Inhalt >> Überraschung...! MARKTKOMMENTAR

Nr. 11 · November 2015
MARKTKOMMENTAR
Überraschung...!
Die Zentralbanken geben
im Kampf gegen Deflation
ihr Bestes und so überraschen sie uns dieser Tage
immer wieder aufs Neue.
Aber ist Deflation überhaupt
so schlimm oder wird sie
nur so dargestellt?
Inhalt >>
>> Überraschung...!
>> Makroökonomischer Ausblick
>> Positionierung des Ethna-AKTIV
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ethenea.com
Nr. 11 · November 2015
MARKTKOMMENTAR
Überraschung...!
Die Zentralbanken geben im Kampf gegen Deflation ihr Bestes und so überraschen
sie uns dieser Tage immer wieder aufs Neue. Aber ist Deflation überhaupt so
schlimm oder wird sie nur so dargestellt?
Vor etwa einem Jahr zeigte sich Yves Mersch, Mitglied des
EZB-Direktoriums, bei einem Abendessen in Zürich erstaunt darüber wie einfach es sei, die Marktteilnehmer zu
überraschen. Einige Monate später legte die EZB ihr Anleihekaufprogramm auf: die quantitative Lockerung (QE) für
den Euroraum. Auf der letzten EZB-Pressekonferenz verblüffte Mario Draghi die Marktteilnehmer erneut mit seiner
impliziten Ankündigung, dass noch im Dezember dieses Jahres eine neue Liquiditätsrunde und vielleicht sogar noch mehr
kommen könnte. Wenn man sich die Marktreaktionen unmittelbar nach der Pressekonferenz ansieht, kann man durchaus
sagen, dass die Marktteilnehmer überrascht waren: Aktien und
Staatsanleihen legten zu, während der Euro deutlich schwächer
wurde. Herr Mersch hat also nicht ganz Unrecht.
Einen Tag nach der EZB überraschte die Chinesische Volksbank ebenfalls die Marktteilnehmer, als sie die Leitzinsen für
die Kreditvergabe und Spareinlagen und den Mindestreservesatz senkte. Die Aktien- und Rohstoffmärkte reagierten
positiv auf diese gelockerten geldpolitischen Bedingungen.
Eine Woche später entschied sich die Bank of Japan, ihren
geldpolitischen Kurs beizubehalten und räumte ein, dass die
Inflation deutlich unter ihrem Zielwert geblieben war und
sich die Konjunktur im Vergleich zur letzten Bewertung
abgeschwächt hatte. Die Fed ihrerseits leitete am 28. Okto-
ber keine Zinswende ein, sondern ließ die Anleger in der
Erwartung einer ersten Zinserhöhung im Dezember... oder
auch nicht. Der Oktoberbericht des Offenmarktausschusses
(FOMC) eröffnete erneut die Möglichkeit einer Zinserhöhung
im Dezember, da die internationalen Entwicklungen – sprich
China – für das US-Wachstum keine große Hürde mehr seien.
Im einen Monat heißt es ja, im nächsten nein – Forward
Misguidance, worüber wir in unserem letzten Marktkommentar1 berichtet haben, hat weiter Bestand. Wir gehen
davon aus, dass die Fed die Zinsen in diesem Jahr nicht
mehr erhöhen wird, weil die Inflation weiterhin niedrig und
der US-Dollar stark ist. Die neuen Kommentare der FOMCMitglieder und die anhaltende Dynamik am Arbeitsmarkt
sowie die Tatsache, dass die Verlangsamung der chinesischen
Konjunktur die globalen Märkte wieder weniger zu beunruhigen scheint, lassen Anfang November aber ein anderes
Bild zu und wir halten eine erste Zinserhöhung in diesem Jahr
mittlerweile für wahrscheinlich.** Sollte sie diesen Schritt
machen, wäre sie die einzige Zentralbank, die in diesem Jahr
ihre Geldpolitik strafft und damit ihre ohnehin schon teure
Währung noch weiter stärkt. Laut der letzten verfügbaren
Umfrage (von September) sind 13 der 17 FOMC-Mitglieder
der Meinung, dass eine geldpolitische Straffung noch 2015
stattfinden sollte. Bleibt die Federal Funds Rate jedoch
unverändert, wäre dies besonders für die FOMC-Mitglieder
selbst eine Überraschung, weniger aber für die Marktteil-
** Anmerkung der Redaktion Anfang November
1
Lesern, die sich über die Forward Misguidance der Fed informieren möchten, empfehlen wir unseren letzten Marktkommentar von Oktober, mit dem Titel System Error.
