Sonstige Bezüge – Rainer Hartmann – TK Lexikon Steuern – 10. November 2015 Sonstige Bezüge HI630719 Zusammenfassung LI1928158 Begriff Der lohnsteuerrechtliche Begriff "Sonstige Bezüge" umfasst alle Lohnzahlungen, die keinen laufenden Arbeitslohn darstellen. Neben einmaligen Zuwendungen fallen hierunter sämtliche Arbeitslohnzahlungen, die nicht regelmäßig anfallen. Die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen ist für die Ermittlung der Lohnsteuer von Bedeutung. Eine besondere Steuerberechnung gilt für sonstige Bezüge in Form von steuerbegünstigten Entschädigungen oder Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit. Der Gesetzgeber gewährt hier eine ermäßigte Steuerberechnung nach der Fünftelregelung. Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung Lohnsteuer: Der Lohnsteuerabzug für sonstige Bezüge ist vor allem in § 39b Abs. 3 EStG und R 39b.6 LStR geregelt. Anwendungsbeispiele enthält H 39b.6 LStH. Die Abgrenzung zwischen laufenden und sonstigen Bezügen ergibt sich aus § 38a Abs. 1 EStG sowie R 39b.2 LStR. Regelungen zur ermäßigten Besteuerung von sonstigen Bezügen als Entschädigungen oder Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten enthält § 34 EStG. Kurzübersicht Entgelt LSt SV Sonstiger Bezug pflichtig* pflichtig** * Evtl. ermäßigte Besteuerung nach Fünftelregelung möglich ** Berücksichtigung der anteiligen Beitragsbemessungsgrenzen und der Regelung zur Märzklausel Praxis-Beispiele Einmalzahlung (Märzklausel) Urlaubsgeld Lohnsteuer HI632473 1 Kennzeichen sonstiger Bezüge HI729478 Sonstige Bezüge sind Bezüge, die nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werden. Zu den sonstigen Bezügen gehören insbesondere einmalige Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt werden, z. B. 13. und 14. Monatsgehälter, einmalige Abfindungen und Entschädigungen, Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden, Jubiläumszuwendungen, Urlaubsgelder und Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs, Weihnachtszuwendungen, Ausgleichszahlungen für die in der Arbeitsphase einer Altersteilzeitbeschäftigung im Blockmodell erbrachten Vorleistungen, bei vorzeitiger Beendigung des Blockmodells, Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres als viertel- oder halbjährliche Teilbeträge. Zu beachten ist, dass auch in den o. g. Fällen nur da von einem sonstigen Bezug auszugehen ist, wo keine regelmäßige fortlaufende Zahlung besteht. Erhält z. B. ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag seine Tantiemen monatlich und nicht als zusätzliche Jahresvergütung, sind diese zusammen mit den übrigen regelmäßig zu beanspruchenden Lohnbestandteilen als laufender Arbeitslohn zu versteuern. 1.1 Abgrenzung in Zweifelsfällen HI2827852 Die Definition des laufenden Arbeitslohns ist vor dem Hintergrund der für diese Form der Lohnzahlung vom Gesetzgeber gewählten Steuerberechnungsmethode zu sehen, die auf den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum abstellt. Laufender Arbeitslohn ist deshalb der Lohn, der nach den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen, dem Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung oder dem Einzelarbeitsvertrag für einen bestimmten Lohnzahlungszeitraum gewährt wird. Sonstige Bezüge werden dagegen nicht für einen bestimmten Lohnzahlungszeitraum gezahlt, sondern für längere Abschnitte, weshalb das Gesetz hier die jahresbezogene progressionsmindernde Besteuerung vorsieht. [ 1 ] 1.2 Nach- oder Vorauszahlungen von Arbeitslohn HI2827853 Nachzahlungen oder Vorauszahlungen von Arbeitslohn gehören zu den sonstigen Bezügen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden. Bezieht sich dagegen der Gesamtbetrag ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, handelt es sich um laufenden Arbeitslohn; die Nachzahlung oder Vorauszahlung ist deshalb für die Berechnung der Lohnsteuer auf die Lohnzahlungszeiträume innerhalb des Jahres zu verteilen, für die sie geleistet wird. Wichtig Vereinfachungsregelung für nach- und vorausgezahlten Arbeitslohn Aus Vereinfachungsgründen können auch Lohnnachzahlungen und Lohnvorauszahlungen, die ausschließlich das laufende Kalenderjahr betreffen, als sonstige Bezüge behandelt werden. