Text 4 – Hilfen: Zehn Jahre lang lagen die Griechen bereits vor Troja

Text 4 – Hilfen:
Zehn Jahre lang lagen die Griechen bereits vor Troja und noch war es ihnen nicht geglückt,
sich dieser Stadt zu bemächtigen.
• zehn Jahre lang: Während der Ablativ Punkte in Raum und Zeit bezeichnet, verweist
der Akkusativ auf räumliche und zeitliche Ausdehnung; entsprechend wird zehn Jahre
lang mit dem Accusativus Durativus (BS 359) übersetzt. Eine Verstärkung mit per ist
möglich aber nicht notwendig.
• lagen vor Troja: bezeichnet hier den kriegerischen Akt im Sinne von belagern. Cäsar
bietet eine ganze Reihe passender Verba: obsidere, circumsedere, circumsistere,
oppugnare etc.
• war ihnen nicht geglückt: glücken, gelingen etc. wird übersetzt mit succedere (nulla
res succedit) oder contingere mit ut und Konjunktiv (contigit ei, ut ter triumpharet).
Für die Konstruktion ist zu beachten, dass succedere lediglich Nominative binden
kann (etwas gelingt), während contingere mit dem Nebensatz fähig ist, wesentlich
komplexere Sachverhalte abzubilden (es gelingt, etwas zu tun).
Auf beiden Seiten war bisher unter dem sichtbaren Beistande von Göttern, welche es mit der
einen oder der anderen Partei hielten, auf das heftigste gestritten worden.
• auf beiden Seiten: dem Ausdruck von bzw. auf beiden Seiten entspricht das
Lateinische utrimque (Akkusativbildung von uterque). Es ist aber auch möglich zu
paraphrasieren; beide Seiten kämpften etc..
• unter dem sichtbaren Beistande von Göttern: ist deutscher Nominalstil und sollte
nach Möglichkeit in einfache Handlungen aufgelöst werden: Während die Götter
beistanden / halfen (adiuvare, auxiliari, adesse etc. bieten sich an). Das Wort sichtbar
kann zwar seinerseits wieder durch Passivkonstruktionen (videri) ersetzt werden,
doch droht der Gesamtausdruck dadurch eher umständlich zu werden: Adverbien
wie aperte, palam und manifesto genügen.
• mit der einen oder der anderen Partei: hier hält das Lateinische als eigenen Ausdruck
das Pronominaladjektiv alteruter (der eine oder der andere) bereit. Dekliniert wird,
indem beide Teile einzeln (dann getrennt geschrieben) flektiert werden, also: alter
uter, alterius utrius, usw. oder in Zusammenschreibung, wobei nur der hintere Teil
dekliniert wird, also: alteruter, alterutrius, usw.. Natürlich kann auch umschrieben
werden, etwa im Stil von; von welchen die einen zu diesen, die anderen zu jenen
hielten (Vgl. dann die Setzung von alter-alter bzw. hic und ille).
• zu jemandem halten: verweist, wie oben schon, auf die Wortgruppe um beistehen,
helfen etc. – wer etwas Varianz möchte, kann in diesem Teil eher den Aspekt der
Sympathie bzw. der positiven Gesinnung (statt jenem der tatkräftigen Unterstützung)
betonen; alicui favere wäre eine solche Möglichkeit.
Ja die Tapfersten hatten sich nicht nur in zahlreichen Kämpfen mit ebenbürtigen Gegnern
gemessen, sondern bei ihrer Kampflust auch nicht gescheut, es mit noch so vielen Feinden
aufzunehmen.
• ja: Füllwörter dieser Art transportieren keinerlei Sinn und fallen in der Übersetzung
regelmäßig weg – wer dennoch ein lateinisches Äquivalent sucht, wählt quidem.
• die Tapfersten: eine weitere Möglichkeit, das Ja zu interpretieren liegt in einer
möglichen Verbindung mit dem Superlativ; Ja die Tapfersten hieße dann: Gerade die
Tapfersten (Im Sinne von: Je Tapferer sie waren, desto eher …). Hierfür verwendet das
Lateinische die Kombination aus Superlativ und quisque (wobei dem Singular dann
stets pluralische Bedeutung zukommt: improbissimus quisque miserrimus est heißt
demnach gerade die Schlechtesten sind am unglücklichsten – Vgl. BS 36)
• ebenbürtig: dem deutschen gleich im Sinne von ebenbürtig entspricht par mit Dativ.
