Juni 2015 ARBEITSRECHT Newsletter Rechtsprechung Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, Arbeitsrecht ist manchmal fast so spannend wie ein guter Krimi. Das Bundesarbeitsgericht hatte zum Beispiel kürzlich darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitgeber eine Mitarbeiterin durch einen Detektiv überwachen lassen konnte, die ihn später auf Schmerzens geld verklagte, weil sie unter psychischen Beeinträchtigungen litt (vgl. Beitrag rechts). Nun gut, es ging bei dem Fall nur um Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit und es fehlte (Gott sei Dank) bis zum Schluss die Leiche. Aber dass arbeitsrechtliche Fälle durch aus für das Fernsehabendprogramm taugen, zeigt auch der Fall eines Fußballbundesligatorhüters, der sich gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses wehrte – und überraschend vor dem Arbeitsgericht Mainz Recht bekam. Kein Karnevalsscherz, die närrische Zeit war zum Zeitpunkt des Urteils bereits vier Wochen her. Allerdings stellt sich die Frage, was die Folge für den deutschen Fußball wäre, wenn ab sofort alle Spielerverträge unbefristet gelten würden, also zum Beispiel alle Bundesligaspieler bis zum Renteneintrittsalter oder sogar darüber hinaus zu denselben Konditionen beschäftigt werden müssten (vgl. Beitrag Seite 5). Mario Götze noch mit 70 Jahren beim FC Bayern? Auch die Frauenquote und neueste Entscheidungen zu möglichen Scheinwerkverträgen sind durchaus Themen, die bereits Gegen stand diverser Talksendungen im Fernsehprogramm waren (vgl. Beiträge in der Rubrik „Im Blickpunkt“ ab Seite 6). Wenn man also mit dem Arbeitsrecht zu tun hat, kann das spannend und unter haltsam sein. Wenn es Ihnen einmal wieder zu spektakulär wird, stehen wir für Rückfragen gerne zur Verfügung. Mit besten Grüßen Dr. Christopher Melms Leiter der Praxisgruppe Arbeitsrecht Inhalt Rechtsprechung Seite 1 Im Blickpunkt Seite 6 Überwachung durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen Bundesarbeitsgericht vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 Sachverhalt: Die Arbeitnehmerin war seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27. Dezember 2011 bis zum 28. Februar 2012 war sie arbeitsunfähig. Ursache war zunächst eine Bronchialerkrankung. Sie legte insgesamt sechs Arbeitsunfä higkeitsbescheinigungen vor, wobei die ersten Bescheinigungen von einem Facharzt für Allgemeinmedizin, die weiteren von einer Fachärztin für Orthopädie erstellt wurden. Telefonisch teilte die Klägerin ihrem Arbeitgeber mit, sie leide an einem Bandscheiben vorfall. Der Arbeitgeber bezweifelte die Arbeitsunfähigkeit und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte an insgesamt vier Tagen innerhalb eines Zeitraums von ca. zwei Wochen. Beobachtet wurden u. a. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthielt elf Bil der. Die Mitarbeiterin forderte von ihrem Arbeitgeber ein Schmer zensgeld, da sie durch die heimlichen Beobachtungen erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten habe, die einer ärztlichen Behandlung bedurften. Die Entscheidung: Das BAG bestätigte die Entscheidung des Lan desarbeitsgerichts, das der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro zugesprochen hatte. Die Observation sowie die heimlichen Aufnahmen waren rechtswidrig, da der Arbeitgeber keinen berechtigten Anlass zur Überwachung hatte. Der Beweis wert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Band scheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Konsequenzen für die Praxis: Arbeitgeber sollten sorgfältig abwägen, ob eine Observation durch einen Detektiv initiiert werden soll. Sofern keine konkreten Tatsachen für eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorliegen, drohen neben den Detektivkosten auch Schmerzensgeldforderungen. Die Entscheidung zeigt außer dem, dass der Beweiswert von ärztlichen Arbeitsunfähigkeits bescheinigungen nicht allein dadurch erschüttert wird, dass sie Newsletter Seite 2 Juni 2015 ARBEITSRECHT unterschiedliche Fachärzte erstellt haben. Dies ist auch in solchen Fällen zu beachten, in denen der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Maßnahmen (z. B. Abmahnungen, Kündigungen, Einbehalt des Entgelts) wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeits unfähigkeit einleiten möchte. Inka Adam, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main Hinweis: Zu dieser Entscheidung ist in der Zeitschrift NZA (Aus gabe 6/2015) ein Editorial von Dr. Wolfgang Lipinski mit dem Titel „Big Brother – Wie es der Arbeitgeber eben nicht wird!“ erschienen. Diskriminierung nach dem AGG und Beweiskraft von Statistiken Bundesarbeitsgericht vom 18. September 2014 – 8 AZR 753/13 Sachverhalt: Die Arbeitgeberin suchte eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung für die Beset zung einer Vollzeitstelle. Die Mutter eines schulpflichtigen Kindes bewarb sich. Im Lebenslauf wies sie auf ihre Ausbildungen als Ver waltungs- und Bürokauffrau hin. Außerdem gab sie ihren Familien stand mit „Verheiratet, ein Kind“ an. Die Bewerberin erhielt eine Absage. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf war der Angabe zum Familienstand handschriftlich der Zusatz „7 Jahre alt!“ hin zugefügt. Die entstandene Wortfolge „Ein Kind, 7 Jahre alt!“ war zudem unterstrichen. Die abgelehnte Bewerberin sah sich als ver heiratete Mutter eines schulpflichtigen Kindes benachteiligt, da sie wegen ihres Geschlechtes diskriminiert worden sei. Sie sei abgelehnt worden, weil die Arbeitgeberin eine Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kindes auch im Falle einer ver heirateten Frau für nicht oder nur schlecht vereinbar halte. Die Entscheidung: Die Vorinstanz hatte die Arbeitgeberin wegen Diskriminierung der Bewerberin zur Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verurteilt. Eine Diskriminierung kann auch wegen eines augenscheinlich neu tralen Differenzierungskriteriums erfolgen. Das an sich neutrale Merkmal der Kinderbetreuung liege bei Frauen häufiger als bei Männern vor. Mütter würden häufiger nicht oder nur in Teilzeit arbeiten als Väter. Die Vorinstanz hatte zur Begründung ihrer Ent scheidung eine Statistik zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Mikrozensus 2010 des Statistischen Bundesamts) herangezogen. Das BAG sah die herangezogene Statistik zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für den Rechtsstreit nicht als aussagekräftig an, da ihr keine Zahlenangaben / Geschlechterquoten hinsichtlich des (Miss-) Erfolgs von Bewerbungen für Vollzeitarbeitsstellen ent nommen werden könnten. Konsequenzen für die Praxis: Abgelehnte Bewerber, die sich wegen ihres Geschlechts diskriminiert fühlen, müssen im Streit fall theoretisch nur Indizien beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Gelingt dies, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass keine solche vorliegt. In der Praxis gelingt Bewerbern schon die Darlegung der erforderlichen Indizien nicht immer. Auch der Verweis auf Statistiken führt nicht in jedem Fall zum Erfolg. Zwar hat das BAG in einer früheren Entscheidung gezeigt, dass auch die Erhebungen einer Statistik geeignetes Indiz sein können. Jedoch hat das Gericht nun ausdrücklich klargestellt, dass eine Statistik für den jeweils konkreten Fall aussagekräftig sein muss. Eine Statistik, die beispielsweise Nachteile für Frauen im Berufsleben belegt, ermöglicht daher nicht automatisch eine erfolgreiche Beweis führung für eine Entschädigungsklage nach dem AGG. So indiziert etwa eine statistisch dargelegte Unterrepräsentanz von Frauen in den Führungsetagen eines Unternehmens keine mittelbare Benachteiligung, solange nicht gleichzeitig in der Statistik gezeigt wird, dass sich immer gleich viele an sich geeignete Frauen und Männer um entsprechende Führungspositionen bewerben. Praxistipp: Arbeitgeber sollten vermeiden, in Bewerbungsunter lagen Vermerke oder Kennzeichnungen vorzunehmen, sofern sie an Bewerber zurückgesandt werden. Auch das beliebte Anbringen von „Klebezetteln“ mit Notizen in Bewerbungsmappen ist zu vermeiden. Sicherheitshalber sollten Unterlagen abgelehnter Bewerber sorgfältig vor einer Rücksendung geprüft werden. Arbeit geber laufen sonst Gefahr, Indizien zu liefern, auf die abgelehnte Bewerber eine erfolgreiche Entschädigungsklage stützen können. Dr. Claus Fischer, Rechtsanwalt, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines ehemaligen Arbeitnehmers auf der Unternehmenswebsite Bundesarbeitsgericht vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1011/13 Sachverhalt: Ein Unternehmen aus dem Bereich Kälte- und Klima technik veröffentlichte auf seiner Website ein mehrminütiges Firmenvideo. Darin waren Mitarbeiter des Unternehmens bei der Arbeit zu sehen. Sie hatten vorher schriftlich in die Anfertigung und Veröffentlichung der Aufnahmen eingewilligt. Nachdem einer der gefilmten Mitarbeiter aus der Firma ausgeschieden war, ver langte er die Entfernung des Videos aus dem Internet. Gleichzeitig widerrief er seine Einwilligung. Das Unternehmen nahm das Video aus dem Netz, behielt sich aber eine erneute Veröffentlichung vor. Das wollte der ehemalige Mitarbeiter nicht hinnehmen und ver klagte das Unternehmen auf Unterlassung der weiteren Nutzung des Filmmaterials. Newsletter Seite 3 Juni 2015 ARBEITSRECHT Die Entscheidung: Die Klage blieb erfolglos. Das BAG befand, dass eine erneute Veröffentlichung den Arbeitnehmer nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzen würde. Nach § 22 Kunstur hebergesetz dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebil deten veröffentlicht werden. Eine solche habe der ehemalige Mitarbeiter mit der von ihm unterzeichneten Erklärung abgege ben. Damit sei zudem das Erfordernis einer schriftlichen Einwil ligung erfüllt, das sich aus dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung ergebe. Die Einwilligung sei auch nicht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses entfallen, da der ausgeschiedene Mitarbeiter die Einwilligung ohne erkennbare Beschränkung erklärt habe. Der Widerruf der Einwilligung sei nur unter Angabe eines plausiblen Grundes möglich. Einen solchen habe der Arbeitnehmer jedoch nicht vorgetragen. Konsequenzen für die Praxis: Mit dem Urteil werden zwei neue Akzente gesetzt. Erstens sind Arbeitgeber bei erteilter Einwilligung nicht dazu gezwungen, Firmenvideos mit Szenen von Mitarbeitern bei jedem Belegschaftswechsel neu anzufertigen. Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung dürfte dies jedenfalls gelten, soweit die Darstellung der Mitarbeiter reinen Illustrationszwecken dient und keinen individuellen Bezug auf deren Persönlichkeiten enthält. Zweitens stellt das BAG erstmals darauf ab, dass die Einwilligung schriftlich zu erfolgen hat. Praxistipp: Arbeitgeber, die Firmenvideos veröffentlichen, sollten demnach darauf achten, dass die gefilmten Mitarbeiter vorher schriftlich in die Veröffentlichung einwilligen. Eine schriftliche Ein willigung stellt allerdings keinen Freifahrtschein zur unbegrenzten Nutzung des Filmmaterials dar. Soweit der Arbeitgeber mit der individuellen Persönlichkeit eines Mitarbeiters wirbt (z. B. persön liches Portrait zur Funktionsbeschreibung, Namensnennung), können mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und / oder Wider ruf der Einwilligung Unterlassungsansprüche entstehen. David Bamberg, Rechtsanwalt, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München Erleichterte Voraussetzungen für die befristete Weiterbeschäftigung von Rentnern? Bundesarbeitsgericht vom 11. Februar 2015 – 7 AZR 17/13 Sachverhalt: Nach Erreichen des Renteneintrittsalters vereinbarte das Unternehmen mit dem Arbeitnehmer die befristete Fortset zung des Arbeitsverhältnisses. Zunächst sollte es mit Ablauf des 31. Dezember 2010 enden. Dieses Enddatum wurde jedoch zwei mal hinausgeschoben. Die letzte Verlängerungsabrede enthielt als Beendigungstermin den 31. Dezember 2011 sowie den Zusatz, dass der Arbeitnehmer eine noch einzustellende Ersatzkraft einarbeiten solle. Er klagte im Rahmen einer sogenannten Entfris tungsklage gegen die Wirksamkeit der Befristung. Die Entscheidung: Das BAG machte deutlich, dass der Bezug der gesetzlichen Altersrente allein die Befristung nicht rechtfertigt und keinen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 des Teilzeit und Befristungsge setzes (TzBfG) darstellt. Erforderlich sei im konkreten Fall, dass die Befristung zusätzlich einer konkreten Nachwuchsplanung der Arbeit geberin diene. Hierzu bedürfe es weiterer tatsächlicher Feststellungen, sodass das BAG den Rechtsstreit an das Landes arbeitsgericht zurückverwies. Konsequenzen für die Praxis: In Zeiten des Fachkräftemangels steht die Praxis häufig vor der Frage, wie Know-how von Arbeit nehmern, die in Rente gehen, noch für eine Übergangszeit gesichert werden kann. Verlockend ist hierbei der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags, um der Sorge zu begegnen, der rüstige Rentner könne womöglich noch länger an der Fortsetzung der Beschäftigung ein Interesse haben, als dies seitens des Arbeit gebers der Fall ist. Das BAG zeigt erneut auf, dass auch Rentner dem umfassenden Schutz des Befristungsrechts unterfallen, sofern sie unmittelbar vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags bereits beim Arbeit geber beschäftigt waren. Vor diesem Hintergrund ist genau zu prü fen, ob – eine rein kalendermäßige Befristung ist aufgrund der Vorbeschäftigung ausgeschlossen – ein sachlicher Grund gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG die Befristung rechtfertigt. Dieser kann sich nach dem BAG auch aus der Einarbeitung einer Nachwuchs kraft im Rahmen einer konkreten Nachwuchsplanung ergeben. Dem vom BAG zu bewertenden Sachverhalt lag noch die Rechtslage vor dem mit Wirkung ab dem 1. Juli 2014 eingeführten § 41 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zugrunde, der viele Arbeitgeber zunächst hoffen ließ. Nach dem Wortlaut können die Arbeitsvertragsparteien für den Fall des Vorliegens einer Ver einbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt ggf. auch mehr fach hinauszuschieben. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Sorgen trotz dieser Regelung nicht beseitigt sind. Nach einhelliger Auffassung in der juristischen Fachliteratur ist die Konformität des § 41 Satz 3 SGB VI mit dem Europarecht – konkret dem Verbot der Altersdiskriminierung sowie der Befristungsrichtlinie – aufgrund der unbegrenzten Möglichkeit zur befristeten Verlängerung sehr zweifelhaft. Praxistipp: Trotz § 41 Satz 3 SGB VI und der vom BAG grundsätz lich anerkannten Möglichkeit einer Befristung eines Arbeitnehmers nach Renteneintritt gilt es, sorgfältig zu prüfen, ob ein Sachgrund dafür besteht. § 41 Satz 3 SGB VI unterliegt erheblichen Wirksam keitszweifeln. An das Vorliegen eines Sachgrunds für die Befristung sind vorbehaltlich anderslautender Ausführungen in der vollständig abgefassten Entscheidung des BAG vermutlich hohe Anforderun gen zu stellen, um Missbrauch vorzubeugen. Der schlichte Verweis Newsletter Seite 4 Juni 2015 ARBEITSRECHT auf eine Nachwuchsplanung, so wie es die bislang vorliegende Pressemitteilung andeutet, reicht jedenfalls nicht. Dr. Thomas Barthel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin Roman Parafianowicz, Rechtsanwalt, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin Erstes Urteil zum Mindestlohn – Änderungskündigung unzulässig zur Erreichung der Anrechenbarkeit von finanziellen Leistungen auf den Mindestlohn Arbeitsgericht Berlin vom 4. März 2015 – 54 Ca 14420/14 Sachverhalt: Die Arbeitnehmerin erhielt neben einer Grundver gütung von 6,13 Euro je Stunde eine Leistungszulage und Schicht zuschläge sowie zusätzliches Urlaubsgeld und eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte jährliche Sonderzahlung. Im Hinblick auf die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 sprach die Arbeitgeberin eine „Änderungskündi gung“ aus, um das Arbeitsverhältnis künftig mit einem Stundenlohn von 8,50 Euro bei Wegfall der Leistungszulage, des Urlaubsgelds und der Jahressonderzahlung fortzusetzen. Hiergegen klagte die Arbeitnehmerin. Die Entscheidung: Nach Ansicht der Berliner Arbeitsrichter war die Änderungskündigung unwirksam. Diese sollte lediglich bewirken, dass das Urlaubsgeld und die jährliche Sonderzahlung für die Berechnung des Mindestlohns berücksichtigt werden. Eine solche Anrechnung sei jedoch nicht möglich, da diese Leistungen nicht dem Zweck des Mindestlohns dienen. Konsequenzen für die Praxis: Das Mindestlohngesetz (MiLoG) legt nicht fest, welche Leistungen auf den Mindestlohn angerech net werden können. Gemäß der Gesetzesbegründung zum MiLoG soll sich die Anrechenbarkeit nach dem „Prinzip der funktionalen Gleichwertigkeit“ richten. Danach sind nur solche Zahlungen des Arbeitgebers anrechenbar, die ihrem Zweck nach die „normale“ Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und nicht etwa überobligato rische Leistungen entgelten sollen. Eine Zahlung, die an weitere Bedingungen, z. B. die Betriebstreue, geknüpft ist, dürfte grund sätzlich mangels funktionaler Gleichwertigkeit ebenfalls nicht anzurechnen sein. Nach Ansicht der Berliner Arbeitsrichter ist das Urlaubsgeld ebenfalls nicht funktional gleichwertig, da dieses die Zusatzkosten während des Urlaubs kompensieren und nicht die Normalleistung vergüten soll. Dieser Gedanke dürfte nach Ansicht des Arbeitsgerichts Berlin wohl auch für das Weihnachtsgeld gelten. Funktional gleichwertige (Jahres-)Zahlungen wie z. B. Bonuszahlun gen müssen, wenn sie monatlich auf den Mindestlohn angerechnet werden sollen, auch monatlich (unwiderruflich) – gegebenenfalls anteilig – ausgezahlt werden. Mit dem Urteil hat das Arbeitsgericht Berlin als erstes Gericht über die Frage der Anrechenbarkeit von jährlichen Einmal- und Sonderzahlungen auf den Mindestlohn bei Anwendung des Prinzips der funktionalen Gleichwertigkeit ent schieden. Da Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Branden burg (Az.: 8 Sa 677/15) eingelegt wurde, bleibt abzuwarten, ob sich diese Rechtsansicht auch in der nächsten Instanz bestätigt. Praxistipp: Unabhängig hiervon besteht für Unternehmen, die zusätzlich zum regulären monatlichen Fixgehalt weitere Zahlungen leisten, gegebenenfalls Handlungsbedarf. Zunächst ist zu analysie ren, welche finanziellen Leistungen der Arbeitnehmer aufgrund welcher Anspruchsgrundlage (z. B. Arbeitsvertrag, Betriebsverein barung oder Tarifvertrag) erhält. Anschließend sind die Leistungen dahingehend zu überprüfen, inwieweit sie nach dem Prinzip der funktionalen Gleichwertigkeit auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Wenn mit diesen anrechenbaren Leistungen eine Vergütung in Höhe von 8,50 Euro pro Zeitstunde nicht erreicht werden kann, müssen die zugrunde liegenden Vereinbarungen überarbeitet werden. Bestehende Betriebsvereinbarungen sollten nach Möglichkeit mit dem Betriebsrat neu verhandelt und mög lichst so gestaltet werden, dass künftig eine Anrechnung der Leis tungen auf den Mindestlohn gewährleistet ist. Eine Anpassung der bestehenden Arbeitsverträge in dem Sinne, die funktional gleich wertigen Einmalzahlungen monatlich – gegebenenfalls anteilig – auszuzahlen oder zu streichen und im Gegenzug die Grundver gütung anzuheben, ist regelmäßig nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers durch Vertragsänderung zu erreichen. Im Hinblick auf neu abzuschließende Arbeitsverträge ist eine Umstellung der Vergütungszahlung im Sinne der „Anrechnungsvorgaben“ der Rechtsprechung unproblematisch, solange und soweit diesbezüg liche Regelungen nicht vorrangig in Tarifverträgen oder Betriebs vereinbarungen gelten. Dr. Wolfgang Lipinski, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München Katharina Domni, Rechtsanwältin, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München Newsletter Seite 5 Juni 2015 ARBEITSRECHT Sind befristete Verträge von Profisportlern unzulässig? Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 19. März 2015 – 3 Ca 1197/14 Sachverhalt: Der Kläger ist der ehemalige Torwart des FußballBundesliga-Vereins FSV Mainz 05, der ursprünglich einen auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrag als Lizenzfußballspieler mit dem Verein abgeschlossen hatte. Nach Ablauf dieses befristeten Arbeitsvertrags vereinbarten Spieler und Verein die Verlängerung des Vertrags um weitere zwei Jahre. Eine darüber hinausgehende Verlängerung lehnte der Verein ab, woraufhin der Spieler vor dem Arbeitsgericht Mainz „Entfristungsklage“ erhob, sich also gegen die Befristung zur Wehr setzte und auf Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses klagte. Die Entscheidung: Das Arbeitsgericht Mainz entschied, dass die Befristung unwirksam sei und der Spieler trotz der abgelaufenen Befristungsabrede einen Anspruch auf Beschäftigung gegenüber dem Verein habe. Darüber hinaus wurde der Verein zur Zahlung der rückständigen Vergütung verurteilt. Entgegen der bisher sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Kommentarliteratur geäußer ten Auffassung greife für Profisportler weder der Tatbestand der „Eigenart der Beschäftigung“ (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG) noch eine ungeschriebene Sonderregel, nach der Arbeitsverträge auch ohne einen der im Gesetz genannten Sachgründe über die Dauer von zwei Jahren hinaus befristet werden können. Das Arbeitsgericht Mainz ist insoweit der Auffassung, dass es sich bei Profifußballern um gewöhnliche Arbeitnehmer handelt, für die auch hinsichtlich der Befristung des Arbeitsvertrags keine Besonderheiten gelten. Dementsprechend seien Befristungen nur dann zulässig, wenn sie sich entweder innerhalb des 2-Jahres-Zeitraums bewegen oder einer der übrigen gesetzlich vorgesehenen Befristungstatbestände (z. B. Elternzeitvertretung, Erprobung o.ä.) gegeben ist. Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung hat bereits deutschlandweit Beachtung gefunden. Ihr wird vielfach das Potenzial beigemessen, den Profisport – ähnlich wie die frü here Bosmann-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – grundlegend zu verändern. Sollten nämlich die vom FSV Mainz 05 angekündigten Rechtsmittel ebenfalls erfolglos bleiben, wird die Befristung von Arbeitsverträgen für Profisportler fak tisch unmöglich und damit das Konzept des Profisports insge samt in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund wird der noch weitergehende Rechtsstreit zwischen dem FSV Mainz 05 und seinem ehemaligen Torwart wahrscheinlich erst durch das Bun desarbeitsgericht entschieden werden. Die Diskussion über die Behandlung von befristeten Sportlerverträgen wird daher weiter spannend bleiben. Dr. Christian Bitsch, Rechtsanwalt, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main Im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer führen zum mitbestimmten Aufsichtsrat Landgericht Frankfurt am Main vom 16. Februar 2015 – 3-16 O 1/14 Sachverhalt: Die Deutsche Börse AG beschäftigte Ende 2013 ins gesamt 3.811 Arbeitnehmer, davon in Deutschland 1.624, im euro päischen Ausland 1.747 und im außereuropäischen Ausland 440. Es wurde das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) angewendet, da Rechtsform die AG ist, die Deutsche Börse AG im Inland sitzt und regelmäßig zwischen 500 und 2.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigt werden. Der nach der Satzung aus 18 Mitglie dern zusammenzusetzende mitbestimmte Aufsichtsrat besteht gemäß den anwendbaren Regelungen des DrittelbG aus zwölf Vertretern der Anteilseigner und sechs Vertretern der Arbeitnehmer. Im Rahmen eines Statusverfahrens gemäß § 98 Aktiengesetz machte ein Aktionär geltend, dass der Aufsichtsrat der Deutsche Börse AG falsch zusammengesetzt sei. Die Entscheidung: Das Landgericht Frankfurt am Main entschied, dass der Aufsichtsrat falsch zusammengesetzt sei. Es seien nicht nur die 1.624 Arbeitnehmer in Deutschland, sondern – zumindest – auch die 1.747 beschäftigten Arbeitnehmer in Betrieben oder Konzern gesellschaften im europäischen Ausland zu berücksichtigen. Im Sinne der Mitbestimmungsgesetze beschäftige die Deutsche Börse AG im In- und europäischen Ausland damit zumindest 3.371 Arbeitnehmer. Bei einer regelmäßigen Beschäftigung der Deutsche Börse AG