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer nicht die Besteuerung als laufenden Arbeitslohn verlangt. Eine Pauschalierung der Lohnsteuer mit dem betrieblichen Durchschnittssteuersatz ist jedoch nicht zulässig. [ 2 ] 2 Zuflussprinzip bei sonstigen Bezügen HI8689944 Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer von sonstigen Bezügen nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Zuflusses zu berechnen. Anders als beim laufenden Arbeitslohn, der auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Lohnzahlung abstellt, wird durch diesen Grundsatz auch die zeitliche Zuordnung von Einmalzahlungen festgelegt. Ein sonstiger Bezug ist dem Arbeitslohn desjenigen Kalenderjahres zuzurechnen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt [ 3 ] , unabhängig von seiner wirtschaftlichen Zugehörigkeit. Häufig wird die unterschiedliche Zuordnung des laufenden Gehalts und der Einmalzahlungen übersehen und der gesamte Dezemberlohn dem alten Jahr zugerechnet. Praxis-Beispiel Tantiemezahlung für abgelaufenes Kalenderjahr Der Geschäftsführer einer GmbH erhält mit dem Dezembergehalt, das Anfang Januar ausbezahlt wird, eine Tantiemezahlung für das abgelaufene Kalenderjahr. Ergebnis: Die Tantieme und die hierauf entfallenden Steuerabzugsbeträge müssen - im Unterschied zu den laufenden Dezemberbezügen - dem neuen Kalenderjahr zugerechnet werden. Sie dürfen weder im Lohnkonto noch in der Lohnsteuerbescheinigung des alten Jahres ausgewiesen werden. Zurechnung sonstiger Bezüge vs. Lohnsteuereinbehalt Unabhängig von der unterschiedlichen Zurechnung und dem unterschiedlichen Berechnungsverfahren ist die Lohnsteuer im Beispiel für den gesamten (laufenden und sonstigen) Dezemberlohn im Zeitpunkt seiner Zahlung einzubehalten und mit der am 10. Februar abzugebenden Januar-Anmeldung an das Finanzamt abzuführen. 3 Maßgebende ELStAM für den Lohnsteuerabzug HI8689945 Für sonstige Bezüge sind die Lohnsteuerabzugsmerkmale am Ende des Zuflussmonats maßgebend. [ 4 ] Dies gilt auch in den Fällen des Arbeitgeberwechsels. [ 5 ] Hierdurch wird die mehrfache Berücksichtigung der Steuerklasse III vermieden, wenn bei einem Arbeitgeberwechsel nach Beendigung des bisherigen Dienstverhältnisses Lohnnachzahlungen durch den "alten" Arbeitgeber erfolgen. Im Normalfall ist bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern ein erneuter Abruf der ELStAM erforderlich. Hat der ausgeschiedene Arbeitnehmer bereits ein neues Dienstverhältnis aufgenommen, erfolgt eine Anmeldung als Nebenarbeitgeber. Die Lohnversteuerung muss dann mit Steuerklasse VI erfolgen, weil am jeweiligen Monatsende die ELStAM für das 1. Dienstverhältnis durch den neuen Arbeitgeber belegt ist. Praxis-Beispiel Abfindungszahlung nach erfolgtem Arbeitgeberwechsel Ein Arbeitnehmer mit Steuerklasse III scheidet im Oktober 2015 aus dem Unternehmen A aus. Im Februar 2016 zahlt das Unternehmen A dem Arbeitnehmer noch eine Abfindung. Bei der erneuten Anmeldung zur ELStAM-Datenbank ist Unternehmen A am 28.2.2015 der Hauptarbeitgeber. Ergebnis: Der Lohnsteuerabzug für die Abfindung ist nach der Steuerklasse III vorzunehmen. Wäre Unternehmen A am 28.2.2015 der Nebenarbeitgeber, wäre die Abfindung nach der Steuerklasse VI zu versteuern. 