In der Bedeutung ähnlich bzw. vergleichbar hingegen wird gleich mit similis und
Genitiv (Vgl. verisimilis – wahrscheinlich) übersetzt. Der Ausdruck hier kann auch
umschrieben werden, etwa durch; die ihnen an Kraft und Mut (vi atque virtute)
gleichkamen (adaequare)
• bei ihrer Kampfeslust: ist ein Nominalausdruck, der in Handlungen aufgelöst werden
sollte. Cäsar verwendet bei derlei Gelegenheiten häufig die Partizipien commotus,
permotus, adductus mit dem Ablativ (Bsp. cupiditate regni adductus Orgetorix novis
rebus studebat) – das lässt sich hier imitieren. Das Substantiv Kampfeslust ist recht
betrachtet nichts weiter, als die Lust bzw. das Verlangen (cupiditas) zu kämpfen –
welche Konstruktion muss folgerichtig im Lat. stehen?
• mit noch so vielen: noch ein umständlicher Ausdruck des Deutschen – was aber ist
eigentlich ausgesagt? Mit noch so vielen kann letztlich nur heißen: mit beliebig vielen
bzw. mit einer beliebig großen Zahl. Wer Schwierigkeiten mit dem beliebig groß
(quamvis magnum) hat, geht noch einen Schritt weiter und imitiert eine der
cäsartypischen quam-maximum-Konstruktionen; numerum quam maximum possent
• es mit jemandem aufnehmen: vereinfacht angreifen
Das Kriegsglück blieb so ziemlich gleich und so konnten die Griechen die Stadt durch Gewalt
nicht einnehmen.
• das Kriegsglück blieb so ziemlich gleich: ist im Grunde nur eine relativ ausladende
Formulierung eines einfachen Sachverhaltes: bei gleichem Kriegsglück. Das deutsche
gleich steht hier nicht in vergleichender Bedeutung (Vgl. oben: gleich als ebenbürtig
bzw. ähnlich), sondern ist absolut gedacht, also im Sinne eines gleichbleibend. In
solchen Fälle erfolgt die Übersetzung durch das lateinische aequus (das häufig auch
in der Bedeutung gerecht verwendet wird). Wer bei Kriegsglück an Fortuna (in
Großschreibung – denn gemeint ist nicht das abstrakte Glück, sondern vielmehr die
Glücksgöttin selbst!) denkt, liegt prinzipiell richtig; es geht aber noch präziser: Mars.
Deshalb beschlossen sie auf den Rat des Odysseus zu einer täuschenden List zu greifen.
• auf den Rat des Odysseus: der reine Ablativ (etwa consilio Ulixis) wäre zu wenig –
stattdessen tendiert das Lateinische dazu, Sachverhalte möglichst als Handlung
auszudrücken. Zwei Standardlösungen sind denkbar: zum einen kann nach obigem
Vorbild das Participium Coniunctum (commotus, permotus, adductus etc.) genutzt
werden, zum anderen sind Konstruktionen mit dem Abl. Abs. möglich (mit echtem
Partizip: Ulixe suadente oder mit Nomen: Ulixe auctore). Auch Nebensätze mit cum
und Konjunktiv sind legitim.
• täuschende List: Formulierung dieser Art sollten prinzipiell daraufhin geprüft werden,
ob nicht etwa ein Teil (hier das Adjektiv) ohne Verlust getilgt werden kann. Eine
täuschende List ist mithin nichts anderes als eine List (lat.: dolus) im gewöhnlichen
Sinne und eine Reduzierung allemal berechtigt. Es wäre aber auch möglich, den
überfrachteten Ausdruck durch eine angemessene Stilfigur wiederzugeben; in diesem
Fall mit einem Hendiadyoin – hierfür sind zwei bedeutungsgleiche Wörter zu suchen
und aneinanderzusetzen (Bsp. vi et arma / ops auxiliumque / orare atque obsecrare).
• zu einer List greifen: capere ist zunächst auf den Bereich des tatsächlichen An- und
Erfassens (auch geistiger Gegenstände), des Ergreifens bzw. Eroberns beschränkt.