von über 2.000 Arbeitnehmern sei nicht das DrittelbG, sondern das Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) anwendbar. Das Landgericht Frankfurt am Main hat folgerichtig entschieden, dass dann der mitbestimmte Aufsichtsrat der Deutsche Börse AG auf grund der Unternehmensgröße mit in der Regel nicht mehr als 10.000 Arbeitnehmern (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG) aus zwölf Mitgliedern, je sechs Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu besetzen sei. Konsequenzen für die Praxis: Diese Entscheidung hätte – soweit sie rechtskräftig wird – erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen, in denen die Verhältnisse ähnlich liegen. Arbeitnehmer der aus ländischen Tochtergesellschaften und der im Ausland gelegenen Betriebe müssten mit sofortiger Wirkung bei den Schwellen werten berücksichtigt werden. Bisher mitbestimmungsfreie Unternehmen mit in der Regel unter 500 beschäftigten Arbeit nehmern in Deutschland können vom einen Tag auf den anderen vom Geltungsbereich des DrittelbG oder des MitbestG erfasst sein. Unternehmen, die derzeit zwischen 500 und 2.000 Arbeit nehmer beschäftigen, könnten ab sofort der paritätischen Mitbe stimmung nach dem MitbestG unterliegen. Bisherige Strategien, die einen vom Territorialitätsprinzip abhängigen Auslandsbezug aufweisen, könnten nicht mehr greifen. Auch in diesen Fällen könnten schlagartig die Voraussetzungen der in der Praxis oft unbeliebten unternehmerischen Mitbestimmung vorliegen. Über Unternehmen mit einem solchen Auslandsbezug könnte eine Flut von Statusverfahren zur Klärung von Streitigkeiten über die Newsletter Juni 2015 Seite 6 ARBEITSRECHT anwendbaren gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Bildung und Zusammensetzung des (mitbestimmten) Aufsichtsrats hereinbrechen. Praxistipp: Die Entscheidung zwingt alle in Deutschland und zugleich im Ausland tätigen Unternehmen und Konzerne zum Handeln. Eine Vielzahl der Strategien zur Umgehung der unter nehmerischen Mitbestimmung in Unternehmen und Konzernen, insbesondere Strategien mit Auslandsbezug, müssten überprüft und gegebenenfalls geändert werden. Es gibt jedoch zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten mit einem auf das jeweilige Unternehmen bzw. auf den jeweiligen Konzern maßgeschneiderten Konzept – auch unter Berücksichtigung der Arbeitnehmer ausländischer Tochter gesellschaften – , um die unternehmerische Mitbestimmung zu ver meiden bzw. einzuschränken. Dr. Erik Schmid, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München Im Blickpunkt Börsennotierte und mit bestimmte Unternehmen Börsennotierte oder mit bestimmte Unternehmen Erfasst sind: Erfasst sind: - börsennotierte Aktiengesellschaften, Kommanditgesell schaften auf Aktien, Euro päische Gesellschaften (SE) sowie sonstige börsenno tierte Unternehmen, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehen und in der Regel mehr als 2.000 Arbeit nehmer be schäftigen - börsennotierte Aktiengesellschaften, Kommanditgesell schaften auf Aktien, Euro päische Gesellschaften (SE) sowie sonstige börsenno tierte Unternehmen, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehen - börsennotierte Aktiengesellschaften, die in der Regel mehr als 1.000 Arbeitnehmer be schäftigen und deren über wiegender Betriebszweck im Bergbau und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie liegt - börsennotierte Aktiengesell schaften, die dem MontanMitbestimmungsergänzungs gesetz unterfallen - Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit oder Genossenschaften, die in der Regel mehr als 500 Arbeit nehmer beschäftigen - Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die dem MontanMitbestimmungsergänzungs gesetz unterfallen Die Frauenquote kommt Der Bundestag hat am 6. März 2015 das „Gesetz für die gleichbe rechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ beschlossen (zum Referentenentwurf vgl. bereits BEITEN BURKKHRADT Newsletter Arbeitsrecht, Ausgabe September 2014). Sollte der Bundespräsident trotz der teilweise geäußerten verfassungsrecht lichen Bedenken keine Einwände haben und das Gesetz unter zeichnen, wird es schrittweise bis zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Mit den nachfolgenden Übersichten wollen wir Sie über die rechtlichen Konsequenzen informieren und insbesondere zeigen, welche Unternehmen von den neuen Regelungen betroffen sind sowie welche Maßnahmen nach Inkrafttreten des Gesetzes umgesetzt werden müssen. Die neuen Vorschriften unterscheiden zwischen Unternehmen, die a)börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind b)solchen Unternehmen, die entweder börsennotiert oder pari tätisch bzw. nach dem Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmt sind. Die neuen Vorschriften: Die neuen Vorschriften: Es gilt eine zwingende Quote von 30 % für das unterreprä sentierte