4 Besteuerung nach der Jahrestabelle HI632476 Von sonstigen Bezügen ist die Lohnsteuer unter Anwendung der Jahreslohnsteuertabelle zu ermitteln. Es ist die Lohnsteuer für den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn einschließlich des sonstigen Bezugs und die Jahreslohnsteuer für den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn ohne sonstigen Bezug festzustellen. Der Unterschiedsbetrag zwischen den Jahreslohnsteuerbeträgen ergibt die Lohnsteuer für den sonstigen Bezug. Praxis-Beispiel Zahlung von Urlaubsgeld Ein gesetzlich kranken- und rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer mit der Steuerklasse I erhält im Juli ein Urlaubsgeld von 1.400 EUR. Der Arbeitgeber ermittelt einen maßgebenden voraussichtlichen Jahresarbeitslohn von 32.500 EUR. Die Jahreslohnsteuer vom maßgebenden voraussichtlichen Jahresarbeitslohn einschließlich des sonstigen Bezugs (32.500 EUR + 1.400 EUR = 33.900 EUR) beträgt [ 6 ] Abzgl. Lohnsteuer vom maßgebenden voraussichtlichen Jahresarbeitslohn (32.500 EUR) 4.950 EUR - 4.585 EUR Vom Urlaubsgeld ist an Lohnsteuer einzubehalten 365 EUR 4.1 Berechnung des maßgebenden Jahresarbeitslohns HI2827854 Für die Feststellung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns sind der in den abgelaufenen Lohnzahlungszeiträumen des Kalenderjahres bereits gezahlte laufende Arbeitslohn, die in diesem Kalenderjahr bereits gezahlten sonstigen Bezüge und der im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich noch zu zahlende laufende Arbeitslohn zusammenzurechnen. Außer Betracht bleiben künftige sonstige Bezüge, deren Zahlung bis zum Ablauf des Kalenderjahres zu erwarten ist. Die im Kalenderjahr früher gezahlten sonstigen Bezüge, die bei ihrer Versteuerung nur mit 1/5 angesetzt worden sind, sind dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn nach dem vorstehenden Berechnungsschema ebenfalls in voller Höhe ihres Gesamtbetrags zuzurechnen. Der für den Rest des Kalenderjahres voraussichtlich noch zu zahlende laufende Arbeitslohn kann auch mit dem Betrag angesetzt werden, der sich bei Umrechnung des bisher zugeflossenen laufenden Arbeitslohns ergibt. 4.2 Wechsel von/zur beschränkten Steuerpflicht HI2827855 Bei der Berechnung der Lohnsteuer für einen sonstigen Bezug, der einem (ehemaligen) Arbeitnehmer nach einem Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht in diesem Kalenderjahr zufließt, ist der während der unbeschränkten Steuerpflicht gezahlte Arbeitslohn laut BFH beim maßgebenden Jahresarbeitslohn ebenfalls zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt naturgemäß für die umgekehrte Situation. Hier ist in die Ermittlung des Jahresarbeitslohns zur Berechnung der Lohnsteuer auf einen im Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht zugeflossenen sonstigen Bezug der auf den vorherigen Zeitraum beschränkter Steuerpflicht entfallende Arbeitslohn einzubeziehen. Dies bedeutet in der Praxis eine oftmals nicht gering zu veranschlagende Steuermehrbelastung. [ 7 ] 4.3 Berechnung bei mehreren Dienstverhältnissen HI2827856 Steht der Arbeitnehmer nacheinander in mehreren Dienstverhältnissen, ist für die Feststellung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns der Arbeitslohn aus allen diesen Dienstverhältnissen, d. h. aus dem gegenwärtigen und aus den vorangegangenen Dienstverhältnissen, zu berücksichtigen. Steht der Arbeitnehmer gleichzeitig noch bei einem anderen Arbeitgeber in einem zweiten Dienstverhältnis, ist der Arbeitslohn aus dem zweiten Dienstverhältnis nicht mitzuzählen. Praxis-Beispiel Sonstiger Bezug beim Arbeitgeberwechsel Ein Arbeitgeber zahlt im September einen sonstigen Bezug von 800 EUR an seinen Arbeitnehmer. Nach den vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen für die Vorbeschäftigungen hat der Arbeitnehmer in diesem Kalenderjahr bislang folgende Lohnbezüge: Vom 1.1.