title Der Standard issue 02/01/2016 page 15 "Das ist eine unglaubliche Abhängigkeit" Eine Landwirtschaft, die für den Export produziert, macht sich von den Weltmärkten abhängig, kritisiert der Vorreiter für Bio-Agrarwirtschaft, Werner Lampert. Er plädiert für Regionalität. "Für den Weltmarkt zu produzieren heißt, nicht mehr selbstbestimmt zu produzieren", meint Werner Lampert. Er spricht sich deshalb für die Entwicklung regionaler Konzepte in der Landwirtschaft aus. Foto:W. Lampert GesmbH INTERVIEW: JohannaRuzicka Standard:Regionale Produkte sind immer mehr gefragt. Die Konsumenten sagen in Umfragen, dass sieregional kaufen möchten. Ist regional das neue Bio? Lampert: Ich bin überzeugt, dass Produkte aus biologischer Landwirtschaft weitereine Zukunft haben und dass es in diesem Bereich keine konkurrenzierenden Modeströmungen gibt. Allerdings muss man "Bio" aus einer Art freischwimmenden Ebene herausnehmen. Man muss nachschärfen: Was kann man von einer nachhaltigen Landwirtschaft erwarten? Und da kommt die Regionalität ins Spiel. Dass wirbeispielsweise biologisches Soja aus Lateinamerika beziehen das ist zwar möglich, aber sicher nicht nachhaltig. Der Stellenwert von Regionalität muss sich beispielsweise auch auf die Futtermittelherkunft beziehen. * ausländischen Futtermitteln. Das ist eine unglaubliche Abhängigkeit. Wir haben ja nur deshalb Soja aus Südamerika, weil wir die Rodungen des Urwalds zulassen. Und der Regenwald ist unser aller Lunge! Es ist eine zunehmende Versklavung in den Soja-Anbaugebieten zu beobachten. Es gibt eine Pestizidproblematik, die für die Menschen bedrohlich wird. Der Fleischkonsum der Industriestaaten ist für all dies verantwortlich. Eigentlich unglaublich. Da sehe ich nur regionale Konzepte, die dem entgegenwirken könnten. IM " - - Standard: Regionalität wird also die wichtigste Eigenschaft von Bio? Lampert: Wenn man es genauer ansieht, ist Regionalität ein großer Wurf. Das heißt, in einer Region zu arbeiten. Aus der Region zu beziehen, was man braucht. Für den Bauern: das, was er selber am Hof nicht hat, aus der Region zu beziehen. Regionalität heißt also, dass dort gearbeitet und gelebt wird. Dass es dort die Arbeitsplätze gibt und die Wertschöpfung. Standard:Regionalität als Gegenentwurf zu einer industriell ausgerichteten Landwirtschaft? Lampert: Ja. Da wird nicht für anonyme Märkte gearbeitet. In der Region arbeiten konkrete Menschen für konkrete Märkte. Das ist meine Vorstellung. In einer biologischen Landwirtschaft kauft man die Futtermittel nicht in Südamerika zu auch nicht, wenn sie nachvollziehbar biologisch oder nicht gentechnisch verändert hergestellt wurden. - STANDARD: Das ist aber doch eine Abkehr von den Exportambitionen der traditionellen Landwirtschaft. Lampert: Zur Exportwirtschaft: Rund die Hälfte der in Österreich produzierten Milch geht in den Export. Für den Weltmarkt zu arbeiten heißt aber, den Preis nicht mitgestalten zu können, heißt oft, den schlechtesten Preis zu erzielen. Denn der Weltmarktpreis für Milch ist abhängig vom Wetter in Australien und von den Beziehungen zwischen Neuseeland und China. Standard:Nur für den Heimmarkt oder bestenfalls für Europa zu produzieren geht mit den riesigen Kapazitäten, die auch in Österreich aufgebaut worden sind, gar nicht. Lampert: Das ist ein Fehler. Diese Tendenz kommt daher, dass man vor 30, 40 Jahren knapp an Lebensmittel war. Deshalb dieser Drang, immer mehr zu produzieren. Doch diese konventionelle Lebensmittelerzeugung ist auf so vielen Ebenen abhängig: abhängig von der Erdölindustrie, abhängig von den Herstellern von Pestiziden und Düngemitteln. Abhängig von Saatgut. Und dazu kommt noch die Exportabhängigkeit von den Verbrauchern irgendwo in der Welt. Wo werden diese Menschen ihre Nahrung beziehen? Es wäre wichtig, Standard:Aber auch Bioprodukte sind ein Exportschlager. Lampert: Ja, Bioprodukte verkaufen sich gut. Die Fleisch- und Milchpreise, die man da erlösen kann, sind viel besser, und das treibt auch die Preise im Inland. Das hängt damit zusammen, dass Deutschland für den biologischen Landbau sehr wenig getan hat und in der ganzen Welt Bioprodukte einkaufen muss, um die Konsumentennachfrage zu bedienen. Standard: Von Europa mit seinen guten landwirtschaftlichen Böden? Lampert: Dieses Europa hat eine instabile Abhängigkeit von der Nachfrage aus dem Export entwickelt und geht mit diesen agrarischen Böden teilweise unverantwortlich um. Es wäre wichtig, dass wir eine Ernährungssouveränität schaffen, die wir in 30, 40 Jahren brauchen werden. Und das geht nach meiner Vorstellung nur mit Standard:Aber alle Prognosen sa- biologisch nachhaltigen, regionagen das Gegenteil. Dass die Nach- len Konzepten. Standard:Das heißt, Bioprodukte frage zunimmt... brauchen künftig mehr regionale Lampert: ich weiß. Aber nicht Standard:Aber sollte nicht der, der Standards? die Leistungssteigerung durch über die besseren Voraussetzungen Lampert: Ich denke, dass LebensDüngemittel, Pestizide und für agrarische Produktion verfügt mittel in 30, 40 Jahren knapp werMonokulturen wird die Mensch- so wieEuropa -, mehrproduzieren? den, weltweit, und dass wir mit heit ernähren. Das führt nur zur Lampert: Kommen wir zur Milch einem regionalen, biologisch ausAuslaugung der Böden und zurück: Noch einmal, der österrei- gerichteten Konzept schon heute macht unsere Lebensgrundlage chische Milchpreis wird nicht in gegensteuern sollten. Das ist eine kaputt. Das Dringendste ist, die Österreich oder in der EU ge- anspruchsvolle und facettenreiQualität der Böden zu steigern, macht, sondern er entsteht aus che Aufgabe. denn nur fruchtbare Böden wer- dem Verhältnis zwischen Neuseeden uns künftig ernähren kön- land und Australien mit China. So WERNER LAMPERT (69) hat zwei der nen. In den Prognosen wird auch einfach ist das. Für den Weltmarkt bekanntesten Biomarken Österreichs gesagt, dass bis Ende des Jahr- zu produzieren heißt, nicht mehr entwickelt: "Ja! Natürlich" (Rewe) und hunderts 200 Millionen Men- selbstbestimmt zu produzieren. "Zurück zum Ursprung" (Hofer). Der gebürtige Vorarlberger ist gelernter Kirschen ihre Heimatverlassen müssen, weil sie wegen des Klima- Standard:Wie ist es bei derFleisch chenrestaurator und jetztals Beraterfür wandels in ihrer Heimat den Bo- herstellung? nachhaltige und transparente Nahrungsden nicht mehr bestellenkönnen. Lampert: Die ist total abhängig von mittelproduktion tätig. dass wir eine Ernährungssouveränität schaffen, die wir in 30,40 Jahren brauchen werden. ... - - 1/1
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