Das ist eine unglaubliche Abhängigkeit

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Der Standard
issue
02/01/2016
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"Das ist eine unglaubliche Abhängigkeit"
Eine Landwirtschaft, die
für den Export produziert,
macht sich von den
Weltmärkten abhängig,
kritisiert der Vorreiter für
Bio-Agrarwirtschaft,
Werner Lampert. Er
plädiert für Regionalität.
"Für den Weltmarkt
zu produzieren heißt,
nicht mehr
selbstbestimmt
zu produzieren",
meint Werner Lampert.
Er spricht sich
deshalb für die Entwicklung
regionaler Konzepte in der
Landwirtschaft aus.
Foto:W. Lampert GesmbH
INTERVIEW: JohannaRuzicka
Standard:Regionale Produkte sind
immer mehr gefragt. Die Konsumenten sagen in Umfragen, dass
sieregional kaufen möchten. Ist regional das neue Bio?
Lampert: Ich bin überzeugt, dass
Produkte aus biologischer Landwirtschaft weitereine Zukunft haben und dass es in diesem Bereich
keine konkurrenzierenden Modeströmungen gibt. Allerdings muss
man "Bio" aus einer Art freischwimmenden Ebene herausnehmen. Man muss nachschärfen:
Was kann man von einer nachhaltigen Landwirtschaft erwarten?
Und da kommt die Regionalität ins
Spiel. Dass wirbeispielsweise biologisches Soja aus Lateinamerika
beziehen das ist zwar möglich,
aber sicher nicht nachhaltig. Der
Stellenwert von Regionalität muss
sich beispielsweise auch auf die
Futtermittelherkunft beziehen.
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ausländischen Futtermitteln. Das
ist eine unglaubliche Abhängigkeit. Wir haben ja nur deshalb
Soja aus Südamerika, weil wir die
Rodungen des Urwalds zulassen.
Und der Regenwald ist unser aller Lunge! Es ist eine zunehmende Versklavung in den Soja-Anbaugebieten zu beobachten. Es
gibt eine Pestizidproblematik, die
für die Menschen bedrohlich
wird. Der Fleischkonsum der Industriestaaten ist für all dies verantwortlich. Eigentlich unglaublich. Da sehe ich nur regionale
Konzepte, die dem entgegenwirken könnten.
IM
"
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Standard: Regionalität wird also
die wichtigste Eigenschaft von Bio?
Lampert: Wenn man es genauer ansieht, ist Regionalität ein großer
Wurf. Das heißt, in einer Region
zu arbeiten. Aus der Region zu beziehen, was man braucht. Für den
Bauern: das, was er selber am Hof
nicht hat, aus der Region zu beziehen. Regionalität heißt also, dass
dort gearbeitet und gelebt wird.
Dass es dort die Arbeitsplätze gibt
und die Wertschöpfung.
Standard:Regionalität als Gegenentwurf zu einer industriell ausgerichteten Landwirtschaft?
Lampert: Ja. Da wird nicht für anonyme Märkte gearbeitet. In der Region arbeiten konkrete Menschen
für konkrete Märkte. Das ist meine Vorstellung. In einer biologischen Landwirtschaft kauft man
die Futtermittel nicht in Südamerika zu auch nicht, wenn sie
nachvollziehbar biologisch oder
nicht gentechnisch verändert hergestellt wurden.
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STANDARD: Das ist aber doch eine
Abkehr von den Exportambitionen
der traditionellen Landwirtschaft.
Lampert: Zur Exportwirtschaft:
Rund die Hälfte der in Österreich
produzierten Milch geht in den
Export. Für den Weltmarkt zu
arbeiten heißt aber, den Preis
nicht mitgestalten zu können,
heißt oft, den schlechtesten Preis
zu erzielen. Denn der Weltmarktpreis für Milch ist abhängig vom
Wetter in Australien und von den
Beziehungen zwischen Neuseeland und China.
Standard:Nur für den Heimmarkt
oder bestenfalls für Europa zu produzieren geht mit den riesigen Kapazitäten, die auch in Österreich
aufgebaut worden sind, gar nicht.