-10.4.: Arbeitslohn 4.200 EUR, Vom 1.5.-15.5.: Arbeitslohn 900 EUR. Beim jetzigen Arbeitgeber steht der Arbeitnehmer seit 1.6. in einem Dienstverhältnis. Er hat für die Monate Juni bis August ein Monatsgehalt von je 2.000 EUR bezogen, außerdem erhielt er am 20.8. einen sonstigen Bezug von 300 EUR. Vom 1.9. an erhält er ein Monatsgehalt von 2.300 EUR zuzüglich eines weiteren (13.) Monatsgehalts am 1.12. Ergebnis: Der voraussichtliche Jahresarbeitslohn (ohne den sonstigen Bezug, für den die Lohnsteuer ermittelt werden soll) beträgt hiernach: Arbeitslohn 1.1.-31.5. (4.200 EUR + 900 EUR) 5.100 EUR Arbeitslohn 1.6.-31.8. (3 × 2.000 EUR + 300 EUR) 6.300 EUR Arbeitslohn 1.9.-31.12. voraussichtlich (4 × 2.300 EUR) 9.200 EUR 20.600 EUR Das 13. Monatsgehalt ist ein zukünftiger sonstiger Bezug und bleibt daher außer Betracht. Von dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn sind ein dem Arbeitgeber als Lohnsteuerabzugsmerkmal mitgeteilter Jahresfreibetrag sowie etwaige aufgrund des Alters des Arbeitnehmers zu berücksichtigende Freibeträge für Versorgungsbezüge oder ein Altersentlastungsbetrag abzuziehen. Ist ein Jahreshinzurechnungsbetrag als Lohnsteuerabzugsmerkmal festgestellt worden [ 8 ] , ist der voraussichtliche Jahresarbeitslohn um den Hinzurechnungsbetrag zu erhöhen. Übersteigt der zu berücksichtigende Jahresfreibetrag den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn, ist der sonstige Bezug dem sich ergebenden negativen maßgebenden Jahresarbeitslohn hinzuzurechnen. Praxis-Beispiel Jahresfreibetrag übersteigt den Jahresarbeitslohn Ein gesetzlich kranken- und rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer mit einem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn von 19.000 EUR erhält im August einen sonstigen Bezug (Umsatzprovision für das Vorjahr) i. H. v. 12.500 EUR. Als Lohnsteuerabzugsmerkmale sind dem Arbeitgeber die Steuerklasse I und ein Jahresfreibetrag von 20.000 EUR bekannt. Nach Abzug des Jahresfreibetrags verbleibt ein maßgebender Jahresarbeitslohn von – 1.000 EUR (19.000 EUR – 20.000 EUR). Die Jahreslohnsteuer vom maßgebenden Jahresarbeitslohn einschließlich des sonstigen Bezugs (- 1.000 EUR + 12.500 EUR = 11.500 EUR) beträgt [ 9 ] Abzgl. Lohnsteuer vom maßgebenden Jahresarbeitslohn Vom sonstigen Bezug ist an Lohnsteuer einzubehalten 17 EUR 0 EUR 17 EUR Der sonstige Bezug muss vor Hinzurechnung zum voraussichtlichen Jahresarbeitslohn um etwa in Betracht kommende Freibeträge für Versorgungsbezüge oder den Altersentlastungsbetrag gekürzt werden, soweit diese Beträge nicht bereits bei der Feststellung des maßgebenden Jahresarbeitslohns berücksichtigt worden sind. Die Kürzung des sonstigen Bezugs um die Freibeträge für Versorgungsbezüge oder den Altersentlastungsbetrag ist nicht zulässig, wenn der sonstige Bezug nach der Fünftelregelung ermäßigt besteuert wird. Vereinfachungsregelung: Frühere Lohnbezüge bleiben unberücksichtigt Die dargestellte Berechnung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns ist nur möglich, wenn dem Arbeitgeber der während des Kalenderjahres bisher bezogene Arbeitslohn bekannt ist. Hat der Arbeitnehmer seinem neuen Arbeitgeber die Lohnsteuerbescheinigungen aus früheren Dienstverhältnissen nicht (freiwillig) vorgelegt, schreibt der Gesetzgeber eine vereinfachte Berechnung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns für den Lohnsteuerabzug von sonstigen Bezügen vor. Der voraussichtliche Jahresarbeitslohn ist allein nach den Verhältnissen des neuen Dienstverhältnisses zu ermitteln, indem der Arbeitslohn für die Beschäftigungszeiten bei früheren Arbeitgebern durch Hochrechnung des aktuellen Arbeitslohns zu ermitteln ist. Der laufende Arbeitslohn des Monats, in dem der sonstige Bezug erfolgt, muss dazu entsprechend der im Kalenderjahr vorangegangenen Beschäftigungszeiten vervielfacht werden. Praxis-Beispiel Hochrechnung von Arbeitslohn Ein Arbeitnehmer ist vom 1.1.