Gleichsam sind aber auch übertragene (metonymische) Verwendungen wie consilium
capere (einen Plan fassen) recht häufig. Kann nun in Anlehnung daran der deutsche
Ausdruck wörtlich ins Lateinische (dolum capere) übertragen werden? Im Zweifel
bedürfte dies zumindest der Absicherung durch klassische Belege (Suche in der Latin
Library etc.). Wo dies zum Problem wird, sollte von einer wörtlichen Übertragung
abgesehen werden, um irrige Germanismen zu vermeiden! Zu einer List zu greifen ist
dann umzuwandeln in bedeutungsgleiche Ausdrücke; etwa in: eine List anwenden /
benutzen bzw. sich einer List bedienen – uti und adhibere bieten sich also an.
Sie zogen nämlich zum Scheine entmutigt nach Hause ab unter Zurücklassung eines großen
hölzernen Pferdes, in dessen Innern sie die auserlesensten ihrer Führer verborgen hatten.
• sie zogen zum Scheine entmutigt: bisweilen pflegt das Lateinische Handlungen
anders zu strukturieren als das Deutsche – dieser Satz gibt ein schönes Beispiel
hierfür. Hinter der Formulierung zum Scheine verbergen sich die Verben täuschen
bzw. vorgeben (nicht etwa videri – Vgl. hierzu: Zum Schein entmutigt abziehen und
scheinbar entmutigt abziehen). Wird diese Ebene der Handlung betont, so ergeben
sich sogleich klarere (und ins Lateinische übertragbare) Strukturen: Sie gaben vor
(simulare), entmutigt abzuziehen.
• unter Zurücklassung eines großen hölzernen Pferdes: auch hier gilt: Handlungen sind
möglichst auch als Handlungen (d.h. mit Verben) zu formulieren – der für das
Deutsche so typische Nominalstil ist dem Lateinischen fremd. Aus stilistischer Sicht
bleibt zu überlegen, ob die Handlung des Zurücklassens einfach auf der Ebene des
Hauptsatzes angegliedert (et reliquerunt) oder als Abl. Abs. ausgedrückt werden soll.
• das Innere: kann für diesen Sachverhalt konkretisiert werden: venter oder uterus
Anfangs nun schien den Trojanern dieser Abzug einer Flucht so wenig gleich, dass sie
vielmehr auf die Nachricht hiervon sich den Grund dieses Rückzuges nicht erklären konnten
und deshalb einen Hinterhalt befürchteten.
• anfangs: die Averbien primum und primo sind keinesfalls bedeutungsgleich; während
primum das erste Auftreten späterhin sich wiederholender Handlungen markiert
(zum ersten Mal), verweist primo auf den Beginn einer Kette unterschiedlicher
Handlungen (zuerst, anfangs, anfänglich etc.) – Vgl. RHH 111 / BS 144.3
• so wenig gleich: für gleich siehe oben Satz 3, Anm. ‘ebenbürtig‘. Das deutsche so
wenig kann nicht direkt übersetzt werden (tam minus wäre falsch) – es ist also
umzuformen. Die Aussage ließe sich beispielsweise als absolut interpretieren, im
Sinne eines: keineswegs gleich (minime simile). Es kann aber auch der Bezug betont
werden, im Sinne eines: derart gleich / zu einem solchen Maße gleich (adeo simile)
• auf die Nachricht hiervon: erneut ein Nominalblock, der in Handlungen (Partizipien,
asyndetische Aneinanderreihungen, cum-Sätze etc.) aufzulösen ist.
• sich den Grund nicht erklären konnten: vereinfacht keinen Grund erkannten / fanden
• deshalb: das kausale gedachte deshalb / deswegen kann zwar direkt mit qua re bzw.
quam ob rem etc. übersetzt werden, doch ist im Lateinischen die Folge tendenziell
eher als Haupthandlung, die Ursache eher als Nebenhandlung (d.h. im Nebensatz)
ausgedrückt. Sofern also nichts dagegen spricht, kann umformuliert werden: weil sie
keinen Grund erkannten, fürchteten sie (…)
• Hinterhalt: wie arma, liberi, castra, divitiae etc. zählt auch insidiae, arum zu den
lateinischen plurale tantum – Vgl. RHH 23.2,3 / BS 7
Aber ein gewisser Sinon, der von den Griechen dazu angestiftet worden war, wusste sie zu
überreden, die Mauern teilweise abzubrechen und das Pferd in die Stadt zu schaffen.