ETHENEA | Marktkommentar
No. 11 · November 2015
nehmer, von denen es einige eigentlich immer noch für wahrscheinlicher halten, dass die erste Zinserhöhung erst im
kommenden Jahr stattfinden wird. In jedem Fall würde
es bedeuten, dass die lockere Zinspolitik weiter bestehen bleibt.
Summa summarum: EZB, Bank of Japan, Chinesische Volksbank, Fed und die Schwedische Reichsbank, die ihr Anleihekaufprogramm ausgeweitet hat, haben ihre expansive Geldpolitik beibehalten bei gleichzeitig unterschiedlichen Ausprägungen
ihres Zweifelns. Niedrige Zinsen und reichlich Liquidität
finden bei den Marktteilnehmern zwar Anklang, doch sind
sie nun gute oder schlechte Überraschungen?
was Anleihen angeht, halten Unternehmensanleihen auf Einzeltitelbasis noch für attraktiv und sind vorsichtig optimistisch
gegenüber Aktien. Nichtsdestotrotz bleiben wir auf der Hut vor
möglichen größeren Korrekturen.
Das D-Wort
Zweifelsohne sind all das schlechte Überraschungen, denn
wenn man einem Patienten eine zusätzliche Dosis Medizin
verabreicht, lindert dies zwar erst einmal seine Schmerzen,
aber es bedeutet eben auch, dass sich sein Gesundheitszustand
verschlechtert hat. Eine gute Überraschung wäre, wenn der
Patient keine Medikamente mehr braucht, weil er wieder gesund ist. Unser Portfolio Manager Peter Steffen sieht eine starke
Diskrepanz zwischen den wirtschaftlichen Fundamentaldaten
und der Marktperformance. Doch wer kann den LiquiditätsSchnellzug aufhalten? Wenn er durch die Finanzmärkte rast,
sorgt der Fahrtwind jedenfalls für neue Hochs.
Bevor wir diese Frage beantworten, werfen wir zunächst
einen Blick auf den Markt. Überraschungen haben in allen
Marktbereichen beträchtliche Reaktionen hervorgerufen. Grafik 1 zeigt die Auswirkung von Mario Draghis Ankündigung
auf den Wechselkurs des US-Dollar gegenüber dem Euro.
Der Effekt ist unserer Meinung nach recht beachtlich, und,
wenn auf Draghis Worte auch Taten folgen, dann kommt im
Dezember noch mehr. Die Fed macht womöglich das genaue
Gegenteil, falls sie im Dezember tatsächlich als erste große
Zentralbank nach der globalen Finanzkrise die Zinsen anhebt.
Wir hielten Letzteres bei Erstellung dieses Marktkommentars
zwar für nicht sehr wahrscheinlich, haben unsere Meinung
angesichts des erneuten Umschwungs der Fed-Kommunikation
Anfang November jedoch revidiert.** Aber auch die EZBMaßnahmen alleine dürften den EURUSD-Wechselkurs
schon weiter in Richtung Parität drücken. Die zusätzliche
Lockerung (wobei Lockerung bei negativen Zinssätzen eigentlich nicht richtig klingt) dürfte trotz Abkopplung den Risikoanlagen weiter Auftrieb geben. Wir werden später noch näher
darauf eingehen. Aus diesem Grund bleiben wir zuversichtlich
Das europäische QE-Programm wurde im März 2015 aufgelegt
und soll noch bis mindestens September 2016 andauern. Nun
ist November 2015. Die Medizin wurde erst zur Hälfte verabreicht, doch schon jetzt wurde eine Extradosis verschrieben.
Schaut man sich die makroökonomischen Indikatoren an, ist
es allerdings gar nicht so offensichtlich, dass eine weitere Lockerung überhaupt nötig ist. Für die Eurozone wird für dieses
und nächstes Jahr ein Wachstum von etwa 1,5 % erwartet. Das
ist mehr als die potenzielle Wachstumsrate und dürfte somit
ausreichen, um die Produktionslücke langsam zu schließen
und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren (Grafik 2). Auch der
Kreditkanal – der wichtigste Transmissionsmechanismus der
Geldpolitik – verbessert sich. Was sind also die Gründe für
diese therapeutische Eigensinnigkeit?
