) von Tier- und Pflanzenarten aus unserem gemeinsamen
Haus ausgerottet werden und dieses für unsere Kinder und Enkel immer ärmer wird (vgl. LS 33).
Exemplarische Hirtensorge
Wir haben im Evangelium gehört, wie uns unser Herr Jesus Christus den guten Hirten vor Augen
stellt, der sich mit großer Umsicht noch um das hundertste Schaf sorgt, das verloren und in Gefahr ist
(Lk 15,1-7). Er scheut keine Mühe, es zu retten und zu befreien. Mit diesem guten Hirten möchte
Jesus uns im Gleichnis die unendliche Barmherzigkeit Gottes mit jedem Menschen vor Augen stellen.
Doch ist es bemerkenswert, dass der Herr sich dazu des Bildes der Tierliebe eines Hirten bedient. So
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kann der gute Hirte im Gleichnis Jesu uns auch als Vorbild dafür dienen, wie wir uns um unsere Mitgeschöpfe sorgen sollen.
Der hl. Leonhard war solch ein guter Hirt im Umgang mit den Menschen und, wie wir gewiss mit
Recht annehmen dürfen, auch im Umgang mit den Tieren. Wie an vielen Orten steht auch neben
unserer Basilika hier in Benediktbeuern auf dem Friedhof das Denkmal des Heiligen, der Ketten in
seinen Händen hält. Diese Ketten sind uns, die wir den hl. Leonhard ehren, eine ständige Mahnung,
die unzähligen geknechteten Menschen unserer Welt nicht zu vergessen, darüber hinaus aber auch
die vielfachen Qualen der leidenden Tier- und Pflanzenwelt nicht. Die Werke der Barmherzigkeit den
notleidenden Brüdern und Schwestern gegenüber sollten dem gläubigen Christen eine Selbstverständlichkeit sein (vgl. Mt 25,31-46). Doch auch Tier- und Naturschutz sind, wie uns Papst Franziskus
mit seiner Enzyklika ans Herz legt, nicht einfach die Taten von unverbesserlichen Naturromantikern,
sondern konsequent gelebter Schöpfungsglaube und damit auch Christenpflicht (vgl. z.B. LS 64.78).
Die wahre Gottesliebe, die echte Liebe zu den Mitmenschen und die Sorge um die Schöpfung und die
Mitgeschöpfe sind eng miteinander verbunden (vgl. LS 91).
Schluss
Liebe Schwestern und Brüder, wir feiern das Fest des hl. Leonhard, des Schutzpatrons von Bauern
und Tieren.
Wir tun es durch die Feier der Eucharistie, die Höhepunkt und Mitte unseres Festes ist. In ihr stimmen wir ein in den Lobgesang der ganzen Schöpfung und folgen der Weisung des Psalmisten: „Alles,
was atmet, lobe den Herrn“ (Ps 150,6).
Wir bitten für die Arbeit auf dem Feld und im Stall, dass wir die Gaben der Schöpfung recht gebrauchen und diese hegen und pflegen gemäß dem Willen des Schöpfers. Und wir bitten dazu auch um
die Gabe der Liebe zu allen Geschöpfen.
Wir segnen unsere Tiere, allen voran die Pferde, damit wir nicht vergessen, dass sie unsere Mitgeschöpfe sind, vom Schöpfer selbst uns anvertraut.
„Gemeinsam mit allen Geschöpfen gehen wir unseren Weg in dieser Welt“ (LS 244), dem neuen
Himmel und der neuen Erde entgegen, wo der Herr allen seinen Geschöpfen einen „Platz“ bereiten
wird (LS 243). Denn, so dürfen wir hoffen, die ganze Schöpfung wird einmal von der Sklaverei und
Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes (Röm 8,21). Amen!
P. Reinhard Gesing SDB
Kloster Benediktbeuern
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