• aber: dient das deutsche aber dazu, einen echten Gegensatz auszudrücken, so steht
sed. In Fällen, in denen das aber lediglich für einen gewissen Wohlklang sorgt, kann
es im Lat. entfallen oder mit dem schwächeren autem übersetzt werden.
• ein gewisser: der Ausdruck hier hat nichts mit certus (gewiss im Sinne von sicher)
gemein, es handelt sich vielmehr um das Indefinitpronomen quidam.
• anstiften: passgenaue Lösungen bieten incitare oder corrumpere, doch sind auch
cäsartypische Umschreibungen mit permovere, commovere, adducere etc., denkbar.
• dazu: das im Deutschen so unscheinbare Wörtchen bereitet bei der Übersetzung
erhebliche Schwierigkeiten (zeigt aber zugleich auch eindrucksvoll, inwiefern das
Lateinische oftmals geradliniger ‘denkt‘ und formuliert): ad id ist als Übersetzung im
höchsten Maße fragwürdig und sollte daher mit etwaigen Vergleichsstellen (ad id
incitare, corrumpere, persuadere etc.) belegt werden. Typischer wäre es, den im dazu
gelegenen Gedanken durch einen Nebensatz – ut hoc (id) faceret – auszudrücken.
Doch bleibt auch diese Lösung vergleichsweise unbefriedigend; immerhin drückt sie
in etwa aus: Sinon, der dazu angestiftet worden war, dass er es tat, wusste sie zu
überzeugen, dass (…). Höchste Zeit also, den Gedanken sprachlich radikal zu
vereinfachen: der angestiftete Sinon überredete!
• wusste sie zu überreden: siehe oben: phraseologische Verben wie wollen, können,
wissen, suchen und lassen (Vgl.: Caesar ließ eine Brücke bauen – pontem fecit oder
Cäsar lässt die Pferde wegschaffen – equos removet) werden im Lat. nicht übersetzt:
er wusste sie zu überreden: eis persuasit
• teilweise: muros partim diruere ist als wörtliche Übertragung abzulehnen, da es auf
eine etwaige zweite Handlung verweist10 (etwa: teilweise rissen sie die Mauern ab,
teilweise errichteten sie sie neu); davon aber kann in diesem Satz keine Rede sein.
Vielmehr steht teilweise hier für ein nicht vollständig, also: Sie rissen einen Teil der
Mauern ab. Auf dem Höhepunkt sprachlicher Reflexion kann nun gefragt werden, auf
welcher der beiden Handlungen (Mauern abbrechen, Pferd hineinschaffen) eigentlich
der Fokus liegen, und ob nicht das Partizip aus stilistischen Gründen dem Prädikat
vorgezogen werden soll?
Nun kehrten die Griechen, welche nicht weit von der Küste entfernt in der Nähe der Insel
Tenedos vor Anker gegangen waren, zurück, überraschten die vollständig ahnungslosen
Trojaner und ermordeten sie.
• vor Anker gehen: für ankern, vor Anker liegen und Schiffsvokabular im Allgemeinen
siehe u.a. Bellum Gallicum Buch 3: in ancoris consistere
• überraschten die vollständig ahnungslosen Trojaner: die hier ausgedrückten
Handlungen (überrascht werden und vollkommen ahnungslos sein) beschreiben im
Grunde das Gleiche; ein Hendiadyoin also. Damit der Satz nicht von Prädikaten
(ankern, zurückkehren, überraschen, ahnungslos sein, töten) und Subjektswechseln
dominiert wird, kann dieser Teil in Partizipien bzw. Adjektive (inscius, inopinans)
ausgelagert werden. Was etwaige Vereinfachungen anlangt, gilt das bereits an
anderer Stelle Gesagte (Vgl. u.a. Satz 5, Anm. ‘täuschende List‘).
10
Cicero verwendet partim (Vgl. Latin Library) ausschließlich im Sinne mehrgliedriger Aufzählungen: partim (…)
partim (…) – seltener: partim (…) alius* (…). Für gewöhnlich werden auf diese Weise zwei bis vier Elemente
geordnet in extremen Fällen aber auch bis zu acht – Vgl. De Inv. II,55