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GDP growth
Source: Bloomberg, ETHENEA
Unemployment rate (rhs)
Source: Bloomberg, ETHENEA
Grafik 1: Der EURUSD-Wechselkurs schwankt im Verlauf der EZBPressekonferenz*
Grafik 2: Wachstum und Arbeitslosigkeit im Euroraum auf langsamem
Erholungskurs
** Anmerkung der Redaktion Anfang November
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ETHENEA | Marktkommentar
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CH GDP
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1998 1999 2000 2002 2003 2005 2006 2007 2009 2010 2012
2015
CH CPI
JP GDP
JP CPI
Source: Bloomberg, ETHENEA
Grafik 3: Wirtschaftswachstum trotz Deflation in der Schweiz und Japan stellt Deflationsangst in Frage
Erstens haben Zentralbanken das Mandat der Preisstabilität
erhalten. Im Falle der EZB bedeutet dies eine Inflationsrate
nahe, aber unter 2 %. Um Mario Draghi auf der letzten
Pressekonferenz zu zitieren: „Nun, es ist ganz klar, dass die
Glaubwürdigkeit einer Zentralbank an ihrer Fähigkeit gemessen wird, ihr Mandat zu erfüllen, und dazu kann grundsätzlich
jedes Instrument genutzt werden.“2 Dies ist eine Abwandlung
des berühmt-berüchtigten Whatever-it-takes-Statements und
ein klares Zeichen, dass die EZB fest entschlossen ist, ihr
Mandat zu erfüllen.
Schulden, hohen Realzinsen, aufgeschobenem Konsum und
Gewinneinbußen von Unternehmen. Eine wissenschaftliche
Publikation von Anfang des Jahres beleuchtet ihrerseits die
Kosten der Deflation3 aus historischer Sicht. Dabei werden
bis zu 38 Länder über die letzten 140 Jahre abgedeckt. Die
Schlussfolgerung des Werks steht im Widerspruch zur allgemeinen Auffassung: Deflation geht selten mit einer Rezession
einher. Nehmen wir die Beispiele der Schweiz und Japans. In
der Schweiz herrscht seit 2011 Deflation. Die Verbraucherpreise
sind dort in den letzten vier Jahren um über 3 % gesunken, aber
das BIP ist im selben Zeitraum um jährlich 1,5 % gewachsen. In
Japan wiederum sind die Verbraucherpreise zwischen 1998 und
2012 um 4,5 % gesunken, während das BIP im selben Zeitraum
um durchschnittlich 0,6 % pro Jahr gewachsen ist (Grafik 3).
Zweitens haben zwar nur wenige von uns die Große Depression überhaupt erlebt, doch im kollektiven Gedächtnis
ist sie heute immer noch lebendig. Deflation wird allgemein
mit den finstersten Momenten der modernen Geschichte in
Verbindung gebracht, mit Massenarbeitslosigkeit und langen
Schlangen vor Suppenküchen. Auf der letzten Pressekonferenz
der EZB erläuterte EZB-Vize Vítor Constâncio ausführlich die
Gefahren der Deflation. Er sprach von der Deflationsspirale für
Vereint gegen die Deflation
Die Zentralbanken haben inmitten der globalen Finanzkrise
Mut bewiesen und dafür sind wir dankbar. Heute wird ihr Ziel,
Inflation um jeden Preis herbeizuführen, in Frage gestellt. Die
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1969 1970 1972 1973 1975 1976 1978 1980 1981 1983 1984 1986 1988 1989 1991 1992 1994 1995 1997 1999 2000 2002 2003 2005 2007 2008 2010 2011 2013 2014 2016
IMF World inflation
IMF Advanced economies inflation
Source: Bloomberg, ETHENEA
Grafik 4: Globale Inflation auf historischem Tief
Freie Übersetzung aus dem Englischen “Well, let me state quite clearly that the credibility of a central bank is measured by its ability to comply with its mandate and to this extent any instrument could be potentially used”; Nachzulesen unter: http://www.ecb.europa.eu/press/pressconf/2015/html/is151022.en.html
3
Quelle: http://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1503e.htm
2
4
ETHENEA | Marktkommentar
No. 11 · November 2015
Marktpreise hängen tatsächlich mehr von Ankündigungen, Versprechen und Maßnahmen der Zentralbanken ab als von Entwicklungen des Konjunkturzyklus. Eine gewisse Diskrepanz
ist überall zu sehen.
