Erbrechtsaenderungen_2015 - VKB-Bank

Reformjahr 2015 - Auswirkungen auf die private Vermögensvorsorge
Die Entscheidung wer das eigene Vermögen, zu welchem Zeitpunkt erhalten soll und die
damit verbundene Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Vorgaben ist oftmals eine schwierige, emotionale Aufgabe.
2015 ist das Jahr der Reformen. Sowohl die Steuerreform (StRefG 2015/2016), als auch die
Erbrechtsreform (ErbRÄG 2015) wurden im Sommer beschlossen. Darüber hinaus trat die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) mit 17.08.2015 in Kraft.
Unter dem Motto „5 Stolpersteine und eine geglückte Nachfolge“ wurden am 15. September
2015 in der VKB-Bank am Pfarrplatz die Auswirkungen dieser Reformen auf die private Vermögensvorsorge mit den Vortragenden, Frau Mag. Maria Schlagnitweit (Steuerrecht) und Frau
MMag. Dr. Nikola Leitner-Bommer (Zivilrecht), angeregt diskutiert. Die diskutierten Auswirkungen lassen sich - wie folgt - kurz zusammenfassen:
Auswirkungen der Steuerreform:
In steuerlicher Hinsicht dominiert derzeit die Frage „heuer noch, oder nächstes Jahr?“. Für Immobilienübergaben in der Familie kommt es nur kurz nach der letzten gravierenden Änderung in 2014, ab 1.1.2016 wiederum zu einer grundlegenden Neuregelung. Für die meisten
Übergaben in der Familie lautete die einfache Formel bisher „3facher Einheitswert mal 2 %“.In
der Zukunft wird es deutlich komplexer, einerseits ist der Grundstückswert zu ermitteln und
andererseits kommt darauf ein Stufentarif zur Anwendung (0,5 % für die ersten 250 T€, 2 % für
die nächsten 150 T€ und 3,5 % für 400 T€ übersteigende Werte). Die Ermittlung des Grundstückswerts kann auf 3 Arten erfolgen, die in einer Verordnung noch genauer präzisiert werden.
Einerseits kommt eine Hochrechnung des Bodenwerts (Teil des Einheitswerts) zuzüglich eines
anhand von Baukostensätzen ermittelten Gebäudewerts in Frage. Andererseits wird eine Ableitung aus dem Immobilienpreisspiegel unter Berücksichtigung von Abschlägen (uU 30 %) zugelassen. Es kann jedoch auch ein geringerer Wert nachgewiesen werden (Sachverständigengutachten, tatsächliche Verkäufe).
Vorweg zu schicken ist, dass eine Vermögensnachfolge niemals nur aus steuerlichen
Erwägungen vorgezogen werden sollte. Dennoch beginnt wohl jeder vor obigem Hintergrund zu rechnen. Erfahrungswerte zeigen, dass bei Immobilien bis zu einem Verkehrswert von
etwa 500 T€ keine wirklich entscheidungsrelevanten Verteuerungen eintreten, es bei Verkehrswerten über 1 m€ jedoch mitunter zu einer Vervierfachung der Belastung kommen wird und es
damit um zigtausende Euro geht. Zu berücksichtigen ist, dass künftig Übergaben zwischen denselben Personen innerhalb von 5 Jahren zusammen zu rechnen sind. Durch eine zeitliche Verteilung unter Berücksichtigung dieser Fünfjahresfrist können jedoch die niedrigen Stufen genutzt
werden. Innerhalb der Familie gilt der neue Stufentarif immer, unabhängig vom Vorliegen von
Gegenleistungen (zB Schuldübernahmen, Renten) oder eines Fruchtgenussvorbehalts.
Der begünstigte Familienkreis wird ab 1.1.2016 auch erweitert und dadurch der relevante Begriff für die Grunderwerbsteuer und die Eintragungsgebühr vereinheitlicht. Demnach fallen
künftig Geschwister, Nichten und Neffen in die Begünstigung. Dies ist eine wichtige Erleichterung für landwirtschaftliche Übergaben. Während aktuell für die Übergabe an Nichten oder Nef-
fen 3,5 % vom Substanzwert, und damit von einem im Vergleich zum tatsächlichen Ertragswert
unverhältnismäßig hohen Wert, anfallen würden, kommt künftig auch in diesem Verhältnis der
einfache Einheitswert mit dem Tarif von 2 % zur Anwendung. Auch bei einem Verkauf zwischen
Geschwistern kann es wesentlich günstiger werden. Aktuell fallen zwischen Geschwistern 3,5 %
vom Verkehrswert an. Ab 1.1.2016 kommt auch zwischen Geschwistern der günstigere Stufentarif zur Anwendung.