-31.5. für monatlich 7.000 EUR beschäftigt und wechselt zum 1.6. den Arbeitgeber. Er legt der neuen Firma die Lohnsteuerbescheinigung seines früheren Arbeitgebers nicht vor. Von der neuen Firma erhält er mit dem Septembergehalt in Höhe von 5.000 EUR ein Urlaubsgeld von 1.000 EUR ausgezahlt. Ergebnis: Die neue Firma legt für die Berechnung der Lohnsteuer auf das Urlaubsgeld einen Jahresarbeitslohn von 60.000 EUR (12 × 5.000 EUR) zugrunde. Dass der Arbeitnehmer in den ersten 5 Monaten tatsächlich monatlich 7.000 EUR verdient hatte, ist für den Lohnsteuerabzug durch den neuen Arbeitgeber unbeachtlich. Vereinfachungsregelung führt zur Veranlagungspflicht Wenn der Arbeitgeber von der vereinfachten Ermittlung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns Gebrauch macht, hat er dies im Lohnkonto durch den Großbuchstaben S zu vermerken und in der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben. Dies ermöglicht der Finanzverwaltung, den Anlass für eine Pflichtveranlagung zu erkennen. Wichtig Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers: Bescheinigung des Großbuchstabens S Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Großbuchstaben S im Lohnkonto und in der Lohnsteuerbescheinigung einzutragen, wenn er die Lohnsteuer von einem sonstigen Bezug in einem ersten Dienstverhältnis ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Lohnbezüge aus einem früheren Dienstverhältnis des Kalenderjahres berechnet. [ 10 ] Das Gesetz schreibt in diesen Fällen eine Pflichtveranlagung beim Arbeitnehmer vor, die das Finanzamt bei Abruf der elektronischen Lohnsteuerkarte auf diese Weise erkennen kann. Der Arbeitnehmer kann die Pflichtveranlagung bei sonstigen Bezügen dadurch vermeiden, dass er im Fall des Arbeitgeberwechsels seiner neuen Firma die Lohnsteuerbescheinigungen aus den vorangegangenen Beschäftigungen des laufenden Kalenderjahres vorlegt. 4.4 Berechnungsschema HI979109 1. Voraussichtlicher Jahresarbeitslohn ohne den sonstigen Bezug ./. Versorgungsfreibetrag ./. Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag ./. Altersentlastungsbetrag ./. Freibetrag laut ELStAM-Datenabruf + Hinzurechnungsbetrag laut ELStAM-Datenabruf = Maßgeblicher Jahresarbeitslohn Davon Lohnsteuer laut allgemeiner oder besonderer Jahrestabelle 2. Maßgeblicher Jahresarbeitslohn + Sonstigen Bezug ./. Restlichen Versorgungsfreibetrag ./. Restlichen Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag ./. Restlichen Altersentlastungsbetrag = Jahresarbeitslohn einschließlich sonstigen Bezugs Davon Lohnsteuer laut allgemeiner oder besonderer Jahrestabelle Berechnung der Lohnsteuer für den sonstigen Bezug Lohnsteuer aus allgemeiner oder besonderer Jahrestabelle lt. Ziffer 2. ./. Lohnsteuer aus allgemeiner oder besonderer Jahrestabelle lt. Ziffer 1. = Lohnsteuer für den sonstigen Bezug Die Lohnsteuer berechnet sich nach den Lohnsteuerabzugsmerkmalen, die am Ende des Zuflussmonats gelten. [ 11 ] Dies gilt auch in den Fällen des Arbeitgeberwechsels, ggf. ist der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse VI vorzunehmen. 5 Ermäßigte Besteuerung (Fünftelregelung) HI632477 Handelt es sich bei dem sonstigen Bezug um den steuerpflichtigen Teil einer Entlassungsentschädigung oder um Arbeitslohn für eine Tätigkeit, die sich über mehr als 12 Monate erstreckt hat [ 12 ] , ist der voraussichtliche Jahresarbeitslohn um 1/5 des Bezugs zu erhöhen. Die sich ergebende Lohnsteuer für den Teilbetrag des sonstigen Bezugs ist sodann mit dem 5-fachen Betrag zu erheben. 