Deflation nicht mit einer Depression oder zumindest mit einer
Rezession einhergeht, warum sollte man dann Deflation um
jeden Preis vermeiden? Zu niedrige Zinssätze und reichlich
Liquidität führen zu Fehlallokationen von Kapital. Es werden
nicht nur zu hohe Risiken eingegangen, weil diese unterschätzt
werden; auch wird die Suche nach einer angemessenen Rendite zur Obsession, wodurch das Finanzgebäude ins Wanken
gerät. Wenn die Deflation ihren Ursprung in allererster Linie
in einem Missverhältnis zwischen globalem Angebot und der
Nachfrage nach Rohstoffen und Produktionsgütern findet
sowie in einem globalen Überangebot an Arbeitskräften
und einer breiten technologischen Revolution, die unser
Leben verbessert, dann ist Geldpolitik ein schlechtes und
womöglich gefährliches Mittel zur Bekämpfung ebenjener.
Während aufeinander abgestimmte Maßnahmen eine Option
zur Bekämpfung von Lowflation sein könnten, erscheint eine
Ausweitung des europäischen QE und eine mögliche weitere
Senkung der Zinsen in den negativen Bereich eher gewiss.
Am 3. Dezember werden wir einen weiteren D-Day erleben,
wobei das D für Draghi und Diskrepanz steht. Wir freuen uns
zwar aus Investmentsicht auf dieses Ereignis, bleiben aber wie
immer vorsichtig.
Zudem ist die mangelnde Kooperation zwischen den Zentralbanken alles andere als förderlich. Da praktisch alle modernen
Zentralbanken das Inflationsmandat innehaben und Lowflation
ein globales Phänomen ist, würde die Kooperation jener
wahrscheinlich ein besseres Ergebnis erzielen. Nach Berechnungen des IWF lag die weltweite Inflation im September bei
2,3 % (0,0 % in den Industrieländern) – der niedrigste Wert
(abgesehen von einigen Monaten in 2009) seit Beginn
der Statistik im Jahr 1969 (Grafik 4). Es ist noch nicht
lange her, dass die großen Zentralbanken ihre Maßnahmen
aufeinander abgestimmt haben, um ihre Wirkungskraft zu
maximieren. 2008 senkten sechs Zentralbanken (Fed, EZB,
Bank of Canada, Bank of England, Schweizerische Nationalbank und Riksbank) die Zinsen.4 2011 wiederum stellte eine
andere Gruppe aus sechs Zentralbanken (Fed, EZB, Bank of
Canada, Bank of England, Schweizerische Nationalbank und
Bank of Japan) umfangreiche Notkredite in US-Dollar für
Banken bereit.5 Warum kooperieren die Zentralbanken nicht
erneut, um Deflation zu bekämpfen, wie es ihr Mandat vorgibt?
Alle vereint gegen die Deflation – das wäre ein starkes Motto.
Stelle man sich nur einmal vor, dass die großen Zentralbanken
denselben Negativzins festlegen und eine globale quantitative
Lockerung umsetzen, deren Umfang dem Anteil ihres jeweiligen BIP entspricht. Es würde ein maximaler Effekt erzielt, und
Asymmetrien in der Geldpolitik würden verschwinden, die den
Nährboden bieten für eine Beggar-thy-Neighbour-Politik6 im
Sinne eines Währungskrieges.
Die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken wird an ihrer
Fähigkeit gemessen, ihr Mandat zu erfüllen, aber auch an
ihrer Fähigkeit, Anleger, Verbraucher und Exporteure davon
zu überzeugen, dass sie alles unter Kontrolle haben. Am 15.
Januar 2015 verlor beispielsweise die Schweizerische Nationalbank – der man ein enorm hohes Vertrauen entgegen gebracht
hatte – die Kontrolle über ihre Währungspolitik, wodurch ihre
Fähigkeit, die Geldpolitik bei beibehaltenem Kurs steuern zu
können, beeinträchtigt wurde.
In diesem Zusammenhang wäre eine Zinserhöhung durch
die Fed im Dezember sehr aufschlussreich, denn sie würde
bedeuten, dass die US-Wirtschaft über den Berg und die Fed
unabhängig, aber unkooperativ ist. Würde hingegen doch keine
Zinserhöhung stattfinden, dann wüssten wir zwar nicht, ob sie
kooperativ ist, aber wir wüssten, dass die Fed nicht unabhängig
ist, da sie nicht alleine gegen den Strom der geldpolitischen
Lockerung schwimmen will.