Geschlecht und zwar auch für Nachbestellung und Ersatzmitglieder. Es besteht die Verpflichtung, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Managementebenen festzulegen. Über die Quotenerfüllung ist in der Erklärung zur Unterneh mensführung zu berichten. Die Mindestzielsetzung kann selbst festgelegt werden (und darf auch bei „0“ liegen). Liegt der derzeitige Frauen anteil in einer Führungsebene unter 30 %, dürfen die zukünf tigen Zielgrößen den bereits erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Über die Zielfestlegungen und deren Umsetzung ist in der Erklärung zur Unternehmens führung zu berichten. Newsletter Juni 2015 Seite 7 ARBEITSRECHT Fristen zur Umsetzung: Fristen zur Umsetzung: Die Quote gilt für Neuwahlen oder Entsendungen ab dem 1. Januar 2016. Zukünftige Zielgrößen müssen erstmals zum 30. September 2015 festgelegt werden, wobei der Zeitraum für die Ziel erreichung nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 angesetzt werden darf. Bestehende Mandate laufen bis zu ihrem regulären Ablauf weiter. Die daran nachfolgenden Fris ten dürfen nicht länger als fünf Jahre betragen. Sanktionen bei Missachtung: Sanktionen bei Missachtung: Die quotenwidrige Wahl oder Entsendung ist nichtig. Für die Verfehlung der selbst gesetzten Quote sind keine Sanktionen vorgesehen. Bei der Einzelwahl ist nur der Wahlbeschluss nichtig, der nach chronologischer Abfolge als erster die Mindestquote verletzt. Bei der Blockwahl werden alle Personen des überrepräsen tierten Geschlechts erfasst, sofern die Wahl insgesamt ge gen die Quote verstößt. Bei Verletzung der Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen kommt eine Schadensersatz pflicht des Aufsichtsrats in Betracht. Bei Verstoß gegen die Be richtspflichten können sich der Aufsichtsrat sowie der Vorstand strafbar machen. Die für das unterrepräsen tierte Geschlecht vorge sehenen Plätze bleiben unbe setzt („leerer Stuhl”). Um eine Besetzungslücke zu vermeiden, besteht die Mög lichkeit einer gerichtlichen Er satzbestellung, die der Quote gerecht werden muss. Bei Verstoß gegen die ord nungsgemäße Besetzung kommt eine Schadensersatz pflicht des Aufsichtsrats oder des Vorstands in Betracht. Bei Verstoß gegen die Be richtspflichten können sich der Aufsichtsrat sowie der Vorstand strafbar machen. Praxistipp: Die Einführung der Frauenquote wird die betroffe nen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen stellen und bereits in wenigen Monaten erste Umsetzungsschritte erfordern. Den vom Gesetz erfassten Unternehmen empfehlen wir deshalb, möglichst zeitnah Vorbereitungen für die Bestimmung von Zielvor gaben und deren Umsetzung zu treffen, um die ordnungsgemäße Besetzung der Gremien und damit die Handlungsfähigkeit des Unternehmens langfristig sicherzustellen. Dr. Christian Bitsch, Rechtsanwalt, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main Werkverträge / Leiharbeit – Absage an die Intransparenz Die längerfristige Zusammenarbeit von Unternehmen auf Werkoder Dienstvertragsbasis steht seit Monaten in der öffentlichen Kritik. Der Vorwurf lautet, dass diese Vertragstypen nur gewählt würden, um Arbeitnehmerschutzvorschriften zu umgehen und die Lohnkosten gering zu halten. Mehr und mehr Arbeitnehmer, die auf Werk- oder Dienstvertragsbasis über lange Zeit in einem anderen Unternehmen eingesetzt sind, lassen ihren arbeitsrecht lichen Status gerichtlich überprüfen. Sie behaupten, nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu ihrem Vertragsarbeitgeber zu stehen, sondern zu dem Unternehmen, in dem sie eingesetzt sind. Streit entscheidend ist in diesen Fällen, ob die beiden Unternehmen tat sächlich auf Werk- oder Dienstvertragsbasis zusammenarbeiten oder ob nicht eine sogenannte verdeckte Arbeitnehmerüber lassung vorliegt. In letzterem Fall wird ein Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit dem Einsatzunternehmen begründet, wenn der ursprüngliche Vertragsarbeitgeber nicht über die nach dem Arbeit nehmerüberlassungsgesetz (AÜG) notwendige Arbeitnehmer überlassungserlaubnis verfügt. Die Abgrenzung, ob tatsächlich ein Werk- beziehungsweise Dienst vertrag oder eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, richtet sich in erster Linie danach, von welchem Unternehmen das arbeitsvertragliche Direktionsrecht in Bezug auf die Arbeits zeit, den Arbeitsort und den Arbeitsinhalt ausgeübt wird. Da die Abgrenzung in der Praxis oftmals jedoch schwierig ist und vom Einzelfall abhängt, sind viele Unternehmen dazu übergegangen, zur Sicherheit eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorzu halten, um die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Besteller beziehungsweise Dienstgeber im Falle der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG zu verhindern. Nicht die erhoffte Sicherheit Über die Wirksamkeit einer solchen sogenannten Vorrats-Arbeit nehmerüberlassungserlaubnis hat das LAG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 3. Dezember 2014 – 4 Sa 41/14 entschieden und sie im Ergebnis verneint. Es steht zu befürchten, dass die VorratsArbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht die erhoffte Sicherheit Newsletter Juni 2015 Seite 8 ARBEITSRECHT bringt und das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Ein satzunternehmen verhindert. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger stand seit dem 20. Mai 2011 bei drei verschiedenen Unternehmen in einem Arbeitsverhältnis. Eingesetzt war er in Erfüllung sogenannter Rahmenwerkverträge in dieser Zeit durch gehend bei dem beklagten Unternehmen. Dort war der Kläger auch betrieblich eingegliedert und erhielt unter bewusster Missachtung der vertraglichen Vereinbarung fachliche Weisungen. Dem Kläger, der sich auf eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung und ein Arbeitsverhältnis zum beklagten Unternehmen berief, wurde von diesem entgegengehalten, dass seine drei Vertragsarbeitgeber über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügten. Dass der Einsatz des Klägers bei der Beklagten im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung hätte erfolgen sollen oder können, wurde von den Unternehmen zuvor jedoch nicht offen gelegt. Das LAG Baden-Württemberg beurteilte das Verhalten der Unter nehmen – anders als noch die Vorinstanz – als widersprüchlich. Die Parteien hätten sich während der gesamten Vertragslaufzeiten gerade außerhalb des AÜG stellen wollen und somit bewusst den durch das AÜG vermittelten Sozialschutz des Arbeitnehmers zu verhindern versucht. Es sei daher trotz der Arbeitnehmerüber lassungserlaubnis ein Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommen. haben, sollten schon heute die Zeit nutzen und die Vertragslage und die tatsächliche Durchführung kritisch hinterfragen. Christina Kamppeter, LL.M., Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München Hinweis: Der Beitrag ist fast inhaltsgleich bei Human Resources Manager (http://www.humanresourcesmanager.de) erschienen. Hinweise Diese Veröffentlichung stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie diesen Newsletter nicht mehr erhalten möchten, können Sie jederzeit per E-Mail (bitte E-Mail mit Betreff „Ab bestellen“ an [email protected]) oder sonst gegenüber BEITEN BURKHARDT widersprechen. © BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Alle Rechte vorbehalten 2015. Entscheidung des BAG steht noch aus Impressum Da noch eine Entscheidung des BAG aussteht, besteht Hoffnung, dass der Vorrats-Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis keine gene relle Absage erteilt wird. Nach dem Urteil war die Intransparenz, dass die beteiligten Unternehmen eine Arbeitnehmerüberlas sungserlaubnis in der „Hinterhand“ hatten, der entscheidende Faktor, ihnen die Berufung auf die Arbeitnehmerüberlassungser laubnis zu versagen. BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraße 33, D-80339 München AG München HR B 155350 / USt.-Idnr: DE811218811 Im Nachgang zu dem genannten Urteil hat eine andere Kammer des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 18. Dezember 2014 – 3 Sa 33/14) die Wirksamkeit einer Vorrats-Arbeitnehmerüberlas sungserlaubnis in einer anderen Fallkonstellation anerkannt. Auf grund des Urteils vom 3. Dezember 2014 sollte das Vorhandensein der Erlaubnis vorsorglich jedoch erkennbar gemacht werden. Auf lange Sicht muss nach den angekündigten Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zu den Werkverträgen jedoch insgesamt umge dacht werden, da der Praxis der Vorrats-Arbeitnehmerüberlassung ein Riegel vorgeschoben werden soll. Unternehmen, die auf Werkoder Dienstvertragsbasis externe Mitarbeiter bei sich im Einsatz Redaktion (verantwortlich) Weitere Informationen (Impressumsangaben) unter: http://www.bblaw.com/index.php/de/impressum-de Markus Bauer, Rechtsanwalt Weitere interessante Themen und Informationen zum Arbeitsrecht finden Sie in unserem Onlinebereich. BEITEN BURKHARDT · RECHTSANWALTSGESELLSCHAFT MBH BERLIN · KURFÜRSTENSTRASSE 72–74 · 10787 BERLIN · DR. THOMAS PUFFE, RECHTSANWALT · [email protected] DÜSSELDORF · CECILIENALLEE 7 · 40474 DÜSSELDORF · CHRISTIAN VON BUDDENBROCK, RECHTSANWALT · [email protected] MÜNCHEN · GANGHOFERSTRASSE 33 · 80339 MÜNCHEN · DR. CHRISTOPHER MELMS, RECHTSANWALT · [email protected] NÜRNBERG · OSTENDSTRASSE 100 · 90482 NÜRNBERG · CHRISTOF KÜHL, RECHTSANWALT · [email protected] BEIJING · BERLIN · BRÜSSEL · DÜSSELDORF · FRANKFURT AM MAIN MOSKAU · MÜNCHEN · NÜRNBERG · SHANGHAI · ST. PETERSBURG WWW.BEITENBURKHARDT.COM 06/2015 FRANKFURT · WESTHAFEN TOWER · WESTHAFENPLATZ 1 · 60327 FRANKFURT AM MAIN · DR. THOMAS DROSDECK, RECHTSANWALT · [email protected]
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