5.1 Zusammenballung von Einkünften HI2827859 Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung nach der Fünftelregelung ist, dass eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt. Diese Voraussetzung ist bei sonstigen Bezügen erfüllt, die zusätzlich zum laufenden Arbeitslohn an ganzjährig beschäftigte Arbeitnehmer oder an Arbeitnehmer gezahlt werden, die vom Arbeitgeber Versorgungsbezüge erhalten. In anderen Fällen (z. B. bei Auflösung des Dienstverhältnisses im Laufe des Kalenderjahres) ist das Merkmal der Zusammenballung von Einkünften erfüllt, wenn entweder der sonstige Bezug mindestens 1 EUR höher ist als der Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ende des Kalenderjahres noch bezogen hätte, oder im Jahr des Zuflusses des sonstigen Bezugs weitere Einkünfte (z. B. Zinseinkünfte oder Arbeitslohn aus einem neuen Dienstverhältnis) erzielt werden und der Arbeitnehmer dadurch mehr erhält, als er bei normalem Ablauf der Dinge erhalten hätte. Vergleichsberechnung Bei der Berechnung der Einkünfte, die der Arbeitnehmer bei Fortbestand des Dienstverhältnisses im Kalenderjahr bezogen hätte, wird auf die Einkünfte des Vorjahres abgestellt. Die erforderliche Vergleichsberechnung wird grundsätzlich anhand der jeweiligen Einkünfte des Arbeitnehmers laut Einkommensteuerbescheid oder Einkommensteuererklärung vorgenommen. Bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ist jedoch zugelassen worden, dass die Vergleichsberechnung anhand der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit durchgeführt wird. [ 13 ] In diese Vergleichsberechnung sind auch pauschal besteuerte Arbeitgeberleistungen (z. B. Direktversicherungsbeiträge) und dem Progressionsvorbehalt unterliegende steuerfreie Lohnersatzleistungen einzubeziehen. Die Vergleichsberechnung gilt auch für das Lohnsteuerverfahren. Der Arbeitgeber muss also feststellen, ob der sonstige Bezug zuzüglich anderer Leistungen einen Betrag ergibt, der höher ist als die wegfallenden Bezüge. Dabei kann der Arbeitgeber auch Arbeitslöhne oder andere Einkünfte berücksichtigen, die der Arbeitnehmer nach Beendigung des bestehenden Dienstverhältnisses erzielt. Kann der Arbeitgeber die erforderlichen Feststellungen nicht treffen, muss der Lohnsteuerabzug von dem sonstigen Bezug ohne Anwendung der Fünftelregelung vorgenommen werden. Der Arbeitnehmer kann die Steuerermäßigung dann im Rahmen einer Einkommensteuer-Veranlagung geltend machen. [ 14 ] 5.2 Günstigerprüfung HI2827860 Die nach der Fünftelregelung ermittelte Lohnsteuer kann höher sein als die Lohnsteuer, die sich ohne Anwendung der Fünftelregelung ergeben würde. In diesem Fall darf die Fünftelregelung nicht angewendet werden. Der Arbeitgeber muss daher eine Vergleichsrechnung durchführen (Günstigerprüfung) und darf die Fünftelregelung nur anwenden, wenn sie zu einer niedrigeren Lohnsteuer führt als die Besteuerung als nicht begünstigter sonstiger Bezug. [ 15 ] Praxis-Beispiel Durchführung einer Günstigerprüfung Ein gesetzlich kranken- und rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer mit der Steuerklasse I erhält aufgrund seiner 10-jährigen Betriebszugehörigkeit im Mai ein Jubiläumsgeschenk i. H. v. 200 EUR. Für die Besteuerung dieses sonstigen Bezugs ermittelt der Arbeitgeber einen maßgebenden Jahresarbeitslohn von 35.100 EUR. Nach der Fünftelregelung wird der Jahresarbeitslohn um 1/5 der Jubiläumszuwendung (um 40 EUR) erhöht; es ergibt sich ein Betrag von 35.140 EUR. Jahreslohnsteuer von 35.140 EUR [ 16 ] 5.279 EUR Jahreslohnsteuer