Autoren >>
Des Weiteren wirft die zuvor erwähnte Publikation über die
Kosten von Deflation eine fundamentale Frage auf: Wenn
Guido Barthels
Yves Longchamp, CFA
Portfolio Manager, CIO
Head of Research
ETHENEA Independent Investors S.A.
ETHENEA Independent
Investors (Schweiz) AG
Quelle: http://www.nytimes.com/2008/10/09/business/09fed.html?_r=1&
Quelle: http://www.wsj.com/articles/SB10001424052970204012004577069960192509068
6
Der Begriff Beggar-thy-Neighbour bezeichnet den Versuch „den Nachbarn auszuplündern“ oder „den Nachbarn anzubetteln“. Gemeint sind wirtschaftspolitische Maßnahmen eines Landes, die durch Steigerung der Exporte unter gleichzeitiger Hemmung von Importsteigerungen im Inland das Einkommen und/oder die Beschäftigung erhöhen sollen;
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Beggar-thy-Neighbor-Politik
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ETHENEA | Marktkommentar
No. 11 · November 2015
Makroökonomischer
Ausblick >>
Die wirtschaftlichen Daten vermitteln weiterhin ein Bild von
einer geteilten Welt mit einem starken Dienstleistungssektor
und einer Abschwächung im Produktions- und Bergbausektor.
Die Industrieproduktion in Japan, Deutschland, China und
den USA ist seit Jahresanfang leicht zurückgegangen. Diese
Veränderung wird auch durch den langsamen Rückgang des
globalen ISM-Einkaufsmanagerindex auf 50,6 Punkte im
September bestätigt (Grafik 5). In den USA gingen die Bestellungen für langlebige Güter zurück, was auf einen Rückgang
der Investitionstätigkeit hindeutet. Die Kapazitätsauslastung
ist ebenfalls zurückgegangen. Dennoch wies das BIP der USA
im 3. Quartal außer im Bergbausektor keinen Rückgang der
Investitionstätigkeit auf. In Europa sind die Daten aus dem
Produktionssektor ermutigender. Vor allem in Spanien, Italien und Frankreich verbessert sich die Auftragslage wieder.
Deutschland dagegen weist weitgehend unveränderte Auftragsbestände auf. Die deutschen Exporte nach China sind
zurückgegangen, während sich die Exporte in die Eurozone
besser behaupten konnten.
Besonders auffällig ist der Unterschied im Dienstleistungssektor. Die Indikatoren weisen sowohl in Europa als auch
in den USA weiter auf ein solides Wachstum hin, Anzeichen
für eine Beschleunigung gibt es aber nicht. Die Indikatoren
für das Verbrauchervertrauen sind insgesamt ermutigend,
was auch mit der breiten Erholung auf dem Arbeitsmarkt in
Einklang steht. Verbraucherkredite unterstützen in beiden
Volkswirtschaften die Ausgaben der Privathaushalte.
In China belastet offensichtlich vor allem der aufgeblähte
Produktionssektor das Wirt­schaftswachstum, während der
Konsum die Konjunktur davor bewahrt, dass sie sich zu schnell
abkühlt. Da die Löhne kontinuierlich steigen und die Sparquote
mittlerweile rückläufig ist, steigen die Einzelhandelsumsätze
leicht an, während die Industrieproduktion von staatlichen
Stützungsmaßnahmen profitiert. Die Kredite an Haushalte und
Verbraucher wachsen überdurchschnittlich, und angesichts eines BIP-Anteils des privaten Konsums von unter 40 % (weniger
als in Indien, Russland oder Brasilien) ist hier noch reichlich
Aufwärtspotenzial vorhanden.