Lampert: Das ist ein Fehler. Diese
Tendenz kommt daher, dass man
vor 30, 40 Jahren knapp an Lebensmittel war. Deshalb dieser
Drang, immer mehr zu produzieren. Doch diese konventionelle
Lebensmittelerzeugung ist auf so
vielen Ebenen abhängig: abhängig
von der Erdölindustrie, abhängig
von den Herstellern von Pestiziden und Düngemitteln. Abhängig
von Saatgut. Und dazu kommt
noch die Exportabhängigkeit von
den Verbrauchern irgendwo in
der Welt.
Wo werden diese Menschen ihre
Nahrung beziehen?
Es wäre wichtig,
Standard:Aber auch Bioprodukte
sind ein Exportschlager.
Lampert: Ja, Bioprodukte verkaufen sich gut. Die Fleisch- und
Milchpreise, die man da erlösen
kann, sind viel besser, und das
treibt auch die Preise im Inland.
Das hängt damit zusammen, dass
Deutschland für den biologischen Landbau sehr wenig getan
hat und in der ganzen Welt Bioprodukte einkaufen muss, um die
Konsumentennachfrage zu bedienen.
Standard: Von Europa mit seinen
guten landwirtschaftlichen Böden?
Lampert: Dieses Europa hat eine
instabile Abhängigkeit von der
Nachfrage aus dem Export entwickelt und geht mit diesen agrarischen Böden teilweise unverantwortlich um. Es wäre wichtig, dass
wir eine Ernährungssouveränität
schaffen, die wir in 30, 40 Jahren
brauchen werden. Und das geht
nach meiner Vorstellung nur mit
Standard:Aber alle Prognosen sa- biologisch nachhaltigen, regionagen das Gegenteil. Dass die Nach- len Konzepten.
Standard:Das heißt, Bioprodukte
frage zunimmt...
brauchen künftig mehr regionale
Lampert: ich weiß. Aber nicht Standard:Aber sollte nicht der, der Standards?
die Leistungssteigerung durch über die besseren Voraussetzungen Lampert: Ich denke, dass LebensDüngemittel, Pestizide und für agrarische Produktion verfügt mittel in 30, 40 Jahren knapp werMonokulturen wird die Mensch- so wieEuropa -, mehrproduzieren? den, weltweit, und dass wir mit
heit ernähren. Das führt nur zur Lampert: Kommen wir zur Milch einem regionalen, biologisch ausAuslaugung der Böden und zurück: Noch einmal, der österrei- gerichteten Konzept schon heute
macht unsere Lebensgrundlage chische Milchpreis wird nicht in gegensteuern sollten. Das ist eine
kaputt. Das Dringendste ist, die Österreich oder in der EU ge- anspruchsvolle und facettenreiQualität der Böden zu steigern, macht, sondern er entsteht aus che Aufgabe.
denn nur fruchtbare Böden wer- dem Verhältnis zwischen Neuseeden uns künftig ernähren kön- land und Australien mit China. So WERNER LAMPERT (69) hat zwei der
nen. In den Prognosen wird auch einfach ist das. Für den Weltmarkt bekanntesten Biomarken Österreichs
gesagt, dass bis Ende des Jahr- zu produzieren heißt, nicht mehr entwickelt: "Ja! Natürlich" (Rewe) und
hunderts 200 Millionen Men- selbstbestimmt zu produzieren.
"Zurück zum Ursprung" (Hofer). Der gebürtige Vorarlberger ist gelernter Kirschen ihre Heimatverlassen müssen, weil sie wegen des Klima- Standard:Wie ist es bei derFleisch
chenrestaurator und jetztals Beraterfür
wandels in ihrer Heimat den Bo- herstellung?
nachhaltige und transparente Nahrungsden nicht mehr bestellenkönnen. Lampert: Die ist total abhängig von mittelproduktion tätig.
dass wir eine
Ernährungssouveränität
schaffen, die wir in
30,40 Jahren
brauchen werden.
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