von 35.100 EUR 5.268 EUR Differenzbetrag 11 EUR Es ergibt sich eine Lohnsteuer von (11 EUR × 5) 55 EUR Ohne Anwendung der Fünftelregelung ist der Jahresarbeitslohn um den Gesamtbetrag der Jubiläumszuwendung von 200 EUR zu erhöhen. Jahreslohnsteuer von 35.300 EUR 5.321 EUR Jahreslohnsteuer von 35.100 EUR 5.268 EUR Es ergibt sich eine Lohnsteuer von 53 EUR Da die Anwendung der Fünftelregelung zu einer höheren Lohnsteuer führt, hat der Arbeitgeber auf die Anwendung zu verzichten und die Lohnsteuer mit 53 EUR zu erheben, die sich bei Hinzurechnung des vollen Betrags des sonstigen Bezugs zum Jahresarbeitslohn nach der Jahreslohnsteuertabelle ergibt. 5.3 Negatives zu versteuerndes Einkommen HI2827861 Das Gesetz sieht eine modifizierte Anwendung der Fünftelregelung für den Fall vor, dass das zu versteuernde Einkommen negativ ist und erst durch Hinzurechnung der außerordentlichen Einkünfte positiv wird. Der angefügte Halbsatz in § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG n. F. stellt sicher, dass § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG sinngemäß auch bei der Lohnsteuerberechnung angewendet wird. Dazu wird einem maßgebenden negativen Jahresarbeitslohn der volle sonstige Bezug hinzugerechnet. Der so erhöhte und deshalb positive Arbeitslohn wird durch 5 geteilt, die Lohnsteuer berechnet und mit 5 vervielfacht. Die Anpassung der Lohnsteuerberechnung an die Einkommensteuerberechnung vermeidet Nachzahlungen, die in diesen Sonderfällen bei der Einkommensteuerveranlagung auftreten können. Praxis-Beispiel Negativer Jahresarbeitslohn Ein Arbeitnehmer erhält bei einem durch die Rückzahlung einer Sonderzuwendung negativen Jahresarbeitslohn von 20.000 EUR eine tarifermäßigt zu besteuernde Entschädigung von 100.000 EUR. Ergebnis: Für die Anwendung der Fünftelregelung auf den sonstigen Bezug ist von 16.000 EUR (1/5 von [- 20.000 EUR + 100.000 EUR =] 80.000 EUR) auszugehen. Die sich für 16.000 EUR nach der Jahreslohnsteuertabelle unter Berücksichtigung der maßgebenden Lohnsteuerklasse ergebende Lohnsteuer ist mit 5 zu multiplizieren und ergibt die auf die Entschädigung einzubehaltende Lohnsteuer. Praxis-Tipp Keine Fünftelregelung in Zweifelsfällen Kann der Arbeitgeber die erforderlichen Feststellungen nicht treffen, muss er im Zweifel im Lohnsteuerabzugsverfahren die Besteuerung ohne Tarifermäßigung durchführen, also zunächst die volle Lohnsteuer einbehalten. Die ermäßigte Besteuerung kann dann ggf. erst im Veranlagungsverfahren, z. B. nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, durchgeführt werden. Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber mit Blick auf die mögliche Haftung anzuraten, nur in sicheren Fällen die ermäßigte Besteuerung bereits im Lohnsteuerverfahren zu berücksichtigen. Eindeutig sind solche Sachverhalte, in denen die Höhe der Entschädigung bzw. der Vergütung für mehrjährige Tätigkeit zusammen mit dem bereits bezahlten Arbeitslohn zu höheren Jahresbezügen führt als im Vorjahr. [ 1 ] § 39b Abs. 3 EStG. [ 2 ] R 39b.5 Abs. 4 LStR. [ 3 ] § 38a Abs. 1 EStG. [ 4 ] R 39b.6 Abs. 1 LStR. [ 5 ] R 39b.6 Abs. 3 LStR. [ 6 ] Alle Berechnungswerte fiktiv. [ 7 ] BFH, Urteil v. 25.8.2009, I R 33/08, BStBl 2010 II S. 150. [ 8 ] § 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG. [ 9 ] Alle Berechnungswerte fiktiv. [ 10 ] §§ 41 Abs. 1, 41b Abs. 1 Nr. 3 EStG. [ 11 ] R 39b.6 Abs. 1 Satz 2 LStR 2015. [ 12 ] BFH, Urteil v. 7.5.2015, VI R 44/13, BFH/NV 2015 S. 1465. [ 13 ] § 19 EStG. [ 14 ] § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. [ 15 ] BMF, Schreiben v. 10.1.2000, IV C 5 – S 2330 – 2/00, BStBl 2000 I S. 138. [ 16 ] Alle Berechnungswerte fiktiv.
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