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US ISM Manufacturing
Global Manufacturing PMI
Source: Bloomberg, ETHENEA
10/2014
04/2015
10/2015
US ISM Non-Manufacturing
Source: Bloomberg, ETHENEA
Grafik 5: Abwärtstrend beim globalen PMI
Grafik 6: In den USA herrscht eine offensichtliche Zweiteilung zwischen
den ISM-Indizes für den Produktionssektor und den übrigen Sektoren
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ETHENEA | Marktkommentar
No. 11 · November 2015
In den übrigen Regionen Asiens, wo die Industrieproduktion
in hohem Maße von der Exportnachfrage abhängig ist, ist die
Abschwächung im Produktionssektor noch ausgeprägter als im
Westen. Der Investitionsstopp im Rohstoffsektor, eine sinkende
Nachfrage sowie eine zunehmende Importsubstitution in China stellen für die lokalen Produktionsunternehmen starke Belastungen dar. Mit einer stabilisierenden Unterstützung durch
den Konsum kann dort nicht gerechnet werden. Der private
Konsum ist schwach, und die geldpolitische Lockerung dürfte
die Lage kaum verbessern, denn hohe Verschuldungsquoten
verhindern, dass die niedrigen Zinsen für neue Kreditaufnahmen genutzt werden. Zudem belastet die Abschwächung
der Währungen die Verbraucher. Das Beispiel Japans spricht
Bände: Die Abwertung brachte zwar den Unternehmen Gewinne, konnte das Wachstum des exportabhängigen Produktionssektors aber nicht nachhaltig beleben. Hinzu kommt, dass
die Verbraucher zusätzlich zur Mehrwertsteuererhöhung nun
auch noch unter höheren Importpreisen leiden. Daher sind es
derzeit überwiegend chinesische Touristen, die in Tokio, Kuala
Lumpur und Hongkong auf Shopping-Tour gehen.
Alles in allem zeigen die vorliegenden Konjunkturdaten, dass
sich die Aktivität im Produktionssektor weiter abgeschwächt
hat und der Dienstleistungssektor wahrscheinlich an einem
zyklischen Wendepunkt angekommen ist. Nach unseren hauseigenen Indikatoren für die Konjunkturdynamik weisen die
Eurozone und die USA insgesamt eine zunehmende Aktivität
auf, die sich allerdings auch gleichzeitig verlangsamt
Autor >>
Yves Longchamp, CFA
Head of Research
ETHENEA Independent Investors (Schweiz) AG
7
ETHENEA | Marktkommentar
No. 11 · November 2015
Positionierung des
Ethna-AKTIV >>
Nach der hohen Marktvolatilität in September, verursacht
durch die Abschwächung in China und die Entscheidung der
Fed, ihre erste Zinserhöhung zu verschieben, hat sich der Staub
im Oktober etwas gelegt. Mit der Aussicht auf eine länger
andauernde Lockerung in Europa zogen die Aktienindizes
wieder an, und der S&P hat mittlerweile fast wieder sein
Allzeithoch von Juli/August erreicht. Das starke Engagement
US-amerikanischer Verbraucher an den Aktienmärkten hat
der Stimmung ebenfalls Auftrieb gegeben. Unter anderem
ließ es zuletzt den Consumer Sentiment Index der University of Michigan ansteigen. Auch im jüngsten Statement des
Offenmarktausschusses der Fed vom 28. Oktober war von
einem soliden Wachstum der Haushaltsausgaben und der
Unternehmensinvestitionen die Rede.
derzeit bei 26,8 % gegenüber 4 % im vergangenen Monat. In
unserer Sektorallokation sind wir weiterhin stark in Aktien
aus den Sektoren Gesundheit, Technologie und Konsum investiert. Hintergrund sind die besondere Dynamik, die durch
Obamacare entsteht, der schnelle technologische Wandel und
die Verbrauchernachfrage nach Dienstleistungen und Luxusgütern sowie eine allgemeine Stimmungsaufhellung. Darüber
hinaus halten wir das defensive Profil dieser drei Sektoren für
attraktiv, da es die Abwärtsrisiken im Falle unerwarteter negativer Entwicklungen auf makroökonomischer Ebene begrenzt.
Erwartungsgemäß bewegte sich der USD weiter in seiner Spanne von 1,05 bis 1,15 gegenüber dem EUR. Nachdem er Mitte
Oktober auf 1,15 gestiegen war, ließen ihn die zurückhaltenden
Äußerungen der EZB wieder auf 1,10 zurückfallen. Wie bereits
angedeutet, erwarten wir keinen weiteren Anstieg des USD,
halten es aber für wahrscheinlich, dass die Fed einen erneuten
Versuch unternehmen wird, ihre Währung zu schwächen, um
den Schwellenländern und der eigenen Wirtschaft zu helfen.
Angesichts der hohen Korrelation zwischen EURUSD und dem
Ölpreis würde ein schwächerer USD auch höchstwahrscheinlich einen Inflationsanstieg auslösen. Wir ziehen es deshalb
weiterhin vor, das Netto-USD-Exposure auf niedrigem Niveau
zu halten, bei 6,6 % zum Ultimo. Aufgrund unserer positiveren
kurzfristigen Einschätzung für Aktien und Anleihen haben wir
unsere Netto-Cashquote auf unter 10 % reduziert.