Im Einzelfall sind neben diesen Berechnungen zur Grunderwerbsteuer vorher/nachher
jedoch auch noch wesentliche ertragsteuerliche und umsatzsteuerliche Auswirkungen
zu berücksichtigen.
Auswirkungen der Erbrechtsreform:
Die erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB stammten großteils aus dem Jahre 1811. Nicht nur
sprachlich, sondern auch inhaltlich musste das Erbrecht an die geänderten Bedürfnisse des 21.
Jahrhunderts angepasst werden. Das ErbRÄG 2015 ist großteils auf Todesfälle nach dem
31.12.2016 anwendbar. Ziel der Reform war die Verbesserung der Übersichtlichkeit der
Rechtsordnung, die Stärkung der Testierfreiheit, die erbrechtliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen und eine systemgerechte Vollziehbarkeit der Europäischen Erbrechtsverordnung in
Österreich.
Durch die Reform wurde die Testierfreiheit wie folgt gestärkt: Künftig kommt es zum Entfall
des Pflichtteilanspruchs der Vorfahren (zB Eltern) des Verstorbenen. Zum Schutze der
wirtschaftlichen Existenz der Pflichtteilsschuldner, sowie zum Unternehmenserhalt
wurde die Möglichkeit einer Stundung des Pflichtteils für die Dauer von maximal zehn Jahren
geschaffen. Außerdem müssen Pflichtteilsansprüche zukünftig nicht mehr in Geld geleistet werden, sondern können beispielsweise auch durch Übertragung von Unternehmensanteilen erfüllt
werden. Auch die Enterbungsgründe erfuhren eine Erweiterung. Zukünftig sind von diesen unter
anderen bestimmte Straftaten gegen nahe Angehörige des Verstorbenen umfasst.
Das ErbRÄG 2015 bringt für den Lebensgefährten eine deutliche Aufwertung, einerseits durch
Einräumung eines „außerordentlichen Erbrechts“ (nämlich, wenn keine sonstigen gesetzlichen Erben vorhanden sind und die Erbschaft aus diesem Grund den Vermächtnisnehmern oder
dem Bund zufallen würde) und andererseits durch das gesetzliche Vorausvermächtnis. Dieses gebührt nunmehr auch dem Lebensgefährten (wie dem Ehegatten), wenn dieser mit dem
Verstorbenen zumindest in den letzten drei Jahren vor dessen Ableben im gemeinsamen Haushalt in aufrechter Lebensgemeinschaft gelebt hat. Das gesetzliche Vorausvermächtnis umfasst
die zum Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit diese zur Weiterführung des Haushalts nach dem bisherigen Lebensstil der Lebensgefährten erforderlich sind, und das Recht, die
gemeinsame Wohnung weiter unentgeltlich zu bewohnen. Dieses gesetzliche Vorausvermächtnis
des Lebensgefährten ist allerdings zeitlich begrenzt und endet ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen. Letztwillige Verfügungen, die zugunsten des Lebensgefährten, des Ehegatten oder
des eingetragenen Partners errichtet wurden, gelten nunmehr mit Auflösung der „Partnerschaft“
als widerrufen.
Außerdem wurde das Pflegevermächtnis eingeführt. Dieses kommt zukünftig jenen Personen
zu, die dem Verstorbenen nahe standen und diesen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod
mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß gepflegt haben. Dieses Ver-
mächtnis gebührt nur insoweit, als keine Zuwendung oder ein Entgelt für die Pflege vereinbart
wurde. Der Begriff der nahen Angehörigen ist dabei sehr weit gefasst.
Auswirkungen der Europäische Erbrechtsverordnung:
Bei Zweitwohnsitzen oder sonstigem Bezug zum Ausland ist nunmehr die EuErbVO zu beachten.
Die EuErbVO sieht vor, dass das Recht jenes Staates anzuwenden ist, in dem der Verstorbene
im Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Darüber hinaus kommt es zur Zuständigkeit der Gerichte jenes Staates, in dem der Verstorbene im Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies kann zu Rechtsunsicherheiten führen (zB Definition gewöhnlicher Aufenthalt), welche durch eine Rechtswahl im Testament des Verstorbenen zum
Staatsbürgerschaftsrecht vermieden werden können.