Angesichts der Ausweitung der Credit Spreads in den Vormonaten und der geringen Markttiefe verbesserten wir die
Rating-Struktur des Fixed-Income-Portfolios weiter, indem
wir in Anleihen mit AAA- und A-Rating umschichteten und
unsere Positionen in Anleihen mit Non-InvestmentgradeRating reduzierten. Dies führte zu einer Reduzierung der
durchschnittlichen laufenden Rendite um 0,19 % auf 3,96 %,
während das durchschnittliche Rating unverändert blieb. Wir
erwarten, dass die Fed angesichts der Stärke des USD, die
die USA und zahlreiche Schwellenländer belastet, bei ihren
geldpolitischen Entscheidungen auch die Geldpolitik der
EZB berücksichtigen wird. Wir sehen daher nur begrenztes
Potenzial für eine weitere Spread-Ausweitung und bevorzugen
weiter auf USD lautende Wertpapiere, die in unserem Portfolio
übergewichtet bleiben.
Autoren >>
Auf Aktienseite haben wir unser Netto-Exposure aufgrund der
lockeren Geldpolitik und der sich verbessernden Anlegerstimmung, die auf die schwindende Angst rund um China zurückzuführen ist, deutlich erhöht. Unsere Netto-Aktienquote liegt
Das Portfolio Management
Guido Barthels, Luca Pesarini, Daniel Stefanetti,
Peter Steffen, Arnoldo Valsangiacomo und Team
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ETHENEA | Marktkommentar
Ethna-AKTIV
% of Total NAV
8.9
Ethna-AKTIV
0.3
Currency
allocation
%
of Total
NAV
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0.0
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No. 11 · November 2015
0.0
4.0
A
BBB
34.1
AA
A
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CHF
BBB
NON IG
4.9
NON IG
26.8
Not rated
19.0
86.4
AAA
EUR
AA
Not rated
Equities
6.6
USD
Tactical reserve*
Equities
19.0
Equity Hedge
59.1
Tactical reserve*
Cash
Equity Hedge
2.0
Cash
1.9
GBP
0.0
Others
Others
19.7
* for potential direct investments
and derivatives in equities
0.1
JPY
Source: ETHENEA
0.1
Net
Gross
Source: ETHENEA
Grafik 7: Portfoliozusammensetzung des Ethna-AKTIV nach EmittentenRating*
Grafik 8: Portfoliozusammensetzung des Ethna-AKTIV nach Währungen*
Ethna-AKTIV
Bonds
% of Total NAV
Equities
* including 10 other countries
45.0
45
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30
25
20.7
20
15
10
5.8
4.6
5
4.1
3.1
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0.9
0.8
3.3
0.6
0
Source: ETHENEA
Grafik 9: Portfoliozusammensetzung des Ethna-AKTIV nach Herkunft*
Ethna-AKTIV
Bonds
% of Total NAV
16
Equities
* including 11 other sectors
14.4
14
12
11.9
10
8
6
4
2
8.0
6.6
6.1
5.9
4.9
4.4
3.9
3.8
3.6
2.9
2.9
1.8
1.4
1.3
1.2
1.0
0
Source: ETHENEA
Grafik 10: Portfoliozusammensetzung des Ethna-AKTIV nach Emittenten-Branche*
* Hinweis: Die Zahlenschreibweise in den Grafiken entspricht dem Englischen.
9
0.8
0.8
0.8
0.7
0.7
0.6
0.6
Herausgeber >>
(v.l.n.r.): Daniel Stefanetti, Guido Barthels, Luca Pesarini, Arnoldo Valsangiacomo, Peter Steffen und Yves Longchamp
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DEUTSCHER
LIPPER
FUND AWARDS 2015 WINNER
AUSTRIA
ÖSTERREICHISCHER
2011
2011
ÖSTERREICHISCHER
2011
1. Platz
1. Platz
1. Platz
Gemischte Fonds global,
konservativ, 3 Jahre
Gemischte Fonds global,
3 Jahre, konservativ
Gemischte Fonds Europa,
3 Jahre, ausgewogen
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P O W E R E D BY :
software-systems.at
P O W E R E D BY :
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Best Category EUR Cautious Allocation Belgium
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